ISSUING

Das Kartengeschäft als isolierte Lösung ist nicht mehr zeitgemäß

Dr. Marlene Wolfgruber, Foto: Yokoy

Eine Debitkarte bereichert das Produktportfolio von Issuern, sagt Marlene Wolfgruber. Gerade mit Blick auf Geschäfts- und Firmenkunden gilt es jedoch, über das Kartenprodukt als isolierte Lösung hinauszudenken und zusätzliche Lösungen mit dem Zahlungsverkehr zu verknüpfen. Rund um das Ausgabenmanagement der Unternehmen sieht die Autorin beträchtliches Optimierungspotenzial und damit auch neue Geschäftschancen für Banken und Fintechs. Red.

Digitale Lösungen, personalisierte Angebote oder auch hohe Sicherheit beim Online-Banking: Die Anforderungen von Privat- und Geschäftskunden an die Finanzindustrie haben sich im Zuge der Digitalisierung erheblich verändert. Und die Corona-Pandemie erhöht den Druck auf Banken, zeitgemäße Online-Angebote zu schaffen, noch einmal deutlich. Seitdem nutzen immer mehr Deutsche Online- und Mobile Banking oder zahlen bargeldlos. Für diese Zahlungsart, die mittlerweile häufig kontaktlos erfolgt, stehen ihnen Kredit, Giro- oder Debitkarte zur Verfügung. Mit ihren unterschiedlichen Features scheinen die bestehenden Karten die unterschiedlichen Bedürfnisse der Kunden abzudecken.

Karten im Sinne der Digitalisierung weiterdenken

Doch im Sinne der Digitalisierung und Vereinfachung müssen Banken und kartenausstellende Institute weiterdenken, etwa indem sie ihren Kunden neben einer physischen Karte auch eine virtuelle Variante anbieten. Diese bietet den Vorteil, dass sie innerhalb kürzester Zeit verfügbar ist.

Das gilt insbesondere für Geschäftskunden, die den Know-Your-Business (KYB)-Prozess bereits einmal durchlaufen haben. Für diese können in Sekundenschnelle weitere virtuelle Karten ausgestellt werden.

Zudem kann dem jeweiligen Nutzer eine virtuelle Karte nicht gestohlen werden und sie lässt sich darüber hinaus über eine App sperren. Diese einfache Handhabung ist nicht nur für Privatkunden praktischer, sondern erhöht insbesondere für Firmenkunden die Transparenz und die Flexibilität. Außerdem lassen sich nicht nur Ausgabenkontrollen implementieren, sie rationalisieren zusätzlich die Zahlungsabwicklung in Unternehmen und reduzieren den Zeitaufwand manueller Prozesse.

Debitkarte bereichert das Portfolio

Während Banken und Kartenaussteller die veränderten Kundenbedürfnisse bedienen müssen, sollten sie sich aber auch bewusst sein: Nicht jeder Kunde weiß, welches Zahlungsmittel am besten für welchen Zweck genutzt wird. Dies gilt beispielsweise für die Debitkarte. Grundsätzlich gilt, dass jede Karte ihre Vorteile hat, egal ob Prepaid-, Debit- oder Kreditkarte. Allerdings schafft es nur die Debitkarte, quasi der Überbegriff für die Girokarte und Synonym für Bank-, Giro- oder auch die "ec-Karte", die Vorteile der beiden anderen zu vereinen. Die Deutschen kennen die Debitkarte daher eher unter dem Begriff Bank-, Giro- oder ec-Karte, die seit vielen Jahren ein fester Bestandteil ihres Alltags sind.

Dabei verfügt sie über eine Reihe von Vorteilen: Anders als beispielsweise bei einer Kreditkarte ist bei der Debitkarte keine Bonität notwendig. Denn sie hat keinen Kreditrahmen, sondern der ausgegebene Betrag wird direkt vom Konto abgebucht. Dieser Umstand vereinfacht den KYB- beziehungsweise den Know-Your-Customer-(KYC)-Prozess für Banken beziehungsweise das kartenausstellende Institut und ermöglicht eine schnellere Ausgabe des Zahlungsmittels. Schließlich kann nur das Geld ausgegeben werden, das tatsächlich auf dem Girokonto ist - und zwar weltweit. Anders ausgedrückt vereint die Debitkarte das Beste aus der Welt der Kredit- und der Prepaidkarte und bereichert das Portfolio des jeweiligen kartenausgebenden Instituts.

Über das Produkt hinausdenken

Um aber wirklich zukunftsfit zu sein und neuen Kundenbedürfnissen gerecht zu werden, sind insbesondere Banken gefordert, ganzheitlich zu denken. Fintechs können hier als Wegbereiter für neue Lösungskategorien und Innovationen fungieren. Anders als viele Banken sind sie bei der Produktentwicklung nicht eingeschränkt durch bestehende Systeme und Vorgehensweisen. Statt in Insellösungen wie etwa "nur" einer Bezahlkarte muss in der Kategorie eines Produkts mit mehreren Features gedacht werden. Ein gutes Beispiel dafür ist das Ausgabenmanagement in Unternehmen:

  • Macht ein Mitarbeiter eine Ausgabe mit einer herkömmlichen privaten Karte, dann muss dieser im Nachgang alle Daten manuell an das Unternehmen übermitteln, um das Geld zurückerstattet zu bekommen.
     
  • Mit einer intelligenten Karte ist der ganze Prozess vollautomatisch. Der Mitarbeiter tätigt eine Zahlung mit der Firmenkarte, die Transaktion ist sofort im System sichtbar und eine Rückerstattung muss nicht erfolgen. Denn der Mitarbeiter hat mit einer Firmenkarte bezahlt, die mit dem Ausgabenmanagementtool des Unternehmens verbunden ist. Unternehmen erhalten andererseits die volle Kontrolle über die Ausgaben der Mitarbeiter. Mit einem intelligenten Zahlungsmittel können sie individuelle Limits für die Angestellten setzen, Ausgaben auf bestimmte Segmente beschränken oder festlegen, dass nur bestimmte Waren oder Dienstleistungen mit der Karte bezahlt werden können.

Banken können daher von dieser Entwicklung profitieren, indem sie selbst offene Schnittstellen anbieten. Mit der PSD2-Regulierung haben zahlreiche Fintechs die Möglichkeiten einer Schnittstelle zu einer Bank genutzt. Auch hier ist der Endkundenbereich schon weiter. Dort können Direktzahlungen vom Bankkonto nun auch im E-Commerce genutzt werden. Dank PSD2 können Privatkunden nun die Konto- und Transaktionsdaten verschiedener Banken unter einer App oder Anwendung vereinen. Das Prinzip von Vernetzung und Integration schafft neue Geschäftsmodelle und bietet Banken Chancen, die eigenen Produkte und Services in andere Angebote zu integrieren.

Optimierungspotenzial bei administrativen Aufgaben nutzen

Mit Blick auf den Geschäftskundenbereich ist das klassische Kartengeschäft, welches als isolierte Lösung angeboten wird, längst nicht mehr zeitgemäß. Unternehmenskunden suchen heute nach Lösungen, die sich idealerweise ohne viel Aufwand in die bestehende Systemlandschaft integrieren lassen und die alltäglichen Arbeiten erleichtern. Viel Potenzial für Optimierung bieten dabei im Allgemeinen zeitaufwendige administrative Arbeiten. Firmenkarten, die sich in Ausgabenmanagementtools integrieren lassen und eine vollständige Automatisierung vom Bezahlen bis hin zur korrekten Verbuchung im Finanzsystem ohne manuellen Verwaltungsaufwand in wenigen Sekunden erledigen, sparen den entsprechenden Mitarbeitenden somit viel Zeit und Nerven.

Wenn es Banken gelingt, künftig digitale Produkte anzubieten, die von ihren Kunden als attraktives Zusatzangebot wahrgenommen werden, kann dies zu einem wichtigen Unterscheidungsmerkmal werden. Und damit zu einem erheblichen Wettbewerbsvorteil.

Marlene Wolfgruber , Head of Product Marketing , Yokoy Group AG, Zürich

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X