Wachsender Aufwand bei der Zweitschriftenerfassung

Thomas Knöpfler, Foto: Actico GmbH

Der Aktienhandel verzeichnet in Deutschland gerade durch Pandemie und Nullzinspolitik einen bislang ungekannten Boom. Auch Mitarbeiter von Banken sind da natürlich mit dabei. Zur Wahrung der Compliance muss das Institut, das die Transaktion abwickelt, mittels einer Zweitschrift auch das Arbeitgeberinstitut des die Transaktion durchführenden Bankmitarbeiters benachrichtigen. Laut dem Autor geschieht das bislang vor allem manuell - und somit unter hohem Aufwand - da die Menge an Transaktionen bislang überschaubar blieb. Doch im Jahr 2020 habe sich die Zahl der zu verarbeitenden Zweitschriften bei vielen Instituten verdoppelt. Knöpfler rät den Banken daher, diesen Prozess zu digitalisieren und automatisieren, was die Bearbeitungszeit einer Zweitschrift von mehreren Minuten auf einige Sekunden reduzieren könne. Der "Lohn" wäre eine erhebliche Kostenersparnis und mehr Kapazität für sicherlich weiterhin kommende gesetzliche Anforderungen. (Red.)

Die Pandemie hat auch gute Seiten: So hat der Aktien- und Fondshandel durch Privatanleger deutlich zugelegt. Das gilt natürlich auch für Beschäftigte von Banken und Finanzdienstleistern. Für sie gelten aber besondere Regeln: Ihre Arbeitgeber müssen diese Art von Geschäften erfassen und auf Compliance prüfen, auch wenn sie bei Drittbanken erfolgen. Dafür müssen Drittbanken sogenannte "Zweitschriften" erstellen. Da es hierfür keine genormten Formulare oder digitale Workflows gibt, führt das vielfach zu enormen manuellen Aufwänden - wenn man nichts dagegen unternimmt.

Banken sind gesetzlich dazu verpflichtet, diverse Überwachungsaufgaben zu übernehmen, um den Staat bei der Aufdeckung von Geldwäsche, Terrorismusfinanzierung, Marktmanipulation und Insiderhandel zu unterstützen. Dies gilt nicht nur für die Kunden der Bank, sondern auch für die eigenen Mitarbeiter, wenn diese privat Wertpapiere handeln.

Zweitschriften bisher kein Thema

Tätigt ein Bankmitarbeiter beispielsweise einen Aktienkauf über eine Drittbank - das kann auch eine Neobank mit einer schicken Smartphone-App sein - so muss sie nicht nur dem Kunden selbst einen Beleg über die Transaktion ausstellen, sondern auch seiner Arbeitgeberbank. Dies erfolgt in Form einer Zweitschrift. Aufgabe der Compliance-Abteilung der Arbeitgeberbank ist es, diese zu erfassen und auszuwerten, um sicherzustellen, dass das Institut alle gesetzlichen und hausinternen Vorgaben einhält.

Vor der Pandemie lief das Thema "Zweitschriften" eher unter dem Kostenradar, weil die Menge überschaubar war. Seit 2020 hat die Anzahl der Trading-Aktionen aber sprunghaft zugenommen. Die Menge der zu verarbeitenden Zweitschriften hat sich bei vielen Banken von 2019 zu 2020 glatt verdoppelt. Auch 2021 ist das Niveau mit einem Rückgang von nur 10 Prozent ähnlich hoch.

Die Gründe dafür sind vielfältig: Null-Zinsen für Geldanlagen, steigende Aktienkurse (in 2019 bei DAX-Werten um 30 Prozent), niedrige Einstiegskurse wegen der Pandemie, viel Freizeit aufgrund langanhaltender Lockdowns und weniger Gelegenheiten, Geld auszugeben. Ein weiterer Treiber dieser Steigerung sind neue Trading-Plattformen (Neobroker), die einen sehr einfachen und preiswerten Zugang zum Wertpapiermarkt ermöglichen. Der Zugriff erfolgt unabhängig von Zeit und Ort über einfach zu bedienende Smartphone-Apps. Die Zahl der Aktiendepots hat im Jahr 2020 um 900 000 zugelegt, wie eine Analyse des Deutschen Aktieninstituts zeigt.

Zweitschriftenaufkommen in einem deutschen Finanzinstitut Quelle: Actico
Zweitschriftenaufkommen in einem deutschen Finanzinstitut Quelle: Actico

Auch die Sparquote der Deutschen ist von 2019 zu 2020 von 10,9 auf 16,2 Prozent gestiegen. Der Neu-Invest in Fonds lag 2021 mit 256 Milliarden Euro doppelt so hoch wie 2020 - ein bemerkenswerter Bestwert in den letzten sechs Jahren.

Es gibt keine Anzeichen, dass das hohe Engagement der Privatanleger nachlassen wird. Banken werden also auch in Zukunft eine hohe Zahl an Zweitschriften verarbeiten und prüfen müssen. Für sie stellt sich die Frage, wie sich der Verarbeitungsaufwand deutlich verringern lässt.

Fehlende Prozesse und Normen treiben die Kosten

Dass das Thema Zweitschriften bisher keine große Bedeutung hatte, zeigt sich auch in den Verarbeitungsprozessen zwischen den Banken - es existieren häufig keine. Zweitschriften können als gedruckter Brief, Fax, E-Mail oder PDF eintreffen. Gesetzliche Vorgaben oder sogar ein geregelter digitaler Prozess zur Übermittlung der Daten fehlen komplett. Die Zweitschriften haben nicht einmal ein einheitliches Layout, was die automatisierte Verarbeitung erschwert.

Das bedeutet: Compliance-Verantwortliche müssen Daten manuell in die Banksysteme übertragen und anschließend prüfen. Das ist fehleranfällig und dauert pro Vorgang einige Minuten. Mit der stark gestiegenen Anzahl an Zweitschriften hat diese manuelle Verarbeitung und die anschließende Prüfung der Wertpapieraktion die Arbeitsbelastung in den Compliance-Abteilungen über Gebühr erhöht. Für Banken ist es also drängend, diesen Prozess effizienter zu gestalten.

Kostenreduktion durch verstärkten Einsatz von ...

Der Schlüssel zur Kostensenkung ist die Einführung eines digitalen Prozesses, der eine fast vollständige Automatisierung ermöglicht. Gibt es bei der Überwachung von Kundentransaktionen bereits digitale Workflows, kann man die Zweitschriftenverarbeitung nach der Digitalisierung dort integrieren.

Am Anfang des Prozesses steht die Digitalisierung der Zweitschrift. Bei Papiermeldungen erfolgt als erstes ein Scan. Faxe lassen sich meist elektronisch empfangen und ablegen. In einem zweiten Schritt erfolgt die Umwandlung der Meldung in verarbeitbaren Text mittels Optical Character Recognition (OCR) und integrierter künstlicher Intelligenz.

Anschließend führt das Verarbeitungssystem ein Datenmapping der Inhalte zu bestimmten Begriffen und Datenfeldern durch. Eine ausgereifte Compliance Software wie MAID (Market Abuse and Insider Dealing Detection) von Actico hat dazu eine größere Anzahl an Vorlagen, die die Zweitschriftenmeldungen der wichtigsten Marktakteure bereits kennt und automatisch richtig auswertet. Das senkt die Fehlerquote deutlich. Weitere Vorlagen sind in solchen Systemen meist leicht aus bekannten abzuleiten oder schnell neu erstellt.

... Digitalisierung und Automatisierung

Anschließend sorgen automatisierte Plausibilitätsprüfungen dafür, dass falsche oder fehlende Informationen aufgespürt und von Mitarbeitenden manuell korrigiert werden können. Dies erfolgt aber nur bei den Zweitschriften, die nicht vollständig automatisch ausgelesen werden konnten und bei denen daher Handlungsbedarf besteht.

Liegen nur noch vollständige und richtige Angaben vor, lassen sich diese Drittbanken-Transaktionen wie beim Monitoring von normalen Kundenaufträgen mit der bereits eingesetzten Software überprüfen. Sie deckt Verstöße gegen interne Mitarbeiter-Richtlinien (wie Insiderhandel oder Marktmanipulation) auf.

Individuelle Prüfprozesse und Regeln

Jedes Finanzinstitut muss für die Prüfung der Transaktionen von Händlern, Kunden und Mitarbeitenden selbst festlegen, welche Indikatoren sie bewertet und berücksichtigt. Dazu gehört auch ein Set an Szenarien der MAD/MAR im eu - ro päischen Wirtschaftsraum und der Schweiz.

Eine Software wie das erwähnte Modul MAID der Compliance Suite von Actico verfügt außerdem über eine grafische Admin-Umgebung, um solche Prüfszenarien in Zusammenarbeit mit den IT- und Fachkollegen zu entwickeln. Ziel ist es, nach der Ersteinrichtung durch die IT die Fachkollegen zu befähigen, Anpassungen und ein Finetuning ohne Beteiligung der IT selbst vornehmen zu können. Dazu stehen ihnen Audits, Testumgebungen, Simulationen und eine Versionierung zur Verfügung.

Automatisierungsgrad von 90 Prozent erreichbar

Allein die automatisierte Erfassung von Papier- und PDF-Meldungen mithilfe entsprechender Software drückt die Verarbeitungszeit einer Zweitschrift von mehreren Minuten auf wenige Sekunden. Rechnet man noch die gelegentlichen manuellen Nacharbeiten mit ein, ergibt sich insgesamt ein Automatisierungsgrad von bis zu 90 Prozent.

Weitere Einsparungen ergeben sich durch die automatisierten Prüfprozesse, die entweder über bestehende oder neue Software erfolgt und somit die Compliance-Mitarbeitende von manuellen Tätigkeiten weiter entlastet.

Digitalisierung erhöht die Resilienz

Nicht zuletzt erhöht die Digitalisierung auch die Resilienz der Bank gegenüber Ausfällen durch Krankheits-, Quarantäne- oder Lockdown-Zeiten der Mitarbeitenden. Die Verarbeitung lässt sich darüber hinaus einfach skalieren, ohne neues Personal einstellen oder aus anderen Abteilungen abziehen zu müssen.

Die Digitalisierung sorgt zusätzlich für eine lückenlose Dokumentation der Prüfungen und minimiert die Anzahl "menschlicher Fehler" beim Prüfprozess. Dies könnte in Zukunft noch eine Rolle spielen, weil damit zu rechnen ist, dass die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) infolge des Wirecard-Skandals die Bewertungsmaßstäbe für den Wertpapierhandel strenger auslegt oder verschärft.

Hat die Verarbeitung von Zweitschriften Bankverantwortliche bisher nicht sonderlich interessiert, hat die massive Zunahme an Aktien- und Wertpapiergeschäften den Aufwand in den letzten beiden Jahren enorm erhöht. Da die Aufwände plötzlich wichtige Ressourcen blockieren, ist es notwendig, die Erfassung zu digitalisieren und zu automatisieren. Angesicht der Entwicklung am Wertpapiermarkt ist ein "Aussitzen" jedenfalls keine Option.

Blockade wichtiger Ressourcen droht

Der Lohn der Umstellung ist eine erhebliche Kostenreduktion, mehr Sicherheit bei der Erkennung von illegalen Vorgängen, Entlastung der Mitarbeitenden und deutlich größere Flexibilität für zukünftige Veränderungen und Anpassungen durch den Gesetzgeber.

Ist ein Institut sowieso gerade auf der Suche nach einer modernen Compliance-Lösung für das Wertpapier-Monitoring von Kunden und der Verarbeitung von Zweitschriften, kann es mit einem geeigneten System gleich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen.

Thomas Knöpfler , Co-Founder, Geschäftsführer und Head of Compliance Solutions , Actico GmbH, Immenstaad

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