Stundungen im Kreditgeschäft und ihre Folgen in Zeiten der Corona-Pandemie

Siegfried Mehring, Foto: Genossenschaftsverband, Verband der Regionen e.V,

Als im März dieses Jahres die Covid-19-Pandemie die großteilige Stilllegung der Wirtschaft bedingte, kamen viele Unternehmen in die Verlegenheit, bei Banken Stundungen für Kreditleistungen anzufragen. Ende März und Anfang April folgten ein Gesetz sowie EBA-Leitlinien darüber, wie mit Zahlungsausfällen umzugehen ist. Auch einzelvertragliche Regelungen der Kreditverhältnisse sind möglich. Doch welchen Weg soll eine Bank nun wählen? Im vorliegenden Beitrag diskutieren die beiden Autoren Zielsetzung und gestalterischen Spielraum der einzelnen Ausprägungen möglicher Stundungsmodelle und welche Kriterien für die Gewährung der risikoreichen Maßnahme vorliegen müssen. Egal welches Instrument gewählt wird, aufgrund der ungewissen Zukunft der Kreditnehmer nach der Krise müssen alle Schritte mit Bedacht getan werden - sowohl um der Banken als auch der Kreditnehmer willen. (Red.)

Ende Januar 2020 rief die Weltgesundheitsorganisation (WHO) eine "gesundheitliche Notlage von internationaler Tragweite" aus ("Public Health Emergency of International Concern" - PHEIC). Im März 2020 folgte auch in Deutschland eine Reihe von Maßnahmen, welche die wirtschaftliche Tätigkeit vieler Unternehmen eingeschränkt und entsprechend Einnahmenausfälle in diesen Unternehmen zur Folge hat.

Als Antwort auf diese wirtschaftlichen Probleme wurden mehrere staatliche Unterstützungsprogramme angeboten sowie rechtliche Erleichterungen geschaffen. Trotz dieser umfassenden staatlichen Angebote und Erleichterungen verzeichneten die deutschen Banken bereits im Monat März sehr viele Anfragen ihrer Kreditnehmer auf Stundungen der Kreditleistungen.

Die Stundungen traten aufgrund der Covid-19-Pandemie nicht nur als wichtiges Instrument zur Anpassung der Kreditvertragsverhältnisse in den Vordergrund der Bankpraxis, sondern erfuhren in letzter Zeit auch eine deutliche Komplexität in ihrer Anwendung und in ihren Folgen. Das macht eine differenzierende Einbeziehung dieses Instruments in die strategische Ausrichtung der Bank als Reaktion auf die gegenwärtige Situation sowie operativ in die einzelnen betroffenen Kreditprozesse notwendig. Es können folgende rechtliche Kategorien von Stundungen gebildet werden, mit welchen den Kreditnehmern in Pandemie-bedingten finanziellen Schwierigkeiten geholfen werden kann:

- Allgemeine Zahlungsmoratorien im Sinne der EBA-Leitlinien vom 2. April 2020.

- Das gesetzlich gewährte Stundungsrecht nach dem Covid-19-Abmilderungsgesetz für Verbraucher sowie nach Ausübung der Verordnungsermächtigung für weitere, insbesondere für Kleinstunternehmen.

- Einzelvertragliche Stundungen des Kreditvertragsverhältnisses, welche möglicherweise als Forbearance einzustufen sind.

Die möglichen Stundungsvarianten

Allgemeines Zahlungsmoratorium: Die Europäische Bankenaufsicht (EBA) hat im April 2020 Leitlinien veröffentlicht, welche den Begriff der "allgemeinen Zahlungsmoratorien" einführt. Darunter fallen zum einen gesetzliche Moratorien, zum anderen aber auch "Zahlungsentlastungsinitiative[n] ohne Gesetzesform, die ein Institut im Rahmen eines branchen- oder sektorweiten Moratoriumsprogramms ergreift".

Die Anwendung des allgemeinen Zahlungsmoratoriums ist keine Forbearance-Maßnahme, sie ändert folglich nicht den aufsichtsrechtlichen Status des Kredits in "forborne", allerdings hebt sie auch nicht den möglicherweise durch eine vorangegangene Vertragsänderung begründeten Forborne-Status automatisch wieder auf. Folglich kann sie auch nicht automatisch zu einem Schuldnerausfall nach Art. 178 CRR führen.

Die Anwendung dieses Moratoriums ist keine Kreditentscheidung im Sinne der MaRisk AT 2.3 Tz. 2. Dies ergibt sich daraus, dass das Moratorium nach Einführung durch die Bank "für eine große Gruppe von Schuldnern" gilt, "die auf der Grundlage weit gefasster Kriterien vorab festgelegt wurde, wobei die Kriterien für den Anwendungsbereich des Moratoriums es dem Schuldner ermöglichen sollten, das Moratorium ohne Prüfung seiner Kreditwürdigkeit in Anspruch zu nehmen". Es wird somit keine Einzelkreditentscheidung vorausgesetzt. Auch zeigt der aufsichtsrechtliche Verzicht auf die Prüfung der Kreditwürdigkeit, dass keine Entscheidung über das Kreditrisiko und damit keine Kreditentscheidung im Sinne der MaRisk vorliegt.

Die Voraussetzungen für das Moratorium passen größtenteils zu dieser Zielsetzung. Aus ihr ergibt sich jedoch nicht die im Final Report zu diesen Leitlinien genannte Einschränkung, wonach Moratorien einzelner Banken nicht darunter fallen. Für eine solche Einschränkung gibt es weder eine Notwendigkeit aufgrund aufsichtsrechtlicher Gesichtspunkte, noch kommt sie den regionalen Verschiedenheiten oder dem Erfordernis spontaner Anpassungen entgegen. Die Möglichkeit einzelner Banken, solche Moratorien zum Beispiel als Sonderkreditprogramme anzubieten, wäre eine der notwendigen Rahmenbedingungen, um auf die durch die Pandemie veränderte Kreditwirtschaft angemessen reagieren zu können.

Das gesetzliche Stundungsrecht: Das gesetzliche Stundungsrecht besteht ohne vertragliche Gestaltung und ohne die Notwendigkeit eines Antrags für diejenigen Kreditverträge, welche die in Art. 240 § 3 Abs. 1 Satz 1 EGBGB genannten Voraussetzungen erfüllen. Die Voraussetzung der Einnahmeausfälle, "die dazu führen, dass ihm die Erbringung der geschuldeten Leistung nicht zumutbar ist", wird im folgenden Satz dahingehend konkretisiert, dass sie insbesondere dann vorliegt, wenn "sein angemessener Lebensunterhalt oder der angemessene Lebensunterhalt seiner Unterhaltsberechtigten gefährdet ist".

Keine Rechtsgrundlage für Zinsverzicht

Zumindest dann, wenn der Kreditnehmer dies der Bank belegen kann, greift ein zeitlich enges Stundungsrecht: Gestundet werden "Rückzahlung, Zins- oder Tilgungsleistungen, die zwischen dem 1. April 2020 und dem 30. Juni 2020 fällig werden, mit Eintritt der Fälligkeit für die Dauer von 3 Monaten".

Die am 1. April 2020 vertraglich fällig geworden Zahlungspflichten wären folglich erst Anfang Juli 2020 zu erfüllen, und die am 30. Juni 2020 vertraglich fälligen Zahlungen werden daher erst mit Ende September fällig, es ist somit nur eine Verschiebung von jeweils 3 Monaten ab jeweiliger vertraglicher Fälligkeit. Dieses gesetzliche Stundungsrecht hilft im Ergebnis nur über kurzfristige Liquiditätsengpässe hinweg, die insbesondere durch behördlich angeordnete Betriebsaussetzungen verursacht wurden. Das Ziel des Gesetzgebers, dem Verbraucher einen Aufschub von 3 Monaten zu gewähren, bedeutet aber nicht, dass der Aufschub zinslos erfolgen müsste. Denn einerseits wäre hierfür eine ausdrückliche, klare und eindeutige Regelung erforderlich, andererseits gebietet auch Sinn und Zweck der Vorschrift, die zeitweise Entlastung, keinen Zinsverzicht. Mehr kann dieses gesetzliche Moratorium nicht leisten, sofern es eine verhältnismäßige Lösung bieten will; für Zinsgeschenke fehlen Rechtsgrundlage und Erfordernis.

Das einzelvertragliche Stundungsrecht: Häufig genügt dieses gesetzliche Stundungsrecht nicht, um das Vertragsverhältnis betroffener Kreditnehmer der veränderten Situation anzupassen. Erstens umfasst Art. 240 § 3 Abs. 1 EGBGB primär nur Verbraucherverträge, was das gewerbliche Kreditportfolio sowie die in § 491 Abs. 2 Satz 2 BGB genannten Darlehen außen vorlässt, zweitens reichen mitunter die 3 von der gesetzlichen Stundung umfassten Monate nicht aus.

Aus diesem Grund lässt Art. 240 § 3 Abs. 2 EGBGB abweichende Vereinbarungen zu. Das gesetzliche Stundungsrecht des Verbrauchers kann durch eine vertragliche Regelung außer Kraft gesetzt werden. Die Einstufung als vertragliches Stundungsrecht bedeutet aber, dass es sich (anders als das gesetzliche Stundungsrecht und das allgemeine Zahlungsmoratorium) um eine Kreditentscheidung im Sinne der MaRisk AT 2.3 Tz. 2 handelt sowie gegebenenfalls auch um eine Forbearance-Maßnahme.

Stundung als Gestaltungsinstrument

Das gesetzliche Stundungsrecht ist per se kein Gestaltungsinstrument. Jedoch kann die Bank nach Art. 240 § 3 Abs. 2 EGBGB das gesetzliche Stundungsrecht durch eine einzelvertragliche Stundung abbedingen.

Je mehr die Bank stundet, desto mehr Risiko nimmt sie grundsätzlich in ihre Bücher.15) Allerdings sind Stundungen auch mit Chancen verbunden. So können Gegenstand der Sanierungsbetreuung auch Stundungen sein, um zum Beispiel die Betriebsmittel des Kreditnehmers zu schonen, damit der Kreditnehmer aus dem Potenzial seiner Betriebsmittel wieder Erträge erwirtschaften kann, welche dann der Rückführung des Kredits dienen.

Selbstverständlich können Stundungen auch ineffizient eingesetzt werden, unter anderem bei Kreditnehmern ohne Wiedergesundungspotenzial, um künstlich und inhaltlich nicht gerechtfertigt Zahlungsverzüge und damit den Ausfallstatus zu vermeiden. Solche Maßnahmen finden beispielsweise Interesse, um den NPL-Backstop zu reduzieren, werden jedoch von den EBA-Leitlinien bezüglich notleidenden und gestundeten Krediten missbilligt.

Diesen Chancengedanken der Stundungen in die heute von der Covid-19-Pandemie geprägte Zeit zu übersetzen, ist nicht einfach. Denn diese Pandemie zeichnet sich dadurch aus, dass ihre weitere Entwicklung und ihre Folgen nicht bekannt sind. Diese Unsicherheit beschränkt sich nicht auf den medizinischen Bereich, auch wirtschaftliche Prognosen gestalten sich als schwierig. Selbst wenn man den Zeitpunkt der Entwicklung des Impfstoffes sowie das Ende aller Restriktionen kennen würde, ist nicht gesichert, dass die wirtschaftliche Situation danach identisch sein wird mit derjenigen vor den Maßnahmen.

Trotz dieser erhöhten Unsicherheit hat die Stundung ihre gegenwärtige Prominenz nicht zu Unrecht eingenommen: Der Lockdown bedeutet im Ergebnis eine Einschränkung der Produktion, des Warenverkehrs, der Wertschöpfung. Die Wirtschaft wurde in Teilen ausgesetzt, entsprechend kann dieser Umstand im Kreditverhältnis nachvollzogen werden. Die Veränderungspotenziale bedeuten keinen vollumfänglichen Ausschluss von Chancen, wichtig ist jedoch, starre Referenzen auf vergangene Verhältnisse zugunsten einer prognostischen Analyse zu relativieren.

Viele mögliche Entwicklungen sind bereits erkennbar, wie etwa, dass die während der Epidemie erhöhte Nutzung von Online-Vertriebswegen zu einem gewissen Grade auch weiterhin erhöht bleiben wird. Um in diesem Beispiel zu bleiben, kann es für eine Unternehmung lohnend sein, sich in diesem Vertriebskanal stärker zu platzieren.

Gesundung steht im Vordergrund

Auch wenn sich die EBA-Leitlinien 2018/06 vom 31. Oktober 2018 neben den notleidenden nur auf gestundeten Risikopositionen im Sinne von Forbearance beziehen, ist ein Teil der Ausführungen dieser Leitlinien auch unabhängig von der aufsichtsrechtlichen Kategorie "Forbearance" allgemeingültig. Sofern eine einzelvertragliche Stundungsmaßnahme gewährt werden soll, ist diese auch einzeln auf Zweckmäßigkeit zu bewerten.

Nicht gesetzliche allgemeine Zahlungsmoratorien im Sinne der EBA-Leitlinien 2020/02 hingegen verlangen zwar diese Einzelvertragsbetrachtung nicht, sie müssen jedoch strategiekonform zu der jeweils begünstigten Branche beziehungsweise dem jeweils begünstigten Sektor sein. Ziel darf nicht das Hinausschieben notwendiger Reaktionen sein, sondern die Einräumung der Möglichkeit, wieder zu gesunden. Die strategischen Vorgaben sind nachvollziehbar zu dokumentieren, damit sie in der operativen Umsetzung maßgeblich bleiben. Weiterhin ist eine Überwachung dieser von den Stundungen betroffenen Einzelkredite und Kreditportfolios erforderlich.

Forbearance wird in den deutschen Übersetzungen europäischer Gesetzeswerke häufig mit "Stundung" übersetzt, was zu einer vermeidbaren Begriffsüberfrachtung aufgrund des bislang anderweitig verwendeten klassischen Begriffs der Stundung im Sinne einer Verschiebung von Zahlungszeitpunkten führt.

Denn Forbearance ist zum einen enger, weil es Schwierigkeiten des Kreditnehmers, seinen finanziellen Verbindlichkeiten nachzukommen voraussetzt, zum anderen weiter, weil nicht nur Fälligkeitsverschiebungen umfasst werden, sondern sämtliche Konzessionen an den Kreditnehmer, um seine vertraglichen Bedingungen zu verbessern, wobei Konzessionen sowohl sämtliche Vertragsänderungen, zum Beispiel Zinssenkungen, Währungsumrechnungen, Verzichte et cetera, als auch Umschuldungen umfasst.

Forbearance wurde erstmalig im Zuge der Einführung der Finrep-Meldung als regulatorische Ausprägung etabliert, hat seinen Ausgangspunkt daher im Meldewesen. Aufgrund der neuen EBA-Leitlinien 2018/06 vom 31. Oktober 2018 (sowie bereits zuvor im März 2017 durch den Leitfaden für Banken zu notleidenden Krediten) rückt Forbearance als Kategorie des Kreditrisikomanagements in den Vordergrund.

Vor- und Nachteile von Forbearance

Die Forbearance-Maßnahme ist aufsichtsrechtlich mit Vor- und Nachteilen verbunden. Nachteile sind beispielsweise die deutlich erschwerten Voraussetzungen zur aufsichtsrechtlichen Wiedergesundung und die weiteren Rückfallgründe in den Status "notleidend". Vorteile sind die Verschiebungsmöglichkeit des Backstop-Faktors gemäß Art. 47c Abs. 6 CRR sowie die Vermeidung des Ausfallgrundes nach Art. 178 Abs. 1b CRR, welche jedoch nach EBA-Leitlinien 2018/06 vom 31. Oktober 2018 nicht der einzige Grund für die Forbearance-Maßnahme sein soll.

Forbearance-Maßnahmen sind daher mögliche Gestaltungsinstrumente auch für aufsichtsrechtliche Zwecke, welche bei geeigneter Anwendung regulatorische Erleichterungen, bei unpassender Anwendung Nachteile mit sich bringen können.

Die Möglichkeiten, Forbearance regulatorisch gestaltend einzusetzen, sind jedoch begrenzt, denn Voraussetzung ist immer eine Änderung im Kreditvertragsverhältnis mit dem Kunden. Eine Bank wird nicht allein zur Optimierung ihrer aufsichtsrechtlichen Kennzahlen mit dem Kunden Kreditverträge anpassen. Es verbleibt nur ein enger sachlicher wie auch zeitlicher Gestaltungsspielraum. Umgekehrt sollten Gestaltungen mit Kreditnehmern aufgrund von finanziellen Schwierigkeiten auch unter regulatorischen Folgen betrachtet werden, insbesondere wenn es Forbearance-Maßnahmen sind.

In diesem Zusammenhang darf auf eine Antwort der BaFin hingewiesen werden, welche das Thema Stundung in Bezug zu Covid-19 setzt. Ein Ausweis als "gestundeter" Kredit ist nach dieser Antwort der Bankenaufsicht nicht zwingend, "da die Stundung vor dem Hintergrund von Covid-19 im Rahmen der banküblichen Sorgfaltspflichten in Krisenzeiten erfolgen kann und es sich hier nicht zwingend um eine Konzession an einen Schuldner in finanziellen Schwierigkeiten im Sinne des Annex V Part 2 Tz 240 ff handeln muss."

Die insbesondere auch während dieser Pandemie gewährten Förderkredite erhöhen den von den Kreditnehmern zu erbringenden Kapitaldienst. Bei Bestandskunden kann daher die Kapitaldienstberechnung für die bereits bestehenden Kredite anzupassen sein. Im Normalfall wäre davon auszugehen, dass der Zuschuss an Liquidität aufgrund des Förderkredits sowie die damit verbundenen erwirtschafteten Zahlungszuflüsse aus dem Investment dieser Mittel den erhöhten Kapitaldienst überkompensieren sollten. In diesen Krisenzeiten werden diese Fördermittel jedoch gegebenenfalls zum Verlustausgleich eingesetzt. Bei Förderkrediten, welche eine Prüfung der Kreditwürdigkeit des Kreditnehmers voraussetzen, wird diese Problematik ausreichend gewürdigt.

Schnellkredite können Überschuldung forcieren

Anders stellt sich jedoch die Situation namentlich bei dem KfW-Schnellkredit dar: Insbesondere auf Basis der Kundenangaben sowie von Informationen einer Auskunftei wird geprüft, ob ein bestimmter von der KfW vorgegebener Kriterienkatalog erfüllt ist ("vereinfachtes Verfahren"), jedoch muss keine Kreditwürdigkeitsprüfung im klassischen Sinn durchgeführt werden.

Die BaFin schreibt in ihren Fragen und Antworten, dass es mit den MaRisk vereinbar sei, "dass ein Institut bei der Bewilligung dieses Schnellkredites sowie auch bei der Zusage einer Vorfinanzierung bis zur Auszahlung des Förderkredites die Solvenz des jeweiligen Kreditnehmers anhand des vereinfachten Verfahrens überprüft, das die Kreditgewährung auf der alleinigen Grundlage der im Merkblatt der KfW für den 'KfW-Schnellkredit 2020' vorgesehenen Unterlagen und ergänzenden Angaben des Kreditnehmers vorsieht."

Diese vereinfachte Prüfung der Solvenz rechtfertigt sich daraus, dass das Adressenausfallrisiko bei Einhaltung der Förderkriterien vollumfänglich durch die Förderbank getragen wird, allerdings fällt nicht isoliert der Förderkredit aus. Die Fragestellung, ob und wie der Kapitaldienst insgesamt und die Kapitaldienstfähigkeit für die Bestandskredite zu würdigen sind, wird weder in der Antwort der Aufsicht noch in den KfW-Informationen beantwortet.

Eine Lösung dieser Gesamtproblematik kann zumindest teilweise in der Stundung der Bestandskredite liegen: So schreibt die Aufsicht in der besagten Antwort, diesem Förderprogramm liege die Annahme zugrunde, "dass die förderungswürdigen Kreditnehmer nach der Krise ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit in vergleichbarer Art und vergleichbarem Umfang nachgehen können wie noch zum Stichtag 31. Dezember 2019."

Die Stundung der Bestandskredite auf Basis dieser Annahme setzt jedoch voraus, dass die Förderbedingungen des Schnellkredits lückenlos eingehalten sind. So sind zum Beispiel Unternehmen in Schwierigkeiten, Kreditnehmer mit Negativmerkmalen einer Auskunftei oder ohne bislang ausreichend erzielte Gewinne keine geeigneten Kandidaten für diese Annahme. Eine Stundung würde in diesen Fällen die Problematik lediglich verschieben und verdecken, aber nicht lösen.

Sofern jedoch die Bedingungen der KfW eingehalten sind, bieten sich die drei oben genannten Stundungsmöglichkeiten unter Einhaltung der jeweiligen Voraussetzungen an, um den mit Förderkrediten unterstützten Kreditnehmer effizient durch die Krise zu begleiten. In diesem Zusammenhang ist es auch als im Interesse des Kunden anzusehen, dass er nur Kredite aufnimmt, die er zurückzahlen kann.

Risikofrüherkennung bei gestundeten Krediten

Das Risikofrüherkennungssystem basiert unter anderem auf dem Kontoführungsverhalten, auf dem Erkennen und Reagieren auf Überziehungen, Rückgaben, Retouren et cetera. Durch Stundungsmaßnahmen entfallen diese Indikatoren zu einem gewissen Teil, obwohl sich das Ausfallrisiko dennoch erhöht haben kann.

Diese Einschränkung in der Risikoidentifizierung muss durch Maßnahmen kompensiert werden, zum Beispiel durch einen erhöhten Überwachungsturnus, durch häufigeres Anfordern von betriebswirtschaftlichen Auswertungen, durch Überwachung der Zahlungseingänge und -ausgänge auf dem Girokonto des Kreditnehmers et cetera. Trotz solcher kompensierenden Maßnahmen bleiben allerdings immer noch hohe Unsicherheiten über die weitere wirtschaftliche Entwicklung.

Weder sinnvoll noch geboten wäre es, das gesetzliche Stundungsrecht oder das allgemeine Zahlungsmoratorium als Indikator für die Intensivbetreuung zu verwenden. Die Erläuterungen zur MaRisk führen Forbearance als zu berücksichtigenden Umstand bei der Festlegung der Kriterien für die Zuordnung eines Engagements in die Intensivbetreuung an. Eine Forbearance-Maßnahme kann auch nur bei einer einzelvertraglichen Stundung vorliegen, hierfür wird eine Beurteilung des Adressenausfallrisikos vorliegen, auf deren Basis dann die Zuordnung zu dem jeweiligen Betreuungssegment der MaRisk bestimmt werden kann.

Diese Anforderungen an ein funktionierendes Risikomanagement sind insbesondere in den Zeiten der Corona-Pandemie nicht nur aufsichtsrechtliche Vorgaben, sondern auch angesichts des erhöhten Ausfallrisikos vor allem eine betriebswirtschaftliche Notwendigkeit.

Bewertungsfragen

Auch die gestundeten Kredite sind ohne Einschränkung für die Bilanz am 31. Dezember 2020 (oder zum abweichenden Bilanzstichtag) zu bewerten (EWB und Abschreibung). Auf die fristgerechte Zahlung von Zins und Tilgung kann sich die Bank bei gestundeten Krediten kaum oder überhaupt nicht stützen und muss dies durch andere Prüfungshandlungen ergänzen beziehungsweise ersetzen.

Auch diese Erschwernis ist in die strategische Positionierung von Stundungen einzubeziehen und ihr ist durch Anpassung des internen Kontrollsystems zu begegnen. Stundungen werden dabei Kredite mit erhöhtem Ausfallrisiko betreffen, sodass die Forderungsbewertung im Kundengeschäft für die Bilanzerstellung eine Herausforderung sein wird. Hierauf muss sich die Bank rechtzeitig einstellen, insbesondere durch frühzeitiges Anfordern von Bonitätsunterlagen und Daten zur Bewertung von Sicherheiten, deren Wert ebenfalls von den wirtschaftlichen Folgen der Pandemie betroffen und für die Forderungsbewertung relevant sein kann.

Umgang mit Stundung bleibt eine Herausforderung

Der Jahresabschluss zum Beispiel zum Ultimo 2018 wird in der Regel nur begrenzt aussagekräftig für die Bewertung der Forderung zum 31. Dezember 2020 sein. Entsprechend sind die Prozesse zur Anforderung von Bonitätsunterlagen und zur Sicherheitenbewertung inhaltlich anzupassen. Die Unterlagen müssen rechtzeitig zur Kreditprüfung sowie, sofern die Kreditprüfung als Vorprüfung vor dem Bilanzstichtag erfolgt, auch für den Zeitraum der Prüfungshandlungen zur finalen Beurteilung nach dem Bilanzstichtag vorhanden sein.

Die Stundung ist ein wichtiges Instrument, damit Banken auf die wirtschaftlichen Folgen der Pandemie für die Kreditverhältnisse angemessen reagieren können. Entsprechend ihrer Bedeutung sind die Regularien zu der Stundung umfangreicher und komplexer geworden. Der korrekte und effiziente Umgang mit Stundungen ist folglich für alle Beteiligten eine Herausforderung. Eine weitere Herausforderung in diesem Zusammenhang wird die Bewertung der Forderungen an Kunden für den Jahresabschluss sein.

Fußnoten

1) Vgl. Gesetzesbegründung zum "Entwurf eines Gesetzes zur Abmilderung der Folgen der Covid-19-Pandemie im Zivil-, Insolvenz- und Strafverfahrensrecht" unter A. 1.

2) EBA-Leitlinien EBA/GL/2020/02 vom 2. April 2020 Tz. 10 a).

3) EBA-Leitlinien EBA/GL/2020/02 vom 2. April 2020 Tz. 11.

4) EBA-Leitlinien EBA/GL/2020/02 vom 2. April 2020 Tz. 10 b).

5) Aufgleistet in EBA-Leitlinien EBA/GL/2020/02 vom 2. April 2020 Tz. 10 a) bis f).

6) Final Report zu EBA/GL/2020/02 vom 2. April 2020 unter 2. "Background and rationale" unter Rz. 5 und insbesondere unter "Conditions for general payment moratoria" Rz. 19: "For this purpose, an initiative of a single institution is not considered sufficiently broad, as it would therefore be a tailormade solution. In such a case, the institution would have to analyse the exposures subject to the moratorium and apply the definition of forbearance on a case-by-case basis".

7) Scholl WM 2020, 765, 770 Meier/Kirschhöfer BB 2020, 967.

8) Vgl. Art. 240 § 3 Abs. 1 Satz 1 EGBGB, vgl. dazu Meier/Kirschhöfer BB 2020, 967.

9) Vgl. Art. 240 § 3 Abs. 1 Satz 1 EGBGB.

10) Diese Frage ist rechtlich noch nicht eindeutig geklärt. Für Verzinsung z.B. Scholl WM 2020, 765, 771.

11) Meier/Kirschhöfer BB 2020, 967, 969 mit Verweis auf Art. 2, 4 GG (verfassungskonforme Auslegung).

12) Auch staatliche Förderprogramme erfolgen nicht zinslos.

13) Siehe dazu die Erläuterungen der BaFin zu dieser Textziffer, Stichwort "Stundungen".

14) Zum Verbraucherkreditrecht vgl. §§ 491a ff. BGB, § 18a KWG, vereinfachend ggf. § 505a Abs. 3 Satz 1 Nr.2 BGB, § 18a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 KWG.

15) Aus diesem Grund ist die (einzelvertragliche) Stundung eine Kreditentscheidung nach MaRisk AT 2.3 Tz. 2.

16) MaRisk BTO 1.2.5.

17) Vgl. Verordnung (EU) 2019/630 vom 17. April 2019 bzw. Art. 47a ff. der CRR.

18) Stundung hier im Sinne von Forbearance.

19) EBA/GL/2018/06 vom 31. Oktober 2018 Kapital 6 "Stundungen", "6.1.1 tragfähige und nicht tragfähige Stundungsmaßnahmen".

20)EBA/GL/2018/06 vom 31. Oktober 2018 Rz. 19 "Begriffsbestimmungen" - "Stundung".

21) Art. 47b Abs. 1 CRR, EBA/ITS/2019/02 vom 12. Juli 2019 zur Änderung der Verordnung 680/2019, Anhang III zur Änderung des Anhang V, Teil 2, Rz. 240.

22) EBA/GL/2018/06 vom 31. Oktober 2018 Anhang 5 "Mögliche Stundungsmaßnahmen" enthält eine Liste möglicher Forbearance-Maßnahmen mit Erläuterungen und Empfehlungen.

23) Art. 47b Abs. 1 CRR, EBA/ITS/2019/02 vom 12. Juli 2019 zur Änderung der Verordnung 680/2019, Anhang III zur Änderung des Anhang V, Teil 2, Rz. 241 a) und b).

24) Art. 47a Abs. 7 CRR, EBA/ITS/2019/02 vom 12. Juli 2019 zur Änderung der Verordnung 680/2019, Anhang III zur Änderung des Anhang V, Teil 2, Rz. 231 und 232.

25) Art. 47a Abs. 3 c) CRR, EBA/ITS/2019/02 vom 12. Juli 2019 zur Änderung der Verordnung 680/2019, Anhang III zur Änderung des Anhang V, Teil 2, Rz. 260.

26) EBA/GL/2018/06 vom 31. Oktober 2018 Kapital 6 "Stundungen", "6.1.1 tragfähige und nicht tragfähige Stundungsmaßnahmen".

27) Stand 11. Mai 2020.

28) Siehe Merkblatt KfW-Schnellkredit 2020 (Stand 18. Mai 2020).

29) Hier sind insbesondere auch die Förderbedingungen zu beachten.

30) Vgl. MaRisk BTO 1.3.

31) Erläuterungen der BaFin zu MaRisk BTO 1.2.4 Tz. 1.

Siegfried Mehring Wirtschaftsprüfer/Steuerberater, Stellvertretender Vorsitzender des Vorstandes, Genossenschaftsverband - Verband der Regionen e.V., Frankfurt am Main
Dr. Norbert Baumstark Wirtschaftsprüfer/ Steuerberater, Abteilung Grundsatzfragen, Genossenschaftsverband - Verband der Regionen e.V., Frankfurt am Main
Siegfried Mehring , Wirtschaftsprüfer/Steuerberater, Stellvertretender Vorsitzender des Vorstandes, Genossenschaftsverband - Verband der Regionen e.V., Frankfurt am Main
Norbert Baumstark , Wirtschaftsprüfer/ Steuerberater, Abteilung Grundsatzfragen, Genossenschaftsverband - Verband der Regionen e.V., Frankfurt am Main

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