Klimaschutz zwingt Investoren zum Handeln

Abbildung 1: 58 Prozent der Großanleger erwarten eine Auswirkung der angestrebten Reduktion von Treibhausgasen auf die Kapitalmärkte

Alexander Schindler, Mitglied des Vorstands, Union Investment, Frankfurt am Main - Die Themen Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind in der öffentlichen Wahrnehmung wie auch in der internationalen Politik längst über das Stadium von Schönwetterbetrachtungen und imagefördernden Passagen in Sonntagsreden hinausgekommen. Demnächst könnten sie sogar in einem völkerrechtlich bindenden Weltklimavertrag münden. Vor dem Hintergrund dieser Situationsanalyse registriert der Autor bei den (deutschen) Investoren derzeit noch eine vergleichsweise deutliche Zurückhaltung, solche Klimaschutzaspekte in den Anlagerichtlinien für Investitionsentscheidungen zu berücksichtigen. Bei der Beratung als auch im Investmentprozess und Reporting sieht er für die Asset Manager diesbezüglich noch Nachholbedarf. (Red.)

"Während die globale Gemeinschaft daran arbeitet, den Einsatz von fossilen Brennstoffen zu reduzieren, ergibt es finanziell und ethisch keinen Sinn, weiterhin in entsprechende Unternehmen investiert zu sein." Mit dieser Einschätzung wandte sich der Rockefeller-Familienfonds zu Beginn des Jahres an seine Anteilseigner, um den Rückzug aus Exxon Mobil und dem Ölgeschäft zu begründen. Die Entscheidung des Rockefeller-Fonds unterstreicht einen Trend, der sich seit einiger Zeit abzeichnet: Weltweit beschließen immer mehr Investoren, klimaschädliche Investments aufzugeben. Allein 2014 entschieden sich Kapitalanleger für Divestments in Höhe von zirka 50 Milliarden US-Dollar. Die Ergebnisse der Pariser UN-Klimakonferenz von Ende 2015 dürften diese Entwicklung verstärken.

Aussicht auf einen völkerrechtlich bindenden Weltklimavertrag

Das Ergebnis der Pariser UN-Klimakonferenz ist eindeutig: Die globale Erwärmung soll auf deutlich unter zwei Grad Celsius begrenzt werden. So haben es die Vertreter von 195 Staaten und der EU im Dezember 2015 beschlossen. Damit das Abkommen in Kraft treten kann, müssen 55 Staaten, die mindestens 55 Prozent der weltweiten CO2-Emissionen verantworten, den Vertrag ratifizieren. Die Vorbereitungen darauf sind in vollem Gange. Bis zum nächsten Klimagipfel Anfang November in Marrakesch möchte etwa Deutschland ein entsprechendes Gesetz beschließen. So hat das Bundeskabinett bereits im Juli 2016 den Gesetzentwurf zur Ratifikation des Pariser Klimaschutzabkommens beschlossen. Damit zählt Deutschland zu den ersten EU-Mitgliedsstaaten, die den Prozess zur Ratifikation formell gestartet haben. Auch Frankreich will die Ratifizierung schnell über die Bühne bringen. Darüber hinaus haben weitere emissionsstarke Länder wie China und die USA angekündigt, das Klimaschutzabkommen ebenfalls noch in diesem Jahr zu ratifizieren. Einiges spricht somit dafür, dass der Weltklimavertrag zu Beginn kommenden Jahres völkerrechtlich bindend werden könnte.

Die konkrete Umsetzung des Vertrages hängt dann im Wesentlichen von den jeweiligen Maßnahmen der einzelnen Staaten ab. Deutschland hat hierzu bereits frühzeitig mit den Arbeiten am sogenannten Klimaschutzplan 2050 begonnen, der den Rahmen abstecken soll, wie die Bundesrepublik die Ziele aus dem Klimaschutzabkommen erreichen möchte. Danach soll die Energieerzeugung bis 2050 nahezu vollständig ohne CO2-Emissionen auskommen. Dieses Postulat gilt nicht nur für Elektrizität, sondern grundsätzlich für alle Energieträger, die in der Wirtschaft, den Privathaushalten sowie beim Verkehr auf Straße und Schiene zum Einsatz gelangen. So sollen beispielsweise Autos von 2030 an ohne Benzin oder Diesel fahren und Gas- und Ölheizungen für Neubauten verboten sein. Darüber hinaus soll auch die Steuer- und Subventionspolitik künftig strikt an den Maßstäben einer ökologischen Steuerung ausgerichtet werden. Deutschland strebt an, seine Klimafinanzierung bis zum Jahr 2020 bezogen auf das Niveau von 2014 zu verdoppeln.

Darüber hinaus beinhaltet das Abkommen von Paris die Unterstützung der Entwicklungsländer beim Klimaschutz und der Anpassung an den Klimawandel. Es schreibt die Zusage der Industrieländer aus dem Jahr 2009 fort, bis zum Jahr 2020 jährlich 100 Milliarden US-Dollar für die Klimafinanzierung zu mobilisieren und verlängert diese bis ins Jahr 2025. Beim jüngsten internationalen Petersberger Klimadialog im Juli in Berlin wurde zudem der enge Zusammenhang der Bekämpfung von Armut und Klimawandel betont und eine globale Partnerschaft zur Umsetzung der nationalen Klimabeiträge initiiert.

Wirkung der Dekarbonisierung

Auch wenn der Klimaschutzplan 2050 erst noch umgesetzt werden muss, steht eines bereits fest: Der Klimaschutz wird gravierende Auswirkungen nicht nur auf die Wirtschaft in ihrer gesamten Breite, sondern auch auf die Investitionsbedingungen von Anlegern haben. Über alle Wirtschaftssektoren hinweg müssen Geschäftsmodelle und Ertragsaussichten hinterfragt und gegebenenfalls an die neue Lage angepasst werden. Kohlenstoffintensive Unternehmen werden weniger profitabel sein, während sich in anderen Wirtschaftssektoren neue Geschäftsfelder und Chancen eröffnen.

Investitionsentscheidungen müssen diese neuen Rahmenbedingungen bei der Bewertung der Profitabilität von Anlagen berücksichtigen. Die Regulierung wird dabei eine zentrale Rolle spielen. Einen Vorgeschmack darauf bekamen bereits die Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung. Nach dem Willen des EU-Parlaments und des Europäischen Rats müssen diese ihre Gelder künftig unter Beachtung von Umwelt-, Sozial- und Governance-Kriterien (Environment Social Governance - ESG) sowie Klimarisiken anlegen.

Und auch von anderer Seite wächst der Druck, etwa über die internationale Divestment-Kampagne "Go Fossil Free". Diese auch hierzulande inzwischen sehr aktive Bewegung fordert institutionelle Investoren wie Städte, Universitäten oder Stiftungen dazu auf, Investments in Unternehmen aus der Öl-, Gas- und Kohleindustrie aufzulösen. Weltweit über 500 Investoren haben auf diese Forderung bereits reagiert.

Investoren noch in Warteposition

In Deutschland ist das Bewusstsein für die investmentpolitischen Herausforderungen des Klimaschutzes bereits stark ausgeprägt. Die Mehrheit der Großanleger - insgesamt 58 Prozent - geht hierzulande davon aus, dass sich die von der Politik angestrebte Reduktion von Treibhausgasen auf die Entwicklung an den Kapitalmärkten auswirken wird. Dieser Befund ergibt sich aus einer Befragung von Union Investment aus dem Frühjahr dieses Jahres unter 203 institutionellen Investoren (Abbildung 1).

Die konkrete Umsetzung dieser Erkenntnis haben allerdings deutlich weniger Anleger in Angriff genommen. Gerade einmal ein Fünftel (21 Prozent) berücksichtigt gegenwärtig Klimaschutzaspekte in den Anlagerichtlinien. Vorn dabei sind vor allem Versicherungen, Stiftungen und Kirchen, von denen 35 beziehungsweise 34 Prozent bereits entsprechende Vorgaben aufgenommen haben (Abbildung 2). Im Vordergrund stehen hierbei der Ausschluss bestimmter Branchen sowie verstärkte Investments in erneuerbare Energien. 24 Prozent der Investoren, die in ihren Anlagerichtlinien noch keine entsprechenden Vorgaben berücksichtigen, wollen dies in den kommenden fünf Jahren tun, bei Stiftungen und kirchlichen Investoren planen dies 47 Prozent (Abbildung 3).

Trotz dieser ersten Ansätze, Klimaschutzaspekte in die Kapitalanlage zu integrieren, verhalten sich viele deutsche Investoren nach wie vor zurückhaltend. Immerhin 42 Prozent erklärten in der Befragung, dass sie von den aktuellen klimapolitischen Initiativen keine nennenswerten Auswirkungen auf die Märkte erwarten. Eine solche Einschätzung ist überraschend. Denn aus den höheren Klimaschutzanforderungen an die Wirtschaft ergeben sich nicht zu unterschätzende Bewertungsfragen und Herausforderungen für das Risikomanagement der Investoren.

Dies deutlich zu machen, ist auch Aufgabe der Asset Manager. Von ihnen erwarten die Anleger zu Recht, dass sie Klimaschutzaspekte sowohl bei der Beratung als auch im Investmentprozess und Reporting berücksichtigen. So sind zwei Drittel der in der Studie Befragten unsicher, wie sich Klimaschutzaspekte auf die Rendite und das Risiko in ihren Portfolios auswirken werden. Vor diesem Hintergrund sollte die Asset-Management-Branche gemeinsam mit der Wissenschaft ihre Anstrengungen erhöhen, für mehr Klarheit zu sorgen.

Erkenntnis der Wissenschaft: Risiken und Chancen

Erste Papiere aus der Forschung liegen bereits vor. Starke Beachtung fand dabei unter anderem die Studie "Unhedgeable Risk - How Climate Change Sentiment Impacts Investment" des Instituts für nachhaltige Führung an der Universität Cambridge vom November des vergangen Jahres. Darin analysierten die Wissenschaftler die Auswirkungen verschiedener Klimaszenarien auf die Wertentwicklung unterschiedlich strukturierter Portfolios.

Das Ergebnis der Analyse: Sollten die Bemühungen um eine Begrenzung des globalen Temperaturanstiegs scheitern, sei bereits zeitnah mit erheblich negativen Folgen für die Real- und Finanzwirtschaft zu rechnen, in deren Verlauf die Portfolios je nach Risikogewichtung zwischen 45 und 23 Prozent an Wert verlieren könnten. Selbst für den Fall, dass die Stabilisierung des Klimas gelingt, rechnen die Wissenschaftler mit Performanceverlusten in zweistelliger Höhe. Etwa die Hälfte dieser Klimawandelrisiken könnten die Investoren verhindern, indem sie ihre Portfolios rechtzeitig umschichten. Vor diesem Hintergrund ermutigen die Forscher die Investmentbranche, den Klimawandel als Risikofaktor schon jetzt in die Investmentprozesse aufzunehmen.

Mit den Chancen der klimaschutzbedingten Transformation der Wirtschaft für Investoren befasst sich eine weitere Studie von Union Investment. Unter dem Titel "Wesentlichkeit von CO2-Emissionen für Investitionsentscheidungen" haben Prof. Dr. Alexander Bassen und Prof. Dr. Timo Busch von der Universität Hamburg den Zusammenhang von CO2-Intensität und der Kapitalmarktperformance von Unternehmen untersucht. Darüber hinaus ermittelten die beiden Wissenschaftler, wie sich eine verursachergerechte Verteilung der Klimakosten auf die Gewinne CO2-intensiver Unternehmen auswirken würde. Die empirische Analyse der Kapitalmarktperformance basiert auf einem globalen und mehr als 4 000 Unternehmen umfassenden Datensatz über die spezifischen CO2-Emissionen von Unternehmen sowie Finanzdaten von Thomson Reuters Datastream.

Um die Relevanz der CO2-Emissionen für die Aktienperformance zu untersuchen, wurden verschiedene Aktienportfolios in Abhängigkeit von der CO2-Intensität der jeweiligen Unternehmen gebildet. Im Ergebnis zeigten sich klare Vorteile einer Anlagestrategie, die auf Aktien von Unternehmen mit niedriger CO2-Intensität setzt. Während das Portfolio aus Aktien von Unternehmen mit der niedrigsten CO2-Intensität gegenüber dem Vergleichsindex eine Mehrrendite von 0,39 erzielte, wies das CO2-intensivste Portfolio eine Minderrendite von 0,38 auf. Durch die Strukturierung von Portfolios nach CO2-Intensitäten kann daher im Durchschnitt eine signifikante Überrendite von rund 0,8 Prozent erzielt werden. Der Grund: Die Finanzmärkte scheinen geringe CO2-Emissionen bereits als Indikator für künftige Wertschöpfungspotenziale und Wachstumschancen zu sehen.

Steigende Klimakosten der Unternehmen

Interessanterweise ist ein entsprechender Zusammenhang bisher empirisch noch nicht eindeutig bestätigt worden. Die Auswertung von 31 Studien zu dieser Fragestellung erkennt vielmehr annähernd zu gleichen Teilen positive wie negative Korrelationen. Hohe Emissionen können also tatsächlich auch eng mit der Wertschöpfung eines Unternehmens verknüpft sein. Dieser Wirkungszusammenhang dürfte sich vermutlich aber deutlich abschwächen. Denn es ist zu erwarten, dass es angesichts der internationalen Initiativen zum Klimaschutz in Zukunft zu einer verursachergerechteren Verteilung der sogenannten externen Klimakosten kommen wird. Darunter sind Kosten zu verstehen, die bislang nicht von den Unternehmen, sondern von der Allgemeinheit getragen werden.

Diesen Effekt haben die Professoren der Universität Hamburg in ihrer Studie mit Blick auf ausgewählte Branchen ebenfalls näher betrachtet. Dazu wurde anhand von zwei Szenarien analysiert, wie die externen Kosten künftig zwischen den Wirtschaftsakteuren aufgeteilt werden könnten: Während im ersten Szenario das Unternehmen 100 Prozent der externen Kosten trägt, beläuft sich der Anteil im zweiten Szenario auf 50 Prozent. Anhand dieser Szenarien wurde dann ermittelt, wie sich die Übernahme der externen Klimakosten auf den durchschnittlichen Gewinn der letzten zehn Jahre ausgewirkt hätte.

Blick auf die Automobilindustrie

Die Ergebnisse veranschaulichen, dass fünf der acht untersuchten Stromversorger (Eon, EDF, Endesa, Enel und RWE) in Szenario 1 keinen Gewinn mehr erwirtschaften würden. Selbst unter der Annahme, dass 50 Prozent der Kosten über den Strompreis an die Kunden weitergeben werden, würden bei den beiden deutschen Unternehmen RWE und Eon die Klimakosten den Gewinn übersteigen. Ein ähnliches Bild zeigt sich bei den Rohstoffunternehmen. Bei einer Weitergabe von 100 Prozent der Klimakosten wären die Gewinne von fünf der acht betrachteten Unternehmen stark beeinträchtigt.

Mit Blick auf die Automobilindustrie wurden ausschließlich die nachgelagerten CO2-Emissionen berücksichtigt, die nach der Produktion eines Autos in der Nutzungsphase entstehen. Im Fokus der Studie standen für den europäischen Markt produzierte Autos von acht internationalen Herstellern. Die Resultate zeigen, dass die Klimakosten der Automobil-Nutzungsphase eine beachtliche Auswirkung haben. So hätte die Übernahme der nachgelagerten Klimakosten den Unternehmensgewinn bei Hyundai, Toyota, Fiat und Renault im Jahr 2013 teilweise deutlich überstiegen.

Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass die Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels die Real- und Finanzwirtschaft in den kommenden Jahren erheblich beeinflussen werden. Die künftigen Erträge vieler Unternehmen hängen davon ab, wie gut sie sich auf den energiepolitischen Wandel einstellen. Für Investoren sind CO2-Emissionen daher notweniger Bestandteil eines professionellen Chancen- und Risikomanagements ihrer Portfolios.

Alexander Schindler , Mitglied des Vorstands , Union Investment

Weitere Artikelbilder

Noch keine Bewertungen vorhanden


X