Moderne Wohnraumförderung - ein Spiegel für gesellschaftliche Bedürfnisse

Edith Weymayr, Foto: L-Bank (Wagenhahn)

Baden-Württemberg braucht Studien zufolge jährlich mindestens 1500 "neue" sozial gebundene Wohneinheiten, um dem durch Auslaufen von Belegbindungen bedingten Rückgang im Bestand von sozialgebundenen Mietwohnungen entgegenzuwirken. Das ist eine große Herausforderung angesichts von Unsicherheiten, steigen Bau- und Energiepreisen und Lieferkettenengpässen. Zudem werden bis 2035 für fast alle Kreise im Südwesten weiterwachsende Bevölkerungszahlen und eine Fortsetzung der Preissteigerung bei Wohnimmobilien prognostiziert. Aufgabe als Förderbank ist es, den freien Wohnungsmarkt zu ergänzen. Und zwar sowohl durch Mietwohnraumförderung als auch Eigenheimförderung. Mit den Fördermitteln der L-Bank konnten im vergangenen Jahr mehr als 16 500 Wohneinheiten erstellt oder bedarfsgerecht saniert werden, darunter rund 2770 neue Sozialmietwohnungen. (Red.)

In Baden-Württemberg treibt die Wohnraumknappheit die Preise in die Höhe und macht nicht nur in den Ballungsräumen oder in den Universitätsstädten Wohnraum für junge Familien und Menschen mit geringem Einkommen unbezahlbar. Bereits 2017 wies eine von der L-Bank beauftragte Prognos-Studie auf eine wachsende Baulücke hin: Zwischen 2011 und 2015 stieg die Nachfrage nach Wohnungen um 4,6 Prozent, das Angebot wuchs gleichzeitig jedoch nur um 2,5 Prozent.

Eine nachfolgende Analyse aus dem Jahr 2019 zeigte auf, dass der Wohnungsmarkt in 88 Gemeinden Baden-Württembergs "an gespannt" ist. Zwar wurden in Baden-Württemberg im Jahr 2020 mehr Wohnungen fertiggestellt und die Bautätigkeit im vergangenen Jahr lief gut - der Druck auf dem Wohnungsmarkt in Baden-Württemberg ist jedoch weiterhin sehr groß.

Die Perspektive ist eingetrübt

Hinzu kommt, dass die Fortsetzung der positiven Entwicklung beim Wohnungsangebot gefährdet ist. Die Corona-Pandemie und der Ukraine-Krieg haben die Lieferketten der Bauindustrie stark gestört. Bereits aktuell gibt es auf vielen Baustellen Verzögerungen, Fertigstellungstermine können nicht eingehalten werden. Und es kommen weitere schlechte Nachrichten für die deutsche Baubranche aus Ostasien. Die restriktive Corona-Politik in China und der damit einhergehende Lockdown im weltweit größten Containerhafen Shanghai werden nicht ohne Auswirkungen auf die internationalen Lieferketten bleiben.

In Summe bilden der Materialmangel, die - auch wegen des Fachkräftemangels - schnell steigenden Kosten und die jetzt anziehenden Finanzierungskosten für die Entwicklung der Bauwirtschaft eine gefährliche Mischung. Das branchenspezifische L-Bank-ifo-Geschäftsklima zeigt, dass die Unternehmen sich der Gefahren bewusst sind: Während sich das Stimmungsbild in den meisten Wirtschaftssektoren im April 2022 stabilisiert oder sogar leicht positiv entwickelt hat, sank das Geschäftsklima im baden-württembergischen Bauhauptgewerbe von plus 2 auf minus 13 Punkte. Damit befindet es sich auf dem tiefsten Stand seit Oktober 2010.

Die Mehrzahl der befragten Betriebe rechnet dementsprechend auch mit einer rückläufigen Bautätigkeit in den kommenden Monaten. Einige Branchenverbände gehen noch weiter, sie befürchten für 2023 einen drastischen Einbruch. Um zu verhindern, dass die Baukonjunktur abgewürgt wird, ist es wichtig möglichst frühzeitig und auf allen Ebenen gegenzusteuern. Wir werden aufseiten der Finanzierung unseren Beitrag leisten.

Wohnen schafft Heimat

Eine Unterkunft zu haben ist ein menschliches Grundbedürfnis. Die Versorgung mit dem Gut Wohnen ist damit ein elementarer Bestandteil der Daseinsvorsorge für die Menschen in unserem Land. Entscheidend für die Wohnsituation von Haushalten ist die Gesamtzahl der Wohnungen. In Baden-Württemberg lag diese Ende 2020 bei 5,4 Millionen. Grundsätzlich wird zwischen dem Wohnen zur Miete oder im Wohneigentum unterschieden. Für beides gibt es gute Argumente. Auf der einen Seite ist die Grundversorgung wichtig. Zwar ist im Grundgesetz kein explizites Recht auf Wohnen verankert, jedoch umfasst das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum einen Anspruch auf Unterkunft. Es muss also dafür gesorgt wer den, dass einkommensschwächeren Haushalten ein angemessener Wohnraum zur Verfügung steht.

Auf der anderen Seite gilt es, die Vermögensbildung zu unterstützen und besonders Familien mit Kindern die Möglichkeit zum Erwerb von Wohneigentum zu erleichtern. Denn Wohneigentum hat eine hohe gesellschaftspolitische Bedeutung. Es spielt nicht nur für die individuelle Vermögensbildung und die Altersversorgung eine wichtige Rolle. Als Lebensmittelpunkt der Familien stärkt es die Identifikation mit einer Region und die Bereitschaft für ein Engagement in der Gesellschaft. Das Wohneigentum ist so die Basis für ein Mehr an individueller Unabhängigkeit und Sicherheit und gleichzeitig Grundlage für gesellschaftliche Stabilität.

Der Dreiklang der Wohnraumförderung

Mehr bezahlbarer Wohnraum in allen Marktsegmenten ist die Zielsetzung für die L-Bank. Das Angebot an bedarfsgerechtem, preisgünstigem und energieeffizientem Wohnraum soll sowohl im Eigentum als auch bei den Mietobjekten erhöht werden. Allerdings ist es nicht nur wichtig, das Wohnraumangebot auszuweiten. Eine große Herausforderung im Wohnungsbau ist zudem die Anpassung des Wohnungsangebots an die Realitäten einer sich wandelnden Gesellschaft. So erfordert beispielsweise die mit der Zunahme des Homeoffice notwendige variable Nutzung von Räumen eine andere Raumplanung und einen anderen Zuschnitt der Räume.

Die demografische Entwicklung wiederum bedarf einer altersgerechten Ausgestaltung der Wohnräume. Nicht zuletzt muss auch die Nachhaltigkeit des Wohnens verbessert werden. Mehr als ein Drittel der gesamten Energie in Deutschland wird in Gebäuden verbraucht - vor allem für Heizung, Kühlung und Warmwasser. Das soll sich ändern. Klimaneutralität ist die mittelfristig angestrebte Zielsetzung. Dabei dürfen nicht nur Neubauten im Fokus stehen. Ihr Anteil am Gebäudebestand ist gering. Unter Nachhaltigkeitsaspekten sind besonders die Sanierung und der Ausbau von Bestandsimmobilien wichtige Ansatzpunkte.

Positiver Nachfragetrend in der Landeswohnraumförderung

Die L-Bank hat im vergangenen Jahr das Fördervolumen in der Wohnraumförderung auf 2,2 Milliarden Euro nach 2,0 Milliarden Euro im Jahr 2020 gesteigert und mehr als 16 500 Wohneinheiten erstellt oder bedarfsgerecht saniert. Richtungsweisend sind drei grundlegende Bedürfnisse: Bezahlbarkeit, Klimaschutz und Generationengerechtigkeit. Dabei ist es die Aufgabe als Förderbank, den freien Wohnungsmarkt zu ergänzen.

Die Förderdarlehen sind auf die Umsetzung sozialer, ökologischer oder demografischer Ziele zugeschnitten, die von Geschäftsbanken in freien Finanzierungen aufgrund bestehender wirtschaftlicher Zwänge nicht flächendeckend und dauerhaft sichergestellt werden können. Das zentrale wohnungsbaupolitische Förderinstrument dazu ist das Landeswohnraumförderungsprogramm, in dem die L-Bank als Direktfinanziererin der Wohnungswirtschaft und den Privathaushalten zur Seite steht.

Die Landeswohnraumförderung bedient dabei Bedarfe der Mietwohnraumförderung und der Eigenheimförderung. Im Förderwerkzeugkasten der L-Bank wird die Landeswohnraumförderung durch ergänzende Wohnraumförderprogramme flankiert, in denen wir mit den Hausbanken Baden-Württembergs zusammenarbeiten. "Wohnen mit Kind" und "Kombi-Darlehen Wohnen mit Klimaprämie" sind hierunter die beiden zentralen Förderprogramme.

Generationenübergreifende Perspektiven

Selbst genutztes Wohneigentum ist eine wichtige Säule des Wohnungsmarktes und adressiert neben dem Wohnbedürfnis auch die Vermögensbildung junger Familien. Besonders Familien mit Kindern wurde der Weg in die eigenen vier Wände erleichtert oder Modernisierungsprojekte ermöglicht. Der Zielrichtung des Landes, Baden-Württemberg zum "Klimaschutzland Nummer eins" zu machen, trägt die Umstellung der auf eine Energieeffizienz ausgerichteten Programme Rechnung.

Mit der Einstellung der Programme "Energieeffizienzfinanzierung Sanieren und Wohnen mit Zukunft: Erneuerbare Energien" zum 1. Juli 2021 und der gleichzeitigen Einführung des "Kombi-Darlehens Wohnen mit Klimaprämie" wurde die Förderung verstärkt auf ambitionierte Klimaschutzmaßnahmen ausgerichtet. So werden die Fördermittel in besonders wirksame Projekte gelenkt. Weiterhin sehr attraktiv sind die Finanzierungen für Wohnungseigentümergemeinschaften (WEG), die eine energetische Sanierung, den barrierereduzierenden Umbau und die künftige Nutzung erneuerbarer Energien für bestehende Eigentumswohnungen planen.

Wenn es darum geht, das Angebot an bezahlbaren Mietwohnungen auszuweiten, ist die soziale Wohnraumförderung ein Herzstück. Der aktuelle Preis- und Mietdruck hat die Bedeutung der sozialen Wohnraumförderung nochmals erhöht. Sie trägt dazu bei, dass Haushalte, die sich nicht aus eigener Kraft mit angemessenem Wohnraum versorgen können, eine Perspektive haben. Die Förderung kommt ihnen indirekt zugute: Sie richtet sich an Investorinnen und Investoren, die bereit sind, Mietwohnraum an Haushalte mit geringem Einkommen zu überlassen. Als Gegenleistung für die Fördergelder übernehmen die Empfängerinnen und Empfänger Pflichten, insbesondere Belegungs- und Mietbindungen.

Mietwohnraumförderung dient der sozialen Grundsicherung

Die Vermietung ist damit an vorgegebene Einkommens- und Mietobergrenzen gebunden. Mit einer Förderung der Investitionskosten und einem Nachteilsausgleich für die durch die Mietbindung von den marktüblichen Mieten abweichenden Konditionen werden in den verschiedenen Programmen der Mietwohnraumförderung der Bau und die Modernisierung von Mietwohnraum in Baden-Württemberg gefördert. Mitte vergangenen Jahres wurde die neue Bundesförderung für energieeffiziente Gebäude (BEG) eingeführt. In Summe konnte die L-Bank im vergangenen Jahr eine sehr erfreuliche Erhöhung des Bewilligungsvolumens um über 40 Prozent auf 1,1 Milliarden Euro verbuchen.

Gemäß der von der Wohnraum-Allianz 2017 in Auftrag gegebenen Wohnraumbedarfsprognose für Baden-Württemberg durch das Prognos-Institut, die weiterhin als Richtschnur für die wohnungsbaupolitischen Bestrebungen der Landesregierung fungiert, benötigt Baden-Württemberg jährlich mindestens 1 500 "neue" sozial gebundene Wohneinheiten, um dem durch Auslaufen von Belegbindungen bedingten Rückgang im Bestand von sozialgebundenen Mietwohnungen entgegenzuwirken.

Mit den im Jahr 2021 genehmigten Förderungen können rund 2 770 neue Sozialmietwohnungen errichtet werden. Damit haben wir einen weiteren Schritt auf dem Weg zum Ziel gemacht, den Rückgang der Zahl von sozial gebundenen Wohnungen im Land zu stoppen. Die bereits im Jahr 2017 eingeleitete Trendumkehr in der sozialen Mietwohnraumförderung wurde auch 2021 erfolgreich fortgesetzt.

Die Sustainable Development Goals

Die nachhaltige Entwicklung von Baden-Württemberg ist Leitlinie der gesamten Förderung der L-Bank. Rahmengebendes Zielsystem sind die Sustainable Development Goals (SDG) der Vereinten Nationen. Die 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung sind politische Zielsetzungen der Vereinten Nationen, die weltweit der Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung auf ökonomischer, sozialer sowie ökologischer Ebene dienen sollen.

Die L-Bank hat jetzt erstmals den Beitrag, den unsere Förderung zu den unterschiedlichen Sustainable Development Goals leistet, ermittelt. Damit wurden die Beiträge der Finanzierungen des Förderjahrs 2021 zu den SDGs deutlich gemacht.

Im Handlungsfeld Wohnraumförderung waren die Schwerpunkte im Bereich SDG 10: Weniger Ungleichheiten (gerechtere Gestaltung der Teilhabe an Wohlstand und der Verteilung des Einkommens), SDG 11: Nachhaltige Städte und Gemeinden (Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig gestalten) und SDG 13: Maßnahmen zum Klimaschutz (Umgehend Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen ergreifen). Rund zwei Drittel unserer Wohnraumförderung zahlt auf diese Ziele ein.

Weiterentwicklung der Landeswohnraumförderung

In der Fortschreibung und Weiterentwicklung des Förderprogramms "Wohnungsbau BW" für das Jahr 2022 wurden zum 1. Juni 2022 weitere Maßnahmen zur Verbesserung der sozialen Wohnbauförderung umgesetzt. Unter anderem wurde den gestiegenen Baupreisen Rechnung getragen und bei der Förderung des sozialen Mietwohnungsbaus der Festbetrag für die berücksichtigungsfähigen Baukosten von 3 500 Euro auf 4 000 Euro pro Quadratmeter angehoben.

Gleichzeitig wurde auch die Unterstützung für jene erhöht, die zur Begründung einer neuen Sozialbindung für eine bereits bestehende Mietwohnung bereit sind. So erfolgt ein Ausgleich für die steigenden Mieten und der Anreiz, die Sozialbindung einzugehen, wird gestärkt. Mit der zusätzlichen Option einer längeren Dauer der Sozialbindung auf 40 Jahre soll die langfristige Verfügbarkeit des sozialen Mietwohnraums sichergestellt werden. Schon heute wird von den meisten Wohnungsbauunternehmen bei neu gebauten Mietwohnungen eine 25- oder 30-jährige Miet- beziehungsweise Belegungsbindung gewählt.

Eine attraktive Möglichkeit zur Verlängerung der Mietpreisbindung kann die Verlässlichkeit der Bereitstellung sozialen Wohnraums nochmals steigern. Ein besonderes Augenmerk liegt auf dem Klimaschutz. Damit Klimaschutz bereits bei den Bauplanungen mitgedacht wird (und damit besonders stimmig umgesetzt werden kann) wurde ein Nachhaltigkeitsnachweis als verpflichtendes Förderkriterium eingeführt.

Auch in Zukunft ein zentrales Thema

Der jährlich erscheinende Wohnatlas der Postbank, den das Hamburger Weltwirtschaftsinstitut (HWWI) erstellt, prognostiziert in seiner aktuellen Ausgabe mit Zeithorizont 2035 für fast alle Kreise im Südwesten weiterwachsende Bevölkerungszahlen und eine Fortsetzung der Preissteigerung bei Wohnimmobilien. Für die Menschen in Baden-Württemberg ist Wohnen dadurch immer wieder das Thema Nummer eins und immer wieder spannungsgeladen. Die Wohnraumförderung in ihren unterschiedlichen Ausprägungen wird daher auch in den nächsten Jahren ein zentrales Förderfeld für die L-Bank als Förderbank für Baden-Württemberg sein.

Edith Weymayr , Vorsitzende des Vorstands , L-Bank, Karlsruhe
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