EUROPA

EPI und digitaler Euro sind Eckpfeiler der europäischen Souveränität

Dr. Raoul Herborg, Foto: Giesecke + Devrient GmbH

EPI und der digitale Euro ergänzen sich wie zwei Seiten derselben Medaille, so Raoul Herborg und Kurt Schmid. EPI-Karte, Digital Wallet und die dahinterstehende Infrastruktur sind quasi die prädestinierten Autobahnen und Garagen für den digitalen Euro, auf denen er zirkuliert und geparkt werden kann. Beides zusammen dient der Emanzipation von der aktuellen Dominanz großer Internetkonzerne sowie dem Datenschutz. Zudem könne mit EPI ein starker europäischer Industriesektor nach dem Vorbild der europäischen Flugzeugindustrie entstehen. Sie habe bereits gezeigt, was auf europäischer Ebene gemeinsam möglich ist. Red.

Mit einer Vielzahl von Initiativen wollen europäische Unternehmen und Institutionen die zwanziger Jahre dieses Jahrhunderts zur Digitalen Dekade Europas machen. Sie haben begriffen, dass die Souveränität der europäischen Staaten und die Prosperität des Wirtschaftsraums entscheidend von seiner digitalen Unabhängigkeit abhängen. Die EU-Kommission hat dafür bereits Projekte wie die europäische Cloud GAIA-X angestoßen, die zukünftig eine autonome Infrastruktur für die Digitalisierung von Sektoren wie Energie, Verkehr, Landwirtschaft, Gesundheits- und Finanzwesen bereitstellen soll. Die Reichweite der digitalen Initiativen geht jedoch weit über technische Ansätze hinaus. Aus guten Gründen ist auch der Bereich der Währungs- und Finanzdienstleistungen in den Blickpunkt gerückt.

Der digitale Euro soll als europäische Zentralbankwährung den Wunsch nach einer souveränen eigenen digitalen Währung erfüllen, die als Antwort auf private Kryptowährungen und Stablecoins höchste Ansprüche an Transparenz, Sicherheit und Legitimation erfüllt. Komplementär dazu wurde von europäischen Banken mit Unterstützung der zuständigen EU-Institutionen die European Payments Initiative EPI auf den Weg gebracht.

Schaffung eines europäischen Zahlungsnetzwerkes

In der EPI haben sich aktuell 31 Geschäftsbanken und Kreditinstitute sowie die beiden größten europäischen Zahlungsdienstleister (Acquirer) zusammengetan. EPI ist die längst überfällige Antwort auf die Dominanz globaler Zahlungsdienstleister und Internetgiganten im Finanz- und Währungssektor. Ziel der Initiative ist es, der Marktmacht außereuropäischer Anbieter und Kartennetzwerke für den bargeldlosen Zahlungsverkehr eine europäische Lösung entgegenzusetzen. Gleichzeitig ist sie auch als Alternative zu den großen Digitalkonzernen ausgelegt, die mit ihren Payment-Angeboten als neue Spieler im Finanzwesen für Aufsehen und berechtigte Sicherheitsbedenken gesorgt haben.

EPI hat es sich zur Aufgabe gemacht, die fragmentierte europäische Bezahl-Landschaft mit einer einheitlichen EPI-Karte, digitalen Geldbörsen und der dafür notwendigen Infrastruktur zu überwinden, die auf dem 2014 verabschiedeten europäischen Zahlungsverkehrsraum Sepa basiert. Sie soll allen Bürgern und Unternehmen zur Verfügung stehen und die gesamte Transaktionskette für Zahlungsvorgänge in Handel, Wirtschaft und im privaten Bereich abdecken.

Abbildung 1: Zielsetzungen von EPI Quelle: Giesecke + Devrient
Abbildung 1: Zielsetzungen von EPI Quelle: Giesecke + Devrient

Komfort, Sicherheit und niedrige Kosten

Zu den Zahlungsoptionen, die die künftige EPI-Karte erlauben wird, zählen Abhebungen von Bargeld am Geldautomaten, Zahlungen per Karte am PoS im stationären Handel sowie das Bezahlen im Internet. Geplant ist auch der schnelle Peerto-Peer-Zahlungsverkehr zwischen Personen, der aktuell vor allem von Fintechs abgedeckt wird. Über die zusätzliche digitale Geldbörse ("Wallet") werden zudem Instant Payments möglich. Dabei werden Überweisungen innerhalb von wenigen Sekunden, also fast in Echtzeit, ab gewickelt, was die Attraktivität dieser Zahlungsoption im E-Commerce erhöht. Prinzipiell könnte es auch möglich sein, dass die EPI Wallet zudem als Aufbewahrungsort für den digitalen Euro der Zukunft dient.

Anders als bei etablierten Konkurrenten im digitalen Zahlungsverkehr sollen und können bei EPI die Zahlungsdaten nicht mit anderen Kundendaten verknüpft werden. In EPI sind keine persönlichen Historien von Suchmaschinenanfragen, Webseitenaufrufen oder Bestellvorgängen hinterlegt, die mit den Finanztransaktionsdaten zusammengeführt, analysiert und vermarktet werden könnten. Beim Thema Datenschutz, Datenintegrität und Datensouveränität verfügt die europäische Initiative vom Start weg also über einen großen, im Konzept fest verankerten Vorsprung gegenüber den bis dato aktiven Dienstleistern.

Abbildung 2: Wie der digitale Euro funktionieren könnte Quelle: Giesecke + Devrient
Abbildung 2: Wie der digitale Euro funktionieren könnte Quelle: Giesecke + Devrient

Vom Start weg Vorsprung in Sachen Datenschutz

Die erhöhte Sicherheit der Finanztransaktionen kommt auch dem Handel zugute. Dies ist ein gewichtiges Argument für die Akzeptanz des EPI-Zahlungssystem im Retail. Es gehört zu den elementaren Erfolgsvoraussetzungen für EPI, den Handel zu einer breiten Nutzung anzuregen. Dazu trägt auch eine komfortable, unkomplizierte Abwicklung der Zahlungstransaktionen bei. Gleichzeitig würden durch ein attraktives Preis- und Konditionenmodell die Transaktionskosten für Wirtschaft, Handel, Banken und Konsumenten in Europa sinken, mit den entsprechenden Anschubeffekten für das wirtschaftliche Wachstum.

Neben der Emanzipation von der aktuellen Dominanz großer Internetkonzerne und den Sicherheits- und Kostenaspekten kommt noch ein weiterer wesentlicher Punkt dazu: Mit EPI entsteht ein starker europäischer Industriesektor als ernstzunehmender Wirtschafts- und Infrastrukturfaktor mit großen Umsatzvolumina, Tausenden von Arbeitsplätzen und einem assoziierten Dienstleistungsbereich mit einer Vielzahl von Firmen und Mitarbeitern. Durch ein souveränes Zahlungsnetzwerk positioniert und etabliert sich Europa als innovativer Spieler auf einem der wichtigsten Märkte der Zukunft - insbesondere im Verbund mit dem digitalen Euro.

EPI und der digitale Euro ergänzen sich

EPI und der digitale Euro ergänzen sich wie zwei Seiten derselben Medaille. EPI-Karte, Digital Wallet und die dahinterstehende Infrastruktur sind quasi die prädestinierten Autobahnen und Garagen für den digitalen Euro, auf denen er zirkuliert und geparkt werden kann.

Als Central Bank Digital Currency (CBDC) ist der digitale Euro die künftige, staatlich legitimierte europäische Komplementärwährung zu Bargeld und damit die sichere Alternative zu Kryptowährungen und Stablecoins. Anders als Kryptowährungen ist eine digitale zentralbankgestützte Währung weder hochvolatiles Spekulationsobjekt noch ein auf Profitabilität ausgelegtes Geschäftsmodell, das jede Finanztransaktion kostenpflichtig macht. Eine CDBC verbindet die Vorteile des Bargelds mit der Schnelligkeit und Bequemlichkeit digitaler Bezahloptionen, ohne die Nutzer dabei in Abhängigkeiten zu führen und Zusatzkosten zu verursachen. Mit ihr können Menschen, Unternehmen und Organisationen überall und jederzeit untereinander bezahlen, Einkäufe abwickeln und Finanztransaktionen tätigen.

Als Zentralbankwährung sind dabei die für eine Währung unverzichtbaren Parameter Anonymität, Souveränität und Datenschutz staatlich garantiert und abgesichert. Aufgrund der Ausgabe durch die jeweilige Zentralbank besitzt eine CBDC eine hohe Legitimität, Stabilität und Vertrauenswürdigkeit. Sie ist damit die sichere digitale Ergänzung zum Bargeld insbesondere als Tauschmittel und Recheneinheit sowie bedingt auch zur Wertaufbewahrung.

Digitale Zentralbankwährungen befinden sich in vielen Staaten und Wirtschaftsräumen bereits in der Projekt- und Testphase. Laut einer Studie der Bank for International Settlement aus dem Jahr 2020 beschäftigen sich knapp 80 Prozent der Zentralbanken weltweit mit CBDC-Projekten. Die britische Zentralbank hat jüngst eine Taskforce eingerichtet, Schweden hat erst kürzlich die Testphase für eine eigene CBDC verlängert, und China die Einführung der digitalen Währung DCEP (Digital Currency Electronic Payment) schon zu den Olympischen Winterspielen im Februar 2022 angekündigt. Umso wichtiger ist es daher, den digitalen Euro rasch auf den Weg zu bringen.

Ein kultureller Gegenentwurf

Die Initialzündung dafür ist bereits erfolgt: Die europäische Zentralbank EZB evaluiert aktuell die Spezifikationen eines digitalen Euros, um die Rahmenbedingungen und Spielregeln der zukünftigen digitalen Währungsordnung aktiv mitzugestalten.

Wie der digitale Euro und GAIA-X ist auch die EPI nicht nur eine sachlich-inhaltliche Alternative zu den etablierten Zahlungsstrukturen, sondern auch ein kultureller Gegenentwurf. Statt der weltweiten Dominanz einer Handvoll privater oder staatlich gelenkter Digitalkonzerne steht der europäische Ansatz für die Zusammenarbeit vieler Länder und Gruppen bei der Schaffung einer unabhängigen und sicheren gemeinsamen Zahlungsinfrastruktur, die alle Interessen berücksichtigt.

Das ist ein komplexer Prozess, das Ergebnis dafür aber auch akzeptabler, sozialverträglicher, konsens- und tragfähiger für alle Facetten der Gesellschaft. EPI wird sich dazu der Mitarbeit europäischer Zahlungsexperten und-Dienstleister versichern, die ihre Expertise nicht nur in ihren Heimatmärkten, sondern im weltweiten Wettbewerb bereits nachhaltig unter Beweis gestellt haben.

Vorbild europäische Flugzeugindustrie

Die European Payments Initiative wird von der Europäischen Kommission, der Europäischen Zentralbank und ihren Institutionen wie dem European Payments Council (EPC) und dem Euro Retail Payments Board (ERPB) ausdrücklich unterstützt und gefördert. Der Aufbau der europäischen Flugzeugindustrie hat gezeigt, was gemeinsam möglich ist und wie man zusammen erfolgreich sein kann. Wie dort soll die EPI zum Kristallisationspunkt für Talente und Ideen werden und als Leuchtturmprojekt die Kreativität und Wirtschaftskraft Europas weltweit dokumentieren.

Gründungsmitglieder in Belgien, Finnland, Deutschland, Frankreich, Niederlande, Polen und Spanien sind schon Teil der EPI und decken damit bereits zwei Drittel des europäischen Markts für Finanztransaktionen ab. Weitere Banken und Staaten werden sich ihr in den kommenden Monaten anschließen. Sie liegt im vitalen Interesse der europäischen Staaten in Bezug auf die zukünftige Rolle Europas in einer globalisierten Wirtschaft, die digitale Unabhängigkeit seiner Unternehmen, Organisationen und Bürger und nicht zuletzt die politische Souveränität seiner Mitgliedsstaaten.

Dr. Raoul Herborg , Business Lead Digital Currencies , Giesecke + Devrient GmbH
Kurt Schmid , Marketing and Innovation Director Secure Digital Payments , Netcetera GmbH

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