Sustainable Finance: den Weg zur Nachhaltigkeit fördern

Matthias Wierlacher, Foto: Thüringer Aufbaubank

Die Thüringische Aufbaubank hat sich in einer wissenschaftlichen Analyse mit den Herausforderungen für eine Förderbank beim Thema Nachhaltigkeit auseinandergesetzt. Im vorliegenden Beitrag erläutert der Vorstandsvorsitzende des Instituts die Vorgehensweise. In drei Phasen wurde eine Analyse wesentlicher globaler Dokumente zum Thema Nachhaltigkeit, wie das Pariser Klimaabkommen, durchgeführt. Auf Landesebene wurden dabei vor allem regional spezifische Handlungsfelder abgeleitet, wie die Förderung der Elektromobilität, die Schaffung von Arbeitsplätzen und Digitalisierungsstrategien. Als Ergebnis legt die TAB drei Handlungsfelder für sich fest: Förderwirkung aufbauen, Förderwirkung prüfen und selbst als Organisation nachhaltig werden. Wierlacher sieht die Möglichkeit, dass das Thema Nachhaltigkeit einen Paradigmenwechsel bei dem Landesinstitut einleiten und die TAB zur Akteurin und Beraterin werden lassen könnte. (Red.)

"Aus Sicht der Förderbanken geht nichts ohne Förderbanken", so Eckhard Forst, VÖB-Präsident in einem Artikel der Börsenzeitung über die Corona-Hilfen in Krisenzeiten. Doch nach dem Abebben der Pandemie kommen Unternehmen gewöhnlich ohne staatliche Hilfen an Darlehen. Welche Rolle werden dann Förderbanken einnehmen? Werden sie in politischen Entscheidungen berücksichtigt? Wer übernimmt nachhaltige Transformationen und Digitalisierung von Unternehmen oder Kommunen? Die Thüringer Aufbaubank (TAB) platziert bei ihrer TAB-Werkbank das Projekt "Sustainable Finance" mit dem Ziel, den Blick über bestehende gesetzliche und aufsichtsrechtliche Vorgaben hinaus zu weiten und die Dynamik in Förderfeldern in Bezug auf Nachhaltigkeit zu erkennen und proaktiv für die Strategiegestaltung der TAB zu nutzen.

Implikationen einer nachhaltigen Wende erkennen

Die TAB begreift das Thema Nachhaltigkeit als ein Querschnittsthema, das neue Herausforderungen nicht nur für die eigene Organisation mit sich bringt, sondern vor allem auch die Unternehmen in Thüringen vor neue Aufgaben stellt. Um diesen Wandel angemessen mit den Mitteln einer Förderbank begleiten zu können, initiierte die TAB eine interne Analyse, die versucht, die Implikationen einer nachhaltigen Wende zu erkennen und einen Beitrag zur Begleitung dieser Transformation leisten zu können.

Getragen von der Annahme, dass eine vergleichende Analyse wesentlicher Dokumente auf globaler, europäischer, nationaler und regionaler Ebene erkennen lässt, in welchen Geschäftsfeldern der TAB wesentliche Veränderungen zu erwarten sind, startete die Studie im Herbst 2020. Auf Basis dieser Bestandsaufnahme sollen in der weiteren Bearbeitung Handlungsfelder für nachhaltiges Agieren einer regionalen Förderbank identifiziert werden.

Drei Phasen einer Analyse

1. Phase: Dokumentenrecherche und Vorstellung wesentlicher Dokumente. Sowohl das Thema Sustainable Finance als auch das damit verbundene Konzept des nachhaltigen Wirtschaftens sind von ausgesprochener Komplexität geprägt und werden von Akteuren unterschiedlich ausgelegt. Um dieser Komplexität entgegenzuwirken und die wesentlichen Veränderungen bezüglich Sustainable Finance für die Thüringer Aufbaubank erkennen zu können, wurden 73 relevante Dokumente aus vier Wirkungsebenen (global, europäisch, national und regional) ausgewählt.

Die Schwerpunktsetzung der Dokumente variiert im Hinblick auf gesellschaftliche, systemische, politische und wirtschaftliche Transformationsprozesse, wobei das Hauptaugenmerk bei der Auswahl der Dokumente auf politischen Akteuren im Bereich Nachhaltigkeit sowie Fachgremien aus Wirtschaft und Finanzwesen lag.

Die Dokumente umfassen die wichtigsten aktuellen Leitlinien der nachhaltigen Entwicklung auf globaler Ebene, wie das Pariser Klimaabkommen, die Ziele für eine nachhaltige Entwicklung (SDGs), den aktuellen Bericht des Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC) oder den Global Risks Report des Weltwirtschaftsforums. Auf europäischer Ebene wurden allen voran der Europäische Grüne Deal mit seinen dazugehörigen Aktionsplänen, zum Beispiel für die Kreislaufwirtschaft, Biodiversität oder den Agrarsektor, sowie die Taxonomieverordnung und die Nachhaltigkeitsstrategien der Europäischen Investitionsbank analysiert. Auf Bundesebene wurden neben der Deutschen Nachhaltigkeitsstrategie als Pendant zu den SDGs unter anderem Berichte des Sustainable Finance-Beirats der Bundesregierung, des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) und der Nationalen Plattform Zukunft der Mobilität untersucht. Auf Landesebene wurden die Thüringer Nachhaltigkeitsstrategie, das Thüringer Klimagesetz, die Thüringer Strategie für die Digitale Gesellschaft sowie Nachhaltigkeitspläne der einzelnen Ministerien in die Analyse einbezogen.

2. Phase: Methodisches Vorgehen. Um die Zielsetzung auf Basis der recherchierten Dokumente für eine Landesförderbank zu operationalisieren, wurde die in den Sozialwissenschaften anerkannte inhaltlich-strukturierende qualitative Inhaltsanalyse nach Kuckartz angewandt.

Die qualitative Inhaltsanalyse benennt ein Verfahren, das der Beschreibung ausgewählter Textbedeutungen dient. Entscheidende Bedeutungen werden als sogenannte Kategorien formuliert und anschließend die jeweiligen Textstellen den entsprechenden Kategorien des Kategoriensystems zugeordnet. Hierbei dienen die Kategorien der inhaltlichen Strukturierung der Daten. Die gewählte, flexiblere Methode erlaubte nicht nur die Festlegung von Kategorien von Beginn an (a priori - zum Beispiel Haupt- und Subkategorien, die eine inhaltliche Ausdifferenzierung ermöglichen), sondern auch eine zusätzliche Kategorienbildung im Rahmen der Analyse auf Basis der gefundenen Inhalte (induktive Kategorienbildung).

A-priori-Kategorien nicht ausreichend

A-priori-Kategorien wurden vor der Sichtung der ausgewählten Dokumente vorgenommen. Hierbei wurden die im Thüringer Aufbaubankgesetz beschriebenen möglichen Handlungsfelder (zum Beispiel Förderung der gewerblichen Wirtschaft, Förderung der Wohnungswirtschaft und Ähnliches) als Hauptkategorien formuliert. Ergänzend wurde für jede Hauptkategorie eine Subkategorie "Transformation" gebildet, um die zu identifizierenden Transformationsdynamiken in der jeweiligen Hauptkategorie qualitativ erfassen zu können. Zusätzlich wurden pro Hauptkategorie die Subkategorien "Messgrößen & Indikatoren" und "Akteur" gebildet, um neben möglichen konkreten Zielsetzungen und den jeweiligen Zeithorizonten auch die zuständigen Akteure der entsprechenden Transformation erfassen zu können.

Im Verlaufe der Analyse wurde jedoch schnell deutlich, dass das Raster der A-priori-Kategorien keine ausreichende Differenzierung erlaubte. Entsprechend wurden die Subkategorien durch weitere, induktiv gebildete Kategorien erweitert. Diese wurden erst während der Analyse identifiziert und entsprechend codiert.

Transformationen in konkrete Handlungsansätze überführen

Mit diesem Vorgehen konnte für das Projekt ein gewisses "Entdeckungsmoment" gewahrt bleiben, da die Analyse nicht durch die vorab formulierten Annahmen und Erkenntnisse dominiert wurde, sondern die inhaltliche Differenzierung auf Basis des Materials erweitert wurde. Somit konnten neben den aufkommenden Transformationsdynamiken in den jeweiligen Handlungsbereichen der Thüringer Aufbaubank auch relevante und umfassende Trends identifiziert werden, die neue Anforderungen an Finanzmarktakteure stellen.

Definitorisch wurden dabei Trends als eine Veränderung in eine grundsätzliche Richtung beschrieben, die noch nicht initiiert ist, während es sich im Gegensatz hierzu bei den identifizierten Transformationen um bereits angestoßene Veränderungsprozesse handelt, die einen fundamentalen und dauerhaften Wandel beschreiben.

Die Durchführung der beschriebenen Analysemethode erfolgte mit der Software Maxqda. Um die Fülle der Ergebnisse handlungsorientiert aufzubereiten, wurden Factsheets als umfassende Exceltabellen angelegt. Somit konnten in den sieben Förderfeldern (Hauptkategorien) 24 Transformationen identifiziert werden, die um die entsprechenden Wirkungsebenen, die Zeithorizonte, die zuständigen Akteure sowie die Mess- und Steuergrößen ergänzt wurden, die durch die Analyse erfasst werden konnten. Den 24 Transformationen wurden insgesamt circa 350 Fundstellen zugeordnet, die im Ergebnis nun in konkrete Handlungsansätze zu überführen sind.

3. Phase: Vorstellung der Systematik der unterschiedlichen Wirkungsebenen. Die Inhaltsanalyse von 73 Dokumenten und die daraus resultierenden Transformationen geben nun einen guten Überblick über die Herausforderungen, vor denen Thüringer Unternehmen, aber auch die TAB stehen - inklusive konkreter Messgrößen und Zielgruppen sowie verantwortlicher Institutionen auf unterschiedlichen politischen Ebenen.

Die Dokumentenanalyse ließ erkennen, dass auf globaler Ebene allgemein gehaltene Themenschwerpunkte rund um Klimawandel, nachhaltige Investitionen oder Klimarisiken dominieren. Bereits auf EU-Ebene kristallisierten sich konkrete Transformationsprozesse und Trends heraus, welche sich beispielsweise um die Themen Kreislaufwirtschaft, Biodiversität und Emissionsschutz drehten. Zudem wurden erste Fragen der Umsetzung mittels der Taxonomie aufgeworfen. Auf nationaler Ebene verdichteten sich Zuständigkeiten und Ausführungspläne im Hinblick auf die Umsetzung der Transformationsprozesse. Auf Landesebene zeigten sich regional spezifische Handlungsfelder wie beispielsweise die Förderung von Elektromobilität, die Schaffung von Arbeitsplätzen und Digitalisierungsstrategien.

Unterschiedliche Wirkungsebenen: Identifikation relevanter Dokumente auf den Ebenen & Identifikation relevanter Ziele und Steuerungsgrößen Quelle: TAB
Unterschiedliche Wirkungsebenen: Identifikation relevanter Dokumente auf den Ebenen & Identifikation relevanter Ziele und Steuerungsgrößen Quelle: TAB

Für die einzelnen Geschäftsfelder konnten unter anderem Transformationsdynamiken wie nachhaltiger Konsum, Smart City, Bioökonomie, Kreislaufwirtschaft, resiliente Städte, intelligente Mobilitätslösungen, nachhaltige Agrar- und Ernährungssysteme oder lebenslanges Lernen identifiziert und beschrieben werden.

Adaption auf die Thüringer Aufbaubank

Die in der Untersuchung ausgewählten Dokumente richten sich naturgemäß an einen großen Empfängerkreis, sodass auf Basis der Ergebnisse eine Konkretisierung für die TAB notwendig ist. Die extrahierten Fundstellen eignen sich nicht für eine direkte Umsetzung, vielmehr muss das Material nun in einem nächsten Schritt in konkrete, handlungsorientierte Ansätze übertragen werden. Hierzu werden drei Handlungsfelder festgelegt:

Förderwirkung aufbauen - Über die Analyse der Transformationen in einzelnen Geschäftsfeldern sollen die Herausforderung für Unternehmen erkannt werden, zu deren Bewältigung Förderimpulse notwendig sein könnten. Im Ergebnis sollen hier konkrete Vorschläge für den Anteilseigner entstehen.

Förderwirkung prüfen - Häufig bestehen bereits Fördermöglichkeiten, die bereits Aspekte des nachhaltigen Wandels berücksichtigen. In diesem Handlungsfeld soll geprüft werden, inwieweit Änderungen an bestehenden Förderungen möglich sind, um die Herausforderungen optimal zu begleiten.

Ausgestaltung einer nachhaltigen Organisation-Auch die Thüringer Aufbaubank steht als Unternehmen vor den Herausforderungen des nachhaltigen Wandels. In diesem Handlungsfeld soll geprüft werden, welche Schritte zu unternehmen sind, um ein nachhaltige Förderbank zu werden.

Für ein lebenswertes Thüringen

In internen Interviews erarbeiten gegenwärtig die Fachbereiche gemeinsam mit der Werkbank konkrete Ansatzpunkte in den drei Handlungsfeldern, die in diesem Jahr im Strategieprozess ihren Platz finden sollen.

Bereits heute werden ein Dutzend Förderprogramme für Klimaschutz, Klimafolgeanpassungsmaßnahmen oder Energieeffizienz in der Thüringer Aufbaubank bearbeitet und es werden mehr. In diesen Programmen sehen wir uns eher als Follower der Politik. Aber der Hebel namens "Nachhaltigkeit" kann die Thüringer Aufbaubank zur Akteurin und Beraterin werden lassen und einen Paradigmenwechsel in einer landeseigenen Bank einläuten. Förderprogrammentwicklung, Instrumente, Vernetzung und Beratung gilt es zu etablieren, für die Politik und für ein lebenswertes Thüringen. Die TAB wäre jedenfalls vorbereitet.

Ein Dank geht an die wissenschaftliche Begleitung durch Juliane Corredor Jimenez und Frederike Knuth.

Werkbank In der Werkbank werden aktiv und methodisch Innovationen für die Thüringer Aufbaubank generiert. Der Fokus liegt dabei auf der digitalen Optimierung beziehungsweise Umgestaltung von Prozessen. Ziel der Werkbank ist es, ein gebrachte Ideen "projektreif" zu machen, um diese dann in die Umsetzung überführen zu können. Um dieses Ziel zu erreichen, kann die Werkbank auf ein bereichsübergreifend zusammengesetztes Team von Experten zurückgreifen.
Matthias Wierlacher , Vorsitzender des Vorstands, Thüringer Aufbaubank, Erfurt

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