Walter Strohmaier

"In einigen Bereichen leisten wir uns den Luxus von Doppel- oder Mehrfacharbeiten."

Walter Strohmaier Foto: Sparkasse Niederbayern-Mitte

Ein größeres Augenmerk auf die Kundenorientierung und den Vertrieb und die Produktbereiche Zahlungsverkehr sowie Altersvorsorge hat Walter Strohmaier für die Sparkassen als eindeutige Wachstumsfelder mit der Aussicht auf auskömmliche Erträge identifiziert. Zur besseren Ausschöpfung der Potenziale kann sich der Bundesobmann der deutschen Sparkassen dabei auf der Ebene der Verbundunternehmen durchaus Kooperationen und Zusammenschlüsse vorstellen. Wichtig ist dem Vorstandsvorsitzenden der Sparkasse Niederbayern bei der Arbeit an einer Effizienzsteigerung der gesamten Gruppe die Stärkung der Vertrauenskultur. Er baut dabei im Redaktionsgespräch auf eine hohe fachliche und technische Kompetenz auf allen Ebenen der Organisation, die die Doppel- und Mehrarbeiten möglichst zu vermeiden und dennoch die Kundenorientierung zu steigern hilft. (Red.)

Herr Strohmaier, hätten Sie vor einem Jahr daran gedacht, im Sommer 2018 ein Interview als Bundesobmann der deutschen Sparkassen zu geben?

Sicherlich nicht, als ich nach dem Ausscheiden von Georg Sellner im vergangenen Jahr als damaliger Landesobmann und zuvor schon Bezirksobmann in Bayern zum stellvertretenden Bundesobmann gewählt wurde, hat man das als ein Signal der Delegierten für einen in einigen Jahren bevorstehenden Generationswechsel verstehen können. Dass ich dann so schnell zum Bundesobmann bestellt wurde, war natürlich eine Folge der Berufung von Helmut Schleweis in das Amt des DSGV-Präsidenten.

Mit welchem Selbstverständnis gehen Sie die Arbeit als Bundesobmann an? Wie interpretieren Sie diese Aufgabe?

Als Grundvoraussetzung für jede Gremienarbeit sehe ich ein gut funktionierendes eigenes Haus an. Man ist dann in seinem Auftreten einfach authentisch. Das gilt nicht nur für Gespräche wie zum Beispiel beim Bundesbankvorstand, bei der BaFin oder Kontakten mit Medienvertretern, sondern stärkt vor allem auch die Überzeugungskraft innerhalb der Gremien. Gute Zahlen und eine gute Verfassung des eigenen Hauses geben eine Unabhängigkeit bei unterschiedlichsten Verhandlungspartnern innerhalb und auch außerhalb unserer Organisation und erleichtern auch die Interessenvertretung gegenüber den Verbundpartnern.

Im Fokus meiner Arbeit steht in erster Linie mein Amt als Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Niederbayern-Mitte. Darüber hinaus habe ich die Muße, mit großem Engagement und Leidenschaft in der Gremienarbeit der bundesweiten Sparkassenorganisation maßgeblich mitwirken zu dürfen.

Kann man da wirklich von Muße sprechen? Die zeitliche Belastung einer solchen Gremienarbeit lässt sich sicherlich nicht wegdiskutieren. Bedingt Ihr neues Amt nicht zwangsläufig eine Mehrarbeit Ihrer Vorstandskollegen oder sogar eine personellen Aufstockung des Vorstands?

Nein, grundsätzlich nicht. Die Aufgabenverteilung zwischen dem dreiköpfigen Vorstand unseres Hauses und der sehr gut aufgestellten zweiten Führungsebene haben wir schon während meiner Gremienarbeit in der bayerischen Sparkassenorganisation entwickelt. Sie erfordert freilich ein hohes Engagement aller Beteiligten und meinerseits eine hohe Selbstdisziplin, um den Aufgaben in der Sparkasse wie bei der Gremienarbeit gleichermaßen gerecht zu werden.

Durch die Gremienarbeit auf Bundesebene haben sich eben die Aufgaben und Prioritäten nochmals verschoben. Oberste Priorität hat wie erwähnt meine Sparkasse und deshalb gehe ich sehr diszipliniert mit meinem Zeitmanagement um, das heißt, an den Tagen, an denen ich in der Sparkasse bin, versuche ich mich ausschließlich um die Belange der Kunden und Mitarbeiter zu kümmern. Und innerhalb der Organisation nehme ich nur die Aufgaben wahr, für die ich auch zuständig bin.

Konkret sehe ich mich als Bundesobmann in erster Linie als Vorsitzender des Landesobleuteausschusses und fungiere damit als einer der vier geborenen Vizepräsidenten des DSGV-Präsidenten als Fürsprecher für die Interessen der Sparkassen. Für diese Aufgabe bringe ich auch Leidenschaft mit und versuche alle Augen und Ohren offen zu halten, um die Position der Sparkassenorganisation in der Gemengelage der Bankenmärkte in Deutschland, Europa oder gar weltweit zu behaupten. Die Repräsentation der Organisation überlasse ich den dafür zuständigen DSGV-Präsidenten und Regionalpräsidenten. Mit diesen Grundsätzen kann ich mein Zeitbudget recht gut steuern.

Als Vertreter aller Sparkassen müssen Sie den Interessen von Instituten gerecht werden, die in ihrer jeweiligen Region ganz unterschiedliche betriebswirtschaftliche und demografische Bedingungen vorfinden. Mancherorts dürfte die Klientel und damit die Marktbearbeitung schwieriger sein. Wie kann der Bundesobmann dem gerecht werden? Kennen Sie in den Sparkassenregionen die Lage vor Ort?

Die notwendigen Informationen über die Gegebenheiten vor Ort erhalte ich in unserem Landesobleuteausschuss. Dort bringt praktisch jedes Bundesland durch seinen Landesobmann/-obfrau ihre Themen ein. Im Übrigen ist es nicht so, dass es ausschließlich prosperierende und ausschließlich "unterentwickelte" Regionen gibt. Natürlich profitiert auch eine Sparkasse von einer wirtschaftlich starken Region. Aber es gibt auch eine ganze Reihe von Sparkassen, die in wirtschaftlich schwierigeren Regionen regelmäßig gute Ergebnisse abliefern. Auskömmliche Geschäfte lassen sich übrigens nicht nur mit Firmen- und vermögensstarken Kunden im Private Banking machen, sondern in allen Segmenten. Auch der ganz normale Privatkunde verdient eine qualifizierte Beratung und ist und bleibt für unsere Sparkassenorganisation enorm wichtig.

Wo sehen Sie für die Sparkassen Wachstumsfelder?

Mit Blick auf die Sparkassen insgesamt müssen wir ein noch größeres Augenmerk auf die Kundenorientierung und auf den Vertrieb legen. Vor allem im gewerblichen Mittelstand haben wir dabei gute Marktchancen, ich bin sogar selbstbewusst genug zu behaupten, für den Mittelstand sind die Sparkassen unverzichtbare Geschäftspartner. Aber auch in der privaten Kundschaft gibt es enormes Potenzial. Gerade in der vermutlich noch länger andauernden Niedrigzinsphase müssen die Sparkassen auch den einfachen Privatkunden unbedingt den Zugang zum Wertpapiermarkt offenhalten beziehungsweise neu bieten. Wer, wenn nicht wir, soll diese Aufgabe erfüllen?

Damit eng zusammenhängend ist das weite Feld der Altersvorsorge zu nennen. Angesichts der demografischen Entwicklung und beim aktuellen Zinsniveau wird die staatliche Altersvorsorge auf dem bisherigen Niveau nicht haltbar sein. Der private Kunde muss dringend vorsorgen. Und es ist auch eine volkswirtschaftliche beziehungsweise gesellschaftspolitische Aufgabe der Sparkassen, die dazu notwendige Aufklärungsarbeit zu leisten - auch oder gerade weil die Affinität vieler Kunden für dieses wichtige Thema suboptimal ist. In der Praxis obsiegt bislang bei der Organisation der privaten Altersvorsorge oft das Bauchgefühl über den Kopf. Gerade das gibt den Sparkassen enorme Chancen in der Beratung. Die dritte Herausforderung und gleichermaßen Chance für die Sparkassen bietet schließlich das weite Feld Payment, das gerade dem größten Wandel aller Geschäftsbereiche unterliegt. In vielen Sparkassen hat die Zahlungsverkehrsabteilung den Stellenwert der Vergangenheit längst verloren. Wir dürfen und wollen aber auch diesen traditionellen Geschäftsbereich der Kreditinstitute nicht einfach den Internetanbietern wie Apple und Google überlassen.

In diesen drei genannten Geschäftsfeldern sehe ich für das Geschäftsmodell der Sparkassen eine gute Zukunft. Die vorhandenen Möglichkeiten der konsequenten Marktbearbeitung möglichst auszuschöpfen, verlangt freilich permanente, moderate Veränderungen, wobei mir ganz ausdrücklich beide Adjektive wichtig sind. Wir wollen weder Stillstand noch zu abrupte Veränderungen, denn wir müssen die Menschen mitnehmen, und zwar die Mitarbeiter wie die Kunden. Das müssen wir nach innen und außen auch klar kommunizieren.

Sehen Sie also Defizite in der Öffentlichkeitsarbeit?

Nicht generell, die deutschen Sparkassen sollten aber ebenso wie der Genossenschaftssektor besser verdeutlichen, dass die deutsche Volkswirtschaft die beiden Verbundorganisationen braucht. Wenn wir an diesem zentralen Punkt des erforderlichen Veränderungsprozesses keinen Sinneswandel in der öffentlichen Wahrnehmung hinbekommen, ist das eine volkswirtschaftliche Bedrohung. Wir müssen nicht zuletzt darauf hinwirken, dass erforderliche Veränderungsprozesse medial nicht so negativ begleitet werden.

Welche Schwächen sehen Sie bei den Sparkassen?

Wir leisten uns in einigen Bereichen den Luxus von Doppel- oder Mehrfacharbeiten in der Organisation.

Das heißt, Sie sind grundsätzlich offen für Fusionen und Konsolidierung?

Soweit es betriebswirtschaftlich Sinn macht, bin ich erst einmal ein Anhänger der rechtlich selbstständigen Sparkasse. Denn die große Stärke der Organisation ist die Entscheidungskompetenz von Menschen, die die Menschen und Bedürfnisse in ihrer jeweiligen Region genau kennen. Diese Grund-DNA der Sparkassenorganisation dürfen wir keinesfalls verlassen. Das betrifft allerdings nur den Point of Sale. Dort brauchen wir Qualität am Kunden bei Mitarbeitern und Produkten. Im Backoffice hingegen ist es dem Kunden relativ egal, wer wo seinen Vertrag bearbeitet. Dort kann und muss es möglicherweise Kooperationen oder auch Zusammenschlüsse geben. Und dieser Gedankengang führt dann automatisch auch zu unseren Verbundunternehmen.

In der Organisation müssen wir die Prozesse effizient gestalten und natürlich müssen wir kostengünstig produzieren, um bei rückläufigen Erträgen ausreichende Erträge zu erwirtschaften. Insofern habe ich an die Verbundpartner genauso den Wunsch nach effizienten Prozessen wie bei den Sparkassen. Darüber hinaus brauchen wir für unsere G + V möglichst hohe Provisionen und Ausschüttungen. Soweit das mit größeren Einheiten einfacher ist, sollte es unter den Verbundunternehmen schon an der einen oder anderen Stelle Konsolidierungsbestrebungen geben. Die Sparkassen haben jedenfalls die Erwartungshaltung, dass sich in diesem Bereich etwas bewegt. Aber die Entscheidung in all diesen Fragen treffen die Eigentümer und Träger.

Im Versicherungsbereich haben wir mit der Versicherungskammer Bayern den größten öffentlich-rechtlichen Versicherer. In NRW gibt es nach Medienberichten Bewegung. Eine Konsolidierung kann ich mir auch im Bereich der Landesbausparkassen vorstellen. Und im Landesbankensektor haben wir uns längst von dem Ursprungsgedanken einer Landesbank für jedes Bundesland verabschiedet. Die Bewegung geht in die richtige Richtung und ist vermutlich noch nicht abgeschlossen.

Sie denken an die Nord-LB und deren erklärte Absicht, auch die Möglichkeit der Aufnahme privater Träger auszuloten?

Hier gilt mein voriger Hinweis auf die Entscheidungshoheit der Eigentümer und Träger, die zu respektieren ist, vor allem, wenn die Mehrheit nicht bei den Sparkassen liegt. Das ist anders bei den Verbundunternehmen, die fast ausschließlich im Eigentum der Sparkassen sind, wie zum Beispiel die Landesbausparkassen, hier hätten die Sparkassen unter Umständen mehr Gestaltungsmöglichkeiten. Insgesamt kann ich feststellen, dass die Bereitschaft der Sparkassen, frisches Eigenkapital in Verbundunternehmen einzubringen, bundesweit permanent abnimmt, weil die Erfahrung der Vergangenheit einfach gezeigt hat, dass uns diese Beteiligungen vor allem bei Landesbanken nicht immer nur Freude bereitet haben. Bei den Landesbanken würde ich mir zudem wünschen, dass nicht jedes Haus in dieselben Schwerpunkte investiert und sich eine gewisse Arbeitsteilung einstellt, bevor man sich gegenseitig Konkurrenz macht.

Wie sieht der Bundesobmann den aktuellen Konsolidierungsbedarf auf der Ebene der Sparkassen selbst?

Eine Sparkasse pro Bundesland kann ich mir ganz gewiss nicht vorstellen. Es gibt keine generelle Empfehlung für eine optimale Betriebsgröße einer Sparkasse und wir haben ja zahlreiche Beispiele, dass zwischen Betriebsgröße und Betriebsergebnis kein Zusammenhang bestehen muss!

Aber bedarf es nicht einer Mindestbetriebsgröße, auch vor dem Hintergrund der regulatorischen Anforderungen?

Die Regulatorik kann hier zweifelsohne ein Prozessbeschleuniger für eine Fusion sein, wobei ich darin eine traurige Entwicklung sehe. Denn die Hauptaufgabe von uns Sparkassen - und dafür möchte ich mich als Bundesobmann auch einsetzen - ist die Qualität am Kunden. Die Regulatorik wirkt jedoch leider fast nur einseitig kostentreibend!

Zurück zu möglichen Schwächen der Sparkassenorganisation: Gehören die schwerfälligen Entscheidungsstrukturen noch dazu oder hat sich das in den vergangenen Jahren verbessert?

Dezentralität kostet Zeit und Energie, weil man die Entscheider mitnehmen muss. Aus diesem Grunde haben wir vom Landesobleuteausschuss vor einigen Jahren das Projekt Strukturen und Entscheidungswege auf den Weg aufgesetzt. Dieses Konzept leben wir jetzt bundesweit durchgehend über die Regionen hinweg und ich bin voll davon überzeugt. Obwohl es noch im Anfangsstadium ist, nehme ich schon einen neuen Geist wahr. Wir müssen es wirken lassen und uns stringent danach ausrichten.

Welche Anliegen hat der Bundesobmann an die Regulierer?

Möglichst ein Ende beziehungsweise zumindest ein Abflauen neuer Regularien, vor allem jedoch eine Beachtung des Proportionalitätsprinzips. Ich würde es begrüßen, wenn das gesamte Meldewesen sich mehr an den Risiken orientieren würde. Denn auch eine große Sparkasse kann risikomäßig besser aufgestellt sein als ein kleines Haus. Wenn das Meldewesen rein nach der Größe ausgerichtet wird, besteht die Gefahr einer Wettbewerbsverzerrung.

In meinem Geschäftsgebiet, um ein Beispiel zu geben, habe ich sieben eigenständige Genossenschaftsbanken. Wenn die Notwendigkeit und die Frequenz der Meldungen rein an der Größe ausgerichtet wird, müssen wir als kerngesunde Sparkasse mit rund 20 Prozent Eigenkapitalquote und einer Cost Income Ratio nur aus dem Kundengeschäft von 62 Prozent sowie einem günstigen Risikoprofil bald möglicherweise trotzdem Quartalsmeldungen abgeben, über deren Mehrwert für die Aufsicht man streiten kann. Von der Kostenbelastung her verursacht das für unser Haus 1,5 Mitarbeiterkapazitäten. Müssen meine Wettbewerber das nicht machen, weil sie unter gewisse Größenordnungen fallen, bedeutet das eine klare Wettbewerbsverzerrung.

Das Thema mag zwar noch nicht entschieden sein und ich weiß uns in dieser Frage auch der Unterstützung der Politik und der Aufsicht sicher, aber ich habe den Eindruck, dass mit der Harmonisierung des europäischen Bankenmarktes Strukturpolitik verbunden wird. Dieses Kernproblem wird an manchen Stellen von der Öffentlichkeit ein wenig unterschätzt. Viele sehen nicht die Folgen für den starken deutschen Mittelstand. Die Schwächung der Regionalbanken schwächt auch den deutschen Mittelstand.

Wie bewerten Sie die aktuelle Geldpolitik aus Sicht der Sparkassen?

Die Sparkassen generieren derzeit rund drei Viertel ihrer Erlöse aus dem Zinsgeschäft, insofern belastet die Niedrigzinspolitik natürlich. Aber das entbindet die Banken und damit auch die Sparkassenorganisation nicht davon, in der Betriebswirtschaft Antworten auf die Marktbedingungen zu finden.

Diese Antwort führt zu der zunehmenden Bedeutung zurück, die sie dem Vertrieb beimessen. Was konkret muss im Sparkassensektor passieren?

Jede Sparkasse muss bei diesem Thema bei sich und auch ganz oben beginnen. Jeder Vorstand muss Vertrieb vorleben. Ein Firmenkunde registriert sehr genau, ob sich der Vorstand Zeit für Kundeninteressen nimmt, und er differenziert dabei im Allgemeinen nicht nach der Größe der Bank. Darüber hinaus muss der Vertrieb noch stärker systematisiert in die Fläche gebracht werden. Konkret sollte dabei dem S-Finanzkonzept eine noch höhere Bedeutung beigemessen werden. Die konsequente Anwendung führt zu einer Qualitätssicherung in der Beratung und eine Individualisierung für den Kunden. Wenn der Kunde dankenswerterweise zu uns kommt oder wir zu ihm kommen dürfen, muss er einen Mehrwert erleben.

Wie wollen Sie im Zeitalter der Digitalisierung die richtige Mischung aus digitalen und stationären Vertriebswegen finden, ohne dabei die Kosten und die Effizienz aus dem Auge zu verlieren?

Wir müssen ähnlich wie die Automobilindustrie ein Hybridmodell anbieten. Das bedeutet einerseits im Bereich der Digitalisierung alle möglichen Kommunikationswege anzubieten, aber zugleich auch die persönliche Beratung nicht zu vernachlässigen. Es gilt, den schon angesprochenen permanenten, moderaten Veränderungsprozess konstruktiv zu begleiten.

Konkret müssen wir unsere ehemals menschenbedienten reinen Servicestellen in menschenbediente, qualifizierte Beratungseinheiten umfunktionieren. Für unser Haus haben wir beispielsweise die Devise ausgegeben, in keiner Ortschaft unseres Geschäftsgebietes das Sparkassen-S verschwinden zu lassen. Aber wir müssen das Angebot nachfrageorientiert leben. So wollen wir uns aus Geschäftsstellen nicht vollständig zurückziehen, sondern eventuell die Öffnungszeiten ändern. Das können wir in unserer Region natürlich leichter stemmen als Sparkassen in Ballungsgebieten, weil wir hier andere Mietpreise haben. Aber der Ansatz darf nicht in erster Linie kostengetrieben sein, sondern nachfragegetrieben. Das ist der entscheidende Grundsatz. Nur durch Kostenreduzierung allein werden wir dauerhaft nicht erfolgreich sein. Wir brauchen eine klare Strategie.

Als klare Aussage lässt sich formulieren: Überall wo Infrastruktur ist, muss und wird auch eine Sparkasse sein. Und Infrastruktur ist überall dort, wo öffentliches Leben stattfindet, also beispielsweise wo Schulen, Ärzte und Ämter sind. An der einen oder anderen Stelle haben wir dort vielleicht ein wenig Nachholbedarf, weil wir nicht den Mut hatten, auf die deutlich reduzierte Kundenfrequenz rechtzeitig zu reagieren.

Wie beurteilen Sie generell die Chancen und Risiken der Digitalisierung im Bankgeschäft? Ist das nur ein Hype?

Beim Stichwort Digitalisierung verfolge ich den Grundsatz, nicht gleich auf jeden Zug aufzuspringen, der durch den Bahnhof fährt. Man darf aber auch nicht zu lange im Wagon sitzenbleiben, wenn dieser in eine Richtung fährt, die vom Kunden nicht mehr nachgefragt wird. Ganz wichtig ist, wir dürfen die großen Trends nicht negieren und erst recht nicht ignorieren. Deshalb kann man nicht von einem Hype sprechen, sondern dies ist ein Megatrend. Wer E-Commerce und M-Commerce nicht als Geschäftsfeld bearbeitet, der wird Stück für Stück Marktanteile verlieren. Deshalb müssen wir diesen Pfad unbedingt besetzen, was wir in der Organisation auch tun. Dabei messen wir dem Thema Sicherheit einen sehr großen Stellenwert bei und versuchen somit das Risiko zu minimieren.

Was muss jede einzelne Sparkasse im Bereich der Digitalisierung leisten?

An dieser Stelle kann ich nur raten, den verantwortlichen Personen in der Organisation zu vertrauen. Wir haben Spitzenkräfte, die hervorragende Vorarbeit leisten. In den Sparkassen geht es darum, auf dieser Basis die angebotenen Lösungen je nach Bedarf anzuwenden. Jede Sparkasse muss für sich entscheiden, wann und inwieweit sie auf neue Angebote umschwenkt. Natürlich ist klar, je mehr Sparkassen die neuen Produkte anbieten, umso erfolgreicher ist die Implementierung im Markt.

Sie haben das Vertrauen in die Verantwortlichen angesprochen. Gilt das eigentlich auch für die Arbeitsteilung der Regionalverbände? Könnte diese nicht wesentlich stärker sein? Anders gefragt: Sind sie ein Verfechter von Kompetenzcentern unter den Verbänden?

Unbedingt, das Prinzip der federführenden Verbände halte ich für einen guten Weg, der noch intensiviert werden sollte. In dieser Frage, die ja auch Ausdruck einer Stärkung der Vertrauenskultur bedeutet, stimme ich voll mit den Ausführungen von Präsident Helmut Schleweis bei seiner Antrittsrede überein. Nicht jeder Regionalverband wird auf Dauer in allen Bereichen ein Vollsortiment anbieten können. Das erwarten im Übrigen auch die Sparkassen nicht von ihren regionalen Verbänden. Unseren Mitarbeitern ist es egal, mit welchem Regionalverband sie sich zur Lösung von speziellen Fachfragen in Verbindung setzen sollen.

Was muss in der Sparkassenorganisation mit Blick auf die Altersvorsorge passieren?

Wir müssen diesen Geschäfts- und Produktbereich auf mehrere Schultern verteilen. Es reicht für einen qualifizierten Sparkassenmitarbeiter nicht mehr aus nur Sparkassenprodukte zu beherrschen, sondern er muss die gesamte Palette des Allfinanzangebotes einschließlich Versicherung und Vorsorge im Blick haben.

In unserem eigenen Haus sind wir deshalb schon seit Jahren dazu übergegangen, unseren guten Bankkaufleuten auch noch die Prüfung zum Versicherungs- und Vorsorgekaufmann anzubieten. Denn ich möchte jede Geschäftsstelle mit einem Vorsorgespezialisten besetzen und damit die volle Kompetenz auch in der Fläche vorhalten.

Sollten Sparkassen Anteile an Verbundunternehmen halten?

Grundsätzlich sind die Partnerschaft und die Verlässlichkeit wichtig. Aber weil wir uns mittlerweile in einem globalen Wettbewerb befinden, kann es schon sinnvoll sein auch die strategische Mehrheit zu halten, um somit den notwenigen Einfluss ausüben zu können.

Inwieweit beunruhigt Sie die Diskussion um die Einlagensicherung? Wenn in den europäischen Bankbilanzen erst die neuen Kredite begrenzt, dann die Altlasten vermindert und dann noch das Insolvenzrecht angeglichen wird, sollten sich die Befürchtungen der Kritiker doch in Grenzen halten, oder?

In dieser Reihenfolge und mit der notwendigen gründlichen Arbeit an diesen Schritten kann ich damit gut leben, aber in der Praxis habe ich schon ein wenig die Befürchtung, dass man sich aus deutscher Sicht etwas vorschnell auf politische Zugeständnisse einlässt. Im Übrigen werden in der Frage verschiedene Aspekte vermischt. Als Bundesobmann sehe ich mich an dieser Stelle als Anwalt der deutschen Sparer. Die Einlagen werden durch eine europäische Regelung nicht sicherer, aber eben auch nicht unsicherer. Es geht letztlich darum, einen zusätzlichen Sicherungstopf zu befüllen. Und da frage ich mich, weshalb ich einzahlen soll, wenn ich schon die absolute Sicherheit für meine Kunden habe und auf der anderen Seite faule Kredite sehe, die noch nicht abgebaut sind. Man kann in dieser Frage nicht vorsichtig genug sein.

Wie ist in Ihrem Haus und bei den Sparkassen das erste Quartal verlaufen? Gibt es eine Delle?

Grundsätzlich sind die Ergebnisse 2017 und auch im ersten Quartal nicht so weit nach unten gegangen, wie die Sparkassen es in ihren Planungsrechnungen vor einiger Zeit noch erwartet hatten. Wir spüren die weltweiten Unsicherheiten in der nationalen wirtschaftlichen Entwicklung erfreulicherweise noch nicht. Auf längere Sicht müssen wir uns natürlich auch wieder auf Einschläge in der Risikovorsorge aufgrund der Eintrübung der wirtschaftlichen Entwicklung einstellen.

Walter Strohmaier

Vorsitzender des Vorstands, Sparkasse Niederbayern-Mitte, Straubing, und Bundesobmann der deutschen Sparkassen

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