Preispolitik

Kundenbindung durch Preispolitik: Nicht nur Neukunden im Blick

Am 15. April 2008 hat die Netbank AG ein neues Girokontomodell auf den Markt gebracht. Nach fast zehn Jahren, in denen es nahezu unverändert geblieben ist, war es an der Zeit, das Kernprodukt neu zu gestalten. Giro-Loyal ist ein differenziertes Girokontomodell, das im Spannungsfeld aus veränderten Kundenbedürfnissen, der Schärfung der Zielgruppen und aktuellen Markttendenzen entwickelt wurde. Die Produktentwicklung, an der fast alle Mitarbeiter mitgewirkt haben, dauerte von Dezember 2007 bis April 2008.

Bis zum April 2008 stellte das Girokonto der Netbank ein Produkt für alle Eventualitäten des Lebens dar. Ausgestattet mit einem für alle Kunden gültigen Zinssatz, war es Girokonto, Sparkonto und Tagesgeldkonto zugleich. Durch neue Produktausrichtungen der Marktteilnehmer konnten die Vorteile des Girokontos nicht mehr wie gewollt herausgestellt werden. Es musste daher eine stärkere Differenzierung der Kontoeigenschaften definiert werden, um das Profil des Kontos zu schärfen.

Im hart umkämpften Girokonten-Markt entwickelte sich ein neuer Trend. Das Angebot der Banken hat sich in Richtung einer Kombination aus Girokonto und Tagesgeld verändert. Ziel dieser Kombination ist es, das unverbindliche Produkt Tagesgeld in den Fokus des Kunden zu rücken und so neue Girokontokunden zu gewinnen. Zunehmend verschärften ausländische Banken mit hohen Tagesgeldzinsen den Wettbewerb. Als Reaktion ging der Trend zu "Sternchenangeboten" und die Konzentration auf den Neukunden, der mit guten Zinsen und Willkommensprämien belohnt werden sollte. Bei dieser Rechnung fehlte jedoch aus unserer Sicht die Wertschätzung und Belohnung des Bestandskunden.

Im August 2007 hat die Netbank eine repräsentative Befragung von Bankkunden zu einem aus ihrer Sicht "idealen Girokonto" durchgeführt. Die Befragten beurteilten sechs real existierende aber anonymisierte Kontomodelle, ausgestattet mit unterschiedlichen Leistungen wie Guthabenverzinsung, kostenlose Bargeldversorgung, monatliche Vergütung, Kontowechselservice, Gutscheine und Startguthaben, Anzahl an Geldautomaten, Wegfall von Dispositionszinsen.

Interessanterweise schnitt das damalige Girokontomodell der Netbank am besten ab. Die Befragung zeigte aber auch, welche Leistungen bei der Auswahl eines Girokontos und welche Bedingungen für den Wechsel des Gehaltskontos eine wesentliche Rolle spielen. Neben der Gebührenfreiheit waren dies eine attraktive Guthabenverzinsung, kostenlose Bargeldabhebung und eine hohe Anzahl an Bankautomaten. Bisher war die kostenlose Bargeldversorgung mit der Netbank-ec-Karte bundesweit nur an den Automaten des Cash Pools möglich gewesen. Das war gerade für Kunden mit Wohnsitz außerhalb städtischer Ballungsräume problematisch.

Guthabenverzinsung als Bonus

Der Bank war klar geworden, dass ein Produkt geschaffen werden musste, welches das Marktprinzip umkehrt. Nicht mehr das Kommen des Neukunden, sondern das Bleiben des Bestandskunden sollte vorrangig honoriert werden. So entstand die Idee des Loyalitätsbonus, der Kunden für ihre Treue belohnt. Zudem hat sich das Institut verstärkt auf die Zielgruppe der Kunden mit Gehaltseingang konzentriert. Dahinter steht der Grundgedanke der Nachhaltigkeit durch das Anstreben langjähriger und erfolgreicher Kundenbeziehungen. Zur Zielgruppe gehören auch freiberuflich Tätige. Keine andere Bank heißt Freiberufler so ausdrücklich willkommen wie die Netbank, und kein anderes Girokonto bietet dieser Berufsgruppe so viele Vorteile.

Sachprämien sind austauschbar

Der Loyalitätsgedanke formte die praktische Umsetzung des Produktes. Die Frage lautete: Wie sieht der Loyalitätsbonus aus? Er gestaltet sich derart, dass Neukunden den Bestandskunden nicht mehr vorgezogen werden. Ganz pragmatisch hat sich die Netbank an den Ergebnissen der Studie orientiert: Monetäre Anreize spielen eine Rolle bei der Entscheidung für ein Girokonto. Und so kam für das Haus zuzüglich weiterer Extras - eine attraktive Guthabenverzinsung als Bonus in Frage.

Auch andere Ideen wie Sachprämien oder die Einführung eines Bonuspunktesystems standen zur Debatte. Sachprämien sind jedoch keine hauseigenen Produkte, sie sind austauschbar, können nicht von der Güte der Bank überzeugen und wirken daher nicht auf eine Kundenbindung hin. Auch Bonuspunktesysteme sind austauschbar, und die Verwandlung virtueller Punkte in beliebige Sachprämien erschien weniger reizvoll.

So differenzierte die Bank die Form des bisherigen Modells und gestaltete das neue Produkt als Girokonto, an das ein Tagesgeldkonto gekoppelt ist. Die Verzinsung auf dem Girokonto beträgt in der Basisversion 0,5 Prozent per annum, Kunden mit Gehaltseingang erhalten einen höheren Zinssatz von 2,5 Prozent per annum. Als weitere Extras stehen diesen Kunden unter anderem die kostenlose ec-Karte und die kostenlose Nutzung der Mobile-TAN sowie die Mastercard für das erste Jahr kostenlos zur Verfügung. Auf dem Tagesgeldkonto zahlt das Institut inzwischen einen Guthabenzins von 4,0 Prozent per annum - und von diesem Satz profitieren nicht nur Neukunden, er gilt für alle Kunden.

Der Loyalitätsgedanke sollte sich auch im Produktnamen wiederfinden. Der Bank war wichtig, dass der Name genau das beschreibt, was in dem Produkt steckt: Netbank Giro-Loyal ist ein Girokonto mit Loyalitätsbonus. Ein weiteres Ergebnis aus der Studie spiegelt sich in der Entwicklung von Giro-Loyal wider: Das Netz der Bargeldversorgung musste dichter werden. Die Netbank entschied sich für eine weltweit kostenlose Bargeldversorgung via Kreditkarte. Bis zu fünfmal im Monat kann der Kunde weltweit kostenfrei an allen Automaten Geld abheben. Dabei ist die Kreditkarte im ersten Jahr kostenlos.

Dass sie im zweiten Jahr nicht mehr per se kostenlos ist, wurde bereits vor der Einführung des neuen Modells als Vertriebshindernis erkannt, jedoch bewusst so gewählt. Ab dem zweiten Jahr kostet die Kreditkarte maximal 20 Euro. Diese Gebühr wird aber, abhängig vom Kredit-karten-Umsatz des Kunden, gestaffelt erstattet. Mit anderen Worten: Für den, der die Karte wirklich nutzt, ist sie kostenlos. Und der Gehaltskunde wird sie einsetzen, denn er hat damit Zugriff auf sein Gehaltskonto.

Quartalsweise Prüfung der Kontoführung

Noch ein weiterer Aspekt spricht für den Einsatz der Kreditkarte: Die Bezahlung mit Karte und PIN wird sicherheitsbedingt zunehmen. Was in anderen europäischen Ländern gang und gäbe ist, wird auch in Deutschland Verbreitung finden. Durch die Bargeldversorgung via Kreditkarte hat der Kunde die PIN dieser Karte im Kopf, weshalb er bei der Bezahlung mit Geheimzahl künftig häufiger zur Kreditkarte greifen wird. Um dem Kunden den Einsatz der Kreditkarte noch deutlicher ins Bewusstsein zu rücken, haben wir sie in Anlehnung an unseren Internetauftritt neu gestaltet und mit einer Reiterfunktion ausgestattet. So entsteht eine Wiedererkennung im Portemonnaie.

Die Neueinführung von Giro-Loyal brachte zwischen Dezember 2007 und März 2008 komplexe Umstellungen in der IT, der Organisation und im gesamten Formularwesen mit sich. Die Regelungen von Giro-Loyal mussten in den Rahmenvertrag bei

der Kontoeröffnung aufgenommen werden. Quartalsweise werden die Konten daraufhin überprüft, ob sie die Bedingungen für das Loyalitätsprogramm erfüllen und wurden demnach automatisch auf das Basismodell oder das Modell für Gehaltskonten umgestellt.

Information der Bestandskunden eine Woche vor Umstellung

Diese Umstellung durch die Einführung von Giro-Loyal betraf alle Kunden. Wichtig war daher auch eine angemessene Kommunikation: Eine Woche vor dem Start wurden mit einem Direktmailing alle Bestandskunden über die Umstellung auf das neue Modell informiert. Erst danach wurde das Produkt im Onlinebanking-Bereich unserer Website, im Newsletter und über Public Relations vermarktet. Begleitend zur Produkteinführung lief von März bis Mai 2008 die Kampagne "Gehaltserhöhung" auf stark frequentierten Websites wie monster.de und web.de. Alle, die ihr Gehaltskonto zur Netbank verlegt haben, erhielten eine einmalige Prämie von 5,0 Prozent auf den ersten Gehaltseingang.

Die Produkteinführung von Giro-Loyal am 15. April 2008 zog positive Konsequenzen nach sich, ließ aber auch Potenzial zur Nachjustierung erkennbar werden. Als Herausforderung entpuppte sich eine geeignete kommunikative Darstellung des Modells. Das Produkt - Girokonto plus Tagesgeldkonto, die Abhängigkeit der Konditionen vom Gehaltseingang - ist komplex. Transparenz und Vollständigkeit der Informationen bildeten wesentliche Kriterien bei der Kommunikation. Möglicherweise haben wir die Kunden mit der Informationsvielfalt überfordert. Daraus haben wir gelernt und Botschaften verändert oder auf der Website Produkteigenschaften im Hinblick auf die Zielgruppen umgestellt.

Leider haben auch Kunden die Bank verlassen, für die das neue Modell und damit die Grundlage der Entscheidung für die Netbank nicht mehr in Frage kamen. Heute kann man jedoch sagen, dass der vorab kalkulierte Kundenverlust bei weitem nicht erreicht wurde, was in dem vorliegenden Fall bei einer Zwangsumstellung aller Kunden bemerkenswert ist.

Als Erfolg kann die Steigerung der Gehaltskonten um über zehn Prozent seit der Einführung von Giro-Loyal verbucht werden. Ebenso die verstärkte Nutzung der Mobile-TAN, die Kunden mit Gehaltseingang als kostenloses Extra erhalten. Die Umsätze über die Kreditkarte sind deutlich gestiegen. Das Institut erreichte ein positives Feedback aus dem Kundenkreis und eine hohe Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit.

Aus dem Entwicklungsprozess hat die Bank viel gelernt. Die Netbank besitzt nun ein zukunftsfähiges Produkt, das zum Haus und zur Klientel passt. Aus heutiger Sicht würde für die Produktentwicklung jedoch ein größerer zeitlicher Rahmen gesteckt. Bestätigt fühlen sich die Verantwortlichen in dem Haus in den Entscheidungen auch durch eine eigens im Mai 2008 durchgeführte repräsentative Befragung von rund 1 000 Bankkunden.

Diese ergab, dass fast 90 Prozent der Befragten empfinden, dass die in der Werbung der Banken gezeigten Top-Konditionen in der Regel zu viele Fußnoten enthalten. Außerdem stimmen 53 Prozent voll und 31 Prozent überwiegend der Aussage zu, Banken sollten zunächst ihre Bestandskunden belohnen und danach erst die Neukunden. Und auch der Aussage "Kunden mit Hauptbankverbindung (Gehaltskonto) sollten bei Banken im Fokus der Aufmerksamkeit stehen" stimmen 51 Prozent voll und 35 Prozent der Befragten überwiegend zu. Der Netbank Loyalitätsgedanke wird sich auch in weiteren Bereichen fortsetzen. Bereits im Juni 2008 wurde ein ausschließlich für Kunden zugänglicher Zeitschriftenshop eingerichtet. Auch bei der bevorstehenden Überarbeitung des Wertpapierbereichs werden unsere Bestandskunden im Fokus der Aufmerksamkeit stehen.

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