Ein kleiner Fortschritt

Swantje Benkelberg, Chefredakteurin, Foto: Fritz Knapp Verlag

Einheit in der Vielfalt - so oder ähnlich lautete einst das Motto der kybernetischen Lebensform Borg in den Star-Trek-Filmen. Einheit in der Vielfalt - genau das ist es auch, worum die Payment-Branche mehr denn je ringt, je komplexer und vielfältiger technische Möglichkeiten und Angebote werden. Vielfalt ist politisch gewünscht. Sie sorgt für Innovation und Wettbewerb und nützt damit nicht nur den Kunden, sondern bringt die Branche auch insgesamt voran. Dennoch ist Vielfalt allein kein Wert an sich. Denn was nützen die besten Bezahlverfahren, wenn der Markt so stark fragmentiert ist, dass es schon Glück braucht, damit Nutzer und Akzeptanten des gleichen Verfahrens aufeinandertreffen? Wie kontraproduktiv eine allzu große Vielfalt sein kann, war beispielhaft an der Entwicklung der P2P-Bezahlverfahren in Deutschland abzulesen, bei denen erst der Markteintritt von Paypal zu verstärkter Nutzung, aber eben auch zu einer drastischen Marktbereinigung geführt hat und auch zuvor vielversprechende Fintechs samt ihren Lösungen wieder verschwinden ließ.

Um "Ordnung in das Chaos" zu bringen, um im Bild zu bleiben, braucht es gemeinsame technische Grundlagen, die Standards. Nur so war es überhaupt möglich, internationale Karten-Schemes zu entwickeln, die überall auf die gleiche Weise funktionieren. Technische Standards sind aber im Grunde immer ein Kompromiss zwischen verschiedenen denkbaren Lösungen. Und genau hier schlummert ein Problem: Je größer ein Marktteilnehmer ist oder je stärker seine

Marktposition, desto geringer typischerweise seine Kompromissbereitschaft. Das beeinträchtigte schon vor Jahren die Bemühungen um ein europäisches Payment Scheme, bei denen sowohl Deutschland als auch Frankreich das jeweils eigene System nach Möglichkeit "exportieren" wollten. Das merkt jetzt die Schweiz, wenn internationale Acquirer den nationalen Terminalstandard ep2 nicht fraglos mittragen. Und das merkt die EU, wenn Apple gar nicht daran denkt, die NFC-Schnittstelle auch Drittanbietern zugänglich zu machen. Auch an EPI wird sichtbar: Es sind schwere Zeiten für Standards.

Immerhin geht es bei den Bestrebungen der deutschen Kreditwirtschaft, ihre Payment-Angebote unter der Dachmarke Giropay zu harmonisieren, voran. Dass das Bundeskartellamt Mitte März dieses Jahres grünes Licht für die nächste Stufe des Projekts #DK gegeben hat, ist ein gutes Zeichen. Denn damit erkennen die Wettbewerbshüter einmal mehr an, dass Wettbewerbsvielfalt in einem digitalen, internationalen Kontext nicht einfach dadurch entsteht, die deutschen Banken an der Zusammenarbeit zu hindern oder diese durch zu viele Auflagen zu hemmen, sondern dass dadurch eher das Gegenteil bewirkt wird. Für den Segen des Kartellamts mussten die Beteiligten zwar auf die ursprünglich geplante Exklusivitätsklausel verzichten, die dem Investitionsschutz dienen sollte. Doch das scheint ein vertretbarer Preis zu sein. Zum einen ist Exklusivität in diesen Zeiten ohnehin zu einem seltenen Gut geworden - sichtbar auch daran, dass die EU sich jetzt endlich daran begeben hat, die Exklusivität von Apple Pay auf dem i-Phone zu beenden. Zum anderen hat die Zusammenarbeit auf der nationalen Ebene dadurch, dass es bei EPI zumindest nicht so vorangeht, wie es ursprünglich geplant war, noch einmal spürbar an Relevanz gewonnen.

Mit der Freigabe durch das Bundeskartellamt ist jetzt zumindest der Weg frei, um mit der digitalen Girocard künftig über die Marke Giropay auch im Online-Handel flächendeckend bezahlen zu können. Die jüngste Studie des EHI zum E-Commerce in Deutschland zeigt das Potenzial, dass die Banken hier angehen wollen. 28,3 Prozent der E-Commerce-Einkäufe (gemessen am Umsatz) wurden 2021 per Rechnung bezahlt, 2,1 Prozentpunkte weniger als noch 2020. Paypal konnte dagegen seinen Marktanteil um 3,3 Prozentpunkte auf 28,2 Prozent ausbauen und liegt damit nur noch eine Nasenlänge hinter dem immer noch führenden Rechnungskauf auf Platz zwei, sehr deutlich vor Lastschrift verfahren/Bankeinzug (17,4 Prozent) und der Kreditkarte (11,4 Prozent) auf Platz drei. Die Integration der digitalen Girocard in das Bezahlverfahren Giropay wird Paypal sicher nicht mehr zurückdrängen können. Eine Marktbereicherung ist sie aber allemal - und auch ein Stück nationale Unabhängigkeit im weltweiten Wettbewerb um Zahlungsdienste. Und wie wichtig Unabhängigkeit ist, haben wir alle in diesem Frühjahr gelernt.

Swantje Benkelberg , Chefredaktion, bank und markt, Cards Karten Cartes , Fritz Knapp Verlag
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