Im Blickfeld

Illusion Mietvertrag

Das Interesse institutioneller Investoren an Einzelhandelsimmobilien ist größer denn je. Zwar machen laut einer aktuellen Umfrage von Feri Eurorating Einzelhandelsimmobilien nur 17,4 Prozent an den Immobilienanlagen institutioneller Investoren aus (Büro: 53,5 Prozent), doch in der Wunschliste stehen sie ganz oben - sogar noch vor den derzeit so beliebten Wohnungen. 28 Prozent der institutionellen Investoren wollen in diesem und im kommenden Jahr laut Feri verstärkt in Einzelhandelsimmobilien investieren.

Die Rahmendaten klingen verlockend: Langjährige Mietverträge mit 15 oder 20 Jahren Dauer plus eine oder zwei Verlängerungsoptionen von je fünf Jahren. Und die Mieter verfügen über beste Bonität. Das alles verspricht Sicherheit und lockt viele Investoren in das Segment des Einzelhandels. Doch die Sicherheit ist nicht selten trügerisch: Schließlich endet auch ein langer Mietvertrag irgendwann einmal, und wenn er ausläuft, ist es längst viel zu spät, um zu reagieren. Die Verlängerungsoption nützt dem Investor gar nichts, ganz im Gegenteil: Der Einzelhändler wird selbstverständlich von dieser Option nur dann Gebrauch machen, wenn er weiter an dem Standort bleiben und die Konditionen nicht verändern möchte.

Wer meint, man könne die Investition in eine Einzelhandelsimmobilie mit einer lang laufenden Anleihe vergleichen, die bequem sichere, laufende Erträge verspricht, der irrt sich. Gerade im Einzelhandel gibt es einen sehr raschen Änderungsprozess, und nur jene Formate überleben, die in der Lage sind, sich an die ändernden Konsumentenwünsche anzupassen. Im Rahmen des aktuellen Expertenpanels des Bundesinstitutes für Bau-, Stadt- und Raumforschung wurden 334 Immobilienexperten befragt. Ein wichtiges Ergebnis: Von allen Befragten im Gewerbesektor erteilten die Einzelhandelsakteure dem Revitalisierungsmarkt in dieser Befragung den stärksten Zuspruch. 60 Prozent erwarteten eine steigende Aktivität im Bereich Modernisierung, Sanierung und Refurbishment. Per Saldo ist das inzwischen sogar ein ebenso hoher Anteil an Befragten wie im Wohnungssegment.

Ein Beispiel für sich verändernde Kundenbedürfnisse ist der Online-Handel. Nicht nur in Segmenten wie Bücher, Multimedia, Elektronik, Schuhe und Bekleidung, sondern sogar im Lebensmitteleinzelhandel spielt das Internet eine immer größere Rolle. Zwar lassen sich die Konsumenten eher selten ihre Lebensmittel so wie Bücher per Online-Bestellung liefern, aber teilweise ist zu beobachten, dass sie online Lebensmittel aussuchen und bestellen und diese dann abholen. Auf solche Trends müssen sich Einzelhändler ebenso wie die Eigentümer von Einzelhandelsimmobilien einstellen.

Der eigentliche Wert, den ein Investor erwirbt, ist nicht etwa der Mietvertrag, sondern der Einzelhandelsstandort, der idealerweise durch die restriktive Genehmigungspraxis gegen unerwarteten Wettbewerb geschützt ist. Dies gilt jedoch keineswegs für alle Standorte, sondern vornehmlich für den großflächigen Einzelhandel. Handelsimmobilien sind in der Tat ein äußerst attraktives Investitionsziel, bedürfen jedoch eines aktiven Managements, um ihren Wert zu erhalten. Wer nur auf die vermeintliche Sicherheit eines langjährigen Mietvertrages mit einem bonitätsstarken Nutzer setzt, kann bitter enttäuscht werden. Lange bevor ein solcher Mietvertrag ausläuft, muss der Eigentümer reagieren und gegebenenfalls durch Revitalisierung, Modernisierung oder Sanierung die Immobilie zukunftsfähig machen.

Oliver Herrmann, Geschäftsführender Gesellschafter, Redos Real Estate GmbH, Hamburg

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