Sollten verantwortungsvolle Investoren nur "Green Leaders" berücksichtigen?

Marie Walbaum, Foto: AXA Investment Managers SA

In dem vorliegenden Beitrag geht die Autorin auf die Frage ein, ob auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Investoren grundsätzlich ein Investment in Unternehmen verweigern sollten, die die Umwelt verschmutzen oder zu ressourcenintensiv sind. Instinktiv würden viele die Frage wohl mit Ja beantworten. Doch Walbaum legt nachvollziehbar dar, warum auch ein Investment in solche Unternehmen sinnvoll sei. Wichtig sei dabei vor allem die klare Absicht und ein klarer Plan, "grüner" zu werden. Unternehmen, die sich vornehmen, deutlich nachhaltiger zu werden, sollten nicht links liegen gelassen werden. Die Autorin zählt einige Beispiel solcher Unternehmen auf und erläutert, dass Investoren dabei unter anderem darauf achten sollten, wie sich die Entwicklung im Vergleich zur Branche darstellt. Asset Manager könnten eine Schlüsselrolle spielen und durch ihre Investments einen Beitrag zu den Herausforderungen der heutigen Zeit leisten. (Red.)

Instinktiv sollte man annehmen, dass sich ein verantwortungsvoller Investor kategorisch weigert, in Unternehmen zu investieren, die die Umwelt verschmutzen oder zu ressourcenintensiv sind. Aber tatsächlich ist ein nuancierter Ansatz das Mittel der Wahl. Zusätzlich zu jenen Unternehmen, die schon lange ein nachhaltiges Geschäftsmodell und nachhaltige Geschäftspraktiken zugunsten unseres Planeten eingeführt haben, sollten auch die Kandidaten beachtet werden, die sich auf einem guten Weg befinden.

Grüne Marktführer entdecken und ...

In "grüne" Marktführer zu investieren bedeutet, die Unternehmen auszuwählen, die explizit darauf ausgerichtet sind, den Übergang zu einer kohlenstoffarmen Wirtschaft zu erleichtern oder die dabei helfen, die natürlichen Ressourcen und die Ökosysteme zu erhalten. Einige Beispiele sind:

  • Tesla*: Ein amerikanisches Unternehmen, das vollelektrische Fahrzeuge sowie Energieerzeugungs- und Energiespeichersysteme entwickelt und herstellt. Tesla hat viel in die Entwicklung von Elektrofahrzeugen investiert und ist nach wie vor ein Marktführer in Sachen Innovation. Die Produktionslinien wurden deutlich verbessert und laufen nun auf Hochtouren, wobei der Autobauer daran arbeitet, die Lebensdauer seiner Batterien weit über die der meisten anderen Fahrzeuge hinaus zu verlängern. Alle Batterien von Tesla werden am Ende ihrer Lebensdauer recycelt.
  • Alfen*: Ein niederländisches Unternehmen, das Umspannstationen, Energiespeichersysteme und Ladestationen für Elektrofahrzeuge anbietet. Außerdem liefert es fokussierte Lösungen und integrierte Energielösungen für die Automatisierung, das Management und die Wartung von Netzwerken.

In diese Unternehmen zu investieren ist ein Weg, um dabei zu helfen, klimabezogene Risiken zu managen und finanzielle Erträge in einem Portfolio zu erzielen. Allerdings könnte eine Beschränkung des Engagements auf grüne Marktführer bedeuten, Chancen bei Unternehmen zu verpassen, die sich dazu verpflichtet haben, einen Weg der Verbesserung einzuschlagen.

... Unternehmen im Übergang nicht vergessen

In ein Unternehmen mit einem niedrigen Umwelt-, Sozial- und Governance-Score (ESG) zu investieren, sollte heute nicht unbedingt ausgeschlossen werden. Wenn das Unternehmen eine solide finanzielle Gesundheit und ein tragfähiges Übergangsprogramm von "braun zu grün" vorweisen kann, das zudem von einem proaktiven Managementteam begleitet wird, ist das eine ernsthafte Erwägung wert. Viele Anlagemöglichkeiten sind bei den Firmen zu finden, die gerade den Übergang von ihrem der zeitigen zu einem nachhaltigeren und umweltfreundlicheren Geschäftsmodell vollziehen.

Im Laufe der Zeit könnte sich dieser Ansatz als vorteilhaft erweisen. Ein nach vorn gerichteter Ansatz ist bei jedem Investment entscheidend, da das Verständnis, in welche Richtung sich ein Unternehmen entwickelt, der Schlüssel zur Identifikation künftiger Wachstumschancen ist. Deshalb wurden seit dem ersten Mandat von Axa IM für verantwortungsbewusstes Investieren im Jahr 1998 viele Unternehmen bei ihrem grünen Wandel und ihrer Entwicklung insgesamt unterstützt.

Hier sind einige Beispiele von Unternehmen, die ihre Geschäftsmodelle verändern, um ihren CO2-Fußabdruck aktiv zu reduzieren:

  • Neste*: Die finnische Firma war ursprünglich ein Ölraffinerieunternehmen. Schon früh hat das Management verstanden, dass dieses Modell langfristig nicht nachhaltig sein würde. Seitdem hat Neste sein Geschäftsmodell neu entworfen und seinen Produktionsprozess umgestaltet, um ein weltweit führender Anbieter von Biokraftstoffen zu werden.
  • Ørsted*: Der dänische Offshore-Windkraftproduzent hat sich das ehrgeizige Ziel gesetzt, bis 2025 CO2-neutral zu sein, und zwar indem er von einem fossilen Brennstoff- zu einem Erneuerbare-Energie-Unternehmen wurde. Im Jahr 2018 eröffnete Ørsted den weltweit größten Offshore-Windpark in Großbritannien.
  • Iberdrola*: Der spanische Energiekonzern hat in den vergangenen 20 Jahren ebenfalls eine gewaltige Transformation durchlaufen und baut sein Portfolio an sauberer Energie weiter aus. Obwohl der Wandel noch nicht abgeschlossen ist, kann sich Iberdrola rühmen, seine CO2-Emissionen deutlich reduziert zu haben und damit zu einem der führenden europäischen Unternehmen beim Kampf gegen den Klimawandel geworden zu sein.

Allerdings werden nicht alle Unternehmen ihr Geschäftsmodell grundlegend ändern. Andere werden versuchen, die Klimaauswirkungen ihrer Geschäftstätigkeit zu verringern. Das gilt zum Beispiel für den Industriesektor, wo fossile Brennstoffe für die Produktion vieler Materialien weiterhin entscheidend sind. Erfolgsfaktoren

Es gibt vier wesentliche Perspektiven, aus denen man ein Unternehmen und seinen Wandel hin zu mehr Nachhaltigkeit betrachten kann:

  • In Relation zur Branchenintensität. Wie effizient ist ein Unternehmen bereits im Vergleich zu seinen Mitbewerbern? Ein Unternehmen mit niedrigen absoluten Emissionen, das aber weniger effizient ist als seine Konkurrenten, kann nicht glaubhaft behaupten, ein grüner Vorreiter zu sein oder sich im Übergang zu befinden.
  • In Relation zur Branchenentwicklung. Ist das Unternehmen dem Ziel, das der Sektor nach Ansicht des Investoren nach erreichen kann, voraus? Unternehmen sollten nicht unbedingt für eine schlechtere Ausgangsposition bestraft werden, wenn sie sich wirklich zu Verbesserungen bekannt haben und ihre Ambitionen umsetzen.
  • In Relation zur Unternehmensentwicklung. Ist das Unternehmen seinem Entwicklungspfad voraus oder müssen Investoren auf das Unternehmen einwirken und/oder ihre Investition überdenken?
  • In Relation zum Unternehmensziel. Wie "gut" ist das Ziel? Idealerweise sollten die Ziele von der Science-Based Targets Initiative (SBTI) bestätigt sein. Ziele gelten als "wissenschaftsbasiert", wenn sie mit dem übereinstimmen, was die neueste Klimaforschung als notwendig erachtet, um die Ziele des Pariser Klimaabkommens zu erreichen.

Es ist auch wichtig, über die Stellung eines Unternehmens in der Wirtschaft nachzudenken. Wenn es um die Emissionen eines Unternehmens geht, kann man diese in Scopes unterteilen. Scope-1-Emissionen sind Emissionen, die direkt aus den Aktivitäten eines Unternehmens stammen, zum Beispiel Emissionen aus der Befeuerung eines Industrieofens. Scope-2-Emissionen sind indirekte Emissionen, die durch die Aktivitäten des Unternehmens entstehen, vor allem durch seinen Stromverbrauch. Scope 3 schließlich umfasst die Emissionen, die durch die Nutzung der Produkte eines Unternehmens entstehen, zum Beispiel durch das Benzin, mit dem ein Auto betankt wird. Dies ist ganz klar ein bedeutendes Thema für Öl- und Gasunternehmen, da es das Kohlendioxid beinhaltet, das bei der Verbrennung von Öl durch deren Kunden entsteht.

Vorteilhaftes regulatorisches Umfeld

Dieser Fokus darauf, die führenden ESG-Unternehmen und die sich verbessernden Kandidaten zu definieren, wird durch die zunehmende Regulierung im Bereich des verantwortungsvollen Investierens noch dringlicher. Das Ziel des Pariser Abkommens, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur zu begrenzen, hat Maßnahmen ausgelöst und im Ergebnis zu zahlreichen neuen Initiativen geführt.

Die Empfehlungen der Task Force on Climate related Financial Disclosure (TCFD), einem von der G20 gegründeten internationalen Gremium, wurden beispielsweise 2017 veröffentlicht. Die Offenlegung von klimabezogenen Finanzinformationen sowie die Identifizierung, Bewertung und das Management der wichtigsten Klimarisiken haben sich seitdem stetig verbessert, wobei die davon am stärksten betroffenen Industrien die Führung bei der klimabezogenen Offenlegung übernehmen. Laut dem jüngsten TCFD-Statusbericht ist die Zahl der Organisationen, die das TCFD-Rahmenwerk unterstützen, seit 2019 um 85 Prozent gestiegen.1)

Die im März 2021 eingeführten Vorschriften der Sustainable Finance Disclosure Regulation (SFDR) der EU klären und kategorisieren auf konkrete und anspruchsvolle Weise verantwortungsvolle Investmentlösungen. Man kann sich auf dieser Basis der Integration von ESG-Kriterien aus zwei Richtungen nähern: Erstens aus einem defensiven Ansatz heraus, der impliziert, dass durch die Anwendung der Vorschriften jene Aktivitäten, die die meisten natürlichen Ressourcen verbrauchen, allmählich obsolet werden. Und zweitens aus einem offensiven Blickwinkel, der sich auf Unternehmen bezieht, die relevante Lösungen für zunehmend bedeutende ESG-Themen anbieten.

Die Integration von ESG-Kriterien kann also nicht nur einen Großteil der Probleme der modernen Welt angehen, sondern steht auch nicht im Widerspruch zur Aussicht auf finanzielle Erträge. Heute gibt es zahlreiche Untersuchungen, die hervorheben, dass die Einbeziehung von ESG-Faktoren potenziell zu einer besseren Performance führen kann. Eine dieser Studien kam zu dem Ergebnis, dass etwa 90 Prozent2) von 2 200 empirischen Analysen herausgefunden haben, dass ein Zusammenhang zwischen ESG und finanzieller Performance besteht - und zwar überwiegend ein positiver.3) Darüber kann man feststellen, dass die strukturellen Beziehungen zwischen ESG- Referenzen und Unternehmen dabei helfen, die künftige Profitabilität und das Geschäftsrisiko einzelner Firmen zu beurteilen.

Harte Performancekennzahlen

Neben dem akademischen Research gibt es auch Beweise in Form harter Performancekennzahlen. Der MSCI ACWI ESG Leaders Index besteht aus großen und mittelgroßen Unternehmen aus 23 entwickelten Märkten und 27 Schwellenländern, die relativ zu den Mitbewerbern in ihrer Branche eine hohe ESG-Performance aufweisen. Seit seiner Einführung im September 2007 hat der Index den breiteren MSCI ACWI Index sowohl auf kumulativer als auch auf annualisierter Basis übertroffen.

90 Prozent des von AXA IM verwalteten Vermögens fallen unter Artikel 8 und Artikel 9 der SFDR.4) ESG-Belange sind von Natur aus lang fristige Themen. Im Einklang mit der Überzeugung von Axa Investment Managers und seiner Analyse verstärkt der Vermögensverwalter jedes Jahr sein Active-Ownership-Programm und unterstützt Unternehmen. Dies erfordert eine tief gehende Finanzanalyse, durch die der Wille, der Entwicklungspfad und die benötigten Mittel für den Übergang zu einem nachhaltigeren und profitableren Geschäftsmodell nachgewiesen werden müssen.5)

Asset Manager, die diesen Weg gehen wollen, müssen eine Schlüsselrolle spielen und können durch ihre Investments einen Beitrag zu den Herausforderungen leisten, vor denen die Menschheit und der Planet stehen, indem sie die Energiewende und den Fortschritt in der Gesellschaft fördern.

Fußnoten

1) Siehe TCFD 2020 Status Report.

2) AXA IM, MSCI, Juni 2021.

3) Gunnar Friede, Timo Busch & Alexander Bassen (2015): ESG and financial performance: aggregated evidence from more than 2000 empirical studies, Journal of Sustainable Finance & Investment.

4) Quelle: AXA IM, Stand: 31. Dezember 2020. Alle Prozentangaben schließen nicht anwendbare Vermögenswerte aus (Vermögenswerte, die außerhalb der EU gemanagt werden und daher nicht in den Anwendungsbereich der Verordnung fallen). Zum 31. Dezember 2020 belaufen sich die Assets under Management (AuM) in den Bereichen Aktien, Anleihen und Multi-Asset auf 587 Milliarden Euro, von denen 460 Milliarden Euro unter die SFDR fallen. Die Produktkategorisierung wird auf Grundlage der Europäischen Richtlinie (EU) 2019/2088 über nachhaltigkeitsbezogene Offenlegungen im Finanzdienstleistungssektor ("SFDR-Verordnung") und dem Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Dokuments bereitgestellt und kann sich weiterentwickeln.

5) Die im Anlageprozess verwendeten ESG-Daten basieren auf ESG-Methoden, die zum Teil auf Daten, die von Dritten bereitgestellt wurden, beruhen und in einigen Fällen intern entwickelt wurden. Sie sind subjektiv und können sich im Laufe der Zeit ändern. Trotz mehrerer Initiativen kann der Mangel an harmonisierten Definitionen dazu führen, dass ESG-Kriterien heterogen sind. Zum Beispiel sind verschiedene Anlagestrategien, die ESG-Kriterien und ESG-Reportings verwenden, nur schwer miteinander vergleichbar. Strategien, die ESG-Kriterien beinhalten, und solche, die Nachhaltigkeitskriterien einbeziehen, können ESG-Daten verwenden, die ähnlich erscheinen, aber unterschieden werden müssen, weil sich ihre Berechnungsmethoden unterscheiden können.

Allgemeiner Hinweis

* Alle genannten Aktien dienen nur zur Veranschaulichung und sollten nicht als Beratung oder Empfehlung für eine Anlagestrategie angesehen werden. Alle Unternehmensinformationen sind auf deren Websites zu finden und entsprechen dem Stand vom 30. April 2021.

Marie Walbaum , Responsible Investment Specialist , AXA Investment Managers SA, Paris
Noch keine Bewertungen vorhanden


X