Redaktionsgespräch mit Stefan Ermisch

"Wir wollen Wert schaffen"

Stefan Ermisch, Foto: Hamburg Commercial Bank AG

Rückwirkend muss man die Entscheidung der EU-Kommission, die ehemalige HSH Nordbank zu privatisieren, als Glücksfall bezeichnen. Denn mit viel harter Arbeit ist hier inzwischen mit der HCOB eine gut aufgestellte Geschäftsbank entstanden, die mit dem Eintritt in den Bundesverband deutscher Banken Ende vergangenen Jahres ihre öffentlich-rechtliche Vergangenheit endgültig hinter sich gelassen hat. Viel ist dabei den Noch-Großaktionären Cerberus und J.C. Flowers zu verdanken. Aber der Grundstein wurde schon früher gelegt, wie Vorstandschef Stefan Ermisch im Redaktionsgespräch betont. Denn ohne die rigorose Verringerung der NPL-Bestände und das Schrumpfen der Bilanzsumme vor der Privatisierung wäre die weitere Entwicklung gar nicht möglich gewesen. Nun soll die nächste Phase mit vorsichtigem Wachstum eingeleitet werden. Dabei gibt Ermisch das Ziel klar vor: Die HCOB soll in allem, was sie tut, die beste Bank für ihre Kunden sein. Das Grundgerüst dafür steht und auch die Zahlen lassen dies zu. Auch weil die HCOB bislang kaum bis gar nicht vom Kriegsgeschehen beeinträchtigt ist. Entsprechend entspannt ist Ermisch mit Blick auf das Erreichen der Jahresprognose, sollte es keinen wirtschaftlichen Totalschaden als Kriegsfolge geben. (Red.)

Herr Ermisch, es gibt einen Krieg in Europa, die Konjunktur schwächt sich ab, wir haben enorme Inflationsraten und vermutlich bald steigende Insolvenzzahlen. All das führt zu einer Gemengelage, die nicht ganz einfach für Banken ist. Die Liste ist lang. Wenn ich die Entwicklung der Hamburg Commercial Bank anschaue: Wie ärgerlich ist das, dass das jetzt alles um die Ecke kommt, wo die HCOB endlich fertig saniert ist und durchstarten könnte?

Wir müssen mit jeder Situation zurechtkommen, die Rahmenbedingungen kann man sich nun mal nicht aussuchen. Es gab bereits in den vergangenen acht Monaten ein grundlegend positives Zinsmomentum und nahezu alle gingen eigentlich schon vor der Ukraine-Krise davon aus, dass es langsam an der Zeit sei, das Negativ- oder Niedrigzinsumfeld zu verlassen. Leicht anziehende Inflationsraten und Zinsen sind strukturell gut für Banken, auch in Deutschland. Demzufolge hatten sich der europäische und deutsche Bankenindex bis zum Krieg Russlands gegen die Ukraine durchaus respektabel geschlagen, nachdem die Bankaktien in den zehn Jahren zuvor komplett "out of favour" waren - nicht nur, aber auch wegen der negativen Zinslandschaft. Insofern hatte sich das Umfeld für die Banken gerade zum Besseren gedreht. Zudem gab es die Hoffnung, dass die Konjunktur nach der Corona-Pandemie wieder in Schwung kommt. Da hätte alles gepasst.

Durch den verheerenden Krieg ist die Situation nun leider wieder unsicherer geworden. Und zuverlässig planen kann man aktuell schlicht nicht. Wir wissen nicht, in welche Richtung sich der Krieg bewegt und wie sich die Konjunktur weiterentwickelt. Ob es zu einer Stagflation oder gar einer Rezession kommt, die zu schmerzhaften Wohlstandsverlusten führen würde. Insofern steuern wir auch die HCOB erst einmal "auf Sicht", bleiben vorsichtig und prüfen kontinuierlich, wo wir mit unseren Aktivitäten stehen und wie wir das hohe Niveau an operativer Wertschöpfung halten. Und wenn wir der Meinung sind, eine Kurskorrektur sei nötig, dann werden wir das selbstverständlich handeln. So, wie wir es immer gemacht haben.

Was heißt das nun konkret für Ihr Haus?

Die HCOB steht aufgrund ihres geschäftlichen Profils aktuell sehr gut da. Die Assetklassen, in denen wir aktiv sind, sind bisher kaum bis gar nicht negativ von den Auswirkungen des Kriegsgeschehens betroffen. Es gibt sogar Branchen, in denen es derzeit sehr gut läuft. Nehmen Sie nur einmal die globale Schifffahrt, die Schwerlogistik auf See, die seit geraumer Zeit einen extremen Aufschwung erlebt, nachdem es - wie wir alle wissen - auch andere Zeiten gab. Es gibt dort einen hohen Nachfragedruck bei gesundeter Angebotsseite. Das führt zu sehr positiven Entwicklungen bei den Charter-Raten für Container- und Bulkerschiffe. Hinzu kommt der Ukraine-Krieg, durch den bestimmte Lieferwege blockiert sind, was temporär zu weiter steigenden Charter-Raten führen wird.

Unser zweites Standbein "Projektfinanzierung" ist vor allem im Segment erneuerbare Energien und Infrastruktur ebenfalls unbeschadet von der Kriegssituation. Im Gegenteil: Längerfristig könnte das Streben nach mehr und schnellerer Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern hier zusätzliche Perspektiven bieten und der klimaneutralen Wirtschaft deutliche Impulse geben. Um diesen Umbau der Unternehmen hin zu mehr Nachhaltigkeit zu unterstützen, sind wir gut aufgestellt.

In unserem dritten, sehr starken Kerngeschäftsfeld "Commercial Real Estate" sind wir gut aufgestellt und hier bleiben wir bei unserer vorsichtigen Geschäftspolitik, weil wir diese Assetklasse mit hoher Expertise und seit vielen Jahrzehnten sehr erfolgreich bedienen. Denn der Immobilienmarkt ist, getrieben von hohen Liquiditätszuflüssen und dem niedrigen Zinsniveau der vergangenen Jahre, schon relativ hoch bewertet. Aktuell ist es sehr schwer zu prognostizieren, wie sich eine etwaig anhaltend hohe oder gar zu hohe Inflation, das Risiko eines zu schnellen Zinsanstiegs oder die weiteren konjunkturellen Unsicherheiten auswirken werden. Es ist nach wie vor viel Geld und große Nachfrage im Markt, gleichwohl werden wir etwas zurückhaltender sein und etwas Dynamik aus der Neugeschäftstätigkeit rausnehmen.

Obwohl es doch ein erklärtes Wachstumsfeld ist?

Absolut. Und wir wollen den aktuellen Planungen zufolge auch im laufenden Jahr rund 2,2 Milliarden Euro Neugeschäft allein im Immobilienbereich kontrahieren und damit mehr als im Vorjahr. Aber eben nicht mehr 2,7 Milliarden Euro, wie ursprünglich geplant.

Und wie sieht es im Unternehmenskundengeschäft aus?

In unserem vierten Geschäftsfeld "Corporates" ist die Situation sicherlich am kompliziertesten. Zumindest wenn es um Exportorientierung, Konjunktursensibilität, Covid-Nachwehen et cetera geht. Bisher haben wir kaum steigende Insolvenzraten gesehen, aber ich gehe davon aus, dass sie irgendwann kommen werden. Die HCOB ist nur sehr gering in konjunkturanfälligen, exportlastigen Branchen engagiert.

Wir haben schon vor rund sechs Jahren entschieden, nur noch dort aktiv zu sein und Produkte anzubieten, wo wir die nötigen Marktanteile vorweisen können. Es macht keinen Sinn für eine Bank, Produkte dort anzubieten, wo sich zu viele tummeln und wo es nur sehr schwer bis kaum möglich ist, einen nachhaltigen und risikoadjustierten Return zu generieren. Da wir uns als Spezialfinanzierer frühzeitig auf Nischen konzentriert haben, sind wir von konjunkturellen Einschlägen im breiten Corporate Banking nicht nennenswert betroffen.

Wie werden sich steigende Zinsen, sollte sich die EZB irgendwann mal entscheiden können, auswirken?

Die Entwicklung in all unseren Geschäftsfeldern ist auch in diesem Umfeld sehr konstant und robust. Der steigende Zins wird uns zusätzlichen Schub geben. Denn die HCOB ist in ihrer Asset-Liability-Struktur - wie alle anderen Banken wahrscheinlich auch - eher auf steigende Zinsen ausgerichtet. Daher können wir wegfallende volumenabhängige Erträge durch höhere Zinsmargen gut kompensieren.

Hinzu kommt noch ein Sondereffekt aus der Privatisierungszeit, der mich sehr optimistisch stimmt. Die "alte Bank" hatte vor der Privatisierung mit sehr hohen Refinanzierungskosten zu kämpfen - trotz der ehemals staatlichen Eigentümer mit ihren Topratings. Seit der Privatisierung sinken diese Refinanzierungskosten. Das heißt die Netto-Zinsmarge profitiert einerseits von der Ausweitung des Geschäfts und andererseits von deutlich günstigerer Refinanzierung. Allein deshalb bin davon überzeugt, dass die Hamburg Commercial Bank auch im Jahr 2022 wieder ein sehr gutes Ergebnis erzielen wird, vorausgesetzt wir sehen keinen gesamtwirtschaftlichen "Totalschaden".

Alles in allem kann man die Entscheidung der EU, die damaligen Eigentümer der HSH Nordbank zu einer Privatisierung zu zwingen, dann wohl als "Glücksfall" bezeichnen, oder?

Die EU-Kommission hat meinem Empfinden nach in unserem Fall genau richtig entschieden, vermutlich auch, da sie generell gewisse Vorbehalte gegenüber staatlichen Eigentümern hat. Die HSH Nordbank war eine Bank, die unter staatlicher Idee geschaffen und unter Aufsicht der Länder geführt wurde. Es wurden verheerende Fehler gemacht und als das Institut Probleme bekam, konnten diese unter der alten Eigentümerschaft nicht durchgreifend gelöst werden. Die EU-Kommission hat das erkannt und im Jahr 2016 entschieden, dass die Bank privatisiert werden muss. Ich habe das als große Chance gesehen und war von Beginn an überzeugt, dass wir es alle gemeinsam schaffen, die Bank konsequent neu aufzustellen: die Mitarbeitenden und das Management, unser seit dem Eigentümerwechsel hochkarätig besetzter, internationaler Aufsichtsrat und selbstverständlich die neuen Eigentümer mit ihrer Expertise. Und das haben wir, auch wenn uns das damals nicht viele zugetraut haben.

Würden Sie sagen, dass der Weg einer solchen Transformation und Restrukturierung als private Bank einfacher ist, weil weniger Rücksicht auf die öffentliche Meinung - im Sinne von staatlichen Eigentümern - genommen werden musste?

Das ist schwer zu sagen. Denn das Fundament des Erfolgs, den wir heute haben, ist vor fünf bis sechs Jahren und damit schon vor der Privatisierung gelegt worden. Als ich bei der HCOB anfing, hatte die Bank Non-Performing Loans im Volumen von gut 20 Milliarden Euro, der Großteil dieser Altlasten wurde schon vor der Privatisierung abgebaut und hat diese überhaupt erst ermöglicht. Auch der Rückbau der Bilanzsumme von rund 100 Milliarden Euro Ende 2015 auf 55 Milliarden Euro Ende 2018 hat vor der Privatisierung stattgefunden, ebenso wie der kräftige Abbau der Personalbestände. Ohne diese Maßnahmen, die durch die alten Länder-Eigner begleitet und voll unterstützt wurden, wären wir mit der Privatisierung sicherlich nie so weit gekommen. Als privates Haus wäre die Phase 1, also das "Heavy Lifting" der Restrukturierung, inklusive des Abbaus milliardenschwerer Altlasten und des Personalrückbaus, vermutlich nicht möglich gewesen. Nur dank der Vorarbeit in dieser ersten Phase konnten wir in der zweiten Phase, also in der Zeit nach der Privatisierung von 2019 bis heute, die Bank in so kurzer Zeit hinsichtlich Effizienz und Profitabilität weiter justieren. Ganz ohne Zweifel haben die neuen Großaktionäre Cerberus Capital Management und J. C. Flowers, unterstützt von Aufsichtsrat, Management und Belegschaft, einen sehr großen Anteil an der guten Entwicklung der HCOB und unseren heutigen ausgezeichneten finanziellen Kennziffern. Jede Phase steht also für sich allein, aber nur beide Phasen zusammen haben aus einem "hässlichen Entlein" einen "schönen Schwan" gemacht.

Die Transformation lief überraschend reibungslos. Ließ sich die Idee, die Sie vor sechs Jahren hatten, wirklich so sauber durchziehen oder gab es zwischendrin auch mal Zeitpunkte, wo Sie ein bisschen nachjustieren mussten?

Wir haben einmal im Herbst 2019, mit Blick auf den technologischen Umbruch in bedeutenden Schlüsselindustrien, beispielsweise der Automobilindustrie, und der damit einhergehenden drohenden Abschwächung der deutschen Wirtschaft unsere Leitlinien weiter geschärft. Denn wir hielten bereits zu diesem Zeitpunkt eine Rezession für möglich, haben die Lage seinerzeit für uns neu bewertet und eine leichte Anpassung unserer bilanziellen Ziele beschlossen. Von Covid ahnten wir damals natürlich nichts. Aber die frühzeitige Entscheidung vom Gas zu gehen, hat uns geholfen, sodass wir von den wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie nahezu nicht getroffen wurden. Im Prinzip blieben die Grundlinien für den Umbau jedoch während der gesamten Transformationsphase in der Richtung unverändert. Wir haben intern und extern stets klar und verlässlich über den Umbau der Bank und die damit verbundenen Zielen kommuniziert. Das hat sicherlich dazu beigetragen, dass Über raschungseffekte ausblieben und die Glaubwürdigkeit in der Wahrnehmung aller Stakeholder sukzessive gestärkt wurde. Sie sagen, Sie haben im Herbst 2019 ein bisschen nachjustiert. Aber es war ja schon etwas mehr.

Sie sind damals ja schon von einer deutlicheren Konjunktureintrübung ausgegangen und haben entsprechend gegengesteuert, anders als das nahezu alle Ihre Kollegen gemacht haben. Was hat Sie damals dazu veranlasst, das so konsequent zu machen und auch so scharfzuschalten?

Unsere Prämisse bei allem lautete damals, und das gilt noch heute: Wir wollen Wert schaffen. Das ist etwas, das im deutschen Bankenwesen manchmal vergessen wird. Wir haben uns sehr frühzeitig, bereits im Jahr 2016, schonungslos damit auseinandergesetzt, wo wir wirklich gut sind und Mehrwert schaffen können und wo uns dies nicht gelingt. Dazu gehört auch die banale Einsicht, dass man im Massengeschäft, also dem klassischen Retail- und Corporate Banking, hohe Marktanteile benötigt, um vernünftig arbeiten zu können. Es ist kein Geheimnis zu sagen, dass es hieran in Deutschland kräftig mangelt. Da es kaum Konsolidierung gibt, verfügt auch kein Institut über nötige Marktanteile, wie dies führende Häuser im Ausland aufweisen. Und auch deshalb liegt auch der Return in der gesamten Branche deutlich unterhalb dessen, was von Investoren verlangt werden darf. Wert schaffen heißt nicht, Bilanzsumme zu produzieren. Deshalb haben wir uns als Spezialfinanzierer auf profitable Nischen konzentriert und dort die Exzellenz schrittweise vertieft. Mit gutem Erfolg.

Daneben hatten wir wirklich Sorge, dass die Konjunktur kippt. Wir haben das seinerzeit intensiv im Vorstand und mit unserem sehr erfahrenen Aufsichtsrat diskutiert. Wir haben dann entschieden, lieber eine Zeit lang kleinere Brötchen zu backen und uns auf die Hausaufgaben zu konzentrieren, also voll durchzuziehen bei der bilanziellen und kostenseitigen Restrukturierung. Die Frucht daraus sollte eine hohe Kapitalquote sein. Da die meisten anderen Marktteilnehmer offenbar noch auf einem Wachstumspfad unterwegs waren, ging das auch und wir konnten viele Assets zu hervorragenden Preisen abbauen. Entsprechend hatte die HCOB Ende vergangenen Jahres eine Kapitalquote, die an die 30 Prozent heranragte.

Da ist ein Wert geschaffen worden, der uns nun, in dieser unsicheren Zeit, in der niemand vorhersagen kann, was in einigen Monaten ist, eine große strategische Flexibilität und auch eine gewisse Sicherheit bietet.

Ist die HCOB jetzt eine "erfolgreiche, normale Bank"? Das haben Sie vor ein paar Jahren als Ziel ausgegeben.

Wir sind heute eine sehr gut funktionierende und profitable Geschäftsbank, die sehr unaufgeregt ihrem Geschäft nachgeht. Dabei ist es der Anspruch, in allem was wir tun, die beste Bank für unsere Kunden zu sein. Wir haben mit unserem fokussierten Geschäftsmodell exzellente KPIs geschafften und sind gut platziert im europäischen Ranking.

Das finale Transformationsjahr 2021 haben Sie ordentlich hinter sich gebracht. Die Zahlen sind gut. Was steht jetzt an weiteren Meilensteinen, aber auch kleinen Schritten an?

Drei Dinge: Zum einen wollen wir nach dieser Phase der Restrukturierung und der Konzentration auf unsere Kernstärken wieder moderat wachsen. Ende 2021 lag die Bilanzsumme bei rund 30 Milliarden Euro, sie hat sich wie geplant allein im vergangenen Jahr noch einmal um rund 10 Prozent verringert. In den kommenden Jahren soll sie nun wieder auf rund 35 Milliarden Euro anwachsen - wobei man natürlich immer schauen muss, wie sich die geopolitische, konjunkturelle Lage und geldpolitische Lage entwickelt.

Doch unser Ziel ist ein moderates Wachstum der Bilanz, was ein jährliches Neugeschäft von sechs Milliarden Euro und mehr benötigt, um gegen die planmäßigen Rückläufe des Kreditbestands anzuarbeiten. Ich bin da sehr optimistisch, dass uns das gelingen wird.

Das zweite Ziel neben dem Bilanzsummenwachstum ist eine höhere Zinsmarge. Diese lag Ende vergangenen Jahres schon bei guten 145 Basispunkten. Ende 2022 peilen wir 170 Basispunkte und mehr an. Wenn alles gut läuft, ist mittelfristig auch ein Niveau von 200 Basispunkten möglich. Und drittens achten wir laufend darauf, die Kosten weiterhin im Griff zu behalten. Hier hilft in den kommenden Jahren die neue, cloudbasierte IT-Landschaft, in die wir viel investiert haben und die nun zu höherer Effizienz und damit auch zu Kostensenkungen führt. Was heißt das konkret? Ende 2021 lag die Cost Income Ratio bei etwa 50 Prozent, im Verlauf der beiden kommenden Jahre wollen wir die CIR in Richtung 40 Prozent drücken.

Die Bankenaufsicht sieht das Thema Immobilienfinanzierungen bekanntermaßen zunehmend kritischer, Sie offensichtlich nicht. Wo sieht der Praktiker die Dinge anders als der Aufseher?

Gar nicht, denn ich stimme der Bundesbank und ihren Sorgen voll zu. Wir sehen in Großstädten wie München, Hamburg, Berlin, Düsseldorf oder Frankfurt eine Überhitzung der Wohnimmobilienpreise. Das zeigt sich schon daran, dass sich Normalverdiener in diesen Städten das Wohnen oder gar Wohneigentum kaum mehr leisten können. Und da gibt es auch Blasen mit entsprechendem Rückschlagpotenzial, keine Frage.

Als gewerblicher Immobilienfinanzierer schauen wir sehr genau auf die Konjunktur, die war in den vergangenen Jahren bei niedrigsten Zinsen stabil und kühlt nun kräftig ab. Aber da wir Kredite nur mit hohen Sicherheitsvorgaben vergeben, können wir viel Stress aushalten, bevor es in unserem Buch zu Problemen kommt. Unser Loan-to-Value liegt im Commercial Real Estate im Durchschnitt bei um die 60 Prozent. Wir haben sehr konservative Finanzierungsstrukturen und stehen als Partner insbesondere für komplexe Transaktionen an der Seite unserer Kunden. Wir bleiben weiterhin vorsichtig und haben, wie ich erwähnte, bereits ein wenig Wachstumsdynamik aus diesem wichtigen Geschäftsfeld rausgenommen. Wie sehr stören in diesem Prozess des Wachsens und Durchstartens Gerüchte, dass die Eigentümer der HCOB über einen Verkauf nachdenken?

Ich habe bei unserem Eintritt in den Bundesverband Deutscher Banken (BdB) Anfang dieses Jahres bewusst gesagt, unsere Eigentümer sind Eigentümer, die kommen, um zu gehen. Wenn die Arbeit getan ist und Wert geschaffen wurde, will ein Private-Equity-Unternehmer die Früchte ernten und weiterziehen. Insofern sind solche Überlegungen keine Überraschung für uns. Das ist der normale Gang und stört die Bank überhaupt nicht.

Vom staatlichen Eigentümer zum Private-Equity-Anteilseigner: Wenn Sie sich etwas wünschen dürften, wer wäre für die nächste Phase ein guter Eigentümer?

Wenn ich es mir wünschen könnte, wäre es vermutlich ein Haus, das bisher noch nicht in Deutschland vertreten ist. Ein großes, starkes Institut mit breiter Aufstellung, das in Deutschland die Chance sucht, von dieser brillanten Realwirtschaft und von einer erstklassigen HCOB-Mannschaft zu profitieren.

Da könnte eine fokussierte und erfolgreiche Geschäftsbank wie die unsere eine gute Basis für den Markteintritt sein, um weiteres Wachstum zu ermöglichen. Das würde aus meiner Sicht Sinn machen, und das würde weiter Wert schaffen.

Weil Sie die Kapitalquoten vorhin erwähnt haben, ist Ihre Bank überkapitalisiert?

Das kann man klar sagen. Ab dem kommenden Jahr dürfen wir wieder Dividenden ausschütten und das haben wir auch vor. Ein gutes Unternehmen sollte auch Dividenden zahlen. Davon unabhängig wird diese Bank immer eine gute Kapitalausstattung haben.

Welche Rolle spielen bei Ihren Überlegungen aktive M&A-Transaktionen? Was wären Ziele, die Sie sich vorstellen könnten?

Entlang unseres Kompetenzprofils haben wir immer Interesse, uns alles anzuschauen. Ich persönlich finde alles rund um die Projektfinanzierung attraktiv. Das ist ein Megatrend, da die Erkenntnis zunehmend reift, dass mehr gemacht werden muss in Sachen erneuerbare Energien und Infrastruktur.

Sie zeigen sich bei Ihrem Ausblick auf das laufende Geschäftsjahr sehr zuversichtlich, geben sogar eine recht konkrete Gewinnprognose ab. Was macht Sie so sicher? Die Ukraine-Krise mit all den Folgen für Inflation und Wachstum haben Sie bereits erwähnt. Doch was ist mit der EZB: Gibt es hier ein Szenario, das Ihnen dann doch Sorgen bereiten würde?

Sie haben Recht, wir erwarten einem Gewinn oberhalb von 250 Millionen Euro nach Steuern und sind sehr zuversichtlich, dass wir dieses Ergebnis erreichen werden. Denn wir profitieren von verschiedenen Dynamiken. Da sind die steigenden Zinsmargen, die ich vorhin schon erläutert habe. Hinzu kommt eine sehr gute Risikoabdeckung, die inklusive Risikovorsorge, Sicherheiten und Overlays, deutlich über dem NPE-Volumen liegt. Von daher gibt es an dieser Stelle nicht viel, was mir große Sorgen bereitet. Und es versteht sich von selbst, dass man Kriegsrisiken nicht planen kann und niemand weiß, was da noch kommt. Selbstverständlich steht unsere Gewinnprognose unter diesem Vorbehalt.

Zur EZB: Natürlich wäre ein Zinsschock von beispielsweise 300 Basispunkten in einem Rutsch für niemanden gut und würde enorme Irritationen auslösen. Dazu wird es aber nach unserer Ansicht nicht kommen. Die EZB hat die viel zu hohe Inflationsrate zur Kenntnis genommen und den Zinserhöhungsprozess kommunikativ eingeleitet. Wir gehen von ersten Schritten zur Erhöhung in diesem Jahr aus, gefolgt von mehreren Schritten im kommenden Jahr.

Wo sehen Sie die HCOB in fünf Jahren?

In fünf Jahren sehe ich uns im Elbtower, der derzeit im Bau ist. Der Umzug in den dann modernsten Bürostandort in Hamburg soll den Wandel zu einer modernen und fortschrittlichen Bank auch nach außen hin sichtbar machen und unterstreichen. Ansonsten werden wir uns weiter gut entwickeln und wieder etwas an Masse zulegen. Und die Chancen stehen gut, dass wir auch in fünf Jahren noch hervorragende KPIs vorweisen werden.

Wird dann auch ein neuer Eigentümer an Bord sein?

Das würde mich zumindest nicht überraschen.

Und wo sehen Sie sich in fünf Jahren? Ihr Vertrag endet Ende 2023 ...

Das ist richtig, mein Vertrag endet im nächsten Jahr. Mehr möchte ich dazu derzeit nicht sagen, da bitte ich um Ihr Verständnis.

Stefan Ermisch , Vorsitzender des Vorstands , Hamburg Commercial Bank AG (HCOB), Hamburg
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