Redaktionsgespräch mit Matthias Wargers

"Das Schlimmste ist immer, in der Krise unter Wert verkaufen zu müssen."

Matthias Wargers Foto: EAA

Neun Jahre nach ihrer Gründung hat die Erste Abwicklungsanstalt (EAA) rund 85 Prozent der seinerzeit von der WestLB übernommenen Vermögenswerte abgebaut, ohne von den Alteigentümern der ehemaligen Düsseldorfer Landesbank weitere Finanzmittel einfordern zu müssen. Und Matthias Wargers gibt sich im Redaktionsgespräch zuversichtlich, unter normalen Marktbedingungen auch den weiteren Abbau des Portfolios ohne weitere Mittelzufuhr bewältigen zu können. Den bisherigen geräuschlosen Abbauprozess schreibt der Sprecher des Vorstands nicht zuletzt den Möglichkeiten des Finanzmarktstabilisierungsgesetzes zu, die es ermöglicht haben, mit der EAA ein Konstrukt zu schaffen, das günstige Marktumfeld der vergangenen Jahre ressourcenschonend zu nutzen. Auf europäischer Ebene stuft er die Behandlung von NPLs unter dem heutigen Aufsichtsregime als schwierig ein. (Red.)

Herr Wargers, die Arbeit der Ersten Abwicklungsanstalt verläuft erstaunlich geräuschlos. In welchem Entwicklungsstand sehen Sie aktuell Ihr Haus?

Bevor die EAA im Dezember 2009 gegründet wurde, hatte die damalige West-LB bereits 2008 ein größeres Portfolio in eine Zweckgesellschaft ausgelagert. Dieses Phönix-Portfolio mit einem Volumen von rund 23 Milliarden Euro bestand aus strukturierten Krediten, die maßgeblich mit dem US-Häusermarkt verknüpft waren. In der Finanzkrise waren sie stark unter Druck geraten und verlangten der Bank die Vorhaltung von extrem viel Liquidität und Kapital ab. Die Eigentümer standen vor der Wahl entweder Kapital in die West LB einzubringen oder das Portfolio mit einer Garantie von 5 Milliarden Euro zu versehen und aus der Bilanz herauszunehmen. Die Entscheidung für Letzteres hat die Liquiditäts- und Kapitalanforderungen an die WestLB zwar gemildert, führte aber zu einer Beihilfeprüfung durch die EU-Kommission. Genehmigt wurde diese Beihilfe unter den Auflagen, die Bilanz deutlich abzubauen und die WestLB in ein neues gesellschaftliches Konstrukt mit tragfähigem Geschäftsmodell zu überführen - durch Privatisierung, Konsolidierung oder Vertikalisierung.

Der Bund hat dann Mitte Oktober 2008 das Finanzmarktstabilisierungsfondsgesetz (FMStFG) verabschiedet. Die Eigentümer der WestLB haben dieses Konstrukt genutzt, um zunächst 77,5 Milliarden Euro an Vermögenspositionen auf die EAA zu übertragen. Damit war eine Voraussetzung geschaffen, die WestLB in eine Konsolidierungsphase zu überführen, für die die EU-Kommission eine Frist bis 30. Juni 2012 gesetzt hatte.

Das hat dann aber bekanntlich nicht geklappt ...

In der Tat konnten die Vorgaben der Kommission bis zum Stichtag nicht umgesetzt werden, mit der Folge, dass die WestLB das Bankgeschäft einstellen musste. Teile der WestLB wie der Zahlungsverkehr sind dann an die Helaba verkauft worden. Das in der Bilanz verbliebene Bankgeschäft wurde in der sogenannten Nachbefüllung auf die EAA übertragen. Dank dem vorhandenen Instrumentenkasten aus FMStFG und EAA konnte die WestLB als international tätige Wholesale-Bank geordnet vom Markt genommen werden, das Ziel der Stabilisierung des Finanzmarktes wurde somit erreicht.

Welches Volumen ist seinerzeit bei der EAA gelandet?

Insgesamt hat die EAA im Rahmen der Erst- und Nachbefüllung über 200 Milliarden Euro an Vermögenspositionen übernommen, davon gut 150 Milliarden Euro an Krediten, Wertpapieren und Beteiligungen. Neben diesem klassischen Bankbuchbestand wurde ein Handelsbestand mit einem der größten Derivatebücher in Deutschland übernommen. Das Nominalvolumen belief sich auf mehr als eine Billion Euro, der Marktwert entsprach gut 50 Milliarden Euro.

Wie ist die EAA mit dem Abbau vorangekommen?

Rund 87 Prozent des Bankbuchs sind abgebaut. Zur Jahresmitte 2018 haben wir das Portfolio auf rund 20 Milliarden Euro zurückgeführt. Ähnlich ist die Entwicklung beim Handelsbestand, der bei rund 190 Milliarden Euro liegt und damit bereits um rund 82 Prozent reduziert wurde.

Was bedeutet dieser Abbau mit Blick auf die verbliebenen Risiken? Wurden vorwiegend die guten Teile verkauft?

Ja, das ist die entscheidende Frage. Die Steuerung des Abbauprozesses in der EAA folgte jedoch von Anfang an einer umgekehrten Logik. Wir behandeln das Portfolio ähnlich wie das die klassischen Private Equity und Asset Manager tun. Am Anfang haben wir uns mit den schwierigsten Fällen beschäftigt und dafür Lösungen entwickelt. Die guten Assets haben wir so lange wie möglich gehalten. So konnte die EAA mehr Erträge erzielen und die Qualität des Portfolios ist sukzessive immer besser geworden. Heute haben wir einen Investment-Grade-Anteil von rund 70 Prozent im Bankbuch. Nach der Nachbefüllung 2012 lag der Wert etwas über 50 Prozent. Die heutigen Positionen im Bank- wie im Handelsbuch machen uns von der Risikoseite her keine großen Sorgen mehr. Der verbliebene Handelsbestand ist maßgeblich durch klassische Zinssicherungsgeschäfte geprägt und hat sich während der gesamten Zeit als recht stabil erwiesen.

Was sagen Sie beispielsweise den Sparkassengremien zu möglichen Worst-Case-Belastungen?

Der jährliche Abwicklungsplan enthält immer eine Angabe zur voraussichtlichen Kapitalausstattung im Jahre 2027. Im Basisszenario, dessen Eintrittswahrscheinlichkeit wir bei mehr als 80 Prozent sehen, war dieser Wert bisher regelmäßig größer Null. Darüber hinaus rechnen wir Szenarien für einen milden Stress und einen Krisenstress durch und zeigen die entsprechenden Erwartungswerte. In den vergangenen Jahren haben sich die Ergebnisse der Krisenszenarien um fast 70 Prozent beziehungsweise gut 80 Prozent verbessert.

Welche regelmäßigen Berichtswege haben Sie installiert?

Wir legen grundsätzlich viel Wert auf Transparenz, da die EAA öffentliche Haftungsbeteiligte hat. Die Haftungsbeteiligten einschließlich der FMSA erhalten Monats-, Quartals- und Jahresberichte. Zudem berichten wir regelmäßig dem NRW-Landtag und dem Bundestag sowie den Gremien der Sparkassenverbände.

Zurück zur praktischen Arbeit: Inwieweit konnten bei der Strukturierung von Paketen weniger lukrative Teile mitverkauft werden?

Selbstverständlich spielt die Diversifizierung für unsere Arbeit eine wichtige Rolle. Erst kürzlich bekundeten Investoren Interesse für Teile unseres US-amerikanischen Energieportfolios. Sie hatten sich exakt die besten Stücke herausgesucht, was wir insofern beruhigend fanden, als Externe offensichtlich dieselbe Sicht auf die Werthaltigkeit unserer Assets haben wie wir. Aber einen Verkauf haben wir nicht vorgenommen, da wir ansonsten auf den schlechteren Engagements sitzen geblieben wären und sich die Portfolioqualität entgegen unseren Vorstellungen verschlechtern würde.

Hat die EAA eine Banklizenz?

Nein, wir brauchen keine Banklizenz, weil wir kein klassisches Neugeschäft machen, Tochtergesellschaften der EAA hatten beziehungsweise haben aber Finanzdienstleisterlizenzen. Einige Normen im KWG gelten daher für die EAA nicht, insbesondere jene zu den Kapitalanforderungen. Regulatorisch unterliegen wir aber weitgehend vergleichbaren Anforderungen wie eine internationale Großbank. So erfüllen wir vollumfänglich die MaRisk. Das heißt, die Komplexität bei der Arbeit der EAA ist durchaus vergleichbar mit der einer Bank.

Wie beurteilen Sie das EAA-Konzept gegenüber einer Abspaltung von Non-Performing Loans innerhalb einer Bank?

Anders als eine Bank muss die EAA ihr Geschäft nicht mit Eigenkapital unterlegen. Sie bilanziert nach HGB, damit schlagen Marktwertschwankungen nicht in dem Maße auf die Bilanz durch wie bei Banken. Die Verlustausgleichspflichten der öffentlichen Beteiligten schaffen günstige Refinanzierungsmöglichkeiten. Diese Zutaten sorgen dafür, dass die EAA tendenziell mehr Zeit hat, ihre Strategien umzusetzen, Wertaufholungspotenziale zu nutzen und Firesales zu vermeiden. Interne Restrukturierungseinheiten von Banken erfordern dagegen bilanzielles Eigenkapital und können so das Neugeschäft belasten. Dieser Aspekt beeinflusst natürlich die Abbaustrategie. Allerdings braucht auch die EAA Kapital, um handelsrechtliche Verluste auszugleichen. Mit 3 Milliarden Euro, die die WestLB zusammen mit dem ersten Portfolio transferiert hat, sind wir trotz düsterer Prognosen von einem sehr schnellen Kapitalverzehr bis heute gut zurechtgekommen. Zur Einordnung: Heute muss eine Bank für die Finanzierung der eigenen Abwicklung zwischen 7 und 8 Prozent an bailinfähigem Kapital vorhalten. Übertragen auf das 200- Milliarden Portfolio der WestLB hätte man die Abwicklungskosten analog auf bis zu 16 Milliarden Euro ansetzen müssen.

Insgesamt konnte die EAA mit ihrer Mitgift zwei große Abschreibungen verkraften, deutlich über 800 Millionen Euro im Zusammenhang mit der Griechenland-Krise sowie rund eine halbe Milliarde für ein übernommenes Life Settlement Portfolio. Seit 2012 hat die Gesellschaft aber regelmäßig positive Ergebnisse erzielt und weist nach wie vor positives Kapital und zusätzliche Reserven aus. Das liegt an Abwicklungsergebnissen, die über den Erwartungen lagen, insbesondere durch Verkäufe, durch Restrukturierung oder auch erfolgreiche Betrugsklagen in den USA.

Allem Eindruck nach werden solche Erfolge eher dezent und zurückhaltend kommuniziert ...

Richtig. US-amerikanische Klagen werden in der Regel durch Vergleich beendet. In den entsprechenden Verträgen wird Vertraulichkeit vereinbart. Über noch laufende Verfahren schweigen wir möglichst, um sie nicht zu belasten.

Die Zinsswap-Klagen durch Kommunen in Deutschland waren insofern anders gelagert, als wir als wirtschaftlicher Nachfolger der WestLB verklagt worden sind. Die Rechtsposition, die sich zunächst in Urteilen zulasten der EAA, aber auch anderer Banken widerspiegelte, haben wir nicht geteilt. So haben wir uns im Rahmen unserer Möglichkeiten an der Fachdiskussion beteiligt. In oberster Instanz hat sich schließlich eine differenzierte Sichtweise durchgesetzt. Dies bot der EAA eine Grundlage, die Verfahren mit mehr als 50 Kommunen bis Ende März dieses Jahres durch Vergleiche zu beenden. In der Spitze ging es für die EAA um ein Schadenpotenzial in Milliardenhöhe, eines der größten Risiken im Portfolio.

Welche wesentlichen Bestandteile hat die EAA derzeit noch in ihren Portfolios?

Im Bankbuch sind von den strukturierten Krediten aus dem Phoenix-Portfolio von einst 23 Milliarden Euro noch rund 5 Milliarden Euro übrig. Dieser Teil ist ganz durch die alten Verlustgarantien für die WestLB abgesichert, die die Sparkassenverbände und das Land NRW 2008 gegeben haben. Aus heutiger Sicht kann dieses Portfolio die EAA nicht mehr belasten, weil die Garantien vorgeschaltet sind und alle Prognosen davon ausgehen, dass die noch nicht gezogenen Garantien definitiv ausreichen, um verbleibende Verluste aus dem Portfolio abzudecken. Das war nicht immer so, im Jahre 2010 hat die EAA dafür annähernd 1 Milliarde Euro an Risikovorsorge bilden müssen, die inzwischen wieder aufgelöst werden konnten.

Zurück zum Rest des derzeitigen Bestandes des EAA-Portfolios ...

Das Bankbuch besteht zu etwas mehr als einem Drittel aus weiteren Wertpapieren, von Staatsanleihen über amerikanische Studentenkredite bis hin zu verbrieften Papieren aus dem Life-Settlement-Portfolio. Darunter rund 1,7 Milliarden Euro an Staatsanleihen aus Italien, die bei kurzfristiger Betrachtung volatil erscheinen mögen. Wir sehen sie aber als sehr langfristiges Investment und stellen uns auf ein Halten ein. Ein weiteres Drittel stellen schließlich Kredite, inbesondere Projektfinanzierungen aus den Bereichen Infrastruktur und Energie.

Hat die Helaba irgendwelche Verpflichtungen übernommen?

Nein, sie hat lediglich ein kleineres Portfolio übernommen, aber keine darüber hinausgehenden Verpflichtungen im Kontext der WestLB-Abwicklung.

Wie kleinteilig ist das verbleibende Portfolio? Wird es schwieriger, weitere Teile zu verkaufen?

Das Gesamtportfolio wird in der Tat zunehmend granularer. Wir haben beispielsweise als Überbleibsel aus dem West-Immo-Verkauf noch ein im unteren dreistelligen Millionenbereich liegendes Immobilienportfolio, das wir in diesem Jahr noch verkaufen wollen. Andererseits haben wir aber nur wenige kleine und somit für Investoren per se unattraktiven Engagements. Zudem prüfen wir grundsätzlich auch die Strukturierung von Positionen im Portfolio. Dazu kommt, dass die gesamte Planung für die EAA immer davon ausgegangen ist, dass am Ende des Abwicklungsprozesses ein Restportfolio bleiben wird. Einige Titel laufen länger als 2030, einige bis nach 2060, einige gar weit darüber hinaus und würden bei einem vorzeitigen Verkauf aus heutiger Sicht entsprechend höhere Abschläge erfordern, die aus EAA-Sicht weit von dem inneren Wert der Positionen entfernt lägen. Dieser Restbestand kann möglicherweise irgendwann einmal als Ganzes verkauft oder langfristig refinanziert in einer kleinen Einheit kostengünstig verwaltet werden. Die Größenordnung dieses Restportfolios schwankte bisher in den jährlich aktualisierten Abwicklungsplänen zwischen 5 und 10 Milliarden Euro.

Wer hat von der EAA Assets gekauft?

Das Spektrum der Käufer war und ist sehr breit. Am Anfang waren viele angelsächsische Investoren hier und wollten uns viele Assets möglichst günstig abkaufen. Darauf haben wir oft verzichtet, wobei uns zugegebenermaßen sehr entgegenkam, dass sich aufgrund des Niedrigzinsniveaus die Suche der Investoren nach verlässlichen Renditen entscheidend verändert hat. Inzwischen haben immer mehr Kapitalsammelstellen wie Versicherungen und Fonds Interesse an unseren Beständen. Zum Teil kaufen auch Banken und reichen die Positionen dann weiter.

2017 hat die EAA Teile ihres operativen Betriebs an die IBM ausgelagert. Wie ist das zu bewerten?

Die Outsourcing-Projekte gehören zu den spannendsten betriebswirtschaftlichen Herausforderungen der vergangenen Jahre. Im Zuge der Neuausrichtung der Prozesse auf die jeweilige Bedürfnisstruktur unseres Hauses gab es drei große Handlungsstränge. Zum einen haben wir die EAA auf die Rolle als Eigentümer der Assets ausgerichtet, der etwa die Bilanz und die Refinanzierung liefert und die strategischen und regulatorischen Vorgaben macht. Dann haben wir zweitens die EAA Portfolio Advisers GmbH (EPA) gegründet. Dort waren rund 100 Portfoliomanager tätig, die unsere Beschlüsse unter anderem in den Standorten Madrid und New York und London umgesetzt und uns gleichzeitig Empfehlungen im Sinne einer Portfolioberatung gegeben haben. 2016 schließlich haben wir als dritten Baustein mit der EAA Financial Services die gesamte IT und die operative Infrastruktur erworben. Zusätzlich haben wir in dieser Dreieckstruktur ein sehr robustes und leistungsfähiges Dienstleistungsmanagement etabliert.

Aus eigenem Interesse haben wir die auf unsere Zwecke zugeschnittenen Strukturen dann aber privatisiert. Denn wir können keinen Going Concern bieten, müssen unseren Mitarbeitern aber eine berufliche Perspektive aufzeigen, um erfolgreich zu arbeiten. Sie brauchen vor allen Dingen ein Umfeld, in dem Neugeschäft akquiriert werden kann. Die EPA haben wir an den Londoner Finanzdienstleister Mount-Street-Gruppe verkauft und die Erste Financial Services GmbH (EFS) hat einen Outsourcing-Vertrag mit der IBM Deutschland GmbH geschlossen, bei dem rund 300 Mitarbeiter der EFS auf IBM übergegangen sind. In beiden Fällen haben wir zugleich Verträge für die weitere Servicierung des EAA-Portfolios geschlossen und feste Laufzeiten mit Verlängerungsoption vereinbart, weil wir einerseits operative Stabilität brauchen und andererseits Flexibilität auf der Kostenseite. Durch Restrukturierung, Verkauf und Outsourcing haben wir die Kosten bei konstantem Geschäftsmodell um rund 60 Prozent gesenkt. Die EAA hat derzeit rund 170 Mitarbeiter. Deren Motivation für die verbliebenen Aufgaben zu erhalten, obwohl sie am Abbau der eigenen Gesellschaft arbeiten, bleibt allerdings eine Herausforderung, die viel Engagement und Führungskraft verlangt.

Die EAA hat im Laufe ihres Bestehens ein sehr spezielles Knowhow aufgebaut. Wie war die Mitarbeiterstruktur zu Beginn und wie hat sie sich gegebenenfalls verändert?

Es war uns von Anfang an wichtig, unabhängiges Knowhow zu erlangen und uns fachlich breiter aufzustellen, von Asset Managern über M&A-Spezialisten bis hin zu Juristen. Zunächst kam zum Beispiel das gesamte Personal der zweiten Führungsebene von außerhalb der West-LB. Im Zuge der Nachbefüllung haben wir später jedoch viele Mitarbeiter der WestLB eingestellt, nicht zuletzt weil diese neben ihren exzellenten fachlichen Kenntnissen auch das Portfolio gut kannten. Für Spezial-Knowhow greifen wir oft auch auf externe Experten zurück.

Wer hat die Prozesse in den USA geführt?

Zum Teil waren das eigene Leute. Unser Chefsyndikus und Generalbevollmächtigter für Recht und Strategie ist als Anwalt in den USA zugelassen. Er führt die dortigen EAA-Prozesse zwar nicht selbst, steuert sie aber zusammen mit seinem Team und Anwälten vor Ort. Bei der großen Zahl von Kommunalklagen in Deutschland haben unsere Juristen gemeinsam mit dem Derivateteam die Arbeit der beteiligten Kanzleien koordiniert. Zu berücksichtigen ist auch, dass eine Reihe von US-Verfahren aus der Phoenix-Zweckgesellschaft herausgeführt werden, dabei ist die EAA ausschließlich beratend tätig geworden.

Welches Marktszenario würde die weitere Arbeit der EAA besonders gefährden?

Die Kreditrisiken der EAA spiegeln ihren Auftrag wider. Marktrisiken sichern wir weitestgehend durch Hedgegeschäfte ab, also besonders Währungs- und Zinsrisiken. Eine dramatische Verschlechterung der Weltkonjunkturlage wäre für uns aber sicherlich problematisch. Denn natürlich können wir uns nicht von den Märkten abkoppeln. Wenn die Zinsen steigen und es wieder eine normalisierte Zinskurve mit entsprechenden Renditen etwa für Staatsanleihen gibt, die als Investment infrage kommen, wird sich das auf die Nachfrage nach unseren Portfolios auswirken. Das haben wir ebenso im Auge wie relevante Entwicklungen insbesondere in den USA, wo nach wie vor ein großer Teil unseres Portfolios verortet ist. Aber das Grundkonstrukt der EAA hat sich auch in unterschiedlichen Zyklen bisher als robust erwiesen.

Läuft die EAA im Jahre 2027 aus, wie das in einigen Papieren angedeutet wird?

Die Abwicklungsplanung reicht bis ins Jahr 2027. Ein verbindliches Datum für das Ende der EAA gibt es aber nicht. Mit einer offiziellen Angabe dazu tun wir uns auch schwer. Aber wenn man bedenkt, dass wir Ende dieses Jahres bei einem Bankbuchportfolio unter 20 Milliarden Euro stehen werden und Positionen im Umfang zwischen 5 und 7 Milliarden Euro im derzeitigen Marktumfeld auf rege Nachfrage stoßen, wird deutlich, dass wir weiter sind als ursprünglich erwartet. Dazu kommt, dass die jährlich aktualisierten Abwicklungspläne stets ein Restportfolio zwischen 5 und 10 Milliarden Euro ausgewiesen haben. Angesichts dieser Parameter lässt sich der zeitliche Horizont ein Stück weit erahnen.

Wie ist die Verbindung der EAA zu Portigon?

Rechtlich handelt es sich bei der Portigon um die umfirmierte WestLB. Die Verbindung zur EAA ist dadurch gegeben, dass einige Positionen der WestLB synthetisch übertragen oder im Wege der Garantie von der EAA abgesichert wurden. Diese Vermögensgegenstände sind zwar in das Zahlenwerk der EAA integriert und nur die EAA entscheidet, was damit geschieht, doch aus rechtlichen Gründen befinden sie sich teils noch auf der Bilanz der Portigon. Die hat insofern heute wirtschaftlich keinen Bezug mehr zu diesen Vermögenspositionen, arbeitet aber mit uns gemeinsam an Lösungen, um sie auch rechtlich auf die EAA zu transferieren.

Mit Auslaufen der EAA endet also auch die Portigon?

Idealerweise ja. Die Tätigkeiten sind zumindest zeitlich und materiell korreliert. Sicher gibt es bei der EAA wie bei der Portigon später noch einige nachlaufende Verwaltungsaufgaben, die man perspektivisch gegebenenfalls auch bündeln könnte.

Inwieweit kann man heute schon eine Bilanz Ihrer Arbeit in der EAA ziehen?

Eine wirkliche Bilanz kann man erst am Schluss ziehen. Aber ein Zwischenergebnis lässt sich schon formulieren. Sowohl in zeitlicher wie in wirtschaftlicher Hinsicht läuft die Arbeit der EAA deutlich besser als am Anfang erwartet und wir gehen nach allen bisherigen Prognosen davon aus, dass unser Eigenkapital ausreicht, um die Abwicklung der WestLB erfolgreich zu Ende zu bringen, ohne die Haftungszusagen der Beteiligten in Anspruch zu nehmen.

Wie ist das Verhältnis zu den Münchener Kollegen der FMS Wertmanagement?

Wir arbeiten an derselben Zielsetzung, haben einen intensiven und konstruktiven Erfahrungsaustausch und unsere Tätigkeit basiert auf demselben Gesetz. Die damalige Grundüberlegung, ein Konstrukt zu schaffen, das seine Aufgaben in stürmischen Zeiten mit einer gewissen Ruhe angehen kann, hat sich aus meiner Sicht außerordentlich bewährt. Die Elemente des Modells, HGB und somit kein Mark to Market, keine Eigenkapitalunterlegung und günstige Refinanzierung, geben beiden Häusern die Option, zu warten. Denn das Schlimmste ist immer, in der Krise unter Wert verkaufen zu müssen. Einige Positionen, zum Beispiel Hypothekenkredite in Großbritannien, waren 2010 völlig unverkäuflich, konnten 2015 und 2016 aber bei veränderter Marktlage erfolgreich als Portfolio verkauft werden.

Hätte man rückblickend das EAA-Modell flächendeckend in ganz Europa anwenden sollen?

Auf den ersten Blick vielleicht, aber es gibt zwei Besonderheiten. Es wurde seinerzeit entschieden, staatliche Haftungszusagen und damit den größten Teil der Passivseite der Abwicklungsanstalten statistisch der Staatsschuld zuzurechnen. Für Staaten mit einer damals schon hohen Verschuldungsquote war das gegebenenfalls ein ernstes Hindernis. In Deutschland sind die Staatsschulden 2010 deutlich nach oben gegangen, inzwischen aber auch wieder rückgeführt worden. Zu Beginn des Jahres hat die Bundesbank noch einmal darauf hingewiesen, dass der Abbau der Staatsverschuldung in Deutschland in hohem Maße durch den Portfolioabbau der Abwicklungseinheiten getragen wurde.

Der zweite Aspekt sind die Beihilfen. Man sollte nicht vergessen, dass die WestLB die Nutzung des Modells schließlich mit der Aufgabe ihrer eigenen Existenz hat bezahlen müssen. Inzwischen ist das Thema durch die neuen Regeln der Bankenunion überholt, das heißt, unter heutigen regulatorischen Bedingungen ist das Konzept EAA nicht mehr anwendbar.

Was halten Sie von der Idee einer europäischen Abwicklungsbank?

Dieses Instrument ist immer wieder mal öffentlich diskutiert worden, steht aber derzeit wohl nicht auf der Agenda. Das liegt unter anderem daran, dass eine solche Einrichtung immer mit Debatten über Transferleistungen innerhalb der EU verbunden ist und eine Transferunion mehrheitlich nicht erwünscht ist. Die positiven Erfahrungen der EAA beim Abbau des WestLB-Portfolios zeigen dessen ungeachtet, dass es grundsätzlich gute Gründe für die Errichtung von Abwicklungseinheiten geben kann. Die EBA und die Kommission haben inzwischen ja auch eine Blaupause für die Bildung sogenannter Asset Management Companies (AMC) auf nationaler Ebene entwickelt, mit dem Ziel die Bereinigung von Bankbilanzen voranzutreiben.

Die EU-Kommission und die EZB haben Überlegungen zur Vermeidung neuer und zum Abbau alter Non-Performing Loans angestellt. Ist das realistisch?

Die Behandlung der NPLs ist ein schwieriges Thema, weil nicht nur die Handhabung, sondern zum Teil schon die Definition europaweit unterschiedlich ist. Da ist es natürlich sinnvoll, Standards zu entwickeln, die den Umgang mit NPLs vereinheitlichen und insofern auch deren Abbau auf Ebene der jeweiligen Länder vorantreiben können. Allerdings muss man sich dabei auch die Rechts- und die Insolvenzordnung in den einzelnen Ländern sehr genau anschauen, um weitere Fortschritte zu erzielen. Aber in Europa insgesamt zeigte sich zuletzt durchaus ein deutlicher Rückgang der NPLs und selbst in Ländern mit hohen Quoten wie Italien und Griechenland bestehen große Unterschiede zwischen einzelnen Banken.

Es wird darüber geklagt, dass Abwicklungsplattformen für NPLs viel zu wenig genutzt werden. Was sagen Sie dazu?

Die vergleichsweise geringe Nutzung der privaten Abwicklungsplattformen dürfte maßgeblich mit den bereits angesprochenen rechtlichen Rahmenbedingungen zusammenhängen. Für die Käufer ist es in der Regel entscheidend, wie schnell sie Durchgriff auf Sicherheiten, also Immobilien, Maschinen, Wertpapiere, haben. Das wiederum hängt stark vom Insolvenzrecht der unterschiedlichen Länder ab, in denen die Positionen liegen.

Es ist deshalb sehr wichtig, ein effizientes und transparentes Insolvenzrecht zu schaffen. Im Übrigen setzt der beschleunigte Abbau von NPLs immer auch eine entsprechende Ertrags- und Kapitalstruktur voraus, die angemessene Wertberichtigungen ermöglicht.

Matthias Wargers Sprecher des Vorstands, Erste Abwicklungsanstalt (EAA), Düsseldorf
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