Inflation: Auswirkungen auf die reale Vermögens- und Eigenkapitalrendite

Prof. Dr. Marc Peter Radke, Foto: Roland Sigwart

Die Inflation ist in Deutschland mit 7 Prozent so hoch wie seit 40 Jahren nicht mehr. Eine ganze Generation sieht sich laut den Autoren damit erstmals mit Preissteigerungen auf breiter Front konfrontiert. Insbesondere in Deutschland würden auf die negativen Folgen auch für Sparer hingewiesen, zumal noch ein Nullzinsumfeld zu finden ist. Doch mit dem vorliegenden Beitrag wollen Radke und Rupprecht überprüfen, ob die Inflation und Nullzinsphase tatsächlich einen negativen Einfluss auf die realen Renditen haben. Dazu haben sie auch die Effekte auf die Fremdkapitalkosten mit einbezogen. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass die reale Gesamtvermögensrendite deutlich höher ist als im langfristigen Schnitt. Das liegt jedoch nicht nur an historisch niedrigen Kosten für Kredite, sondern auch an durch Inflation und Nullzins angefeuerten hohen Renditen am Aktienmarkt. Allerdings gelte das nur für Sparer mit gut diversifiziertem Portfolio und eher weniger für klassische Sparer beispielsweise via Bankeinlagen. (Red.)

Die Inflation ist zurück. Und wie! Mit über 7 Prozent fielen die jährlichen Preissteigerungen hierzulande zuletzt so hoch aus wie seit über vierzig Jahren nicht mehr (Statistisches Bundesamt 2022). Eine ganze Generation sieht sich erstmals mit deutlichen Preiserhöhungen auf breiter Front konfrontiert. Anfangs vielfach als vorübergehende ("transitorische") Folge der pandemiebedingten Verwerfungen abgetan, spricht nun immer mehr dafür, dass die Inflation gekommen ist, um zu bleiben. Zumindest vorerst.

Anderswo ist die Lage ähnlich. Ob Spanien, Italien oder Frankreich, überall im Euroraum liegt die Inflationsrate derzeit deutlich über den von der EZB anvisierten 2 Prozent, zum Teil sogar erheblich. Auch in anderen Industrieländern steigen die Preise kräftig. Entsprechend haben erste Zentralbanken mit der geldpolitischen Straffung begonnen, wenn auch aus Sicht einiger Experten zu zögerlich oder zu spät (The Economist 2022). Die EZB wird ebenfalls früher oder später dazu übergehen, eine erste Zinserhöhung im Juli scheint derzeit wahrscheinlich. Doch ob die dann ergriffenen Maßnahmen ausreichen, um die hiesige Inflation mittelfristig effektiv in Richtung Zielwert zu senken, ist nicht nur angesichts der hohen Staatsverschuldung in Europa fraglich.

Abbildung 1: Reale Renditen privater Haushalte nach Vermögensart, Quelle: M. Radke/M. Rupprecht

Abbildung 1: Reale Renditen privater Haushalte nach Vermögensart, Quelle: M. Radke/M. Rupprecht

Infolgedessen häufen sich Warnungen vor den negativen Folgen der hohen Inflation, vor allem hierzulande. Intensiv diskutiert wird unter anderem über die Auswirkungen für Arbeitnehmer, für Transfereinkommensbezieher - und für Sparer. Letztere, so heißt es, seien schon lange gebeutelt, erst von den Niedrig- und Negativzinsen, jetzt auch noch von der Inflation (siehe exemplarisch Schickentanz 2022). Dass schon länger bestehende Narrativ, wonach sich Sparen nicht mehr lohne, scheint sich nun endgültig zu bestätigen.

Heterogene Entwicklungen der realen Renditen

Doch stimmt das eigentlich? Wie hat sich die reale Vermögensrendite der deutschen Privathaushalte aus makroökonomischer Perspektive in jüngster Zeit tatsächlich entwickelt? Und sind neben Guthaben nicht auch Schulden von der hohen Inflation betroffen? Wir gehen diesen Fragen nachfolgend auf den Grund. Ausgangspunkt ist ein bereits zu einem früheren Zeitpunkt an dieser Stelle vorgestellter Datensatz (Radke und Rupprecht 2020), der auf den Vorgaben des Europäischen Systems Volkwirtschaftlicher Gesamtrechnungen 2010 (ESVG 2010; Europäische Kommission 2014) hinsichtlich der Definition und Ermittlung des Gesamtvermögens privater Haushalte basiert. Bislang wurde darin ausschließlich das Vermögen berücksichtigt, nicht aber die Passivseite der Vermögensbilanz. Die Betrachtung war insofern einseitig. Im vorliegenden Beitrag wird diese durch die erstmalige Berücksichtigung der Fremd- und Eigenkapitalpositionen - ebenfalls basierend auf den Vorgaben des ESVG 2010 - erweitert. Somit können zusätzlich zur Entwicklung der realen Rendite aller Aktiva auch die Auswirkungen der seit 2008 stark gefallenen realen Fremdkapitalzinsen auf die Eigenkapitalrendite deutscher Privathaushalte untersucht werden.

Betrachtet man zunächst die Renditen der einzelnen Aktiva (Abbildung 1), ergibt sich vor allem am aktuellen Rand ein sehr heterogenes Bild. So zeigt sich, dass die reale Rendite, die hiesige Privathaushalte im Jahr 2021 (dem jüngsten Zeitpunkt in unserem Datensatz) mit ihren Bankeinlagen erzielten, tatsächlich außerordentlich niedrig ausfiel. Wirklich ertragreich war diese Anlageform seit Einführung des Euros zwar nie, aber mit minus 3 Prozent markierte die reale Rendite zuletzt einen historischen Tiefpunkt - maßgeblich wegen der hohen Inflation. Auch Ansprüche gegenüber Versicherungen (minus 0,1 Prozent) und Schuldverschreibungen (minus 2,4 Prozent) rentierten zuletzt im negativen Bereich. Damit verzeichneten all diese Anlageformen reale Renditen deutlich unter ihren langfristigen Durchschnittswerten.

In den anderen großen Ländern des Euroraums ist die Lage ähnlich. Auch in Spanien, Italien und Frankreich sowie im Euroraum insgesamt fielen die realen Erträge verzinslicher Schuldtitel im Jahr 2021 ungewöhnlich niedrig aus. Zum Teil markierten auch sie historische Tiefststände. Durchweg negativ waren die Renditen allerdings nur in Deutschland. Dies spricht für das oben genannte Narrativ und mag zusammen mit den historischen Inflationserfahrungen zur Erklärung beitragen, warum die Diskussion über die derzeitigen Preissteigerungen hierzulande - mal wieder - besonders intensiv geführt wird.

Haushalte besitzen aber nicht nur Schuldtitel. Sie investieren auch in andere Vermögensklassen wie Aktien, Investmentfonds oder Immobilien. Und dort zeigte sich im selben Zeitraum ein ganz anderes Bild. So ging die Rally an den Aktien- und Immobilienmärkten trotz des Coronadämpfers und erster Zinserhöhungen im Ausland unvermindert weiter, zum Teil sogar wegen des Inflationsanstiegs. Infolgedessen erzielten deutsche Privathaushalte im Jahr 2021 mit ihren Aktieninvestments real gesehen satte 27,5 Prozent Rendite - mehr als drei Mal so viel wie im langjährigen Durchschnitt (7,9 Prozent). Auch die realen Erträge auf Immobilienvermögen fielen mit 7,5 Prozent überdurchschnittlich gut aus. Und nicht nur das: Sie waren damit auch höher als in allen anderen großen Ländern des Euroraums.

Die pauschale Behauptung, wonach die hohe Inflation vor allem hiesige Sparer belaste, ist angesichts dieser Datenlage also unzutreffend. Es stimmt zwar, dass sich das Sparen über bestimmte Anlageformen derzeit nicht lohnt, sogar zu Kaufkraftverlusten führt. Richtig ist aber auch, dass wertstabiles Sparen bei anderen Anlageformen weiterhin möglich ist, sogar mit überdurchschnittlichen Erträgen. Entscheidend ist also, wie gespart wird. Das ist zwar hinlänglich bekannt, wird in der Diskussion um die Folgen der Inflation bisweilen aber gern vergessen.

Doch damit nicht genug. Neben den realen Renditen auf Bankeinlagen und Schuldtiteln sanken auch die Fremdkapitalkosten in den vergangenen Jahren auf historisch tiefe Niveaus (Abbildung 2). Dies gilt unabhängig vom Verwendungszweck, das heißt sowohl für Konsumenten- als auch für Immobilienkredite. Auch die vereinbarte Laufzeit spielt keine Rolle. Und die hohe Inflation wirkt auch hier. Konkret sank die reale Zinsbelastung für Kreditschulden der deutschen Privathaushalte im Jahr 2021 laut unseren Berechnungen auf unter minus 1 Prozent; für kurzfristige Kredite waren es sogar fast minus 1,5 Prozent. Das ist ein neuer Tiefststand und zudem das erste Mal seit Beginn der Währungsunion, dass dieser Wert im negativen Bereich lag. In den anderen großen Ländern ist die Situation zwar ähnlich (beispielsweise in Italien mit minus 0,4 Prozent), genauso wie im Euroraum insgesamt (minus 0,6 Prozent). Aber so niedrig wie in Deutschland waren die realen Kreditzinsen 2021 nirgendwo.

Positiver Langfristtrend der Gesamtvermögensrendite

Dass Schuldner grundsätzlich Nutznießer hoher Inflation sind, weil letztere zu einer realen Entwertung der Außenstände führt, ist ebenfalls allseits bekannt. Doch dass dies aktuell so deutlich ausfällt, vor allem hierzulande, dürfte die meisten wohl überraschen.

Was bedeuten diese Entwicklungen nun für die Gesamtsituation der hiesigen Privathaushalte? Um dies zu überprüfen, wird zunächst die Entwicklung der realen Gesamtvermögensrendite untersucht. Die Berechnungen folgen dem Ansatz von Radke und Rupprecht (2020, 2021), im Rahmen dessen zunächst die realen Einzelrenditen der Aktiva (Bargeld und Bankeinlagen, Schuldverschreibungen, Aktien, Investmentfondsanteile, Anlagen bei Versicherungen sowie Wohnimmobilien und das dazugehörige Grundstücksvermögen) bestimmt wurden. Die Renditen enthalten dabei sowohl Cashflow-Komponenten wie Zins-, Dividenden- und Mietzahlungen als auch Bewertungsgewinne und -verluste. Anschließend wurden die Einzelrenditen mit ihren jeweiligen Portfolioanteilen am Gesamtvermögen gewichtet und zur realen Gesamtvermögensrendite aufaddiert. Aufgrund von Datenlücken mussten einige wenige Bestands- und Renditedaten für das Berichtsjahr 2021 geschätzt werden.

Abbildung 2: Reale Verzinsung der Kreditschulden privater Haushalte, Quelle: M. Radke/M. Rupprecht

Abbildung 2: Reale Verzinsung der Kreditschulden privater Haushalte, Quelle: M. Radke/M. Rupprecht

Es zeigt sich, dass die reale Gesamtvermögensrendite (Abbildung 3) seit Einführung des Euros einem positiven Trend folgt; mit Beginn der Niedrigzinsphase im Jahr 2008 beschleunigte sich dieser sogar. Selbst im Jahr 2021, in dem die Inflation deutlich zulegte, lag die Gesamtvermögensrendite mit einem Wert von 5,4 Prozent deutlich über ihrem langfristigen Durchschnitt (2000 bis 2021) von 4,1 Prozent. Dies überrascht auf den ersten Blick, lässt sich jedoch im Wesentlichen mit der Portfoliostruktur und den sich daraus ergebenden Beiträgen einzelner Anlageformen erklären (Abbildung 4). So trugen zum einen deutlich wachsende und im langfristigen Vergleich zu anderen Anlageformen überdurchschnittliche hohe Renditen bei Immobilien, Aktien und Investmentfondsanteilen zum langfristigen Positivtrend bei. Zum anderen dominierten diese Aktiva mit einem durchschnittlich langfristigen Portfolioanteil von knapp zwei Dritteln auch die Portfoliostruktur. Folglich bestimmten diese drei Anlageformen maßgeblich Niveau und Dynamik der Gesamtvermögenrendite; ihr Beitrag zur Gesamtrendite lag im langfristigen Schnitt bei rund 90 Prozent.

Eigenkapitalrendite seit 2009 höher als Gesamtvermögensrendite

Die in der öffentlichen Diskussion oft herausgestellten niedrigen und seit Beginn der Niedrigzinsphase meist negativen realen Renditen von Bankeinlagen wurden somit trotz eines nicht zu vernachlässigenden langfristigen Portfolioanteils von 17,6 Prozent deutlich überkompensiert. Auch die niedrigeren und teilweise negativen Renditen anderer verzinslicher Schuldtitel waren im langfristigen Verlauf eher unbedeutend für den Verlauf der Gesamtvermögensrendite. So lag der aggregierte Renditebeitrag der Anlageformen Bargeld und Bankeinlagen, Schuldverschreibungen und Anlagen bei Versicherungen zur realen Gesamtvermögensrendite im langfristigen Mittel insgesamt bei nur knapp 10 Prozent.

Schon die Analyse der realen Gesamtvermögensrendite zeigt also, dass das oben genannte Narrativ, wonach sich das Sparen nicht mehr gelohnt habe, so pauschal nicht zutrifft, zumindest nicht auf makroökonomischer Ebene. Eine reine Fokussierung auf diesen Indikator greift aber zu kurz, da auch der Einfluss der realen Fremdkapitalkosten auf die Vermögensrendite berücksichtigt werden sollte. Dieser Überlegung wird im Folgenden mit der Ermittlung der realen Eigenkapitalrendite auf aggregierter Ebene Rechnung getragen. Die Berechnung beruht auf dem Weighted Average Cost of Capital (WACC)-Ansatz aus dem Bereich Unternehmensfinanzierung. Demnach errechnen sich die gewichteten durchschnittlichen realen Kapitalkosten (WACC) einer wirtschaftlichen Einheit, das heißt die aggregierte reale Renditeforderung aller Passiva bestehend aus Eigen- und Fremdkapital, als Summe aus den mit der Fremdkapitalquote gewichteten realen Fremdkapitalzinsen und der mit der Eigenkapitalquote gewichteten realen Eigenkapitalrendite. Zudem gilt, dass die durch die Passivseite bestimmten durchschnittlichen realen Kapitalkosten gleich groß sein müssen wie die durch alle Aktiva bestimmte Gesamtvermögensrendite, da die durch alle Aktiva erwirtschaftete Rendite vollständig an die Passivposten Fremd- und Eigenkapital verteilt werden muss. Formal gilt

WACC = rFK x (FK / GV) + rEK x (EK / GV) = rGV (1)

wobei WACC die durchschnittlichen realen Kapitalkosten oder die durchschnittliche reale Renditeforderung aller Passiva, rFK die realen Fremdkapitalzinsen, r EK die reale Eigenkapitalrendite, FK den Marktwert des Fremdkapitals, EK den Marktwert des Eigenkapitals, GV (= FK + EK) das zu Marktpreisen bewertete Gesamtvermögen (= Bilanzsumme = Summe aller Aktiva = Summe aller Passiva), FK/ GV die Fremdkapitalquote, EK/ GV die Eigenkapitalquote und rGV die reale Gesamtvermögensrendite aller Aktiva (= WACC) bezeichnet. Folglich lässt sich die reale Eigenkapitalrendite gemäß Gleichung (1) indirekt aus den Komponenten Fremd- und Eigenkapital sowie aus der bereits berechneten realen Gesamtvermögensrendite (r GV = WACC) und der realen Fremdkapitalverzinsung berechnen als

rEK = rGV + (FK / EK) x (rGV - rFK) (2)

wobei die Relation FK/EK den Verschuldungsgrad bezeichnet und die Differenz zwischen der Gesamtvermögensrendite und der Fremdkapitalverzinsung die Art und Wirkungsweise des jeweils vorliegenden Leverage-Effekts (Hebeleffekt) definiert.

Die gemäß Gleichung (2) bestimmte reale Eigenkapitalrendite (Abbildung 3) der deutschen Privathaushalte folgte über den gesamten Berichtszeitraum hinweg einem positiven Trend und beschleunigte sich ebenfalls mit Beginn der Niedrigzinsphase. Selbst im "Inflationsjahr" 2021 lag die Eigenkapitalrendite mit einem Wert von 6,3 Prozent deutlich über dem langfristigen Durchschnitt (2000 bis 2021) von 4,2 Prozent. Diese positive Langfristentwicklung war einerseits durch die positive Entwicklung der Gesamtvermögensrendite und andererseits durch einen positiven Trend des Leverage bedingt. War der Leverage bis 2008 meist noch negativ und folglich die Eigenkapitalrendite geringer als die Gesamtvermögensrendite, drehte dieser während der Niedrigzinsphase durchweg aufgrund einer stetigen Zunahme der Gesamtvermögensrendite bei gleichzeitiger Reduktion der Fremdkapitalzinsen in den positiven Bereich. Folglich lag seit 2009 die Eigenkapitalrendite über der Gesamtvermögensrendite. Die positive Wirkung des Leverage auf die Eigenkapitalrendite wurde allerdings durch den stetigen Rückgang des Verschuldungsgrades (Abbildung 3) etwas gedämpft. Hinter dieser Reduktion stand eine absolute, aber moderate Ausweitung des Fremdkapitals, die jedoch durch die Steigerung des bilanziellen Eigenkapitals, maßgeblich bedingt durch das Wachstum der Portfoliowerte bei Aktien, Investmentfondsanteilen und Immobilien, deutlich überkompensiert wurde. Betrachtet man die Renditebeiträge des Eigen- und Fremdkapitals zur Gesamtrendite aller Passiva (Abbildung 4), so wurden noch im Vorkrisenzeitraum im Schnitt 35,7 Prozent der Gesamtrendite an den Faktor Fremdkapital und 64,3 Prozent an den Faktor Eigenkapital ausgeschüttet. Während der Niedrigzinsphase verschoben sich diese Anteile deutlich zugunsten des Faktors Eigenkapital, an den im Schnitt 93,6 Prozent ausgeschüttet wurden; der Anteil des Fremdkapitals sank dementsprechend auf 6,4 Prozent.

Langfristige Renditeentwicklung

Ein Vergleich der Entwicklung der Gesamtvermögens- und Eigenkapitalrenditen der vier großen Euroraumländer (Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien) und des Euroraums als Ganzes (Abbildung 5) macht zudem die außerordentlich positive langfristige Renditeentwicklung in Deutschland deutlich. Während beide Renditen in Deutschland auf lange Sicht einem positiven Trend folgten, verlief die Entwicklung anderswo in negativer Richtung. Für den Euroraum als Ganzes war eher eine Seitwärtsbewegung beobachtbar, die jedoch maßgeblich durch die positive Entwicklung in Deutschland bedingt war.

Abbildung 3: Reale Renditen der Aktiva und Passiva sowie Verschuldungsgrad privater Haushalte in Deutschland, Quelle: M. Radke/M. Rupprecht

Abbildung 3: Reale Renditen der Aktiva und Passiva sowie Verschuldungsgrad privater Haushalte in Deutschland, Quelle: M. Radke/M. Rupprecht

Die Ursachen für die Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern waren vielfältig. Manchmal dominierten landesspezifische Preis- oder Zinsentwicklungen (insbesondere bei Immobilien und Wertpapieren), manchmal waren die Unterschiede in den Portfoliostrukturen verantwortlich. Doch unabhängig davon spricht dieses Ergebnis dafür, dass Klagen über die negativen Auswirkungen von Niedrigzinsen und hoher Inflation vor allem für deutsche Sparer überzogen sind, zumindest bislang.

Aus makroökonomischer Perspektive sind die Auswirkungen der hohen Inflation auf die reale Vermögensrendite hierzulande bislang also weniger dramatisch als vielfach behauptet. Klar ist aber auch, dass sich Portfolios einzelner Haushalte voneinander unterscheiden. Nicht jeder Haushalt investiert in jede Anlageform. Die Gründe dafür variieren: unzureichende Kenntnisse, Vorbehalte gegenüber bestimmten Anlageformen, bisweilen auch zu geringes Einkommen (wobei letzteres für sich genommen selten ausschlaggebend ist).

Abbildung 4: Reale Renditebeiträge der Aktiv- und Passivposten zur Gesamtvermögensrendite privater Haushalte in Deutschland, Quelle: M. Radke/M. Rupprecht

Abbildung 4: Reale Renditebeiträge der Aktiv- und Passivposten zur Gesamtvermögensrendite privater Haushalte in Deutschland, Quelle: M. Radke/M. Rupprecht

Am Ergebnis ändert dies freilich nichts. Werden überwiegend Bankeinlagen gehalten, fallen die Renditen deutlich niedriger aus als bei einem hohen Anteil von Aktien oder Immobilien. Da Umfragen für Deutschland regelmäßig zeigen, dass Haushalte mit geringem Vermögen primär Bankeinlagen und Versicherungsprodukte besitzen, während die renditestärkeren Anlageformen erst mit zunehmendem Vermögen bedeutend werden, überrascht es nicht, dass ärmere Haushalte hierzulande im Allgemeinen geringere reale Renditen erzielen als ihre reicheren Pendants. Das konnte in einer anderen Studie auf Basis von EZB-Daten gezeigt werden (Andreasch, Radke und Rupprecht 2020).

Gesamtwirtschaftliche Analyse nicht repräsentativ

Dabei wurde aber auch deutlich, dass dieser Unterschied geringer ausfällt als vielfach angenommen. Phasenweise ging er sogar spürbar zurück. Betrachtet man allein das Finanzvermögen, ging die Spannweite zwischen den Haushalten mit der geringsten und der höchsten Rendite von 3,8 Prozentpunkten im Jahr 2010 auf 2,1 Prozentpunkte im Jahr 2017 zurück (aktuellere Daten liegen bislang nicht vor). Das ist immer noch stattlich und fand zudem vor dem neuerlichen Anziehen der Inflation statt. Dennoch, der Unterschied ist nicht so hoch wie bisweilen im öffentlichen Diskurs suggeriert.

Weniger dramatisch als behauptet

Es ist völlig unstrittig, dass die Geldentwertung die Sparer belastet, hierzulande und anderswo. Dies gilt vor allem, wenn diese einseitig in renditeschwache Anlageformen investieren. Insofern spricht auch aus dieser Perspektive vieles dafür, der derzeitigen Teuerung geldpolitisch entschieden(er) entgegenzutreten. Pauschale Behauptungen, wonach die Inflation die Vermögen der Deutschen erodieren, sind aber fehl am Platz.

Abbildung 5: Reale Gesamtvermögens- und Eigenkapitalrenditen privater Haushalte im Euroraum, Quelle: M. Radke/M. Rupprecht

Abbildung 5: Reale Gesamtvermögens- und Eigenkapitalrenditen privater Haushalte im Euroraum, Quelle: M. Radke/M. Rupprecht

Unsere Analyse zeigt vielmehr, dass die Folgen der hohen Preissteigerungen für die Vermögensrenditen - makroökonomisch gesehen - bislang weit weniger dramatisch sind als vielfach behauptet. Tatsächlich erzielten deutsche Privathaushalte 2021 sogar höhere reale Renditen als im langfristigen Mittel. Auch im Vergleich mit anderen Euroländern schnitten sie überdurchschnittlich gut ab. Das gilt insbesondere, wenn man neben den realen Erträgen des Vermögens auch die realen Kosten der Verschuldung berücksichtigt. Letzteres wird in der Diskussion gern vergessen, gehört zu einer vollständigen Betrachtung aber dazu.

Fußnoten

1) Eine erstmalige Quantifizierung der aggregierten realen Finanzvermögensrendite deutscher Privathaushalte erfolgte durch die Deutsche Bundesbank (2015). Basierend auf einem leicht modifizierten Ansatz erweiterten Radke und Rupprecht (2018, 2019)diese Renditeberechnung zunächst auf das Finanzvermögen privater Haushalte in den vier großen Euroraumländern (Deutschland, Frankreich, Italien, Spanien) und für den Euroraum als Ganzes. Ein Nachteil beider Ansätze war die Vernachlässigung des Sachvermögens, dessen Anteil am Gesamtvermögen im längerfristigen Durchschnitt in der Vergangenheit überall zwischen 60 und 70 Prozent lag. Bedingt war dies primär durch mangelnde Datenverfügbarkeit. Radke und Rupprecht (2020, 2021)konnten diese Datenlücken durch die Einführung einer neuen Methodik beseitigen und somit erstmals eine im Sinne des ESVG 2010 sehr breit gefasste Gesamtvermögensrendite für die privaten Haushalte der vier großen Euroraumländer und für den Euroraum als Ganzes berechnen.

2) Laut ESVG 2010 wird das in der aggregierten Vermögensbilanz privater Haushalte ausgewiesene Eigenkapital als Reinvermögen bezeichnet. Folglich handelt es sich bei der dargestellten Eigenkapitalrendite um die Reinvermögensrendite privater Haushalte im Sinne des ESVG 2010.

3) Im Bereich der Unternehmensfinanzierung wird die Bilanzsumme oft als Gesamtkapital bezeichnet. Folglich werden auch die WACC und die Gesamtvermögensrendite oft als gewichtete durchschnittliche Gesamtkapitalrendite definiert. Da jedoch im volkswirtschaftlichen Rechnungswesen der Begriff "Gesamtkapital" im Sinne der Bilanzsumme nicht geläufig ist und die Summe aller Aktiva als Gesamtvermögen bezeichnet wird, soll im Folgenden auf die Begriffe "Gesamtkapital" und "Gesamtkapitalrendite" verzichtet werden.

4) Folglich ist die Eigenkapitalrendite beim Vorliegen eines positiven/negativen Leverage, das heißt im Falle einer Fremdkapitalverzinsung, die geringer/ höher ist als die Gesamtvermögensrendite, für jeden Verschuldungsgrad größer/kleiner als die Gesamtvermögensrendite und kann zudem durch eine Erhöhung des Verschuldungsgrades gesteigert/reduziert werden.

Ein Literaturverzeichnis zu diesem Beitrag können Sie hier abrufen.

Prof. Dr. Marc Peter Radke , Professur International Economics , Hochschule Furtwangen, HFU Business School, Villingen-Schwenningen
Prof. Dr. Manuel Rupprecht , Dekan und Professur Volkswirtschaftslehre, insbesondere Internationale Wirtschaftspolitik , FH Münster, Münster School of Business, Münster

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