Outsourcing der Bankensoftware: wichtig für die Digitalisierung im Private Banking

Jörg Martin, Foto: Die Software

Merck Finck hat im Rahmen seiner Digitalisierungsstrategie beschlossen, die Betreuung der Bankensoftware auszulagern. Mit diesem Schritt wollte das Institut neuen Gestaltungsspielraum bekommen, auch um schneller auf Anforderungen aus Kunden- und Beratersicht antworten zu können. Zunächst war es laut den Autoren dabei wichtig, eine genaue Prüfung durchzuführen, um zu entscheiden, welche Bereiche ausgelagert werden können - auch aus aufsichtlicher Sicht. Daraus haben die Beteiligten vier Lektionen gelernt: So sollte Banken, die einen solchen Schritt erwägen, klar sein, dass es zunächst eine Reise mit unbekanntem Ziel ist und sich erst im Verlauf herauskristallisiert, was geht und was nicht. Wichtig sei es auch, in Prozessen statt in Organisationseinheiten zu denken, Risiken genau zu analysieren und die neuen Abläufe ausgiebig durchzutesten. In dem konkret vorgestellten Projekt läuft die Umsetzung laut den Autoren seit September 2019 reibungslos. (Red.)

Die Digitalisierung eröffnet den Kreditinstituten eine schier unüberschaubare Fülle von Handlungsfeldern. Von neuen Kanälen und Services für Kunden über interne fachübergreifende Prozesse sowie die Optimierung von Middleoffice- und Backoffice-Prozessen gibt es inzwischen digitale Lösungen. Wo setzt man an dieser Stelle als Privatbank die Prioritäten?

Die Suche nach der Strategie

Nachdem in den vergangenen Jahren vor allem regulatorische Themen im Vordergrund standen, stehen nun IT-Sicherheit und vor allem mehr Investitionen in kundennahe Bereiche mit Ausrichtung auf Service und Kundenmehrwert im Fokus. Bei Merck Finck wurden im Rahmen der Digitalisierungsstrategie verschiedene Optionen geprüft. Dabei ging es darum, die Bereiche der Bank zu identifizieren, die gestärkt und ausgebaut werden sollen und diejenigen, die andere besser beherrschen und die daher ausgelagert werden können? Das wichtigste Asset einer Privatbank ist die persönliche Beziehung zum Kunden. Alles, was diese stärkt, ist relevant. Anders als im sonstigen Privatkundengeschäft lässt sich das Private Banking nicht einfach durch effizientere Prozesse im Backoffice skalieren. Für diese kleine und sehr anspruchsvolle Zielgruppe ist auch eine Fokussierung nur auf digitale Angebote nicht machbar. Der Mensch und die persönliche Beziehung stehen im Zentrum der Beratung, digitale Module unterstützen wirksam im Hintergrund.

Im Fokus: die persönliche Kundenbeziehung

So wurde im Rahmen der Überprüfung schnell klar, dass gerade bei der Betreuung der Bankensoftware Potenzial zu heben ist. In sämtlichen Bereichen - vom Wertpapiergeschäft mit Konto- und Depotführung über den Devisenhandel und das Kreditgeschäft bis zum Zahlungsverkehr - nutzt Merck Finck seit über 15 Jahren die OBS Banking Engine von der Die Software Peter Fitzon GmbH. Der Kerngedanke mit Blick auf eine Optimierung: Indem die Betreuung des Banksystems an den Hersteller übergeben wird, verschafft sich die Bank an anderer Stelle substanziell mehr Flexibilität. Dabei standen drei Ziele im Fokus:

- mehr Gestaltungsspielraum gewinnen,

- Knowhow auf mehrere Schultern verteilen und dadurch höchste Sicherheits- und Prozessstandards erreichen,

- schneller auf Anforderungen aus Kunden- und Beratersicht reagieren.

Mit diesen Prämissen zahlt die Auslagerung voll auf den Ansatz eines hybriden Beratungsmodells ein.

Auf Basis dieser Entscheidung wurde mit einem insgesamt elfköpfigen Projektteam der Übergang vorbereitet. Gerade weil das System bei Merck Finck schon lange im Einsatz war, mussten die Prozesse sehr genau geprüft werden, um zu entscheiden, welche davon wie gewohnt beibehalten und welche verändert werden müssen. Und natürlich: welche an den Dienstleister auslagert werden, welche in der Bank verbleiben und wie das Zusammenspiel zwischen beiden organsiert werden kann.

Vier Lektionen als Lehre des Projekts

Lektion 1 - eine Reise mit unbekanntem Ziel: Bei einem solchen Vorgehen muss allen Beteiligten klar sein, dass ein solches Vorgehen eine Reise mit unbekanntem Ziel sein kann. Es lässt sich nämlich zu Beginn keineswegs sagen, wie das Ergebnis aussieht und was in welchem Umfang ausgelagert werden soll. Ein solches Projekt erfordert daher viel gegenseitiges Vertrauen. Der Umfang dessen, was ausgelagert werden soll, hat sich erst innerhalb des achtmonatigen Projektes konkretisiert. Wenn ein Bankensystem über Jahre im Einsatz ist, sind die gelebten Prozesse eingeschwungen und es sammeln sich auch Tätigkeiten in Einheiten an, die der Auslagerungspartner so gar nicht übernehmen will oder kann.

Lektion 2 - in Prozessen statt in Organisationseinheiten denken: Wichtig war es dabei, von Anfang an in Prozessen statt in organisatorischen Einheiten zu denken. Wenn dies frühzeitig erkannt wird, können Umwege vermieden werden. Im konkreten Fall wurden zunächst alle Aktivitäten der internen Betreuungseinheit betrachtet sowie sämtliche Prozesse analysiert und dokumentiert. Auf dieser Basis wurde schließlich das Zielmodell entwickelt, das den Umfang und die Verantwortlichkeiten zwischen Bank und Auslagerungspartner definiert. Dabei hat man sich für ein Modell entschieden, das die Applikationsbetreuung auslagert, während Merck Finck weiterhin den Betrieb und das Hosting übernimmt (Abbildung 1). So konnten nicht nur die Verantwortlichkeiten und die jeweiligen Prozessgrenzen definiert, sondern auch die Aufgaben identifiziert werden, die nicht mit ausgelagert werden sollten.

Lektion 3 - Risiken genau analysieren: Mit der Verteilung der Aufgaben zwischen Merck Finck und Die Software war die größte Hürde genommen. Im nächsten Schritt ging es darum, das Modell der künftigen Zusammenarbeit zwischen Bank und Dienstleister zu beschreiben und die Risiken zu identifizieren. Da die Verantwortung für den Betrieb immer bei der Bank bleibt, wurde entschieden, eine Kernmannschaft des bisherigen Betreuungsteams in der Bank zu halten und ausschließlich die Prozesse zu verlagern. Dies geschah auch mit Blick auf die aufsichtsrechtlichen Forderungen der MaRisk, das Knowhow in der Bank zu halten und nur die Ausführung der Prozesse auszulagern.

Lektion 4 - Abläufe durchspielen und optimieren: Für die Vorbereitung des Change of Control sollte sich jede Bank ausreichend Zeit nehmen. Einige Themen müssen sich entwickeln und dann ein zweites oder drittes Mal durchdacht werden. Vor allem sollten die definierten Abläufe unbedingt verprobt werden. Eine Pilotphase kann helfen, wertvolle Erkenntnisse zu sammeln und die Abläufe zu optimieren.

Neue Maßstäbe bei Reaktions- und Servicequalität

Seit dem Golive im September 2019 wird jeden Tag deutlich, dass sich das Vorgehen bewährt hat: Der Übergang lief reibungslos und die Betreuung setzt neue Maßstäbe bei der Reaktions- und Servicequalität. Für den Erfolg des Projekts war es essenziell, dass sich Bank und Dienstleister am Anfang viel Zeit genommen und den genauen Umfang der Auslagerung gründlich analysiert haben. Sehr hilfreich war es ebenfalls, dass das Team schon lange vertrauensvoll zusammengearbeitet hat. Eine gute Vorbereitung und Verprobung des Change of Control ist dabei wichtig und unerlässlich. Die Aufsicht beobachtet das Vorgehen genau und achtet darauf, dass die Bank keine Risiken eingeht, die sie nicht managen kann. Da sich bei einem solchen Vorgehen nicht alles vorab definieren lässt, ist eine Pilotphase essenziell, um wertvolle Erkenntnisse aus der Praxis zu sammeln.

Mit einem klaren Fokus auf die Prozesse wird das Thema Digitalisierung helfen, eine nachhaltige Rolle in der Gesamtwertschöpfung des Kunden zu finden. Insbesondere im Private Banking bietet sich hier die Rolle des "Orchestrators und Optimierers" für alle finanzielle Fragen und Problemstellungen an.

Dr. Martin Deckert Generalbevollmächtigter und COO, Merck Finck Privatbankiers AG, Frankfurt am Main
Jörg Martin Projektleiter beim Merck Finck Outsourcing-Projekt, Die Software, Ebersberg
Martin Deckert , Generalbevollmächtigter und COO, Merck Finck Privatbankiers AG, Frankfurt am Main
Jörg Martin , Projektleiter beim Merck Finck Outsourcing-Projekt, Die Software, Ebersberg

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