Nachhaltigkeit bei Anleihen - aktuelle Trends und Entwicklungen

Lars Detlefs, Foto: MFS Investment Management

Auch für Anleiheninvestoren stehen ESG-Faktoren immer mehr im Fokus. Themenanleihen sind dabei laut den Autoren weiterhin ein wichtiges Instrument, um das Thema ESG ins Portfolio zu integrieren. Dabei war demnach bereits 2020 ein Rekordjahr für das Segment Themenanleihen mit einem Emissionsvolumen von mehr als einer halben Billion US-Dollar. Im Jahr 2021 wurde diese Marke nach nur drei Quartalen schon um 300 Milliarden US-Dollar übertroffen. Typische Emittenten kommen dabei aus CO2 -intensiven Sektoren und finanzieren mit den Erlösen Dekarbonisierungsprojekte. Teilweise werden dabei laut Detlefs und Gomez-Bravo auch Kuponaufschläge für den Fall geboten, dass bestimmte bei der Emission festgelegte Umweltkennziffern nicht erreicht würden. Die Autoren raten Investoren, bei der Analyse von ESG-Risiken auch den Zeithorizont und die Relevanz der Risiken zu beachten. (Red.)

Nachhaltigkeit und ESG-Faktoren stehen für Anleiheninvestoren zunehmend im Mittelpunkt. Es wird viel gefordert, aber auch viel diskutiert, da sich die Konzepte aufgrund der raschen Weiterentwicklung von Standards, Daten und Vorschriften schnell ändern können. Die Kunst ist, zwischen Greenwashing - Schönfärberei - und wirksamen Nachhaltigkeitsansätzen zu unterscheiden.

Im Folgenden befassen sich die Autoren mit aktuellen Nachhaltigkeitstrends im Anleihenbereich. Wichtige Entwicklungen sind das explosionsartig wachsende Interesse an Klimaschutz- und Themenanleihen - wie grünen Anleihen -, strengere Vorschriften, umfassendere Daten und mehr Investorenengagement (siehe Abbildung 1).

Abbildung 1: Emission grüner und anderer Themenanleihen Quelle: MFS Investment Managament
Abbildung 1: Emission grüner und anderer Themenanleihen Quelle: MFS Investment Managament

Die Politik verschärft die Informationspflichten zu ESG, Nachhaltigkeit und Klimaschutz immer weiter, was Emittenten und Investoren gleichermaßen betrifft. In Europa hat dies schon vor längerer Zeit begonnen, sodass die Transparenz hier am größten ist. Ähnliche Entwicklungen sind aber jetzt auch in Asien und in den USA zu beobachten, vor allem seit dem Amtsantritt von Joe Biden. Auch Investoren legen immer mehr Wert auf Informationen, da Chancen und Risiken von Anlagen zunehmend von ihrer Nachhaltigkeit abhängen.

Umfangreichere Klimaberichterstattung

Der Klimawandel ist eine große Herausforderung für alle Menschen. Unternehmen und ganze Länder müssen dringend ihre Emissionen senken. Intensiv wird über CO2-Bepreisung, Ausgleichsabgaben und die nötige Zeit bis zur Netto-Null diskutiert. Viele Unternehmen veröffentlichen nicht nur ihre Emissionen, sondern setzen sich auch Senkungsziele. Auch die Notenbanken befassen sich mit Klimarisiken. Aufsichtsbehörden fordern eine umfangreichere Klimaberichterstattung und die Investoren sind bereit, mehr für das Klima zu tun.

Mit der bahnbrechenden Pariser Klimavereinbarung begannen 2015 internationale Maßnahmen zur Emissionssenkung, damit die Erderwärmung das Zwei-Grad-Ziel nicht übersteigt. Das Pariser Abkommen ist gewissermaßen ein Bottom- up-Ansatz: Jedes Land setzte sich eigene Emissionsziele und Zeitpläne, sogenannte Nationally Determined Contributions (NDCs). Sechs Jahre später folgte der COP-26-Gipfel in Glasgow, die wichtigste Klimakonferenz seit Paris. Da der Klimaschutz heute noch drängender ist, haben die Teilnehmerländer ihre Konzepte weiterentwickelt. Mit aktualisierten und zum Teil neuen NDCs sollen die CO2-Senkungsziele erfüllt werden.

Klimaschutz dürfte auch für Investoren eine immer größere Rolle spielen. Die Risiken der Erderwärmung werden immer greifbarer, und die Chancen der Energiewende, also des Übergangs zu erneuerbaren Energien, und anderer Formen der CO2-Reduzierung geraten mehr und mehr in den Blickpunkt.

Themenanleihen als wichtiges Instrument

Themenanleihen sind nach wie vor ein wichtiges Instrument zur ESG-Integration im Portfolio. Zuletzt wurden deutlich mehr grüne Anleihen begeben. Auch Sustainability-linked Bonds und - wegen Corona - Social Bonds wurden immer gefragter. MFS ist der Meinung, dass sich unterschiedliche Arten von Themenanleihen für Portfolios eignen. Voraussetzung ist aber, dass man die Kreditqualität der Emittenten und die Mittelverwendung genau kennt (siehe Abbildung 2).

Abbildung 2: Wichtige Entwicklungen Quelle: Bloomberg und Bank of America, vom 30. September 2021
Abbildung 2: Wichtige Entwicklungen Quelle: Bloomberg und Bank of America, vom 30. September 2021

Das Jahr 2020 war bereits ein Rekordjahr für Themenanleihen. In den vier Marktsegmenten wurden insgesamt für fast 550 Milliarden US-Dollar Anleihen begeben. 2021 ist dieses Volumen bereits im 3. Quartal überschritten worden; mittlerweile beträgt das Emissionsvolumen seit Jahresbeginn fast 850 Milliarden US-Dollar. Mehr als die Hälfte der 2021 bereits emittierten Themenanleihen (450 Milliarden US-Dollar) entfallen auf grüne Anleihen, knapp 190 Milliarden US-Dollar auf Social Bonds und über 70 Milliarden US-Dollar auf Sustainability-linked Bonds.

Die Emissionen von Sustainability-linked Bonds sind im Jahr 2020 um 500 Prozent gewachsen. Typische Emittenten sind Unternehmen aus CO2-intensiven Sektoren wie Energie, Grundstoffe und Versorger. Sie nutzen die Erlöse für Dekarbonisierungsprojekte. Um die Papiere für Investoren interessant zu machen, versprechen sie höhere Kupons für den Fall, dass bestimmte bei der Emission festgelegte Umweltkennzahlen nicht erreicht werden.

Unterstützende Regulierung

Weltweit fordern die Aufsichtsbehörden eine ESG- und Klimaberichterstattung und definieren entsprechende Informationspflichten. Zugleich werden Taxonomien entwickelt, die klar festlegen, wann eine Anlage als nachhaltig gilt. Die Aufsichtsbehörden unterstützen die Emission von grünen und anderen nachhaltigen Anleihen und auch die Notenbanken sind am Dialog beteiligt. Die Rahmenbedingungen ändern sich schnell.

Die wichtigste neue Vorschrift ist die EU-Offenlegungsverordnung (Sustainable Finance Disclosure Regulation - SFDR). Sie verlangt, Fonds nach Nachhaltigkeitskriterien zu klassifizieren. Fonds, die ESG Faktoren integrieren, fallen unter Artikel 8 und Fonds nach Artikel 9 haben Impact-Ziele. Großbritannien prujft eine Pflichtberichterstattung nach den Kriterien der Task Force on Climate-related Financial Disclosures (TCFD) bis 2025. In den USA verfolgen die Wertpapieraufsichtsbehörde SEC und das Arbeitsministerium ebenfalls ESG-Initiativen. In Asien wollen Singapur und Hongkong Richtlinien für klima- und umweltbezogenes Risikomanagement einführen.*)

Verbesserte Datenlage

Weil immer mehr ESG-Daten veröffentlicht werden, es immer mehr Ratinganbieter gibt und immer mehr Unternehmen freiwillig über ihre Nachhaltigkeitspraxis informieren, können Investoren ESG-Risiken und ESG-Chancen leichter erkennen. Nichtfinanzielle Daten sind eine wichtige Ergänzung zu Kreditratings und Finanzinformationen. Heute gibt es mehr Anbieter von ESG-Ratings und ESG-Daten als je zuvor. Die großen etablierten Agenturen, Indexanbieter und Ratingagenturen kaufen zunehmend kleinere Anbieter und immer mehr Denkfabriken, Nichtregierungsorganisationen und Investoreninitiativen veröffentlichen Spezialdaten zu bestimmten Themen. Sie erhalten die Zahlen entweder direkt von den Emittenten, über Fragebögen oder aus öffentlichen Quellen.

Aber nicht alle ESG-Datenquellen sind gleich umfassend und gleich gut. Für Unternehmensanleihen stehen mehr ESG-Daten zur Verfügung als für andere Marktsegmente. Die Emittenten von Unternehmensanleihen veröffentlichen mehr ESG-Informationen und immer mehr externe ESG-Datenanbieter fassen sie zu Gesamt-Scores zusammen.

Relevanz der Risiken im Zeithorizont wichtig

Staatsanleihenemittenten informieren ebenfalls umfassender über grüne und andere Eigenschaften. Die Investoren sollen wissen, inwieweit die Emissionserlöse der nachhaltigen Entwicklung und anderen Projekten dienen. ESG-Daten zu Ländern finden sich aber auch in anderen Quellen. Sie werden auch von Denkfabriken und großen internationalen Organisationen wie dem Internationalen Währungsfonds, der Weltbank und der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) bereitgestellt. Leider gibt es aber für andere Anleihenmarktsegmente wie Verbriefungen oder Municipals nicht so viele Daten.

Anleiheninvestoren müssen bei der Analyse von ESG-Risiken auch den Zeithorizont und die Relevanz der Risiken berücksichtigen. In der Regel sind ESG-Faktoren langfristig relevant. Für kürzer laufende Anleihen sind sie daher möglicherweise nicht so wichtig, selbst wenn sie für den Sektor, die Branche oder den Emittenten von großer Bedeutung sind.

Mehr Engagement gewünscht

Die Einflussnahme auf Emittenten wird immer wichtiger. Investoren wünschen sich mehr Dialog über ESG-Themen, um das ESG Profil der Emittenten besser zu verstehen. Anleihegläubiger sind keine Aktionäre und haben daher kein Stimmrecht, aber auch sie können mit den Emittenten formell und informell über ESG-Faktoren sprechen. Obwohl sie keine Eigentümer sind, können sie als wichtige Financiers großen Einfluss auf die Nachhaltigkeitspraxis der Unternehmen nehmen. Möglich sind Gemeinschaftsinitiativen, aber auch Einzelgespräche. MFS beteiligt sich an zahlreichen Gemeinschaftsinitiativen, wie etwa Climate Action 100+. Darüber hinaus engagiert sich der Asset Manager aber auch einzeln bei Emittenten.

Bei MFS steht Nachhaltigkeit im Mittelpunkt des langfristigen aktiven Investmentansatzes und der Bemühungen um verantwortungsvolle Kapitalanlage. Das solide Nachhaltigkeitskonzept und die ESG-Integration in die einzelnen Phasen des Investmentprozesses beruhen auf Fundamentalanalysen und umfassenden Daten. Hinzu kommen ein konsequentes Risikomanagement und Engagement. Es gibt Arbeitsgruppen und Ausschüsse zur Definition von ESG Faktoren und ihrer Berücksichtigung in unseren Investmentprozessen. Im Mittelpunkt stehen ESG-Integration, Daten und Risikomanagement.

Integration in den Investmentprozess

Am wichtigsten ist dabei die Integration von Nachhaltigkeits- beziehungsweise ESG-Faktoren in die einzelwertorientierte Fundamentalanalyse, die den Kern des Investmentprozesses bei MFS bildet. Research ist die Grundlage der Portfoliokonstruktion. In den Portfolios finden sich die aus Analystensicht vielversprechendsten Titel.

Jeder Analyst, ob für Anleihen oder Aktien, muss ESG-Faktoren berücksichtigen. Dafür arbeitet er eng mit den Portfoliomanagern und anderen ESG-Experten zusammen, die Themenanalysen erstellen und die Relevanz der Faktoren beurteilen. Das ist Aufgabe jedes einzelnen Sektoranalysten. Die Verantwortung wird also nicht an ein separates Team delegiert. Der Analyst steht in direktem Kontakt mit dem Emittenten und hier speziell mit dessen leitenden Managern, die die Strategie und den Umgang mit wichtigen Nachhaltigkeitsthemen bestimmen.

Der zweite Punkt sind Daten. Hier gibt es noch immer viele offene Fragen. Es ist unabdingbar, dass alle Investoren gleichen Zugang zu wichtigen ESG-Daten haben, um gut informierte Entscheidungen treffen zu können. Hier ist noch immer viel im Fluss, da immer neue Reporting-Anforderungen und Standards entwickelt werden. Für die Analysen nutzt das Investmenhaus externe ESG-Ratings ebenso wie Kreditratings. Es verlässt sich aber nicht ausschließlich auf diese externen Angaben, wenn Einzeltitel ausgewählt werden und Positionsgrößen festgelegt werden.

Wichtig sind schließlich auch Risikomanagement und Risikoanalysen. ESG ist für MFS ein Risikofaktor, aber auch eine Chance. Es werden ESG-Risiken übergreifend im Rahmen der Portfoliokonstruktion analysiert. Die ESG-Risiken der Einzelwerte werden aber ebenfalls untersucht. So können die relevanten Portfoliorisiken eingeschätzt werden und beurteilt werden, welche Emittenten besonders risikoanfällig sind.

Chancen durch Klimawandel und ESG

Nachhaltigkeit und ESG werden für Anleiheninvestoren immer wichtiger. Die Autoren sind große Befürworter einer Integration dieser Themen in den Investmentprozess, gestützt auf relevante Daten und ein konsequentes Risikomanagement. Während der Klimawandel und ESG im weiteren Sinne für viele Emittenten Risiken darstellen, bieten sie aber auch Chancen, da die Welt dazu übergeht, Waren und Dienstleistungen nachhaltiger zu produzieren und zu konsumieren. MFS ist davon überzeugt, dass dieses Thema noch jahrzehntelang ein Teil der Investitionslandschaft sein wird.

Fußnote

* Artikel 6: Berücksichtigung von Nachhaltigkeitsrisiken im Investmentprozess.

Artikel 8: Systematische Förderung konkret benannter Umwelt und Sozialziele und umfassendere Offenlegung.

Artikel 9: Impact-Fonds mit einem doppelten Ziel: Finanzerträge und konkrete Umwelt und Sozialziele.

Lars Detlefs , Senior Managing Director, Head EMEA Sales , MFS Investment Management, Frankfurt am Main
Pilar Gomez-Bravo , Co-CIO Fixed Income , MFS Investment Management, London

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