Leitartikel

Ein Bayer in Athen

Ein Sparkommissar der EU soll Griechenland aus der Krise führen, schlug Angela Merkel jüngst vor. Angesichts des zu bewältigenden Haushaltsdefizits wäre dies eine wahrhaft heroische Aufgabe. Doch wer sollte dieses Herkuleswerk vollbringen? Lässt sich an den Gestaden der Ägäis eine solcher Held finden oder muss es ein Brüsseler Bürokrat sein? Abgesehen von der Frage, wie er denn bitteschön höhere Staatseinnahmen und Ausgabenkürzungen durchsetzen will, fehlt einem solchen Kommissar doch vor allem die demokratische Legitimation. Schließlich müsste das Parlament in Athen seine Hoheit über den Etat abtreten. Ist das verfassungsrechtlich überhaupt möglich - und falls ja, auch mehrheitsfähig? Zweifel sind berechtigt. Nicht anders verhält es sich übrigens mit dem ebenfalls von der deutschen Kanzlerin ins Gespräch gebrachte Sonderkonto für Griechenland. Die Vorschläge mögen in Deutschland populär sein und in Griechenland Schrecken verbreiten, vor allem aber offenbaren sie eines: die entsetzliche Ratlosigkeit Europas. Es ist nicht nur die Frage, wie mit der griechischen Staatsverschuldung und den Folgen umgegangen werden soll, sondern auch, wie mit einem Schuldner zu verfahren ist, der seine Situation augenscheinlich weder wahrhaben noch sein Verhalten ändern will. Wen wundert es, dass die Euro-Gruppe die Geduld verliert?

Doch ausgerechnet Deutschland redet einem Treuhänder für Griechenland das Wort, obwohl seine eigenen Erfahrungen mit einer solchen Institution nicht die besten waren. Gab es nicht eine Treuhandanstalt, die unter anderem zum Begleichen der DDR-Staatsschulden das "Volksvermögen" von 17 Millionen Deutschen bestmöglich "verwerten" sollte, doch nach wenigen Jahren statt blühender Landschaften, flächendeckende Deindustrialisierung, horrende Schulden und den Solidaritätszuschlag zurückließ? Dass elf Millionen Griechen diese "Erfolgsgeschichte" nicht nacherleben möchten, ist verständlich. Um nicht missverstanden zu werden: Spätestens mit der D-Mark waren auch die besten ostdeutschen Betriebe wohl nicht mehr wettbewerbsfähig. Insofern dient aber auch die deutsche Währungsunion als Lehrstück für die europäische. Sie macht deutlich, dass eine gemeinsame Währung für wirtschaftlich so unterschiedliche Räume besser funktioniert, wenn sie von einer Transferunion flankiert wird.

Niemand sollte das eigentlich besser wissen als die Deutschen, die doch seit sechs Jahrzehnten ihren Länderfinanzausgleich lieben und hassen. Aktuell erwägt Bayern wieder einmal dagegen zu klagen, weil vermeintlich falsche Anreize einerseits die Nehmerländer nicht zu fiskalischer Konsolidierung und nachhaltiger Wirtschaftpolitik anhalten würden und andererseits für die Geberländer keine Motivation besteht, ihre Einnahmen zu steigern. Tatsächlich ist jedoch gerade Bayern der beste Gegenbeweis. Bis 1986 ununterbrochen Nettoempfänger zahlt der Freistaat seit 1989 mehr in den gemeinsamen Topf ein als er herausbekommt. Natürlich ist es nicht sonderlich populär, der Zahlmeister für andere zu sein, aber als genau das sehen sich die Deutschen im Fall Griechenlands. Dem Mann auf der Straße ist doch längst klar, dass er für den Schlamassel auf dem Peloponnes auf unabsehbare Zeit wird löhnen müssen. Derweil scheinen sich Europas Politiker noch an die Illusion zu klammern, Überbrückungskredite und Umschuldung seien die Lösung. Dass sich die Griechen den rigorosen Sparauflagen verweigern wollen, ist ihnen kaum zu verdenken. Dass sie es aber auch tatsächlich können, ist das Dilemma der Eurozone.

Eine Pleite Griechenlands träfe auch den deutschen Steuerzahler massiv: Die Abschreibungen der Banken schmälern oder negieren deren Gewinne und damit die Einnahmen aus Ertragssteuern. Bürgschaften und Garantien der Bundesrepublik für griechische Verbindlichkeiten würden den Haushalt belasten. Indem das Eurosystem jetzt auch noch den Banken Liquidität gegen minderwertigere Sicherheiten gibt, zahlt im Falle des Ausfalls auch der deutsche Steuerzahler die Zeche mit. Selbst wenn die Bundesbank standhaft bleibt, haftet sie doch für die Ausfälle der anderen Notenbanken im Euroraum - in Höhe von 27 Prozent! Dies vor Augen muss Merkel vehement dafür streiten, dass die Griechen ihren Beitrag zur Haushaltskonsolidierung leisten. Ein EU-Kuratel braucht jedoch die Akzeptanz der Griechen - wonach es bislang nicht aussieht. Bleibt also nur die Transferunion? In Deutschland ist sie politisch noch nicht durchsetzbar, auch wenn gerade die Erfahrungen aus Bayern zeigen, dass sie erfolgreich sein kann. Ein (Know-how-)Transfer von München nach Athen? Das wäre doch - sozusagen - bajuwarische Tradition. Schließlich wurde vor 180 Jahren mit Otto von Wittelsbach ein bayerischer Prinz von Europas Regenten zum ersten griechischen König bestimmt, der das Land nach osmanischer Herrschaft wirtschaftlich wieder etwas auf die Beine brachte.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X