Blickpunkte

EU-Kommission - Marktversagen? Regulierungsversagen?

Es ist unruhig geworden im europäischen Zahlungsverkehr. Viel ist auch hier den Regulierungsbemühungen der Europäischen Kommission geschuldet. Jüngstes Beispiel: Am 24. Juli 2013 hat die Kommission einen Vorschlag für ein Gesetzespaket im Bereich des europäischen Zahlungsverkehrs verabschiedet. Dieses Paket beinhaltet den Vorschlag für eine überarbeitete Richtlinie über Zahlungsdienste (ZDR2) sowie für eine Verordnung über Multilaterale Interbankenentgelte (MIFs), die deutlich auf 0,2 Prozent des Transaktionswerts bei Debitkarten und 0,3 Prozent bei Kreditkarten gekappt werden. Bislang sind in Deutschland Interchange-Gebühren von durchschnittlich 1,5 Prozent üblich.

Die Kommission geht durch die abgesenkten Interbankenentgelten von einem Kostenvorteil für Europas Händler von bis zu sechs Milliarden Euro pro Jahr aus, der - nun kommt der Haken - im Idealfall von den Händlern an die Verbraucher weitergegeben wird. Kann man das uneingeschränkt glauben? Vielleicht glaubt auch die Kommission nicht so ganz daran, denn an anderer Stelle rückt sie mit den Regelungen von ihren bisher verbreiteten Ansichten ab: Surcharging wird nun doch weitestgehend verboten, der PSD 2 zufolge darf weder in einem Geschäft noch im Internet eine zusätzliche Gebühr für das Bezahlen mit Kreditkarte erhoben werden. So können Europas Konsumenten Hochrechnungen zufolge direkt jährlich 730 Millionen Euro einsparen.

Mit allem Respekt vor den Schwierigkeiten einer Harmonisierung der Bestimmungen in 28 Ländern, muss man sich ob solch doch drastischer Eingriffe fragen, wo in einem vereinten Europa denn der Markt und die Marktwirtschaft noch ihren Platz haben? Die Leidtragenden sind in erster Linie die kartenausgebenden Banken, deren Erträge aus dem Zahlungsverkehr nun zum zweiten Mal nach der Absenkung der Gebühren für Fremdabhebungen an Geldautomaten vor erhebliche Einbußen stehen. Doch Banken sind nicht wohlgelitten. Das zeigt die Reaktion des wirtschafts- und finanzpolitischen Sprechers der Grünen im Europaparlament auf die PSD 2: "Es ist auch nicht akzeptabel, dass Kreditkarten in Deutschland durchschnittlich 1,8 Prozent des Umsatzes kosten, während es in Frankreich nur 0,5 Prozent sind. Dafür werden letztlich wieder die Konsumenten zur Kasse gebeten. Das Oligopol weniger Kartenanbietern wie Visa und Mastercard verhindert einen effektiven Wettbewerb. Händler sind durch die Marktmacht der Anbieter faktisch gezwungen, die Karten mit ihren frechen Gebühren zu akzeptieren."

Es darf sicherlich bezweifelt werden, ob sich die Hoffnungen dieses Politikvertreters und der EU-Kommission erfüllen werden. Zum einen "Mehr Wettbewerb": Die Kommission träumt von größerer Vielfalt und einem Abbau von Markteintrittsbarrieren. Bislang hat sich aber noch kein anderes Kartenzahlungssystem neben Mastercard und Visa etablieren können und hierzulande glaubt kaum mehr jemand ernsthaft daran. Denn natürlich stellt sich die Frage nach der Finanzierbarkeit, und dass nun sogar ohne Interchange und ohne Surcharging.

Mehr Wettbewerb wird es dagegen aufseiten der Acquirer und Prozessoren geben. Wertschöpfungsketten werden sich verändern. Die neuen Regeln befördern ein Ausbreiten von Geschäftsmodellen über Ländergrenzen hinweg. Doch wird damit nicht genau das Gegenteil dessen erzeugt, was die Kommission eigentlich will? Werden die Großen so nicht immer größer und die Kleinen geraten in Not?

Zum anderen erhofft sich Brüssel eine Veränderung im Verbraucherverhalten: Ein stärkerer Wettbewerb unter Zahlungsdienstleistern soll die Kunden durch attraktivere Angebote animieren, auf elektronische Zahlungsmittel umzusteigen. Die durch den Zahlungsverkehr entstehenden Kosten betragen laut Kommission rund drei Prozent des europäischen Bruttoinlandsprodukts und entstehen vor allem durch das Bargeld. Allerdings ist "cash" für den Handel nach wie vor das billigste Zahlungsmittel. Damit fällt der wichtigste Promoter für Kartenzahlungen am PoS aus.

Und wenn Banken nun auch noch dazu übergehen (müssen), auf den Wegfall der Interchange mit höheren Gebühren für die Kreditkarten und für die einzelnen Transaktionen zu reagieren - es gibt bereits derartige Kontomodelle - so sind auch an dieser Stelle berechtigte Zweifel, ob man bald von boomenden Kartentransaktionen zu berichten hat.

Bleibt die grundlegende Frage zu stellen, ob denn überhaupt ein Marktversagen vorliegt, welches derartige Eingriffe rechtfertigen würde? Girocard mit Unterschrift, Girocard mit PIN, Kreditkarte mit Unterschrift, Kreditkarte mit PIN, Geldkarte, Prepaidkarte, Girogo, Girocard kontaktlos, Kreditkarte kontaktlos, Zahlen mit dem Handy, mit dem Smartphone, mit der Uhr - nicht jedes dieser Experimente wird zum Ziel führen. Manch heute hochgelobte weil bahnbrechende Innovationen wird man demnächst still beerdigen. Aber doch zeugt diese Vielfalt von der Funktionsfähigkeit der Branche. Wenngleich sie - auch das muss man an dieser Stelle anmerken - nicht gerade zur Verständlichkeit des Produktes Karte beim Verbraucher und dem überforderten Personal an der Ladenkasse beiträgt. PO

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