Redaktionsgespräch mit Oliver Behrens

"Kapitalstärke ist zu einem wesentlichen Asset in unserem Geschäft geworden"

Oliver Behrens, Vorstandsvorsitzender Morgan Stanley Bank AG, Frankfurt am Main, und Morgan Stanley Country Head Germany/Austria

Durch die verschärfte Regulierung registriert Oliver Behrens hierzulande der Tendenz nach eine zunehmende Belastung der Kreditvergabe und damit eine stärkere Kapitalmarktorientierung der hiesigen (Kredit-)Wirtschaft. Für sein Haus rechnet sich der Vorstandsvorsitzende der Morgan Stanley Bank aber gerade unter diesen Rahmenbedingungen gute Marktchancen aus. Bei der Marktbearbeitung setzt er im Redaktionsgespräch nicht zuletzt auf die deutlich verbesserte Kapitalstärke und das internationale Netzwerk seines Hauses. Angesichts der teilweise deutlich gestiegenen Eigenkapitalanforderungen - beispielsweise für Handelspositionen - hält er die früheren ROE-Ziele zwar nicht mehr für erreichbar, einen zumindest zweistelligen Wert will er gleichwohl erwirtschaften. Auch wenn die Investoren dafür künftig möglicherweise direkt zahlen müssen, will sein Haus diesen auch weiterhin ein global ausgerichtetes Research anbieten. (Red.)

Herr Behrens, Sie waren einige Jahre in der Sparkassenorganisation tätig, vermissen Sie diesen Sektor mit seinen politischen Ränkespielen?

Ich war acht Jahre Vorstand der Dekabank und damit mit den Sparkassenvertretern im engsten Kontakt. Den Sektor kannte ich schon vorher aus meiner Zeit bei der Deutschen Bank. Auch bei Morgan Stanley gehören die Institute wieder zu den Kunden des Hauses, was mich sehr freut, da ich deren Belange gut zu kennen glaube. Die Zeit im Sparkassenverbund möchte ich nicht missen, es waren spannende Jahre. Für mögliche politische Ränkespiele habe ich mich von Anfang an nicht interessiert.

Wofür steht Morgan Stanley in Deutschland?

Morgan Stanley kümmert sich aus Deutschland heraus um institutionelle Kunden in Deutschland und Österreich. Derzeit sind es einige Hundert Kunden, zu denen eine Geschäftsbeziehung besteht. Wir bieten ihnen Dienstleistungen und Angebote im klassischen Investment Banking.

Unser Kerngeschäft ist die Beschaffung und Distribution von Eigen- und Fremdkapital, also Corporate Finance, Fusionen und Über nahmen (M&A) und die Begleitung von Börsengängen sowie der Handel und Vertrieb von Aktien und festverzinslichen Wertpapieren. Wir werden vor allem für unsere Beratung und unsere globale Expertise geschätzt.

Wie ist die Aufteilung im Vorstand in Frankfurt - wer macht was?

Wir sind zu viert im Vorstand. Dr. Hanns Christoph Siebold ist der Chief Operating Officer. Christian Zorn leitet das Investment Banking einschließlich des Kapitalmarktgeschäfts und Philipp Lingnau ist für die Handelsund Vertriebsbereiche sowie das Treasury zuständig. Ich vertrete die Bank nach außen, führe die Gespräche mit Vorständen anderer Häuser und bin für die bereichsübergreifende und die interne Kommunikation zuständig.

An wen berichten Sie als Vorstandsvorsitzender?

Ganz formal an den Aufsichtsratsvorsitzenden der Morgan Stanley Bank AG, Dr. Lutz Raettig. Darüber hinaus an Colm Kelleher, der seit Kurzem Präsident des Hauses ist.

Wie unterscheidet sich die Bank von Wettbewerbern im Investment Banking?

Wir bieten unseren institutionellen Kunden ein sehr breites Leistungsspektrum und die geforderte globale Ausrichtung. In Deutschland unterscheiden wir uns von der internationalen Konkurrenz darüber hinaus durch unsere Vollbanklizenz. Hier nehmen wir konzernintern in Deutschland eine wichtige Rolle ein.

Rechnet sich Investment Banking eigentlich überhaupt noch?

Um im Investment Banking erfolgreich zu sein, muss man sich auf die Kernkompetenzen konzentrieren und dort auch gut sein. Wir fokussieren uns sehr stark auf institutionelle Kunden. Es findet aufseiten der Kunden eine zunehmende Spezialisierung und Globalisierung statt. Wir sind hier ein professioneller Partner und können unseren Kunden Beratung und Exekution aus einer Hand anbieten. Immer wichtiger wird in unserem Geschäft auch der Wissenstransfer. Unsere Sales-Leute wissen, was ihre Investoren als nächstes planen. Davon profitieren die Unternehmenskunden, denn sie erhalten von uns eine gute Vertriebsberatung und professionelle und schnelle Orderausführung. Diesen Dialog können nicht viele Häuser auf globaler Ebene führen.

Hat das Investment Banking trotz aller Regulierung eine positive Zukunft?

Wir profitieren von der zunehmenden Kapitalmarktorientierung. Die Regulierung belastet die Kreditvergabe und Unternehmen suchen Alternativen zum Bankkredit. Die bieten wir ihnen mit dem globalen Kapitalmarktzugang. Insofern haben wir gut zu tun.

Sind Return-on-Equity-Ziele in Ihrem Geschäft eigentlich sinnvoll?

In unserem Geschäft hat sich in den vergangenen Jahren die Eigenkapitalbelastung grob gerechnet mehr als verdoppelt. Folglich sind historische ROE-Ziele nicht mehr erreichbar. Unser Ziel ist es, einen zweistelligen ROE zu erwirtschaften.

Wo schmerzt denn im Investment Banking die Regulierung am stärksten?

Es ist ein Mix aus unterschiedlichen Regulierungen, die sich niederschlagen. Dazu gehört beispielsweise das Thema der gestiegenen Eigenkapitalunterlegungspflichten. Viele Banken haben in der Vergangenheit massive Fehler gemacht und die Politik und Aufsicht haben mit strengeren Regeln geantwortet. Es hilft aber kein Lamentieren, damit muss man leben. Dennoch wünsche ich mir ein Mehr an Stabilität bei den regulatorischen Rahmenbedingungen. Banken brauchen mehr Planungssicherheit.

Was macht Morgan Stanley anders, seit Sie an Bord sind?

Generell hat Morgan Stanley - auch hier in Frankfurt - einen neuen Geschäftsansatz eingeführt, der verstärkt umgesetzt wird. Jetzt steht die gesamte Kundenbeziehung im Vordergrund. Dies ermöglicht eine präzisere Identifikation der Kundenwünsche. Lösungen werden umfassender angeboten.

Was heißt das konkret?

Wir kooperieren zum Beispiel wesentlich stärker als vor ein paar Jahren mit unseren Kollegen im Real-Estate-Geschäft, die internationale Immobilienfonds, Beteiligungen oder Immobilienfinanzierungen anbieten. Außerdem konzentrieren wir uns verstärkt auf den Vertrieb unseres Fonds-Angebotes im Investment Management. Was uns grundsätzlich bei vielen Geschäftsbeziehungen zugutekommt, ist die gute Kapitalausstattung, die starke Liquiditätsbasis und das hohe Rating unserer Muttergesellschaft (A3 von Moody's oder BBB+ von S&P).

Können Sie hierzu ein paar Kennzahlen nennen?

Morgan Stanley sieht heute komplett anders aus als vor dem Ausbruch der Finanzkrise. Vor der Krise lag das Eigenkapital bei 30 Milliarden US-Dollar. Es ist gelungen, dieses auf 68 Milliarden US-Dollar zu steigern. Gleichzeitig wurde die Bilanzsumme in diesem Zeitraum von 1 200 auf 800 Milliarden US-Dollar verkleinert. Kapitalstärke ist zu einem wesentlichen Asset in unserem Geschäft geworden.

Wie läuft denn die Neuausrichtung?

Entscheidend für den Erfolg ist die Beantwortung der zentralen Frage, wie ich das Problem des Kunden löse. Hierzu gibt es intern strategische Dialoge. Dabei bringe ich mich selbst mit meinen Erfahrungen und Kontakten intensiv ein.

Welche Marktposition streben Sie dabei an?

Es ist das Ziel, in allen drei genannten Geschäftsfeldern bei den deutschen Kunden zu den ersten Ansprechpartnern zu gehören. Rangplätze hin oder her, entscheidend für den Erfolg ist, dass der Kunde so bedient wird, wie er es will und dabei am Ende Geld verdient. Geld verdienen wollen wir auch, das geht aber nur, wenn der Kunde zufrieden ist. Insgesamt sind wir in Deutschland und Österreich sehr erfolgreich unterwegs.

Wie viele Mitarbeiter sind in Frankfurt beschäftigt und wie läuft beispielsweise die Aufgabenteilung mit London?

Das regulatorische Umfeld hat in einigen Bereichen für strukturelle Änderungen in der Organisationsstruktur gesorgt. Ich denke hier beispielsweise an die Eigenkapitalunterlegung für Handelspositionen. Sie hat sich teilweise verfünffacht. Um das teure Gut Kapital effizient und risikobewusst zu nutzen, war eine Konzentration vieler Handelsbücher an einem Standort nötig. Selbstverständlich gibt es aber vor Ort beispielsweise Sales-Trader, die für die optimale Ausführung von Kundenorders zuständig sind.

In Frankfurt beschäftigen wir rund 200 Kollegen. Es gab zwar die eine oder andere Verlagerung nach London, es wurden aber keine kompletten Teams versetzt. Einige Mitarbeiter sind dabei auch ausgeschieden, weil sie beispielsweise aus privaten Gründen nicht nach London wechseln wollten. Einige von ihnen sind jetzt gute Kunden. Insgesamt sind wir bei Morgan Stanley in Frankfurt stolz, dass wir eine große Zahl von Mitarbeitern haben, die schon sehr viele Jahre im Hause sind.

Leidet die Bank eigentlich noch unter dem Fall "ENBW"?

Wir beraten unverändert auch Kunden aus der Politik und der öffentlichen Hand. Das ist ein gutes Zeichen des Vertrauens. Das Thema ist für uns glücklicherweise ausgestanden.

Einer Ihrer Wettbewerber, Ihr früherer Arbeitgeber, die Deutsche Bank, ist in Turbulenzen. Können Sie davon profitieren?

Für Deutschland und den hiesigen Finanzplatz ist es wichtig, eine leistungsstarke, global ausgerichtete und erfolgreiche Bank zu haben. Das war immer die Deutsche Bank. Ich wünsche ihr, dass die Umsetzung der neuen Strategie gelingt und sie bald zur alten Stärke zurückkehrt. Wir arbeiten gerne und viel mit der Deutschen Bank zusammen und haben ein großes Interesse daran, dass es so bleibt.

Blick auf das laufende Jahr - welche geschäftlichen Entwicklungen sind zu erwarten?

Auch wenn der Start, ausgehend von der chinesischen Börse, holprig war, bin ich für 2016 grundsätzlich optimistisch. Das Marktumfeld bleibt positiv und die Zinsen niedrig. Damit sind Aktien als Anlage weiterhin ohne richtige Alternative. Folglich dürfte sich das Geschäft mit Börsengängen, Kapitalerhöhungen und Fusionen und Übernahmen sehr gut entwickeln. Da der Euro relativ günstig ist, dürften sich amerikanische und asiatische Investoren weiterhin stark für den deutschen Markt interessieren.

Kurz ein Mikrothema: Es gibt regulatorische Tendenzen, dass Investoren künftig direkt für Research zahlen müssen. Welche Auswirkungen hat das auf das Research von Morgan Stanley?

Wir kennen die ersten und zweiten Vorstellungen der englischen FCA und der ESMA. Investoren werden dadurch aufgefordert, künftig für das erhaltene Aktienresearch direkt zu bezahlen. Bisher war die Research-Bezahlung durch die Erteilung von entsprechenden Aktienorders inbegriffen. Künftig wird es unterschiedliche Preismodelle geben müssen. Unsere Kunden sind in der Regel sehr global orientiert und brauchen den Zugang zu global ausgerichtetem Research. Das bieten wir. Entsprechend glauben wir, dass uns die Kunden beim Research treu bleiben werden.

Ist Research in einer Big-Data-Welt überhaupt noch notwendig?

Im Gegenteil, mehr denn je. Wissen und fundierte Analysen sind für erfolgreiches Kapitalmarktgeschäft unerlässlich. Es muss den Investoren Mehrwert bieten. Ich bin überzeugt, die Bedeutung von Wissen wird weiter zunehmen. So ist es beispielsweise extrem wichtig zu wissen, welche Investoren bestimmte Aktien besitzen und was sie damit vorhaben. Wer dann auch noch mögliche Interessenten kennt, kann diskret und ohne Preisturbulenzen bei der Umplatzierung oder Aufstockung der Positionen helfen. Hier sind natürlich in erster Linie die persönlichen Kontakte unserer Mitarbeiter zu Investoren und Emittenten gefragt. Nötig sind aber auch ausgefeilte, schnelle und leistungsfähige IT-Systeme, Software, die solche Informationen verarbeitet und bereithält. In diese Systeme investieren wir viel Zeit und Geld.

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