KREDITPOLITISCHE TAGUNG

"Die Zukunft der Finanzbranche ist ein steiniger Weg"

Dr. Cornelius Riese, Foto: DZ Bank AG

In seinem Beitrag schneidet der Autor ein breites Bouquet von Themen an, die ihn persönlich, aber auch die ganze Bankenbranche umtreiben. Neben einem klaren Bekenntnis zu Europa lobt er vor allem die Kontinuität in der Aufsicht und Regulatorik. Gleichzeitig stellt er die Frage in den Raum, ob die Regulatorik über das Ziel hinausgeschossen sei. Riese sieht auch die aktuelle Geldpolitik und die daraus resultierenden Nebenwirkungen kritisch. Er hält ein klares Plädoyer für eine Normalisierung der Geldpolitik. Das Thema Nachhaltigkeit ist ein weiteres drängendes Problem, nicht nur für die Bankenbranche, sondern für die gesamte Gesellschaft. Der Autor mahnt jedoch an, dass dabei marktwirtschaftliche Lösungen zielführender sind als Verbote. Bei allen Herausforderungen komme es vor allem darauf an, die Menschen "mitzunehmen"(Red.)

Meine Perspektive ist naturgemäß diejenige eines Bankpraktikers. Insofern will ich auf acht Themen eingehen, die mich persönlich und sicherlich auch die Finanzbranche als Ganzes bewegen und die mit unserem Finanzstandort - mal im engeren, aber auch im weiteren Sinne - zu tun haben.

1. Finanzstandort Deutschland - Leistungsfähigkeit sichern, eingebettet in ein starkes Europa. Der Finanzstandort Deutschland ist in seiner Breite und Tiefe leistungsfähig. Das gilt für sämtliche Teilbranchen - Banken, Versicherungen, Asset Management und auch die Börse. Die sehr kompetitiven Preisniveaus aus Kundensicht und auch die starke Präsenz von Auslandsbanken, von denen viele hier längst ein Heimspiel absolvieren, mögen als Belege dienen. Einzelschicksale verstellen hierbei bisweilen den Blick.

Die regionale Breite, für die gerade die Verbundorganisationen stehen und die teilweise auch historisch gewachsen sind (zum Beispiel Frankfurt/Großbanken, München beziehungsweise Nordrhein-Westfalen/Versicherung, Berlin/Neobanken), sowie die unterschiedlichen Geschäftsmodelle sind Stärken. Gleichzeitig erschweren sie oftmals einen geschlossenen Auftritt sowie die Vermarktung des Finanzstandortes.

Dankbar nehmen wir wahr, dass die Sprachlosigkeit zwischen Politik und Finanzbranche nach der Finanzkrise weitgehend überwunden ist. Dies gilt für das Engagement vonseiten des Finanzministeriums in Berlin, aber insbesondere für die Landesregierung in Hessen - mein persönlicher Dank gilt hierbei dem Finanzminister, Herrn Thomas Schäfer. Die Landesregierung ist ein Hort der Kompetenz in Finanzfragen in Berlin.

Stabilität und Berechenbarkeit als Wettbewerbsvorteil

Der Finanzstandort Frankfurt gewinnt an Attraktivität; das belegen sämtliche Standortrankings und mehr als 60 Anträge zur Zulassung neuer oder Erweiterung bestehender Einheiten im Zuge des Brexits. Das Ökosystem aus vielen Akteuren - zum Beispiel Banken, Universitäten, Technologie- und Dienstleistungsunternehmen und speziellen Plattformen für Digitalthemen und Sustainable Finance - wächst. Der Wettbewerb in Europa - insbesondere mit Paris, Dublin, Amsterdam und Luxemburg - wird jedoch, von der großen Dynamik der Finanzplätze in Amerika und Fernost ganz zu schweigen, anhalten. Die Stabilität und Berechenbarkeit - gerade vonseiten der Aufsicht - ist ein entscheidender und häufiger zitierter Wettbewerbsvorteil für Frankfurt. Ich bin dankbar, in verschiedenen Funktionen bei der Initiative Frankfurt Main Finance, dem Tech Quartier sowie bei der Frankfurt School und dem House of Finance an der weiteren Stärkung mitwirken zu dürfen.

Der Standort Deutschland wird - in Finanzwie auch in Industrie-Fragen - jedoch nur eingebettet in ein starkes Europa reüssieren. Nur gemeinsam werden wir geopolitisch im Konzert der anderen großen Akteure eine Rolle spielen. Die europäische Integration ist somit in allen Politikfeldern zentral - wir müssen sie allerdings stärker als bisher unter Einbindung der Bürgerinnen und Bürger und nicht zuletzt in kluger Subsidiarität gestalten.

Wir in der Genossenschaftlichen Finanzgruppe sind überzeugte Europäer. Nicht umsonst unterstützt der Bundesverband der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) seit Jahren die Stiftung Internationaler Karlspreis zu Aachen. Auch bei der Schaffung paneuropäischer Strukturen haben wir - man denke an die Gründung des paneuropäischen Zahlungsverkehrsdienstleister Equens vor 15 Jahren - und werden auch künftig, zum Beispiel im Rahmen der paneuropäischen Zahlungsverkehrsinitiative, maßgebliche Impulse setzen.

Kapitalmarkt und Aktienkultur fördern

Gerade aus dieser Überzeugung heraus ist es für uns entscheidend, dass die europäischen Projekte auch im Finanzmarkt wohlüberlegt angegangen werden.

Erfolgreiche Organisationen - wie die Genossenschaftliche Finanzgruppe getragen durch ihre Institutssicherung mit ihrem präventiven Charakter - sollten hierbei bewahrt und nicht infrage gestellt werden. Wichtige Elemente der Bankenunion - zum Beispiel die Harmonisierung von Rechtssystemen - sollten umgesetzt werden. Eine Verknüpfung der Einlagensicherungssysteme kann sicher erst die Krönung nach Erfüllung strenger Voraussetzungen darstellen.

Die Förderung des Kapitalmarktes und der Aktienkultur sind ebenfalls entscheidende europäische Impulse, die wir als genossenschaftliche Finanzgruppe unterstützen. Eine wichtige Gestaltungsanforderung hierbei ist, dass eine Gleichbehandlung der Kapitalmarkt- und der Kredit-Finanzierung sichergestellt werden sollte.

2. Geldpolitik - vom Ende der Wirksamkeit. Als Bankvertreter über Geldpolitik zu reden, ist undankbar. Man steht schnell unter dem Verdacht des Jammerns oder gilt als einer, der den Mond anheult. Letztendlich ist die Geldpolitik eine unternehmerische Rahmenbedingung.

Nebenwirkungen der Geldpolitik nehmen zu

Fakt ist, dass gerade das traditionelle Einlagenbasierte Bankgeschäftsmodell hierbei besonders unter Druck gerät. Auch wenn negative Einlagenzinsen zunehmend Verbreitung finden, ist die kapitalmarktbezogene Refinanzierung oft günstiger, da sie keine natürliche Untergrenze kennt. Darüber hinaus werden wir einen starken Bedeutungsverlust von lieb gewonnenen Produkten und Dienstleistungen - insbesondere dem Bausparen und der Garantie-Lebensversicherung klassischer Prägung - sehen.

Wir werden diese Herausforderungen als genossenschaftliche Finanzorganisation meistern.

Unser Plädoyer für eine schrittweise Normalisierung der Geldpolitik - idealerweise wäre sie bereits vor zwei bis drei Jahren initiiert worden - rührt aus zwei Argumenten:

Erstens: Die geldpolitische Herleitung der Maßnahmen verliert an Glaubwürdigkeit. Das beginnt bei der methodischen Ermittlung der Inflation beziehungsweise des Warenkorbs, geht über den Umgang mit dem derzeitigen 2-Prozent-Inflationsziels (Sichtworte: Korridor, Symmetrie) bis hin zu der Frage des empirischen Nachweises der Wirksamkeit beziehungsweise das sich Annähern an einen "Umkehrzins".

Zweitens: Die gesellschaftlichen Kollateralschäden werden gravierender. Man denke an die Entwicklungen bezüglich der Altersvorsorge, der Sparkultur, im Stiftungswesen, am Immobilienmarkt und damit die Finanzstabilität im Allgemeinen.

Bei der angekündigten Überprüfung der Strategie der EZB kann der Weg der Schwedischen Reichsbank als mögliche Referenz hilfreich sein. Wir sind zuversichtlich, dass mit dem Verantwortungswechsel in der EZB auch eine neue Offenheit für derlei Perspektiven entstanden ist und es auch nicht zu einer weiteren Mandatsüberfrachtung in anderen Themenfeldern kommt.

3. Zeitenwende in der Regulatorik. Die Intensivierung des regulatorischen Rahmens für das Bankgeschäft nach der Finanzkrise - insbesondere der Aufbau des SSM - war richtig und erfolgreich. Im Vordergrund standen die traditionellen finanziellen Bankressourcen Kapital und Liquidität. Ein letzter Schritt - die Finalisierung von Basel III mit der Umsetzung in europäisches Recht - steht 2020 noch aus. Dann wird ein Zyklus weitgehend beendet sein. Was kommt danach?

Zum einen werden sich die inhaltlichen Prioritäten verschieben. Die Schwerpunkte der nächsten Jahre werden sicherlich eher IT/Digitalisierung, Nachhaltigkeit und Verbraucherschutz sein. Das ist eine sinnvolle Entwicklung. Viele Protagonisten - nicht nur die Aufsicht, auch zum Beispiel die Verbände - werden sich hierauf schrittweise einzustellen haben. Pragmatismus wird wichtig sein - ich komme darauf noch zu sprechen.

Regulatorik über das Ziel hinausgeschossen?

Zum anderen hat die Forcierung der Regulatorik für das einzelne Bankinstitut zur Ausweichreaktion und zur Entwicklung von Marktphänomenen außerhalb oder am Rande des Sektors geführt. Sie werden stärker in den Fokus rücken - seien es Schattenbanken, Finanzvermittler oder digitale Plattformen und Dienstleister.

Schließlich wäre der jüngst begangene fünfte Geburtstag des SSM eine gute Gelegenheit zu prüfen, ob im Rahmen der Bankenaufsicht nicht inzwischen das Parkinsonsche Gesetz an manchen Stellen greift. Das heißt, dass gewachsene Bürokratien sich irgendwann selbst ernähren. Das Detailniveau und der Ressourceneinsatz der bankaufsichtlichen Überwachung sind exponentiell gewachsen - ein Kosten-Nutzen-Check der alltäglichen Arbeiten wäre sicherlich angeraten.

4. Nachhaltigkeit - unternehmerische Priorität (frei von Weltanschauung). Die wesentliche Herausforderung bei dem Thema Nachhaltigkeit ist die oftmals starke Weltanschaulichkeit und Emotionalität der Diskussion. Manche erheben Nachhaltigkeit zum alleinigen Paradigma, andere nehmen Übertreibungen als Kronzeuge, die gesamte Sustainability-Bewegung zu diskreditieren. Ich rate zu Sachlichkeit. Haltung und Fakten sollten Hand in Hand gehen.

Fakt ist: Das Thema Nachhaltigkeit hat einen säkularen Charakter. Es entfaltet unmittelbare Wettbewerbsrelevanz für die Bankenbranche. In nahezu jedem Gespräch mit institutionellen und Unternehmenskunden spielt das Thema eine zentrale Rolle. Die traditionellen Rating-Agenturen rüsten nach. Aktuelle und mögliche künftige Mitarbeiter rücken die Werte - oder auf neudeutsch den "Purpose" - von Organisationen in den Mittelpunkt.

Wir sehen dies für uns als Genossenschaftliche Finanzgruppe als herausragende Chance. Der marktwirtschaftliche Mechanismus wird - das ist meine Überzeugung - zu Veränderungen führen. Der Investorenkreis für spezifische Assetklassen wird sich einschränken. Die Banken und Unternehmen werden im Eigeninteresse in die Nachhaltigkeit ihres Wirkens investieren.

Marktwirtschaftliche Lösungen gesucht

Es ist richtig, dass das Thema auch aus Bankregulatorischer Sicht aufgegriffen wird. Banken müssen selbstverständlich sämtliche Risikoarten in ihr Risikomanagement einbeziehen. Wir sollten allerdings gemeinsam möglichen Fehlentwicklungen frühzeitig entgegenwirken.

Erstens brauchen wir marktwirtschaftliche Lösungen und keine Verbote. Die kontroverse Diskussion um die Taxonomie - zum Beispiel beim Thema Atomstrom - verdeutlicht, dass Schwarz-Weiß-Ansätze meist nicht hilfreich sind.

Zweitens reden wir über eine langfristige Entwicklung. Übergangszeiträume und Beobachtungsphasen sind für alle Marktteilnehmer erforderlich.

Drittens sollte die Finanzbranche die Rolle eines Beraters, nicht eines Erziehers gegenüber ihren Kunden einnehmen dürfen. Lasst uns noch komplexere Beratungsprotokolle vermeiden.

Viertens sind die eingeübten Mechanismen der Bankenregulatorik für das Thema Nachhaltigkeit nicht immer sinnvoll. Sollen Banken künftig detaillierte Datenhaushalte über das ESG-Profil auf Einzelkundenebene aufbauen? Auch im Mittelstand? Wie sieht das Onboarding aus? Wie erfolgen Stresstests? Banken sollten das Thema von der Substanz her betrachten können und dürfen; eine Bürokratisierung birgt die Gefahr, das Thema als Ganzes frühzeitig zu beschädigen.

5. Digitalisierung und Ökosysteme - das Convenience-Diktat. Von allen Entwicklungsrichtungen ist sicherlich die Digitalisierung diejenige mit der disruptivsten Wirkung. Im Mittelpunkt steht der Kundennutzen und hierbei insbesondere die Convenience.

Die Kundenkontaktpunkte verlagern sich - zumindest zu einem relevanten Anteil - zu Aggregatoren (zum Beispiel Check 24), großen Technologie-Plattformen oder zum Point of Sale. Der Zahlungsverkehr und das Konsumentenkreditgeschäft sind diesen Weg schon am weitesten gegangen, weitere Finanzbedürfnisse (zum Beispiel Bauen und Wohnen) folgen mit beachtlicher Geschwindigkeit.

Welche Antworten sollten wir geben? Zum einen müssen wir in den Kampf um die Kundenschnittstelle eintreten und die Relevanz für den Kunden erhöhen. Zum Beispiel über die Kontoführung, den Zahlungsverkehr und Schadensfälle in der Versicherung haben wir natürliche Kontaktpunkte, die wir viel stärker ausbauen können. Data Scientists sind hierbei wichtige Schlüsselmitarbeiter der Zukunft.

Wettbewerbsgleichheit mit Bigtechs herstellen

Darüber hinaus liegt es an uns, eigene Ökosysteme zu schaffen. Viele Bedarfsfelder - zum Beispiel Bauen und Wohnen in der Region - sind wie dafür gemacht, durch unsere Organisation abgedeckt zu werden und damit Kunden zu binden.

Eines wird diese Entwicklung unweigerlich mit sich bringen: Preistransparenz und Margendruck. Wir sind eine Organisation, die ihre Produkte und Dienstleistungen überwiegend selbst produziert. Skalen und Effizienz sind zwingende Erfolgsvoraussetzungen.

Aus regulatorischer Sicht wird eines wichtig sein: Die Wettbewerbsgleichheit mit den großen Technologieunternehmen. Beispielsweise sollte die Umsetzungsqualität der Datenschutz-Grundverordnung auf vergleichbarem Niveau sein. Auch die Offenheit von Schnittstellen darf keine Einbahnstraße sein - jüngste Entwicklungen in diesem Bereich machen Hoffnung.

6. Struktur des Bankenmarktes - Konsolidierung und Spezialisierung. Sämtliche Entwicklungen sind nicht folgenlos für die Struktur des Bankenmarktes. Ich bin immer wieder überrascht, wie in der öffentlichen Wahrnehmung der bereits erfolgte Strukturwandel im Bankensektor in den vergangenen Jahren unterschätzt wird.

Die Anzahl genossenschaftlicher Primärbanken war beispielsweise vor wenigen Jahrzehnten noch jenseits von zehntausend. Derzeit sind es circa 850. Auch die Anzahl der Landesbanken, privaten Großbanken und genossenschaftlichen Zentralbanken - bei uns mit dem abschließenden Fusionsschritt im Jahr 2016 - hat sich deutlich reduziert. Dieser Trend wird weitergehen.

Auch die Wertschöpfungstiefen unterliegen einer strukturellen Veränderung. Produktions- und produktionsnahe Steuerungsdienstleistungen werden zunehmend von zentralen Dienstleistern und digitalen Unterstützern übernommen. Kooperationen, Shared-Service-Ansätze und White Labelling werden an Bedeutung gewinnen.

Zudem führt das "Selfdriven Banking" dazu, dass manuelle Tätigkeiten zunehmend automatisiert oder vom Kunden selbst übernommen werden. Die klassische Aufteilung - gerade kleinerer Banken - in Vertriebs-, Steuerungs- und Produktionsbanken verändert sich zusehends.

Parallel wird das Thema der grenzüberschreitenden Konsolidierung diskutiert; aus guten Gründen ist bisher wenig passiert. Die weitgehende Abwesenheit liegt in den niedrigeren Synergien durch unterschiedliche Rechtssysteme und damit variierenden IT-Anforderungen begründet. Europäische Harmonisierungsschritte in den Rechtssystemen wären hier sicher hilfreich. EDIS spielt bei der Frage paneuropäischer Fusionen übrigens nur eine untergeordnete Rolle.

7. IT - die Legacy-Herausforderung. Viele Banken kämpfen - in unterschiedlichem Ausmaß - mit dem Erbe ihrer IT-Architekturen. Mangelnde Time to Market, eine niedrige Flexibilität bei der Integration von Drittanwendungen und Kooperationspartnern sowie ein zu hoher laufender Wartungsaufwand sind meistens die Treiber der Veränderung.

Unterschiedliche Rechtssysteme bremsen europäische Konsolidierung

Viele Wege führen hier nach Rom - doch alle sind steinig. In manchen Situationen ist ein "Grüner-Wiese-Ansatz" - die vollständige Ablösung eines Kernbankverfahrens - vorteilhaft. Wichtige Schritte in diese Richtung haben wir im vergangenen Jahr beispielsweise bei der Bausparkasse Schwäbisch Hall umgesetzt. Meistens ist jedoch "Intelligenter Rückbau" die Devise - in Tateinheit mit der Schaffung einer Offenheit (unter anderem über API-Schnittstellen) für Drittlösungen und der Nutzung von Micro-Services und Cloud-Ver fahren. Parallel waren berechtigterweise massive Investitionen in IT-Sicherheit in den letzten Jahren zu stemmen.

Menschen gewinnen und begeistern

Eine oftmals dogmatische Diskussion wird über die Modelle der Zusammenarbeit zwischen Fach- und IT-Bereichen und das Entwicklungsvorgehen geführt. In jedem Fall empfiehlt sich eine enge und frühzeitige Zusammenarbeit von Fach- und IT-Bereichen. Einer vollständigen Auflösung von zentralen IT-Funktionen als Extremmodell steht ich eher skeptisch gegenüber. Die Kunst liegt in einer ausgewogenen Balance aus Zentralität und Dezentralität. Agile Arbeitsmodelle sind in einigen Feldern unverzichtbar - im Rahmen unseres Migrationsprojektes der IT der WGZ Bank auf die DZ Bank in nur 14 Monaten haben sich die Vorzüge eines eher strukturierten Wasserfallvorgehens dennoch bewährt. Letztendlich sollten Banken situativ unterschiedliche Liefermodelle in der IT beherrschen.

8. Die eigentliche Aufgabe - Transformation und "Menschen bewegen". Bei all den genannten Herausforderungen ist die vornehmste Aufgabe, Menschen für die eigene Organisation, ihre Werte und ihre Zukunft zu gewinnen und zu begeistern. Das ist sicher nicht sehr spezifisch für Banken - in einer Branche, in der Begriffe wie "Bankbeamter", "Hierarchie", "Arbeitsteilung und Silodenken" noch stärker präsent sind, aber umso mehr eine Herausforderung.

Interessanterweise ist oftmals - außer in Spezialfunktionen - die Gewinnung von Talenten sogar noch die geringere Herausforderung als die Bindung von Young Professionals. Das Bewusstsein für die mangelnde Durchlässigkeit von Organisationen bildet sich gerade nach zwei bis vier Jahren Betriebszugehörigkeit.

Für die Weiterentwicklung von Unternehmenskulturen gibt es allerdings kein Thermomix-Rezept. Sicherlich wird es für unsere Zukunft genauso wichtig sein, in sämtlichen Human-Ressource-Funktionen und in der kulturellen Transformation genauso gut zu sein wie in der Risikoanalyse.

Bankenbranche vor einem langen Weg

Einige Fragen, die uns beschäftigen: Wie fördern und honorieren wir Initiative, Verantwortung und unternehmerisches Denken? Wie erreichen wir, dass Karriere zunehmend als Bewegung und Kompetenzzuwachs und weniger nur als vertikale Richtung verstanden wird? Wie verankern wir unseren Leitgedanken und unsere Werte noch stärker in der Organisation? Bis hin zu so profanen, aber wichtigen Fragen wie: Welche Qualität haben unsere Onboarding-Prozesse neuer Mitarbeiter und nach wie vielen Tagen sind diese vollständig arbeitsfähig?

Sämtliche dieser Herausforderungen bringen letztendlich auch neue Anforderungen an Führungskräfte mit. Die Unternehmensleitung ist hier an erster Stelle gefordert, Formate für die direkte Kommunikation und die Partizipation zu schaffen. Die Bankenbranche hat gerade hier noch einen langen, aber herausragend wichtigen Weg vor sich.

Der Beitrag basiert auf einer Rede des Autors anlässlich der 64. Kreditpolitischen Tagung "Perspektiven für den (Finanz)Standort Deutschland" am 24. Januar 2020 in Frankfurt am Main.

Die Zwischenüberschriften sind teilweise von der Redaktion eingefügt.

Dr. Cornelius Riese Co-Vorstandsvorsitzender, DZ BANK AG, Deutsche Zentral-Genossenschaftsbank, Frankfurt am Main
 
Dr. Cornelius Riese , Co-Vorstandsvorsitzender, DZ BANK AG, Deutsche Zentral-Genossenschaftsbank, Frankfurt am Main
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