" Plattformökonomie zahlt ziemlich genau auf unser Geschäftsmodell ein"

Lars Hille, Foto: V-Bank

Das Jahr 2021 war außergewöhnlich, auch für die V-Bank, die zahlreiche neue Depots und Konten sowie eine höhere Anzahl von Transaktionen verbuchen konnte. Das ist zwar erfreulich, aber gerade die große Anzahl von Konto- und Depoteröffnungen für Neukunden war auch herausfordernd für die Bank, die sich trotz der aktuell schwer einschätzbaren geopolitischen Lage mit Blick auf das laufende Geschäftsjahr zuversichtlich gibt. So bewertet der Vorstandsvorsitzende der V-Bank im Gespräch mit der Redaktion die Rahmenbedingungen für sein Institut als "ausgesprochen gut", da das Geldvermögen weiter wachse. Darüber hinaus richte das Haus den Blick in Richtung Zukunft und arbeite fleißig an den Trendthemen Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Beispielsweise sei erst kürzlich eine Lizenz als Kryptoverwahrer beantragt worden. (Red.)

Herr Hille, 2021 war ein außergewöhnliches Jahr - für uns alle und auch für die V-Bank. Sie sind ordentlich gewachsen. Was waren wesentliche Faktoren dieser Entwicklung?

Der Kundenzuspruch für unser persönliches und gleichzeitig digitales Serviceangebot war überwältigend. Der zentrale Faktor unseres Wachstums war ein außergewöhnlich starkes Neukundengeschäft, das auf mehreren Ebenen zum Wachstum beigetragen hat. Wir haben neue Geschäftspartner hinzugewonnen, die mit ihren Kunden zu uns gekommen sind. Wir durften aber auch neue Depots für unsere bisherigen Geschäftspartner eröffnen. Für diese zahlreichen neuen Depots und Konten haben wir auch eine höhere Zahl von Transaktionen ausgeführt. Und schließlich bedeuten neue Depots und neue Geschäftspartner auch neue Gelder und wir hatten ein starkes Wachstum bei den Assets under Custody. Mehr Geschäftspartner, mehr Depots, mehr Transaktionen und mehr Assets under Custody: Das waren die Säulen des Wachstums.

Lässt sich schon absehen, dass sich diese Trends 2022 fortsetzen werden?

Das Jahr 2022 hat bereits sehr gut für uns begonnen und das Wachstum hat sich fast ungebremst fortgesetzt. Allein in den ersten drei Monaten haben wir über eine Milliarde neuer Gelder hinzugewonnen. Im Moment ist es angesichts der nur schwer einschätzbaren geopolitischen Lage mit Inflationsrisiken schwierig, eine halbwegs verlässliche Prognose für den weiteren Jahresverlauf zu treffen. Stand heute sind wir jedoch für das laufende Geschäftsjahr sehr zuversichtlich. Nicht euphorisch, denn 2021 war ein Ausnahmejahr, aber zuversichtlich. Wir erwarten nach 10,6 Millionen Euro Vorsteuerergebnis im vergangenen Jahr für 2022 eine operative Steigerung auf über 14 Millionen Euro.

Was waren in den vergangenen Monaten und Jahren besondere Herausforderungen für Ihr Haus?

Ehrlich gesagt, war die größte Herausforderung, die wir in letzter Zeit zu bewältigen hatten, die große Zahl von Konto- und Depoteröffnungen für Neukunden, ob nun Privatkunden oder juristische Personen. Wir hatten für 2021 zwar mit einem starken Neugeschäft gerechnet, aber dennoch hat die Zahl der Konten und Depots, die wir für unsere Geschäftspartner eröffnen durften, unsere Erwartungen deutlich übertroffen. Vor diesem Hintergrund galt es die Servicequalität hochzuhalten und unseren Geschäftspartnern die gewohnten Bearbeitungs- und Reaktionszeiten sicherstellen zu können. Aber wir konnten uns personell verstärken sowie unsere Prozesse weiter digitalisieren und damit unsere Position als Qualitätsführer verteidigen.

Funktioniert Vermögensberatung auch digital?

Das können unsere Geschäftspartner viel besser beantworten. Wir spüren aber die zunehmende Digitalisierung in der klassischen Vermögensberatung und -verwaltung. Unser White-Label-Angebot zur Unterstützung der digitalen Vermögensverwaltung wird von unseren Geschäftspartnern zunehmend eingesetzt. Damit können sie ihren Kunden auf unserer Plattform ihre Anlagestrategien digital anbieten.

V-Check hat Ende 2019 einen digitalen Marktplatz gestartet, auf dem Vermögensverwalter ihre Strategien anbieten können. Wie hat sich dieser Marktplatz inzwischen entwickelt, sind Sie zufrieden?

Wir sind zufrieden mit der Entwicklung. So zufrieden, dass wir die V-Check als Produktmarke nun komplett in die V-Bank integriert haben und die realisierten Innovationen wie die gerade erwähnte "Digitale Vermögensverwaltungsplattform" im Rahmen unserer standardisierten Angebotspalette offerieren.

Wie beurteilen Sie die aktuellen Rahmenbedingungen für die V-Bank?

Die Rahmenbedingungen für uns sind ausgesprochen gut. Das Geldvermögen wächst weiter, die Aktienkultur entwickelt sich erfreulich und der Bedarf für unabhängige Vermögensberatung steigt. Dies zeigt sich auch in der Zahl der Transaktionen, die wir Tag für Tag abwickeln. Wir haben gut zu tun und das dürfte sich auch so schnell nicht ändern. Wenn die Kunden unserer Geschäftspartner wegen der gestiegenen Unsicherheit im Markt ihre Depots anpassen, dann sind dies auch Transaktionen, die wir für sie ausführen. Und in Anbetracht der geopolitischen Herausforderungen bedarf es einer professionellen Vermögensbetreuung durch unsere Geschäftspartner. Wir schauen, wie gesagt, sehr zuversichtlich nach vorn.

Die Credit Suisse baut wieder eine Präsenz im deutschen Private-Wealth-Markt auf und zielt auch auf Family Offices. Ist das neuer Wettbewerb für Sie? Wie beurteilen Sie aktuell die Wettbewerbssituation insgesamt?

Ja, die Credit Suisse ist zurück auf dem deutschen Markt - jedenfalls im gehobenen Privatkundengeschäft. In anderen Bereichen war sie ja nicht weg. Nun kann ich nicht für die CS sprechen - nach meiner Kenntnis ist sie jedoch vor allem mit einem Angebot an potenzielle Wealth-Management-Kunden zurückgekehrt. Wir sehen sie daher weniger als direkten Konkurrenten im Custody- und Transaktionsgeschäft. Gut möglich, dass man sich bei manchen Family Offices begegnet.

Für den Wettbewerb insgesamt sehen wir uns durch unser kompetitives Leistungsangebot hervorragend positioniert, wie das aktuelle Wachstum uns bestätigt. Als Partner für Anbieter der klassischen Vermögensverwaltung in Deutschland sind wir Marktführer. Diese Position haben wir uns sehr konsequent über die letzten Jahre erarbeitet und wir erfahren wachsenden Zuspruch von unabhängigen Vermögensverwaltern, Family Offices oder Stiftungen. Digitale Services erweitern unser Leistungsangebot und sichern auch in Zukunft unsere Marktposition.

Wird sich die Konsolidierung bei den Depotbanken fortsetzen? Ist die V-Bank offen für externes Wachstum?

Ich denke schon, dass die Konsolidierung bei den Depotbanken aber auch bei Vermögensverwaltern weitergehen wird. Allerdings wird sie vielleicht anders aussehen, als wir uns dies landläufig vorstellen und wie wir es aus anderen Teilen des Bankenmarkts kennen.

Was genau meinen Sie damit?

Auf Ebene der Vermögensverwalter beobachten wir zum Beispiel die Bündelung im Rahmen von Dachgesellschaften ohne Aufgabe der regionalen Verankerung. Im Bereich der Depotbanken sehen wir auch exogene Ereignisse wie IT-Migrationen, die uns Kunden bringen. Oder im Falle von Übernahmen unserer Wettbewerber aufkommende Verunsicherung bei deren Kunden - und ein erheblicher Teil kommt als direkte Reaktion darauf zu uns. Insofern ist sehr genau zu hinterfragen, ob Übernahmen in unserem Segment wirklich Sinn ergeben und ob sich die damit angestrebten Ziele nicht auch anders erreichen lassen - noch dazu ohne die mit einer Übernahme verbundenen Kosten und Risiken.

Sie definieren sich als "Komplettanbieter" - mit welchen neuen Services ist in naher Zukunft zu rechnen?

Wir haben ja erst in den vergangenen Monaten einige neue Services an den Start gebracht: unsere Depot-App oder den Nießbrauchsrechner, die standardisierte Orderschnittstellen zu den gängigen Portfoliomanagementsystemen oder unseren digitalen Umzugsservice. Diese Services unseres Ökosystems verfeinern und verbessern wir laufend. Wir arbeiten darüber hinaus mit unserem Partner fintegra an weiteren Lösungen für digitales Steuerreporting, ob für betriebliches oder Fremdwährungsreporting. Und, last but not least, das vielleicht größte Thema für die Zukunft: Wir arbeiten mit Hochdruck an einer Plattform für die Verwahrung digitaler Assets.

Die V-Bank hat im vergangenen Sommer eine Lizenz als Kryptoverwahrer beantragt. Sind Sie mittlerweile schon aktiv? Und was versprechen Sie sich davon?

Wir arbeiten mit Hochdruck an der Beschaffung und Verwahrung digitaler Assets. Tokenisierten Assets, ob Währung, Wertpapiere, Immobilien, Kunstobjekte, Musikinstrumente oder Oldtimer gehören die Zukunft. Diese Technologie bedeutet einen Quantensprung in Sachen Prozesseffizienz. Noch sind wir nicht in der Phase der Umsetzung angelangt, da wir noch auf die finale Genehmigung der Aufsicht warten. Da wurde zwischenzeitlich das Verfahren umgestellt und es entscheidet nicht mehr die BaFin allein, sondern letztendlich die EZB. Stichwort: common procedure. Wir sind aber der festen Überzeugung, dass digitale Assets für unsere Geschäftspartner ein immens wichtiges Zukunftsthema sind. Noch dazu eines, das für viele von ihnen allein nur schwer zu stemmen wäre, da es mit hohem Aufwand verbunden ist. Wir machen uns also zu einer Art Wegbereiter für unsere Geschäftspartner und werden ihnen die Infrastruktur zur Verfügung stellen, die sie benötigen, um ihren Kunden die Beschaffung und Verwahrung digitaler Assets anbieten zu können. Das ist auch für unsere Verhältnisse ein großes Projekt, in welches wir viel Energie stecken.

Wie stark wird sich durch den Trend zu NFTs das Geschäft von Vermögensverwaltern und Banken verändern?

Man kann durchaus von einer Revolution für die Verwahrung von Vermögen sprechen. Wenn man sich allein ansieht, wie schnell sich das Thema NFT etabliert. Oder die Kryptowährungen: Manche halten sie für sinnvoll, andere nicht, aber niemand kann sie mehr ignorieren - was vor zwei, drei Jahren durchaus noch der Fall war. Bei den Kryptowährungen werden wir noch einige kommen und gehen sehen. Insbesondere wird die strategische Antwort seitens der Notenbanken entscheidend die weitere Entwicklung prägen.

Überhaupt: Wie wird sich das Banking in den kommenden Jahren verändern müssen - Stichworte sind natürlich Nachhaltigkeit und Digitalisierung?

Die Digitalisierung wird weiter voranschreiten. Sie wird das auch mit einer gewissen Selbstverständlichkeit tun. Für Finanzdienstleister gelten die gleichen Erwartungshaltungen der Kunden, die sie als Kundenerlebnis aus anderen Industrien kennen und mitbringen. Und da ist eine rasch fortschreitende Digitalisierung eine Selbstverständlichkeit. Es ist daher weniger etwas, wofür oder wogegen man sich aktiv geschäftspolitisch entscheidet. Das bedeutet keineswegs, dass alle Banken und Vermögensverwalter nun alle aussehen müssen wie N26 oder dass es keine Filialen oder gar persönliche Betreuung mehr geben wird. Es bedeutet aber, dass sie ihre Prozesse digitalisieren müssen, um effizienter arbeiten zu können und gleichzeitig den Kunden die von ihnen erwarteten Zugänge, Erreichbarkeit, Convenience und letztlich Erlebnisse bieten zu können. Ein gewisses Maß an Digitalisierung wird also zum Hygienefaktor - streng genommen ist es das bereits.

Mit Nachhaltigkeit verhält es sich ähnlich: Dort wo man bis vor Kurzem ein nachhaltiges Angebot vielleicht noch erklären musste, müsste man heute seinen Kunden eher erklären, wieso man noch kein solches Angebot in Form von Beratungsexpertise oder Produkten vorhält. Wir sehen das ja bei einigen Privatbanken, wo mittlerweile die nachhaltige Vermögensverwaltung zum Standardangebot geworden ist. Aus Sicht der V-Bank geht es um einen herausfordernden Dreiklang aus Kundenbedarf, regulatorischer Konformität und eigener Corporate Responsibility.

Wie sehr wird die Plattformökonomie das Banking von morgen verändern? Ist das eher eine Chance oder eher eine Bedrohung?

Sowohl als auch - das ist eine Frage der Perspektive: Diejenigen, die noch in tradierten Wertschöpfungsmodellen verharren, werden die Plattformökonomie als Bedrohung empfinden. Wir sehen sie für uns jedoch ganz klar als Chance an. Klare Arbeitsteilung statt Outsourcing entlang der Wertschöpfungskette sichern für jeden Beteiligten wertvolle Economies of Scope.

Inwiefern? Wo liegen für Sie die Chancen der V-Bank?

Wir haben uns konsequent darauf ausgerichtet, unsere Geschäftspartner dabei zu unterstützen, Dinge besser, bequemer oder effizienter tun zu können, als sie es ohne uns könnten. Mehr effektive Zeit am Kunden ist die Folge. Oder dass sie ihren Kunden Leistungen anbieten können, die sie allein nicht darstellen könnten. Deswegen investieren wir beispielsweise in die Verwahrung digitaler Assets, damit unsere Geschäftspartner dies nicht tun müssen. Wir bieten unseren Geschäftspartnern die Komponenten, die sie benötigen, um ihre Wertschöpfung ausbauen zu können, ohne dabei ihre eigene Fertigungstiefe erhöhen zu müssen. Das ist unser Geschäftsmodell. Plattformökonomie zahlt also ziemlich genau auf unser Geschäftsmodell ein - und das ist natürlich eine riesengroße Chance für uns. Hinzu kommt, dass dahinter auch das erforderliche Selbstverständnis steht: Weiterentwicklung fällt uns nicht schwer, sondern wir wollen sie von Hause aus und bringen die nötige Innovationsfähigkeit und Innovationsbereitschaft mit.

Was heißt Nachhaltigkeit eigentlich für ein Haus wie die V-Bank? Intern natürlich, aber vor allem mit Blick auf Ihre Kunden, die Vermögensberater - welche Anforderungen stellt da die Aufsicht an Sie? Und wie gewinnen Sie hier Informationen und Daten?

Nachhaltigkeit ist ein Thema, das für uns mehrere Facetten hat - eben der erwähnte Dreiklang: Da sind zum einen unsere Geschäftspartner, deren Kunden nachhaltige Lösungen in der Vermögensanlage nachfragen. Sie unterstützen wir zum Beispiel durch den Zugang zu ISS ESG Ratings, einem spezialisierten Dienstleister, der geeignete nachhaltige Anlageuniversen definieren und anbieten kann.

Zum anderen ist es für uns ein Governance-Thema, das wir ab dem laufenden Geschäftsjahr auch mit einem entsprechenden Nachhaltigkeitsbericht darlegen werden. Und wir sind ein nachhaltig denkendes und handelndes Unternehmen. So werden wir im kommenden Jahr in ein anderes, wesentlich energieeffizienteres Gebäude ziehen. Natürlich versuchen wir, auch im Alltag unseren Teil beizutragen und Ressourcen zu schonen, ganz gleich, ob Wasser, Papier oder Strom.

Und wir verstehen Nachhaltigkeit als eine Chance, etwas zu verbessern - und das darf auch ruhig Spaß machen: Beispielsweise bieten wir unseren Mitarbeitern die Möglichkeit eines Job-Fahrrads an. Das tun wir gerne und aus Überzeugung und unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nehmen es sehr gerne an.

Lars Hille , Vorsitzender des Vorstands , V-BANK AG, München
Noch keine Bewertungen vorhanden


X