Regulierung

Die Regulation setzt den Wettbewerb außer Kraft

Vor allem von Seiten der Regulatoren wird die These vertreten, wonach wir heute - in Deutschland und Europa - zu wenig Wettbewerb im kartengestützten Zahlungsverkehr hätten und dies daran läge, dass die Märkte abgeschottet seien. Man müsse also nur die Rahmenbedingungen dahingehend verändern, dass die heute verbreiteten Verfahren gezähmt und die von ihnen verursachten Marktabschottungen aufgebrochen werden. Dies führe dann schon zum Markteintritt neuer Spieler, was wiederum zu mehr Wettbewerb und in der Folge zu sinkenden Preisen führen soll. Insgesamt soll dies vor allem den Verbraucherinnen und Verbrauchern zugute kommen.

Dem steht die These entgegen, wonach die von den Regulatoren beschriebenen Kausalitäten nicht bestehen und es überhaupt kein Marktversagen gibt, dem durch harte regulatorische Eingriffe entgegengewirkt werden müsste. Demnach ist der Markt, so wie er sich heute präsentiert, das Ergebnis eines intensiven, ja harten Wettbewerbs.

Dieser Wettbewerb wird ganz wesentlich über Preise geführt. Im Ergebnis stehen die heute in Deutschland im internationalen Vergleich schon überdurchschnittlich effizienten und günstigen Systeme. Im Ergebnis steht aber auch eine im Internationalen Vergleich sehr günstige Zahlungsverkehrsabwicklung. Und jede Regulation in diesem Bereich führt am Ende nur zu Mehrbelastungen der Verbraucherinnen und Verbraucher wie auch der Akzeptanzstellen.

Werden Marktteilnehmer sowohl auf der Erlös- wie auch auf der Kostenseite weiter belastet, so wird die Bereitschaft, in den Systemausbau zu investieren, unweigerlich weiter sinken. Dies führt am Ende nicht zu mehr Wettbewerb, sondern zu weniger. Diese These wird vor allem von den heutigen Infrastruktur- und Systembereitstellern vertreten.

Die meisten neuen Spieler scheitern

Trifft es in der Praxis des kartengestützten Zahlungsverkehrs überhaupt zu, dass neue Spieler gleich zu mehr Wettbewerb führen? Eine Reihe von Marken standen in den vergangenen Jahren für neue und vermeintlich innovative Zahlungsverkehrsangebote in Deutschland und Europa. Die meisten dieser "Spieler" gibt es nicht mehr, und wenn es sie noch geben sollte, so fristen sie ein Nischendasein.

An der Menge der Ideen scheint es also nicht zu liegen. Offensichtlich besteht in Europa und Deutschland auch ausreichend Bereitschaft zu experimentieren. Aber woran liegt es dann, dass die allermeisten dieser neuen Spieler scheitern, nie den Schritt zur echten Marktreife erreichen oder wenn dies doch gelingt, sie sich in kurzer Zeit wieder verabschieden? Und können wir daraus wirklich ein Marktversagen ableiten?

Erstaunlich ist, dass neue Spieler, wenn sie denn den Markteintritt schaffen, dies bisher fast ausschließlich im E-Commerce bewerkstelligten. Liegt das möglicherweise an den sehr unterschiedlichen Marktanforderungen dieser beiden Bereiche?

Girocard als Messlatte

Wer in Deutschland im stationären Bereich den Markteintritt schaffen und sich nicht dauerhaft als Nischenanbieter positionieren möchte, der muss letztendlich Lösungen anbieten, mit denen an den über 720 000 Kassenstellen, an denen heute die Girocard der Deutschen Kreditwirtschaft akzeptiert wird, ebenfalls bezahlt werden kann. Und zwar genauso problemlos, stabil und effizient, wie dies mit der Girocard möglich ist. Kann ein Anbieter dies nicht, wird er den Markteintritt nicht oder zumindest nicht dauerhaft schaffen.

Demgegenüber ermöglicht der Bereich des E-Commerce einen Markteintritt ohne große eigene Investitionen. Hier können Ideen getestet und bei Versagen schnell wieder beendet werden.

Muss man also nur sicherstellen, dass neue Wettbewerber überall freien Zugang erhalten und schon wird sich die Anzahl der Spieler erhöhen?

Perspektivisch wird es kein Trittbrett mehr geben

Effizienz erfordert, dass ein Spieler auch in der Lage ist, die für sein System notwendige Infrastruktur selbst bereitzustellen und dauerhaft zu unterhalten. Dort, wo er auf die Nutzung fremder Infrastrukturelemente angewiesen ist, wird er dafür einen angemessenen Preis für deren Nutzung entrichten müssen. Systeme, die dazu nicht in der Lage sind und vielmehr nur darauf aufbauen, fremde Infrastrukturen - gegebenenfalls mit Unterstützung der Regulatoren oder der Wettbewerbsaufsicht - möglichst kostenlos zu nutzen, sind weder effizient noch bringen sie den Verbraucherinnen und Verbrauchern einen Nutzen. Im Gegenteil! Systembereitsteller, die mit erheblichen Investitionen Infrastrukturen aufbauen und unterhalten und nun per Regulation quasi enteignet werden sollen, werden nicht noch einmal investieren. Es wird perspektivisch kein Trittbrett mehr geben, auf dem mitgefahren werden kann. Eine Regulation, die auf solche Enteignungen und Desinvestitionen abzielt, sorgt nicht für mehr Markt und mehr Wettbewerb, sie hebelt vielmehr beides aus.

Neue Spieler scheitern am Preiswettbewerb

Liegt das Scheitern "neuer Spieler" also tatsächlich in angeblich abgeschotteten Märkten, die dringend per Regulation aufgebrochen werden müssen? Oder liegt es nicht vielleicht daran, dass wir in Deutschland und in Europa schon einen intensiven, ja zum Teil schmerzhaft harten Wettbewerb haben, der dazu führt, dass nur die tüchtigsten und effizientesten Systeme sich durchsetzen?

Betrachtet man die Entwicklung der Marktanteile der verschiedenen kartengestützten Bezahllösungen in Deutschland im Zeitverlauf, lässt sich feststellen, dass es über viele Jahre einen intensiven Wettbewerb gegeben hat und noch gibt. Der Wettbewerb des Girocard-Systems mit dem elektronischen Lastschriftverfahren (ELV) ist ein Beispiel für diesen Wettbewerb.

Entgegen gern genutzten Behauptungen von Interessenvertretern stehen hinter dem ELV-Verfahren nicht einzelne kleine Einzelhändler. Dahinter stehen vielmehr verschiedene Dienstleister, deren Unternehmenswerte in aktuellen M & A-Prozessen leicht mehrere 100 Millionen Euro erreichen. Vor allem aber stehen dahinter auch verschiedene mittelgroße und große Handelskonzerne, die sich im Akzeptanzmix aus Girocard und ELV-Verfahren genau das für sie passende Maß aus "Sicherheit/Risiko/Kosten/Handlingsaufwand" heraussuchen. Wenn man also anerkennen, dass es in Deutschland einen intensiven Wettbewerb zwischen Bezahlsystemen gibt, und wenn man die Tatsache anerkennt, dass Preise für Zahlungsverkehrsdienstleistungen hierzulande mit zu den günstigsten in Europa gehören, dann erklärt sich auch, warum es "neue Spieler" so schwer haben, den Markteintritt zu schaffen. Und es erklärt sich auch, warum neue Spieler ihren Markteintritt meist im Bereich der Internetbezahlverfahren versuchen. Da die Kosten für Bezahlverfahren im Internet nicht selten um ein Mehrfaches über denen vergleich barer Girocard-Zahlungen am Point of Sale liegen, funktionieren dort auch Geschäftsmodelle, die dem harten Preiswettbewerb am Point of Sale nicht gewachsen sind.

Derartige Ableitungen sind von einem Vertreter der Deutschen Kreditwirtschaft zu erwarten. Stimmt, dennoch bedeutet das nicht, dass sie nicht zutreffend wären. Lassen Sie uns hierzu einige Fragen vertiefen: Welche Regulierungsvorhaben sind in diesem Zusammenhang hervorzuheben und trifft es denn wirklich zu, dass der Markteintritt neuer Spieler auch zu mehr Wettbewerb führt, an dessen Ende Vorteile für die Verbraucher stehen? Oder ist zu befürchten, dass die Verbraucher am Ende nur die Zeche einer überbürdenden Regulation zahlen, die das Gegenteil dessen bewirkt, wofür sie antritt?

Was sind wesentliche, sich in Veränderung befindlichen Rahmenbedingungen? Zum einen verändern sich die Kundenanforderungen. Der Einkauf im Internet und damit der Bedarf, dort bezahlen zu können, werden mehr und mehr selbstverständlich. Die Bereitschaft, auch kleinere Beträge unbar zu bezahlen wächst ebenso wie die Offenheit gegenüber neuen Verfahren und Techniken. Gleichzeitig steigt die Erwartung, dass Prozesse einfacher werden und ohne großes Nachdenken intuitiv angewendet werden können.

Man ist bereit, seine persönlichen Daten im Internet breit zugänglich zu machen - wer liest schon gerne Nutzungsbedingungen oder Datennutzungsinformationen zu Programmen oder Apps? Gleichzeitig steigt die Sorge, durch möglicherweise unsichere Bezahlverfahren Geld verlieren zu können. Und erstaunlicherweise steigt die Sorge, die persönlichen Daten könnten in Zusammenhang mit neuen Bezahlverfahren missbraucht werden. Eine Merkwürdige Welt: Freiwillig gibt man auch seine sehr persönlichen Daten umfänglich preis, man hat aber Angst, dass Daten unberechtigt verwendet werden könnten!

Der Margendruck wird weiter zunehmen

Wir erleben eine starke Entwicklung zu europaweit einheitlichen Rahmenbedingungen, Prozessen und Verfahren. Sepa, die Entwicklung zur Single Euro Payments Area hat mit der Umstellung der Überweisungs- und Lastschriftverfahren begonnen, sie wird damit bei Weitem aber nicht ihr Ende finden.

Die Entwicklung zu Sepa-Cards-Clearing, dem vereinheitlichten Formaten für den kartenbasierten Zahlungsverkehr, ist angestoßen, und mit der bereits im Entwurf vorliegenden Neufassung der Payment Service Directive (PSD II) werden Vereinheitlichungen bis hin zur Prozessebene eingefordert, die manchem Netzbetreiber oder Zahlungsdienstleister noch erhebliches Kopfzerbrechen bescheren könnten.

Der Margendruck wird weiter zunehmen. Hierbei zuerst die gute Nachricht: Angesichts der regulationsseitig derzeit an gestrebten Interchangesätze von 20 Basispunkten bei Debitkarten und 30 Basispunkten bei Kreditkarten ist das Ende des Margendrucks im stationären Handel abzusehen - Null ist nicht mehr weit und an negative Interchangesätze mag ich nicht so richtig glauben. Und nun die schlechte: Der Margendruck bei Zahlverfahren im E-Commerce wird mit dem anhaltenden Wachstum dieses Marktsegments deutlich zunehmen. Entgeltsätze bei nicht-kartenbasierten Bezahlverfahren von 80, 100, ja nicht selten 170 Basispunkten vom Umsatz werden erwartungsgemäß bald der Vergangenheit angehören. Der Markt wird es richten, auch ohne Regulation.

Es wird neue Marktteilnehmer geben. Allerdings ist es fraglich, ob diese in der Lage sein werden, ein Angebot an breit einsetzbaren Zahlverfahren aufzubauen. Die anstehende Interchange-Regulation wird hierbei eher den Markt abschotten.

Ob Mobilfunkbetreiber und Internetfirmen, die ihr Interesse bekundet haben, im Bereich E-Commerce- und Mobile Payment aktiv zu werden, ohne oder gar gegen die etablierten Zahlungsdienstleisterstrukturen den Marktteintritt beziehungsweise den Ausbau ihrer Marktposition schaffen werden, ist ebenso fraglich. Zumal hierbei nicht selten kartenbasierte Verfahren die Grundlage für den Marktauftritt bilden beziehungsweise bilden sollen. Hier sind wohl eher neue Kooperationen zwischen diesen Unternehmungen und den etablierten Zahlungsdienstleistungsanbietern zu erwarten.

Neue Technologien werden im Zahlungsverkehr Einzug halten. Allerdings ist es noch sehr fraglich, in welchen Marktsegmenten und mit welchem Erfolg dies sein wird und wie die Zeitschiene hierzu aussieht.

Technik wird hierbei oft als Selbstzweck angesehen; allein weil es technisch möglich ist, wird es passieren, so die bisweilen geäußerte Meinung. Der Begriff "Generation Handy" reicht manchem Protagonisten aus, eine Aussage über die Erfolgsaussichten des Mobile Payment zu treffen. Fragen nach Nutzen, Mehrwerten, Sicherheit oder Datenschutz werden ebenso ausgeblendet wir die Frage nach dem wirtschaftlichen Sinn. Bleibt der letzte Punkt der sich verändernden Rahmenbedingungen, der regulatorische Druck. Hier gäbe es viele Punkte aufzuführen. Da dies den Rahmen sprengen würde, möchte ich mich auf zwei Punkte fokussieren. Die Regulation des Kontozugriffs für Dritte und die Regulierung der Interchange bei kartenbasierten Bezahlverfahren.

Kontenzugriff durch Dritte: Der Kunde wird gläsern

Was bedeutet "Kontozugriff durch Dritte"? Zuerst einmal bedeutet es, dass Banken und Sparkassen per Regulation verpflichtet werden, fremden Zahlungsdienstleistern den Informationszugriff auf ein Kundenkonto zu ermöglichen, wenn der Kunde (hoffentlich bewusst) den Dienstleister dazu bevollmächtigt hat. Der Verbraucher tätigt also eine Bezahltransaktion im Internet über beispielsweise 26,85 Euro und stimmt damit zu, dass der Zahlungsdienstleister sein Girokonto scannen darf, damit er sich einen Eindruck machen kann, ob die Bezahlung zum Beispiel per Lastschrift sichergestellt ist. Das klingt für manchen noch entspannt, doch wie sieht es in der Praxis heute schon aus?

Zum einen ist den Kunden in der Regel nicht bewusst, welche Ermächtigung sie dem Zahlungsdienstleister für einen manchmal bescheidenen Bezahlbetrag ausstellen, wenn sie denn ihre Online-Banking-Zugangsdaten samt Authentikation auf den Internetseiten des Dienstleisters eingeben. Zum Zweiten wird - und dass ist heute in Deutschland schon bei einzelnen Zahlungsdienstleistern Realität - bisweilen nicht nur der Kontosaldo überprüft, es werden zum Teil auch die Gehaltseingänge, Zahlungsausgänge und in der Spitze bei einigen Transaktionen auch das Vorhandensein von Einlagen oder Krediten überprüft. Bei Sparkassen-Kunden wurden in der Spitze bis zu 22 Abfragen festgestellt. Aus dem Bereich der Genossenschaftsbanken und Privatbanken liegen uns ähnliche Informationen vor.

"Kontozugriff durch Dritte" bedeutet also, dass die bisher in einer Grauzone und mit massiver Unterstützung der Wettbewerbsaufsicht gelebte Praxis zum Normalfall werden soll. Es bedeutet letztendlich, dass der Verbraucher völlig gläsern wird. Wo bleibt hier der Aufschrei der Datenschützer, der Verbraucherschützer und der Presse? Wir diskutieren intensiv, wenn Geheimdienste E-Mails scannen und legalisieren ohne ein Wimpernzucken ein totales Data-Mining, akzeptieren ohne ein Wimpernzucken den absolut gläsernen Verbraucher? Wo ist die Kritik der "Experten", die sich beim Thema "kontaktlose Karte mit NFC/Near Field Communication" so trefflich und breit über die unglaublichen Gefahren des Tracking, der Nachverfolgung von Kundenbewegung und Kundenverhalten ausgelassen haben?

Und was bedeutet das für Banken und Sparkassen? Es bedeutet, dass diese nicht nur von nationalen Wettbewerbsbehörden, sondern künftig per Regulierung der Europäischen Kommission gezwungen werden, die Schnittstellen und Authentikationsmechanismen für diese Zugriffe bereitzustellen. Die Risiken, dass Sicherheits- und Authentikationsmedien kompromittiert und Investitionen in Sicherheitsarchitektur im Umfang von vielen Millionen Euro auf einen Schlag wertlos werden können, sollen bei Banken und Sparkassen verbleiben. Die Position der Vertreter dieser Regulierung, dass zum einen nur zertifizierte Zahlungsdienstleister zugelassen sein sollen und zum Zweiten es Banken und Sparkassen frei stehe, nachzuverfolgen, wer für eine Kompromittierung verantwortlich sei, um dann Schadenersatz zu verlangen, mutet sehr blauäugig an. Dies alles, so die Verfechter dieser Regulation, nur zum Wohle der Verbraucher!?

Beim zweiten, derzeit wesentlichen Regulationsansatz, der Regulierung der Interchange bei kartenbasierten Bezahlverfahren, gibt es viele Punkte, die zu hinterfragen wären.

Interchange-Regulierung wirkt willkürlich

Wieso werden nur kartenbasierte Bezahltransaktionen einbezogen? Im E-Commerce sind nicht-kartenbasierte Verfahren deutlich dominanter und mit Kosten in Höhe von zum Teil 170 und mehr Basispunkten vom Umsatz deutlich teurer. Dies alles wirkt sehr willkürlich und lässt darüber hinaus die Frage offen, wie die nächsten Regulierungsschritte aussehen werden.

Allen Bekundungen zum Trotz müssen wir sehr deutlich davon ausgehen, dass dies auch nur ein Zwischenschritt sein wird. Also, wer wird noch investieren, wenn die Rahmenbedingungen so unsicher sind?

Zweifelhafter "Tourist-Test"

Für die Regulierung der Interchange wird von der EU-Kommission der sogenannte "Tourist-Test" herangezogen. Der Gedanke dahinter ist, dass die Akzeptanz von Karten nicht dazu führen soll, dass hierdurch die Prozesskosten der Akzeptanzstellen steigen. Oder anders ausgedrückt, eine Kartenakzeptanz soll nicht mehr Kosten, als die Akzeptanz von Bargeld.

Sicherlich ist überhaupt zu hinterfragen, ob die Bindung der Kartenkosten an die Bargeldkosten sachlich gerechtfertigt ist. Schließlich profitieren Händler ganz wesentlich vom Kartengeschäft. Es ist empirisch belegt, dass Bareinkäufe viel bewusster und zurückhaltender getätigt werden. Kartenakzeptanz führt zu durchschnittlich höheren Bons und ermöglicht häufigere Spontankäufe. Ganz davon zu schweigen, dass weniger Bargeld auch deutlich mehr Sicherheit bedeutet.

Der Tourist-Test, so wie er zuletzt durchgeführt wurde, ist weder neutral noch widerspruchslos. Er basiert wesentlich auf Händlerbefragungen und lässt viele Fragen offen. Mittlerweile gibt es mehrere Studien, die belegen, dass die echten Bargeldkosten weit höher liegen als die von der EU-Kommission angeführten. Studien von Visa kommen im Ergebnis zu Bargeldkosten von über 60 Basispunkten. Mastercard-Studien kommen zu über 100 Basispunkten.

Jetzt werden Kritiker gerne anführen, dass diese Ergebnisse zu erwarten seien. Es gibt allerdings auch neutrale Studien, zum Beispiel die aktuelle Studie der Steinbeis Universität, die sich dem Thema aus einem anderen Blickwinkel - der Volkswirtschaft - nähern, deren Ergebnisse aber die Werte der Mastercard- und Visa-Studien unterstützen. Und selbst aus dem Handel heraus hört man hinter vorgehaltener Hand Werte, die sich an den Mastercard-Ergebnissen orientieren. Wenn denn die Bargeld-Kosten der Maßstab für die Höhe Interchange sein sollen, dann verwundert es doch sehr, dass die EU-Kommission, die aktuellen Studien - von Mastercard und Visa wie auch von neutralen Stellen - zurückweist und nun erst einmal eine eigene neue Studie durchzuführen beabsichtigt. Denn dann stellt sich die Frage, wie nun schon Festlegungen bei der Karten-Interchange regulatorisch getroffen werden können, wenn der festlegenden Behörde die Ergebnisse ihrer eigenen Studie, die den Maßstab bilden soll, noch gar nicht vorliegen?

Für den Verbraucher von Nachteil

Es gibt weltweit Beispiele, wie sich eine solche Regulation für den Verbraucher auswirkt. Aufgrund der geografischen Nähe und der Aktualität will ich auf die Situation in Spanien näher eingehen, obwohl die Entwicklung in anderen Ländern wie zum Beispiel Australien ganz ähnliche Ergebnisse zeigen.

Im Dezember 2005 kam auf massiven Druck der spanischen Regierung eine Vereinbarung zwischen den wichtigsten Handelsverbänden und Kartensystemen über die Absenkung der nationalen Interchange zustande. Die Interchange wurde danach ab 2006 in Schritten abgesenkt. Formal genommen war dies keine Regulation im eigentlichen Sinne, allerdings sind die Ergebnisse und Auswirkungen vergleichbar. Auch hier gab es keinen Marktprozess, sondern es wurde - wie im Rahmen der Regulation - marktfremd und per politischem Zwang Einfluss genommen.

Die spanischen Universidad national de Educacion a Distancia, die Universidad Rey Juan Carlos und die Universidad Autonoma de Madrid haben die Ergebnisse dieser "Regulierung" für den Zeitraum 2006 bis 2010 untersucht. An dieser Stelle sei darauf hingewiesen, dass die Studie von Mastercard finanziell unterstützt wurde. Daraus möglicherweise abzuleiten, dass damit auch Einfluss auf die Ergebnisse genommen worden sein könnte, hielte ich für sehr unangemessen, vor allem gegenüber solch renommierten Universitäten.

Die Regulation führte zu einer Reduzierung der Interbankentgelte um über 57 Prozent. Diese Einsparung wurde von den Eingebundenen Zahlungsdienstleistern (Acquirer) im Wesentlichen an die Händler weitergegeben; die Händlerentgelte (Interchange plus Acquirerdienstleistungsentgelte) wurden durchschnittlich um über 51 Prozent reduziert. Und die Kosten für die Verbraucher sind explodiert. Die Verbraucher haben die Entlastung der Akzeptanzstellen mit Kostensteigerungen bei Bank- und Kartengebühren von 50 Prozent bezahlt. Über den untersuchten Zeitraum von fünf Jahren kumuliert betrug die Kostenabwälzung vom Handel auf die Verbraucher 2,35 Milliarden Euro!

Das Fazit der Studie ist ernüchternd: Die Interchangeabsenkung war für die Verbraucher eindeutig von Nachteil, weil ihnen die Gebühren deutlich angehoben und bestehende Mehrwerte und Vorteile reduziert wurden.

Kostenumverteilung vom Handel auf den Verbraucher

Erschreckend ist, dass keinerlei Belege dafür zu finden waren, dass die Verbraucher zumindest mittelbar - zum Beispiel in Form von geringeren Preisen - von dieser Kostenumverteilung profitiert haben. Die Regulation war am Ende nichts anderes als eine riesige Kostenumverteilung vom Handel auf die Verbraucher.

Überraschend ist, dass auch das Ziel, den Wettbewerb zu stärken und für mehr Wettbewerb zu sorgen, klar verfehlt wurde. Die Regulation führte in Spanien zu einem sinkenden Wettbewerb, das nationale Debit-System wurde deutlich geschwächt, Anreize für Investitionen wurden vermindert.

Zudem - und dies basiert auf Erhebungen der spanischen Zentralbank - die Regulation hat die Ablösung von Bargeld verlangsamt, beziehungsweise hat sogar in Teilen zu einer Erhöhung der Bargeldquote geführt.

Es gibt kein Marktversagen

Als Fazit lässt sich festhalten: Es gibt kein Marktversagen, dem mit harter Regulation begegnet werden müsste. Ganz im Gegenteil funktioniert der Zahlungsverkehrsmarkt hervorragend.

Die aktuellen regulatorischen Ansätze sorgen nicht für mehr Wettbewerb, in dessen Folge die Verbraucher profitieren könnten. Im Gegenteil wird Wettbewerb durch die Regulation außer Kraft gesetzt - zum deutlichen Nachteil der Verbraucher.

Der Zwang heute im Markt agierender Systeme, die von ihnen mit hohen In vestitionen aufgebauten Infrastrukturen neuen Wettbewerbern kostenfrei zur Verfügung stellen zu müssen, kommt einer entschädigungslosen Enteignung gleich - dies wird sich massiv negativ auf die Investitionsneigung auswirken.

Systeme und Anbieter, die nicht aus eigener Kraft den Markteintritt schaffen, sondern nur mit massiver Unterstützung der Regulation handlungsfähig sind, bieten weder Verbrauchern noch Akzeptanten dauerhafte Mehrwerte und Nutzen.

Der Beitrag basiert auf einem Vortrag des Autors auf dem Bankkarten-Forum 2013.

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