Schwerpunkt: Bewertungsfragen

Dynamische Bewertung von Flughafen-Immobilien

Über lange Zeit hinweg hatten sich Entwicklung und Management des Flächen- und Immobilienbestandes deutscher Flughäfen beinahe ausschließlich an den Erfordernissen des Flugbetriebes orientiert. Andere Nutzungen spielten in der Praxis und in den Planungen der Flughafenbetreiber allenfalls eine sekundäre Rolle, und ein umfassendes Konzept für die Entwicklung und Bewirtschaftung der vorhandenen Grundstücke und Gebäude existierte nicht oder nur ansatzweise.

Heute hingegen ist ein professionelles Immobilienmanagement aus dem Geschäft eines Flughafenbetreibers nicht mehr wegzudenken. Die große Bedeutung dieses Geschäftsfeldes ergibt sich aus der Wettbewerbssituation mit anderen Flughafenstandorten, denn die Bereitstellung geeigneter Flächen in ausreichender Menge und Qualität ist eine wesentliche Voraussetzung, um in diesem Wettbewerb erfolgreich bestehen zu können.

Dass das Passagier- ebenso wie das Luftfrachtaufkommen in den nächsten Jahren und Jahrzehnten steigen wird, steht außer Zweifel. Doch an diesem Wachstum werden nur jene Flughafenstandorte proportional oder überproportional partizipieren können, die rechtzeitig die dafür notwendigen Flächenkapazitäten aufgebaut haben. Dabei ist ein rein expansives Wachstum von Flughäfen in der Fläche nur sehr begrenzt möglich - und zudem auch relativ langwierig. Die Nutzungsintensivierung im Bereich der bereits vorhandenen Flächen gewinnt deshalb immer mehr an Bedeutung. Bestehende Nutzungen müssen kritisch daraufhin überprüft werden, inwieweit ihre meist historisch gewachsene Verteilung innerhalb des Flächenbestandes ökonomisch sinnvoll ist und ob sie durch bestimmte Maßnahmen optimiert werden kann.

Detaillierte Erfassung wertmäßiger Auswirkungen

Als Arbeitsgrundlage bedarf es hierfür einer wertorientierten Steuerung des Immobilienbestandes, die jederzeit Auskunft darüber geben kann, ob Werte geschaffen, erhalten - oder auch vernichtet werden. Eine solche wertorientierte Steuerung kann und darf sich nicht allein auf die Investitions- und Desinvestitionsentscheidungen über Gebäude oder Gebäudegruppen beschränken. Sie muss vor allem auch in der Lage sein, die während des Immobilienlebenszyklus anfallenden Ein- und Auszahlungen im Sinne einer klassischen Investitionsrechnung abzubilden und Aussagen über deren Einfluss auf die Wertentwicklung des betrieblichen Immobilienportfolios zu treffen.

Für jede einzelne Maßnahme beziehungsweise jedes Ereignis, das in irgendeiner Weise den vorhandenen Immobilienbestand betrifft, gilt es, die jeweiligen Auswirkungen auf den Wert des Immobilienportfolios festzustellen. Dass die Bedeutung dieses Aspekts kaum überschätzt werden kann, wird unter anderem am Verhältnis zwischen Anschaffungs- und Herstellungskosten einer Immobilie einerseits und den Erhaltungsaufwendungen andererseits deutlich. So ist für die im Laufe des Lebenszyklus einer Immobilie anfallenden Erhaltungsinvestitionen, Revitalisierungsmaßnahmen und Ähnliches insgesamt noch einmal etwa das Drei- bis Vierfache des ursprünglichen Kaufpreises beziehungsweise der Baukosten zu veranschlagen.

Kontinuierliche Wertermittlung auf Massendatenbasis

In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, auf welche Weise und zu welchem Zeitpunkt die für eine wertorientierte Steuerung erforderliche Immobili-en-Wertermittlung erfolgen soll. Im Fall des von der Fraport AG zu verwaltenden Immobilienbestandes am Flughafen Frankfurt am Main war schnell klar, dass eine gutachterliche Wertermittlung nach den in der Wertermittlungsverordnung vorgesehenen Verfahren dafür keine geeignete Basis bieten könne. Eine solche Wertermittlung erfolgt in der Regel fallweise auf Basis einzelner Beauftragungen, zudem ist jeweils ein gewisser zeitlicher Abstand zwischen Auftragserteilung und Fertigstellung des Gutachtens einzukalkulieren. Soll ein bestimmtes Objekt erneut bewertet werden, so müssen zunächst alle relevanten Daten für den Zeitraum seit Erstellung des letzten Gutachtens beschafft werden. Eine kontinuierliche Bewertung, die praktisch jederzeit abrufbare Ergebnisse produziert und die Auswirkungen von Investitionen im Bestand kurzfristig erfasst, ist auf diese Weise nicht möglich.

Darüber hinaus stellten sich im Falle der Fraport-Immobilien noch bestimmte praktische und methodische Probleme. So lässt sich beispielsweise für diesen speziellen Immobilienbestand faktisch kein Liegenschaftszins ermitteln, der für die Wertermittlung herangezogen werden könnte. Auch die Tatsache, dass das gesamte Flughafengelände nur in relativ geringem Umfang parzelliert ist und somit nur in wenigen Fällen (Erbpachtgrundstücke) eine Zuordnung einer Immobilie zu einem bestimmten Grundstück möglich ist, steht einer Bewertung nach dem Sachwert-, Vergleichswert- oder Ertragswertverfahren entgegen. Das Bedürfnis nach einer weniger statischen Betrachtung, die auch die laufenden Wertveränderungen erfassen kann, legte die Entscheidung für ein dynamisches Verfahren der Investitionsrechnung nahe. Auch die Tatsache, dass ein potenzieller Käufer die Discounted-Cash-Flow-Methode (DCF) nutzen würde, spielte dabei eine wichtige Rolle.

So wurde - zunächst nur für den zur Vermarktung bestimmten Teilbestand, später dann für sämtliche Objekte - eine Bewertung nach dem DCF-Verfahren vorgenommen. Es bezieht jeweils die gesamte Lebensdauer der betreffenden Immobilie mit ein und macht deutlich, wie sich bestimmte Maßnahmen auf die Barwerte der künftigen Ein- und Auszahlungen auswirken. Die hierfür erforderliche EDV-Plattform wurde gemeinsam mit Deloitte Real Estate Consulting entwickelt und basiert auf deren Immobilienmanagement Software "Innosys Dynamic". Sie erlaubt eine permanente, wertorientierte Steuerung des Immobilienportfolios auf Massendatenbasis. Aktuelle Ist-Werte können jederzeit mit den Soll-Werten der Unternehmensplanung verglichen und Abweichungen frühzeitig festgestellt werden.

Externer Markt als zentrale Benchmark

Wichtig ist in diesem Zusammenhang vor allem, dass die Bewertung aus externer Sicht, also anhand von am externen Markt ermittelten Preisinformationen und Kosten-Benchmarks, vorgenommen wird. Dadurch ist eine stetige Rückkopplung zur allgemeinen Immobilienmarktentwicklung möglich, und Verzerrungen aufgrund einer rein nach innen orientierten Analyse werden vermieden.

Anhand der gewonnenen Daten und Informationen ist es möglich, entsprechende Hilfsmittel für die Portfoliosteuerung zu entwickeln. So können einzelne Objekte anhand ausgewählter Merkmale - beispielsweise Vermietungserfolg und bestimmte Objekteigenschaften - in eine Vier-Quadranten-Matrix übertragen werden. Aus der Zuordnung eines Objekts zu einem bestimmten Quadranten lässt sich dann ableiten, wie mit der betreffenden Immobilie künftig verfahren werden soll. Infrage kommen beispielsweise je nach Sachlage werterhöhende Investitionen, ein Investitionsstopp für die verbleibende Restnutzungsdauer oder auch ein Abriss.

Die umfassende Datenbasis und die entwickelten Bewertungsmodelle bieten eine Reihe von Vorteilen. Sie erlauben nicht nur eine kontinuierliche Erfassung aller Auswirkungen auf den Wert des Immobilienportfolios, sondern stellen wesentliche Grundlagen für eine wertorientierte Portfoliosteuerung bereit. Durch Simulation unterschiedlicher Szenarien können Handlungsalternativen vorab auf ihre Auswirkungen hin überprüft und die jeweils zu erwartenden Veränderungen im Portfolio sichtbar gemacht werden.

Essenzieller Input für die Unternehmenssteuerung

Aufgrund der gewonnenen Erkenntnisse und Informationen erfolgt dann die Rückkopplung in den internen Betrieb. Insbesondere dort, wo erfahrungsgemäß Potenzial für Konflikte zwischen mehr von kaufmännischen und mehr technischen Sichtweisen geprägten Unternehmensbereichen besteht, ermöglichen es derartige Simulationen und Szenarioanalysen, technische und kaufmännische Entscheidungen in ihren jeweiligen Wechselwirkungen umfassend darzustellen und eine einseitige Sichtweise bei der Entscheidungsfindung zu vermeiden. Die Erstellung einer auf die spezifischen Bedürfnisse des Unternehmens und seiner Steuerung zugeschnittenen Software erlaubt es, in die Analysen und Simulationen auch weitere Parameter einzubeziehen, die im Rahmen der Im-mobilien-Wertermittlung nach dem DCF-Verfahren üblicherweise nicht erfasst und berücksichtigt werden.

Eine solche ständige Wertermittlung auf Massendatenbasis kann letztlich als eine fortlaufende Begutachtung aufgefasst werden, die jederzeit abrufbare Momentaufnahmen vom Wert des Immobilienportfolios und einzelner Objekte zur Verfügung stellen kann. Sie liefert damit wertvolle Informationen und Grundlagen für betriebliche Steuerungsinstrumente wie Planungsrechnung, Gebäude-GuV oder Flächenbilanz. Art und Zeitpunkt von Investitionen können mit einer Präzision gesteuert werden, die anders nicht erreichbar wäre. Dies betrifft nicht nur umfangreichere Neubau- oder Revitalisierungsmaßnahmen, sondern auch die Festlegung von Austauschzeitpunkten für einzelne Gebäudekomponenten.

Fortgeführte Index-Zeitreihen, beispielsweise für den Verbraucherpreisindex oder den Baukostenindex, liefern die erforderlichen Datengrundlagen für die verwendeten mathematischen Modelle. Um spezifische Unterschiede zwischen einzelnen Immobilien-Nutzungsarten angemessen berücksichtigen zu können, erfolgt die Wertermittlung jeweils nutzungsartendifferenziert.

Wo sich die gewonnenen Erkenntnisse aufgrund bestimmter Umstände nicht im Rahmen der Investitionssteuerung umsetzen lassen, bleibt zumindest die Möglichkeit der Kostenoptimierung im Rahmen der Betriebssteuerung. Mit der Einführung der wertorientierten Steuerung wurden die entscheidenden Voraussetzungen für ein effizientes Management der vorhandenen Flächen - des wohl wertvollsten und wichtigsten Gutes am Flughafen - geschaffen. Dies bedeutet zugleich einen wesentlichen Beitrag zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit des Flughafenstandortes insgesamt.

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