Redaktionsgespräch mit Christof Schulte

"Wir gehen von einem kontinuierlichen Anstieg der Meldungszahlen aus"

Christof Schulte, Foto: FIU

Herr Schulte, das Thema Geldwäsche erhält einen immer größeren Stellenwert. Wie schätzen Sie derzeit die Organisation und Aufstellung der zuständigen Behörden in Deutschland ein - sind wir schlagkräftig genug aufgestellt? Wie wollen Sie das eigene Haus schlagkräftiger aufstellen?

Zunächst einmal kann ich Ihnen als Leiter der FIU - also der deutschen zentralen Meldestelle zur Verhinderung, Aufdeckung und Unterstützung bei der Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung - bei der Generalzolldirektion sagen, dass wir uns bewusst sind, bei diesem Thema in Deutschland eine bedeutende Rolle einzunehmen und uns dieser komplexen Aufgabe mit allen Kräften widmen. Neben den zuständigen Aufsichts- und Strafverfolgungsbehörden leistet die FIU - im Rahmen ihrer Zentralstellenfunktion - mit all den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln hier Tag für Tag einen wesentlichen Beitrag zur Geldwäschebekämpfung in Deutschland.

Einhergehend mit den in den letzten Jahren rasant ansteigenden Meldungszahlen wurden neben der kontinuierlichen Fortentwicklung der Fachprozesse auch der Personalbestand der FIU erheblich aufgestockt. Von den anfänglich vorgesehenen 165 Beschäftigten im Jahr 2017 verfügen wir aktuell insgesamt über rund 460 Bedienstete.

Perspektivisch ist geplant, die FIU mit Blick auf den kontinuierlich anwachsenden Aufgabenkatalog personell weiter aufwachsen zu lassen. Für diese in der Tat bemerkenswerte Entwicklung und die damit einhergehenden Entscheidungen tritt das Bundesfinanzministerium sehr nachhaltig sein. Insgesamt betrachtet haben wir hier insofern bereits einen Riesenschritt nach vorn gemacht - sowohl fachlich als auch personell.

Wie funktioniert die Zusammenarbeit mit den Kollegen, national wie international?

Da Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung regelmäßig nicht allein national zu betrachten sind und kriminelle Täterstrukturen überwiegend global agieren, sind für eine effektive Bekämpfung dieser Delikte eine enge Kooperation sowie ein direkter Informationsaustausch mit allen nationalen Behörden und internationalen Partnern unerlässlich. Um internationale Vorgänge zeitnah und vollumfänglich zu untersuchen, tauschen die FIUs weltweit relevante Informationen nach den für sie geltenden gesetzlichen Maßgaben aus. Zur Unterstützung des internationalen Austauschs stehen den europäischen FIUs untereinander sowie den FIUs weltweit hierfür unterschiedliche Netzwerke und Gremien zur Verfügung.

National arbeiten wir eng und vertrauensvoll mit unseren Partnerbehörden - also unter anderem dem Bundeskriminalamt, den Landeskriminalämtern und Staatsanwaltschaften, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht sowie dem Bundesnachrichtendienst und dem Bundesamt für Verfassungsschutz - zusammen und tauschen hier unmittelbar jeweils relevante Informationen aus. Dieses direkte und vor allem reibungslose Vorgehen hat sich im Vergleich zur Anfangszeit der FIU deutlich verbessert und ist aus meiner Sicht der Schlüssel für eine erfolgreiche Bekämpfung der Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung in Deutschland. Nicht zuletzt deshalb habe ich mich unmittelbar nach der Übernahme der Dienstgeschäfte der FIU für den Einsatz von FIU-Verbindungsbeamtinnen undbeamten in den Landeskriminalämtern eingesetzt, um insbesondere die direkte Kommunikation auf operativer Ebene zu stärken. Dieses nunmehr seit knapp einem Jahr etablierte Kooperationsinstrument unterstützt die praktische Zusammenarbeit der FIU mit den Landeskriminalämtern effektiv und optimiert die mit den Strafverfolgungsbehörden der Länder übergreifenden Arbeiten unmittelbar.

Was bedeutet die Anpassung des Geldwäschegesetzes für die Arbeit der FIU?

Da das Geldwäschegesetz die Aufgaben und Befugnisse der FIU sowie Regelungen für die geldwäscherechtlich Verpflichteten beinhaltet, haben entsprechende Gesetzesnovellen direkten Einfluss auf unsere Tätigkeit. Die letzte wesentliche Änderung des Geldwäschegesetzes erfolgte im Rahmen der Umsetzung der "Fünften EU-Geldwäscherichtlinie" zum 1. Januar 2020 als Ergänzung zum Rahmenwerk für die Bekämpfung von Geldwäsche und Terrorismusfinanzierung, das zuletzt schon durch die "Vierte EU-Geldwäscherichtlinie" grundlegend novelliert wurde. Neben strengeren und erweiterten Meldevorschriften für Immobilienmakler, Notare, Goldhändler, Auktionshäuser und Kunsthändler und der Erweiterung des Verpflichtetenkreises unter anderem auf Dienstleister aus dem Bereich von Kryptowährungen, Vermittler im Kunsthandel, Mietmakler und Lohnsteuerhilfevereine erhielt die FIU auch erweiterte Kompetenzen beim Datenzugriff. Zur Stärkung der Analysemöglichkeiten erhielt die FIU hier beispielsweise auch erstmalig die Befugnis der automatischen "Trefferanzeige" zu abgefragten Personen in besonders schutzwürdigen Polizeidateien, wodurch unsere Analysearbeit weiter geschärft werden kann.

Besonders erwähnenswert an dieser Stelle ist die seit dem 1. Januar 2021 in Kraft getretene Ermächtigung der FIU, Auskunft aus dem Zentralen Staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister automatisiert einholen zu können und die sich aktuell im Gesetzgebungsverfahren befindliche geplante neue Befugnis der FIU zum automatisierten Zugriff auf steuerliche Grunddaten. All diese Abfragemöglichkeiten versetzen unsere Analystinnen und Analysten in die Lage, komplexe Vorgänge umfassender - mit den jeweils einschlägigen, vielschichtigen Blickwinkeln - zu analysieren. Sie tragen insofern erheblich zur Verbesserung der Einzelfallanalyse der FIU und damit zur Stärkung der Bekämpfung von Geldwäsche beziehungsweise Terrorismusfinanzierung bei.

Die FIU hatte im vergangenen Jahr schon einmal Schwierigkeiten, der Flut von Meldungen Herr zu werden. Nun hat der Bundestag den Tatbestand der Geldwäsche neu gefasst. Ist nun zu befürchten, dass das zu einer weiteren enormen Zunahme der Verdachtsmeldungen führen wird?

Bei der künftigen Ausgestaltung des § 261 StGB - dem sogenannten "All-Crime- Ansatz" - soll der bisherige insoweit auf bestimmte Vortaten begrenzte Katalog der Geldwäsche vollständig gestrichen werden, sodass in der Folge jede Straftat als Vortat der Geldwäsche in Betracht kommen könnte, was insoweit eine Ausweitung der möglichen Strafbarkeit darstellt. Diese Neuregelung wird die Verpflichteten also künftig dazu anhalten, Sachverhalte im Hinblick auf Auffälligkeiten außerhalb des bisherigen Vortatenkatalogs, also insbesondere außerhalb der schwerwiegenden Vermögensdelikte, zu überprüfen und zu melden. Ob sich allerdings das Meldeverhalten der Verpflichteten tatsächlich signifikant ändern wird, können auch wir schwer prognostizieren. Wir gehen aber nach wie vor weiterhin von einem kontinuierlichen Anstieg der Meldungszahlen aus - für diese Aufgabe und auch weitere Herausforderungen sind wir gewappnet.

Nutzen Sie auch schon künstliche Intelligenz (KI) bei der Erkennung von Tatbeständen?

Vor dem Hintergrund der rasanten Entwicklung des kontinuierlich ansteigenden Meldungsaufkommens in den letzten Jahren haben wir zur weiteren Unterstützung der Identifikation relevanter Sachverhalte in Zusammenarbeit mit einem externen Dienstleister eine KI-Komponente entwickelt, die auf Methoden des sogenannten "Supervised Learning" basiert, also dem überwachten maschinellen Lernen künstlicher Intelligenz.

Die KI-Komponente "FIU-Analytics" ist bereits Ende 2020 in einer ersten Ausbaustufe in die operativen Analyseprozesse der FIU implementiert worden, um die Analystinnen und Analysten im ersten Schritt durch eine automatisierte Vorbewertung bei der Identifikation relevanter Sachverhalte zu unterstützen. Das System wird fortlaufend evaluiert und ausgebaut.

Insbesondere im Nichtfinanzsektor gibt es praktisch noch überhaupt keine Verdachtsmeldungen. Woran liegt das? In welchen Branchen sehen Sie die größten Risiken schlummern?

Ja, das bewerte ich ähnlich. Die uns übermittelten Meldungen aus dem Bereich des Nichtfinanzsektors steigen in der Summe zwar kontinuierlich an, dennoch ist die Anzahl hier noch viel zu gering. Vor diesem Hintergrund sensibilisiert die Financial Intelligence Unit seit ihrer Arbeitsaufnahme im Juni 2017 fortlaufend insbesondere die Verpflichteten des Nichtfinanzsektors.

Vorrangig risikobehaftet für Geldwäsche ist nach wie vor der Handel mit hochpreisigen und wertstabilen Gütern beziehungsweise Immobilien, wobei die Immobilienbranche nach wie vor ganz besonders im Fokus steht.

Die Zuständigkeit der Geldwäscheaufsicht im Nichtfinanzsektor ist in Deutschland föderal geregelt. Im Rahmen unserer Koordinierungsfunktion unterstützt die FIU die zuständigen Länderaufsichtsbehörden des Nichtfinanzsektors fortlaufend und führt zum Beispiel gemeinsam mit ihnen sogenannte "konzertierte Aktionen" in unterschiedlichen Branchen durch.

An den kontinuierlich steigenden Meldungszahlen sehen wir, dass unsere gezielten Maßnahmen bereits Wirkung erzielen und wir auf diesem Wege die Verpflichteten in Bezug auf mögliche Geldwäscherisiken Schritt für Schritt weiter sensibilisieren.

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