"Das Weltwirtschaftsforum in Davos gilt als Symbol für die ungebändigte Globalisierung, die die Ausbeutung von Menschen und Ressourcen befeuert, Finanzkrisen den Boden bereitet und soziale Ungleichheit verschärft hat. Bei aller berechtigten Kritik bietet Davos aber auch Raum für kontroverse und kritische Debatten über diese Fragen.
So stand Anfang 2020 die Klimakrise im Zentrum - und damit verbunden die Erkenntnis, dass die Erderhitzung große Risiken für Finanzmärkte, Wirtschaft und Sicherheit bedeutet. Seitdem haben die Coronapandemie und der russische Angriffskrieg auf die Ukraine die Welt erschüttert. Der Welthandel ist ins Stocken geraten, Lieferketten reißen, es droht eine Hungerkrise, weil Russland Weizenlieferungen aus der Ukraine blockiert.
Eine De-Globalisierung wäre die falsche Antwort
Aus dieser Erschütterung heraus muss ein Umdenken erwachsen. Es ist Zeit, sich klar zu werden, wie wir die Globalisierung besser, fairer und nachhaltiger machen. Es gilt, Resilienz zu stärken und Kooperation neu zu begründen. Und diese Debatte müssen wir führen, auch in Davos. [...]
Es wäre dabei falsch, die Antwort auf die Krisen in einer De-Globalisierung zu suchen. Das würde Rückzug, Abschottung und Nationalismen bedeuten - in einer Zeit, in der die Stärke von Bündnissen mehr gefragt ist denn je. Wir müssen stattdessen die politischen Rahmenbedingungen so gestalten, dass eine weltweite Zusammenarbeit auf Basis von klaren und fairen Regeln im Mittelpunkt steht. Entsprechend sollten wir auch den Welthandel in Zukunft ausgestalten - mit fairen Abkommen, die anerkennen, dass Nachhaltigkeit die Essenz von Handel ist, kein Nice-to-have.
Bilaterale Handelsabkommen
Solange eine Reform der WTO blockiert ist, sollten wir auf bilaterale Handelsabkommen mit klaren Standards setzen. Ein Ziel ist, einseitige Abhängigkeiten zu verringern, indem wir mehr Diversifizierung und Risikovorsorge betreiben. Mehr und bessere Kooperation macht uns widerstandsfähiger und schützt uns. [...]
Globalisierung braucht Regeln, und um diese zu gestalten, müssen Menschen mit Macht miteinander reden. Das ist die Chance von Davos. Allerdings ist Davos angesichts der hohen Gebühren derzeit ein exklusiver Ort, der dadurch das Wissen und die Impulse von gesellschaftlichen Interessengruppen außen vorlässt. Das zu überdenken, ist wichtig. Das Weltwirtschaftsforum sollte sich nicht abschotten."