Schwellenländeranleihen - den Stürmen trotzen

Susanne Hellmann, Geschäftsführerin, NN Investment Partners, German Branch, Frankfurt am Main - Das Jahr 2016 hat mit einer massiven Volatilität an den Finanzmärkten begonnen. Und kaum hatten sich die Verhältnisse ein wenig stabilisiert, da sorgte das positive Brexit-Votum für eine erneute Phase der (politischen) Unsicherheit. Gleichwohl zeigt sich die Autorin bei allen Herausforderungen für die Entwicklung der Schwellenländeranleihen recht optimistisch. Ihre Einschätzung gründet sich maßgeblich auf die Erwartung eines weiterhin vergleichsweise niedrigen glo balen Zinsniveaus sowie auf eine gewisse Unterbewertung der Währungen vieler Schwellenländer. (Red.)

Für Emerging Market Debt begann das Jahr recht volatil. Nach wenigen Wochen folgte auf den massiven Kursrutsch eine kräftige Erholung. Durch die Entscheidung der Briten für den Brexit steigen allerdings Volatilität und Unsicherheit. Langfristig sehen die Fundamentaldaten in den Schwellenländern aber weiterhin positiv aus.

Politische Unsicherheit

Eine Erholung des Ölpreises, ein schwächerer Dollar infolge der expansiveren Fed-Politik, freundlichere Daten aus China und etwas bessere Wachstumsaussichten für die Weltwirtschaft waren die wichtigsten Gründe für den Stimmungsumschwung im Frühjahr. So rentierten Lokal- und Hartwährungsanleihen im ersten Quartal positiv. Mit zunehmendem Risikoappetit erkannten viele Investoren, dass die Emerging Markets aus Bewertungssicht einiges zu bieten haben. Entsprechend kam es ab März wieder zu deutlichen Kapitalzuflüssen in diese Assetklasse.

Dennoch: Der geplante Brexit beeinflusst auch die Schwellenländer. Die kurzfristige Volatilität auf den Märkten ist in den Wochen nach dem Referendum deutlich angestiegen. Die politische Unsicherheit ebenso. Die Emerging Markets sind hiervon nicht unbelastet. Am meisten durch die aktuelle Brexit-Diskussion negativ beeinflusst sind die Staaten Zentral- und Osteuropas.

Dennoch geht NN Investment Partners davon aus, dass sich diese Entwicklung nicht auf die Fundamentaldaten auswirken wird. Attraktive Zins- und Währungsdifferenzen prägen das aktuelle Bild. Die Zentralbanken weltweit, sei es die Fed, die EZB, die Bank of Japan oder die Bank of England, werden wohl mit einer weiteren Lockerung ihrer Geldpolitik reagieren, um die Volatilität etwas einzudämmen. Dies sollte zu positiven Entwicklungen bei Staatsanleihen und Unternehmensanleihen der Schwellenländer in Hartwährung führen.

Trotz Brexit-Reaktionen: solide Fundamentaldaten

Neben den Konsequenzen, die die Zentralbanken ziehen könnten, sollte aber insbesondere die Politik im Auge behalten werden. Gerade die Planungen der Europäischen Union stehen hier im Fokus. Es wird sicherlich einige Zeit dauern, bis hier eine gewisse Klarheit über die politischen Konsequenzen der Brexit-Entscheidung herrschen wird. Somit bleibt die Unsicherheit auf den Märkten zunächst weiter bestehen. Die Stimmung an den Börsen könnte sich verschlechtern, was zu einer schlechteren Wachstumsprognose für die Weltwirtschaft führen würde. Und damit zu einer weiteren Abschwächung des Welthandels.

Betrachtet man aber die eher mittelfristige Entwicklung, sind die Fundamentaldaten positiv. Auch wenn die Wachstumsraten der Schwellenländer geringer sind als im letzten Jahrzehnt, liegen sie dennoch über denen der entwickelten Staaten. Und sie könnten sich noch weiter verbessern. Ein Grund ist die Stabilisierung der Ölpreise, da sich Angebot und Nachfrage immer mehr annähern. Stabile Rohstoffpreise, geringe Inflation und die unterstützend wirkende Geldpolitik sind die wichtigsten Faktoren, um die wirtschaftlichen Fundamentaldaten zu erhalten. Derzeit sollten Anleger wohl etwas vorsichtig sein, mittelbis langfristig sehen wir die Anlageklasse Schwellenländeranleihen positiv.

Die Spreads der Staats- und Unternehmensanleihen in Hartwährung werden sich kurzfristig erhöhen. Gründe liegen in der Volatilität und einer gewissen Risikoaversion der Investoren. Mittelfristig haben die Spreads aber das Potenzial, sich weiter zu verringern.

Gute Aussichten für das Wachstumsdifferenzial

Ein grundsätzliches Thema für Investments an den Emerging Markets ist Wachstum, sowohl absolut als auch relativ im Vergleich zu den entwickelten Ländern. Innerhalb der letzten paar Jahre hat sich das Wachstumsdifferenzial rapide auf aktuell 2 Prozent verringert. Das ist zum Teil strukturbedingt. So kann China, die Wachstumslokomotive der Emerging Markets, die Zuwachsraten des vergangenen Jahrzehnts - von über 10 Prozent - nicht mehr aufrechterhalten. Einige Schwellenländer müssen daher zusätzliche Wachstumsquellen auftun. Es besteht aber immer noch ein erhebliches Potenzial für Reformen und damit Wachstum.

Hinzu kommt, dass die Bevölkerung in den Schwellenländern sehr viel jünger ist als in den Industrieländern. Daher werden demografische Faktoren weiterhin das Wachstum in den Emerging Markets stützen. Auch wenn die Zuwachsraten mittlerweile gesunken sind, dürfte sich in den nächsten Jahren wieder ein deutliches Wachstumsdifferenzial abzeichnen. Für 2020 ist mit einem Gefälle von rund 3,5 Prozent zu rechnen. Ein weiterer wichtiger Aspekt sind Währungen der Schwellenländer. Die dramatische Abwertung in den vergangenen Jahren hat in vielen Ländern eine Neuordnung der makroökonomischen Indikatoren angestoßen. Dadurch verbessern sich die Außenhandelsbilanzen auf breiter Front. Des Weiteren werden die Exporte der Länder durch die Abwertung ihrer Landeswährungen wieder wettbewerbsfähiger. Auch dies mag sich künftig als wichtige Wachstumsquelle erweisen.

China stabil

China bleibt ein großes Thema für Emerging-Markets-Investments. Noch zu Jahresbeginn fürchteten viele Investoren, die chinesische Wirtschaft könne eine harte Landung erleben. Diese Befürchtungen sind angesichts der offenkundigen Stabilisierung bei Wirtschaftsdaten, Währung und Investitionsströmen zurückgegangen. Der aktuellen Einschätzung nach haben die chinesischen Entscheidungsträger die Wirtschaft weiterhin unter Kontrolle und können das für 2016 gesetzte Wachstumsziel von 6,5 Prozent erreichen. Das nächste Ziel Chinas wird der freie Kapitalverkehr mit dem Rest der Welt sein. Weitere Reformen, die im Interesse von Chinas langfristigem Wachstum in Angriff genommen werden müssen, betreffen die Liberalisierung der Währung und die Öffnung der Kapitalbilanz. Um mehr ausländisches Kapital anzuziehen, will die Volksrepublik seinen heimischen Anleihemarkt vollständig für ausländische Investoren öffnen. Dies ist historisch gesehen einer der wichtigsten Schritte in Richtung Liberalisierung.

Ende 2015 war Chinas heimischer Anleihemarkt mit ausstehenden Titeln im Wert von zirka 7,5 Billionen US-Dollar der drittgrößte Bondmarkt der Welt. Nur der amerikanische und der japanische Markt sind größer. Von Staatsanleihen abgesehen, ist Chinas Kreditmarkt mittlerweile der zweitgrößte der Welt. Das erklärte Ziel: Bis 2020 soll China Japan übertreffen. Die ausstehende Marktkapitalisierung soll dann 100 Billionen Renminbi betragen, das entspricht zu aktuellen Kursen in etwa 15 bis 16 Billionen US-Dollar.

Chinas Anleihemarkt hat immer noch Spielraum für weiteres Wachstum. Damit die Marktöffnung von Anfang an ein Erfolg ist, müssen die Entscheidungsträger eine jähe Abkühlung der Wirtschaftstätigkeit vermeiden. Denn dies könnte erneut eine Kapitalflucht auslösen. Das würde nicht nur übermäßigen Druck auf die Währung bedeuten, sondern könnte die Behörden auch dazu zwingen, ihre Prioritäten im Hinblick auf die Liberalisierung der Kapitalbilanz zu ändern. Im Ergebnis könnte es zu einer Beschränkung der Portfolioabflüsse kommen. Etwaige neue Beschränkungen der Kapitalrückführung würden von ausländischen Investoren jedenfalls nicht gerne gesehen.

Man darf auch nicht vergessen, dass die chinesische Wirtschaft gereift ist und reifere Volkswirtschaften wachsen zwangsläufig langsamer. Ferner wandelt sich China von einer investment- und exportgetriebenen Volkswirtschaft zu einer Konsum- und Dienstleistungsgesellschaft. China bleibt in jedem Fall eine der am schnellsten wachsenden Volkswirtschaften der Welt.

Schuldenanstieg als Herausforderung für Unternehmen in Schwellenländern

Ein weiterer Aspekt, der vielen Investoren Sorge bereitet, ist die Unternehmensverschuldung an den Emerging Markets. Mit der Verlangsamung des globalen Wachstums und dem Einbruch der Rohstoffpreise sind die Bonitätskennzahlen unter Druck geraten. Vor allem Unternehmen mit Einkünften in Landeswährungen, aber Verbindlichkeiten in US-Dollar, mussten aufgrund dieses Missverhältnisses einen Anstieg ihrer Schulden in Landeswährung hinnehmen. Den Rohstoffexporteuren macht natürlich der Preisverfall in diesem Jahr zu schaffen. Durch Senkung ihrer Kostenbasis waren sie allerdings in der Lage, dies zum Teil auszugleichen, denn hier machte sich die Währungsabwertung positiv bemerkbar. Die Unternehmen ergreifen bereits die richtigen Schritte zur Stärkung ihrer Bilanzen.

Insgesamt hat sich fundamental sehr wenig an den Aussichten für die Assetklasse Schwellenländer geändert. Investoren waren zu Jahresanfang sehr pessimistisch und sind jetzt realistischer geworden. Die Einschätzung für den Rest des Jahres hängt an mehreren Faktoren: EU und Brexit, China, US-Wirtschaft, US-Notenbank und der Dollar, Ölpreise und politische Entwicklungen in einzelnen Ländern. Unterm Strich ist zu erwarten, dass die globalen Zinsen niedrig bleiben. Das ist die Hauptstütze für Schwellenländeranleihen, die einen positiven Ertrag für die Assetklasse sichern sollte. Was die Währung in dieser Anlageklasse für Schwellenländeranleihen anbetrifft, waren in den letzten Jahren Hartwährungsanleihen die bessere Wahl gegenüber Lokalwährungsanleihen. Auch weiterhin gibt es bessere Chancen für Anleihen in Hartwährung. Das Risiko im Vergleich zu Anleihen aus entwickelten Märkten ist mit einem Aufschlag von rund 400 Basispunkten gut kompensiert. Lokalwährungsanleihen dürften weiterhin volatil bleiben. Dennoch sind Schwellenländerwährungen unterbewertet. In diesen Zeiten wird deutlich, wie viel Aufholpotenzial dort vorhanden ist!

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