Debitkarte

ELVaus Handelssicht: kein Auslaufmodell

Der Kartenanteil am Umsatz des Einzelhandels steigt seit Jahren kontinuierlich an. Über die Zukunft des klassischen Elektronischen Lastschriftverfahrens (ELV) ist aber in jüngster Zeit eine Diskussion entbrannt. Angesichts steigender Rücklastschriften und der Schaffung eines einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraums für Debitkarten-Zahlungen (SEPA) ist oft von einem baldigen Ende des ELV die Rede. Wie das Verfahren und die damit verbundenen Herausforderungen im Forderungsmanagement vom deutschen Einzelhandel tatsächlich bewertet werden, haben die HIT Hanseatische Inkasso-Treuhand GmbH und die Nordsan Unternehmensberatung GmbH im Rahmen einer Studie untersucht. Dabei zeigte sich, dass die Zukunft des ELV von Teilen des Handels durchaus positiv eingeschätzt wird.

ELV im Einzelhandel nach wie vor wichtig

Insgesamt wurden im Rahmen der Studie die verantwortlichen Führungskräfte von 37 mittleren und großen Unternehmen, je zur Hälfte des stationären Lebensmittelbeziehungsweise Textileinzelhandels, insbesondere zur derzeitigen Bedeutung des ELV, zu Art und Umfang von Rücklastschriften und zu Strategien zur Beitreibung offener Forderungen im Forderungsmanagement befragt. Zu den rund zwei Drittel als Unternehmen mittlerer Größenordnung eingestuften Studienteilnehmern zählen im Lebensmittelhandel selbstständige Einzelhändler und im Textileinzelhandel mittelständische Fachgeschäfte. Zu dem anderen, als große Unternehmen eingestuften Drittel der Studienteilnehmer zählen im Lebensmittelhandel Discounter, Supermarktketten sowie Regie-Einzelhändler und im Textileinzelhandel die Großfilialisten. Eine hohe Bedeutung hat nach wie vor

Barzahlung für 94 Prozent,

ec-cash (also mit PIN-Abfrage, inklusive Maestro) für 42 Prozent,

das ELV für 28 Prozent,

das Online-Lastschriftverfahren (wie ELV auch mit Unterschrift, aber auch mit Online-Prüfung beim Netzbetreiber des Händlers gegen Sperrlisten und Scoring-Parameter) für elf Prozent

und die Kreditkarte für drei Prozent der befragten Händler.

Handelskarte (mit Bezahlfunktion), Geldkarte und Rechnung auf Ziel (zum Beispiel an lokale Unternehmen und öffentliche Einrichtungen als Monatskunden) hingegen haben demgegenüber nur eine unter geordnete bis hin zu keiner Bedeutung. Auch neue Systeme wie Fingerprint sind bisher nur bei wenigen Händlern im Test.

Besonders im Textileinzelhandel beliebt

Besonders wichtig ist das ELV für die Händler des Textileinzelhandel, bei dem es für 45 Prozent der Unternehmen eine hohe Bedeutung hat. Im Lebensmittelhandel hingegen hat das Verfahren für elf Prozent eine hohe und für weitere 22 Prozent eine mittlere Bedeutung. Einen Unter schied bei der Entwicklung des ELV-Anteils in den zurückliegenden Jahren gibt es zwischen den mittleren und gro ßen befragten Unternehmen. So ist der ELV-Anteil bei 39 Prozent der Händler mittlerer Größe in den zurückliegenden Jahren sogar noch gestiegen, bei 57 Prozent der Großen aber gefallen.

Vor allem in kleineren Städten

Bei der Nutzung des ELV lassen sich drei Gruppen unterscheiden.

Insbesondere für Händler in kleineren

Städten und mit einem hohen Anteil oft älterer Stammkunden, "die ihre PIN oft gar nicht kennen" (Zitat eines Studienteilnehmers), ist das ELV nach wie vor attraktiv. Für einige wird es wieder attraktiv, zum Beispiel weil das ec-cash-Verfahren als zu teuer eingestuft wird.

Eine zweite Gruppe von Händlern hat das ELV mittlerweile abgeschafft, zum Beispiel in Großstädten mit sozialen Brennpunkten oder in Häusern mit besonderem Risiko.

In der dritten Gruppe kommt das ELV noch in begrenztem Umfang vor, zum Beispiel bis zu einer definierten Euro-Betragsgrenze, die bei den befragten Händlern zwischen zehn und 150 Euro schwankt, oder nur noch bei bekannten Kunden und den eigenen Mitarbeitern.

Rücklastschriften überwiegend von Karteninhabern selbst verursacht

Zur Prävention missbräuchlicher Kartennutzungen im ELV-Verfahren kommen verschiedene Maßnahmen zum Einsatz. Eine Identitätsprüfung (vor allem Personalausweis) findet bei 14 Prozent der befragten Unternehmen des LEH und auch bei 14 Prozent der befragten großen Händler grundsätzlich statt. Überwiegend wird diese aber nur selektiv und "abhängig vom Bauchgefühl der Kassiererin" durchgeführt, weil alles andere "die in einer Schlange vor der Kasse wartenden Kunden trübsinnig bis rasend" machen würde.

79 Prozent aller befragten Unternehmen und 100 Prozent der befragten großen Unternehmen setzen Sperrdateien ein, sei es als hauseigene Listen mit den Daten (Kontonummer und Bankleitzahl) auffällig gewordener Kunden oder als betriebsübergreifende Sperrdateien (der Netzbetreiber, großen Handelskonzerne, Kuno und andere).

Trotz des Einsatzes präventiver Maßnahmen hat der Umfang von Rücklastschriften in den letzten Jahren generell zugenommen. Dies betrifft 60 Prozent aller Händler, insbesondere aber den Lebensmittelhandel (77 Prozent der Befragten) und die großen Handelsunternehmen (88 Prozent). Allerdings gibt es regionale Unterschiede etwa zwischen Städten mit sozialen Brennpunkten und Studentenstädten auf der einen und kleinstädtischen oder ländlichen Lagen andererseits. Gerade weil die Beträge, um die es dabei geht, in vielen Fällen relativ gering sind, etwa weil ein Kunde ohne Geld Zigaretten und Schnaps gekauft hat, entsteht so schnell ein Zuschussgeschäft, bei dem die entstehenden Kosten höher sind, als der ursprüngliche Einkaufswert.

Die Ursachen für Rücklastschriften liegen ganz überwiegend bei den Karteninhabern selbst (Abbildung 1). So zählt die missbräuchliche Verwendung gestohlener oder gefundener Karten nur für sechs Prozent der Befragten zu den Rücklastschrift-Ur sachen mit hoher Bedeutung. Auch sind die Fälle organisierter Kriminalität in diesem Bereich noch selten, da diese das ELV noch nicht groß für sich entdeckt hat. Für 86 Prozent der Befragten haben die Fälle eine hohe Bedeutung, in denen die Leute über ihre Verhältnisse leben und ihr Konto nicht im Griff haben. Obwohl auf Grundlage der wenigen, den Händlern zur Verfügung stehenden Daten (Kontonummer, Bankleitzahl, Adresse nach Auskunft der Bank) genaue Aussagen zu den betroffenen Kunden nur schwer möglich sind, herrscht die Ansicht vor, dass dieses Problem quer durch alle Schichten geht.

Auch ist der Übergang zur ersten genannten Ursache, der Kriminalität, fließend (etwa wenn der Karteninhaber entdeckt, dass er für 100 Euro einkaufen kann und dann in mehrere Märkte geht), und wird von manchen Händlern als Scheckkartenbetrug strafrechtlich verfolgt.

Unterschiedliche Strategien für die Bearbeitung von Rücklastschriften

Der Zeitaufwand für die Bearbeitung einer Rücklastschrift unterscheidet sich zwischen den befragten Unternehmen erheblich und liegt zwischen drei Minuten und zwei Stunden (siehe Abbildung 2). Die vollständig eigene Bearbeitung (mit Aufgaben wie Kaufbeleg heraussuchen, Bank anschreiben, Kunden anschreiben und Zahlungseingang überwachen) dauert Zeit, sodass etwa bei einem größeren Filialisten eine Mitarbeiterin ausschließlich damit beschäftigt ist. Ein Studienteilnehmer kommt in einer eigenen Berechnung aller Kosten wie Buchhaltung, Steuerberater und Zinsverluste auf insgesamt rund 100 Euro.

Bei denjenigen Händlern, die für die Bearbeitung von Rücklastschriften Dienstleister einsetzen, sinkt der eigene Zeitaufwand aber deutlich (nur noch Belege den Formularen des Inkassobüros zuordnen und zufaxen) und beträgt bei einem der Befragten nur noch drei Minuten pro Fall.

Durchschnittlich 2,1 Mahnungen

Jedes dritte Unternehmen führt einen sogenannten Hoffnungslauf durch und ver sucht, durch erneutes Einreichen der Lastschrift die Forderung einzulösen, ohne weitere Kosten etwa durch Beleganforderung und Adressermittlung zu verursachen. Die Mehrheit jedoch verzichtet darauf unter anderem mit der Begründung, dass "diese Leute auch beim zweiten und dritten Versuch kein Geld haben". Die Studienteilnehmer, die zunächst ein eigenes kaufmännisches Mahnverfahren betreiben, verschicken im Durchschnitt 2,1 Mahnungen. Dabei werden über die Berechnung der entstandenen Fremdkosten (zum Beispiel Rücklastschriftgebühr und Kosten Adressauskunft) hinaus durchschnittlich 3,90 Euro eigene Bearbeitungsgebühren in Rechnung gestellt (Abbildung 3). Die Bearbeitungsgebühren schwanken zwischen null Euro bei denen, die froh sind, wenn Geld kommt, und zwölf Euro bei einem Befragten in Abhängigkeit vom Grad der Verärgerung.

Ein aktives Telefoninkasso im kaufmännischen Mahnverfahren setzen 61 Prozent der befragten Einzelhändler ein. Viele Mittelständler kennen ihre Kunden, und in manchen Fällen "schaltet sich der Chef ein und droht nach der zweiten Mahnung eine Strafanzeige wegen Scheckbetrugs an, um einen Ruf aufzubauen und andere abzuschrecken". Drei Viertel der Befragten lassen sich auch auf Teilzahlungsvereinbarungen ein, wobei dazu angesichts des Anstiegs bei Verbraucherinsolvenzen zum Teil gar keine andere Möglichkeit gesehen wird. Die Bandbreite reicht dabei von einem reaktiven Einsatz, wenn ein Kunde sich selbst meldet und das Geld abstottern will, bis zu einem aktiven Einsatz auf Initiative des Einzelhändlers, weil "die Hauptsache ist, dass das Geld kommt".

Kundendaten von der Bank: nicht immer aktuell

Die Gebühren der Banken für die Herausgabe der Kundenanschrift werden von vielen Händlern als mitunter horrend kritisiert. Diese liegen im Durchschnitt bei 13,30 Euro, können in Extremfällen aber auch 45 Euro betragen (Abbildung 4). Im Gegensatz zu früher funktioniert der kleine Dienstweg mit dem bekannten Sachbearbeiter der Bank nicht mehr.

Zu denjenigen Banken, die besonders hohe Gebühren verlangen, wurden von den Studienteilnehmern exemplarisch Institute sowohl aus dem Sparkassen- als auch Genossenschafts- und Privatbankensektor genannt. Als besonders ärgerlich aus Sicht der Händler ist dabei, dass in manchen Fällen auch die Bank nicht über die aktuelle Anschrift verfügt und die Ausgaben ganz umsonst sind. Die Kooperationsbereitschaft der Banken wird von 70 Prozent positiv bewertet. Einige berichten aber auch von negativen Erfahrungen und der Entscheidung einzelner Banken, Adressen gar nicht mehr herauszu geben.

Rücklastschriftbearbeitung: zu zwei Dritteln outgesourct

Bei der Bearbeitung von Rücklastschriften setzen 69 Prozent der Unternehmen (auch) Dienstleister ein. Zu den Argumenten, die von den anderen gegen die Zusammenarbeit mit Externen genannt werden, gehört etwa, dass jeder Geld will, um dann festzustellen, dass der Kunde kein Geld hat. Außerdem, dass die Kunden sehr oft aus der Region stammen, und "die erfahrene Sachbearbeiterin weiß dann, mit wem sie es zu tun hat". Auch gibt es Unternehmen, welche die meis tens sehr geringen Beträge nach der dritten Mahnung ausbuchen. 45 Prozent der Studienteilnehmer treten die Forderung an den Dienstleister ab, während 55 Prozent eine Bearbeitung in eigenem Namen, etwa auf Erfolgsbasis, wobei 50 Prozent an das Inkassobüro gehen, bevorzugen. So realisieren manche noch Geldeingänge aus älteren Forderungen, weil die Titel dreißig Jahre lang gültig sind.

In der Rangliste der Dienstleister, die für die Bearbeitung von Rücklastschriften eingesetzt werden, stehen Inkassobüros (43 Prozent der Befragten, Mehrfachnennungen möglich) vor Netzbetreibern (33 Prozent) und Rechtsanwälten (29 Prozent). So spricht für Inkassobüros etwa, dass die Beträge nicht so hoch und Inkassobüros dafür Profis sind. Andere Händler bevorzugen die Abgabe an Netzbetreiber, zum Beispiel weil dann alles inklusive der Sperrdatei in einer Hand ist, oder insbesondere die Abgabe größerer Beträge ab 500 Euro an Rechts anwälte. Zum Teil erfolgt die Abgabe an Anwälte aber auch deshalb, weil der Anwalt im Verband im Mitgliedsbeitrag enthalten ist.

Wichtigstes Motiv für die Abgabe an Externe ist für die Hälfte der Befragten die Verminderung des eigenen Aufwands, weil die meisten nicht über die Infrastruktur und die personellen Ressourcen verfügen, um eine Masse von Forderungen abzuwickeln. Weitere Motive sind die höhere Außenwir kung eines Externen für 25 Prozent, wenn ein Rechtsanwalt im vorgerichtlichen Mahnverfahren einen weiteren Brief ver schickt, und für 15 Prozent das fehlende juristische Know-how, weil ein Händler verkaufen und nicht Vollstrecker sein will.

Jeder dritte Händler hartnäckiger ELV-Befürworter

68 Prozent erwarten in den kommenden Jahren einen weiteren Anstieg der Rücklastschriften im ELV. Ursächlich dafür sei unter anderem, dass Banken jedem eine ec-Karte geben und selbst Kinder damit einkaufen und dass viele Leute nicht mit Geld umgehen können. Die anderen hingegen erwarten eine Stagnation oder gar einen Rückgang etwa durch die sinkende Arbeitslosigkeit und die Verbesserungen des ELV-Systems.

36 Prozent der befragten Einzelhändler wollen am ELV aber auch in Zukunft festhalten. Obwohl die Banken das sogenannte wilde Lastschriftverfahren bereits mehrfach aussterben lassen wollten und aktuell die Diskussion um Sepa jetzt ein weiterer Versuch in dem zähen Kampf zwischen Banken und Einzelhandel ist, gilt das ELV seinen Befürwortern nicht nur als Vertrauen dem Kunden gegenüber, sondern angesichts der engen Margen im deutschen Einzelhandel als unverzichtbar und müsste nach Ansicht der Befür worter bei seinem Wegfall durch ein eigenes System des Handels ersetzt werde.

Weiterführende Informationen zur Studie können bei Alexander Steffani, HIT Hanseatische Inkasso-Treuhand GmbH, Hamburg, Eiffestraße 398, 20537 Hamburg, Telefon 0 40-29 99 23-19, E-Mail: alexander.steffani[at]hit-inkasso[dot]de

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