Die Digitalisierung der Geldwäscheprävention wird kurzfristig unvermeidbar

Tobias Schweiger, Foto: HAWK:AI

Ausgerechnet während einer Pandemie wurden in Deutschland mehrere Finanzskandale offengelegt, die das Thema Finanzkriminalität in die Mitte des öffentlichen Diskurses befördern konnten. Neben der Rolle der Finanzaufsichtsbehörden fällt auch ein Schlaglicht auf die Maßnahmen, die bei Banken und Zahlungsdienstleistern ergriffen werden, um Geldwäsche und Betrug zu verhindern. Bei näherer Betrachtung fällt Beobachtern auf: Viele Institute nutzen veraltete Methoden und Systeme, die immer neuen und agileren Methoden der Finanzkriminalität nicht mehr gerecht werden können. Deswegen steht die Finanzbranche, wie in vielen anderen internen Bereichen, auch hier vor einem notwendigen Umbruch. Der Einsatz moderner Technologien wie maschinellem Lernen und ein sinnvoller Austausch relevanter Daten unter den Instituten zur Früherkennung von Auffälligkeiten über komplexe Netzwerke hinweg werden bereits auf kurze Sicht unabdingbarer Teil der Bekämpfung krimineller Aktivitäten im Finanzsektor. Durch die erhöhte öffentliche Aufmerksamkeit erhofft sich der Autor des vorliegenden Beitrags eine rasche Digitalisierung der Geldwäscheprävention und argumentiert auch, dass dies bei einem gesteigerten Bewusstsein des Themas beim Kunden in Zukunft ein Wettbewerbsvorteil für Institute sein könnte. (Red.)

Die Herausforderung für Finanzinstitute, geldwäscherechtlichen Pflichten nachzukommen, genießt derzeit deutlich gesteigerte Aufmerksamkeit - nicht zuletzt aufgrund der Skandale der vergangenen Jahre, aber auch durch Corona ausgelöste, neue Arten von Finanzkriminalität. Nicht nur beschäftigen sich deshalb die Aufsichtsgremien und Führungen von Banken wie auch zunehmend von Zahlungsinstituten damit - auch das öffentliche Interesse an der Thematik Geldwäsche- und Betrugsprävention nimmt zu.

Die Frage für die Bankführung, inwieweit in das Thema zu investieren ist, wird deshalb immer weniger allein durch die reaktive Umsetzung von regulatorischen Vorgaben beantwortet. Vielmehr nimmt die Adressierung des Problems oft auch proaktive Züge an, nicht zuletzt, um den Bankkunden belastbare Sicherheitsmechanismen vorweisen zu können, zur Verbesserung der Reputation und Wahrnehmung im Markt.

Die unflexiblen IT-Systeme der Vergangenheit aber werden wirksamer Geldwäsche- oder Betrugsprävention immer weniger gerecht. Die dort verwendeten Technologien sind nicht selten 20 Jahre alt und machen schnelle Anpassungen an neue Anforderungen unmöglich. Viele Häuser beschäftigen sich deshalb im Kontext ihrer Digitalisierungsstrategien und der Renovierung veralteter IT-Systemlandschaften auch mit der Modernisierung von Prozessen und Systemen in der Geldwäsche- und Betrugsprävention.

Je nach Ausrichtung und Wachstumspfad des Finanzinstitutes haben dabei die Bereiche KYC (Know Your Customer) und Transaktionsüberwachung (Sanktion, AML Anti Money Laundering) unterschiedliches Gewicht. Dazu kommt die Betrugsprävention als heute noch zu oft separat geführte organisatorische Einheit. Dabei spielen neben besseren Erkennungsraten (also dem tatsächlichen Bekämpfen von Finanzkriminalität) auch Effizienzüberlegungen eine zunehmend große Rolle.

Die Einbettung von neuen Abläufen zur Kontoeröffnung (beispielsweise Video-Ident) erzeugt dabei Herausforderungen, genauso wie die Nutzung von neuen, analytisch geprägten Systemen zur Erkennung von verdächtigem Transaktionsverhalten. Etablierte Institute haben damit einen grundsätzlichen Nachteil gegenüber deutlich "digitaler" aufgestellten neuen Zahlungsinstituten oder Neo-Banken.

Sinn des Einsatzes moderner Technologie

In der Geldwäsche- und Betrugsprävention ist damit eines klar, egal ob es um die Verbesserung der Kriminalitätsbekämpfung oder der Prozesseffizienz geht: Nur der beherzte Einsatz von modernen Verfahren wird Besserung bringen. Diese Erkenntnis macht sich in Instituten wie auch der Regulierung breit - wie unschwer an publik gemachten Vorhaben wie Anti Financial Crime Alliance (AFCA) oder Financial Big Data Cluster (FBDC) zu erkennen ist.

In Summe tritt also der Appetit, neue Lösungen einzusetzen, in den Vordergrund und verdrängt dabei bisherige Bedenken der Vorstände. Und das ist eine richtige Entwicklung, weil die Zeit reif ist. Vor ein oder zwei Jahren waren viele Technologien nicht etabliert genug, um aus Risikogesichtspunkten sinnvoll eingesetzt zu werden. Die Technologien sind heute aber so weit fortgeschritten, dass sich vielversprechende Ansätze verwirklichen lassen. Dies, nicht trotz, sondern aufgrund der regulatorischen Rahmenbedingungen, die solche Ansätze mindestens nicht verhindern - wenn auch noch nicht in allen Bereichen wünschenswerterweise aktiv befördern.

In jedem Fall zeichnet sich damit für den Einsatz von Software-as-a-Service-Lösungen auf Basis von modernen APIs und Cloud-Auslagerung keine erkennbare regulatorische Hürde ab - es bleibt allenfalls ein wahrgenommenes Risiko und damit eine mentale Hürde. Diese gilt es zu überwinden, will man als Institut tatsächlich aktiv an der Digitalisierung seiner Prozesse arbeiten.

Ebenso ist ein Fortschritt im Denken hinsichtlich des Einsatzes von künstlicher Intelligenz, eher wohl maschinellem Lernen, im Markt spürbar. Nicht nur werden vielerorts solche Modelle im Risikomanagement unterschiedlichster Bereiche bereits eingesetzt, auch zeichnet sich eine aktive Zusammenarbeit zwischen Instituten und innovativen Unternehmen in diesem Bereich ab. Moderne Ansätze im Management der institutseigenen Datentöpfe beziehungsweise in der Verknüpfung derselben (gerne als "Data Lake" bezeichnet) sind die Basis für eine solche Zusammenarbeit zwischen Institut und Innovator. Dies beschleunigt die Adaption solcher Verfahren - sofern die Institutsleitung bereit ist, solche Partnerschaften zuerst auszuprobieren und dann auch in den Betrieb zu überführen.

Ziele in der Geldwäscheprävention

In der Geldwäscheprävention liegt die Herausforderung in der zielgenauen Erkennung von verdächtigen Vorgängen, ohne Fehlalarme zu produzieren. Am Beispiel Transaktionsmonitoring geht es dabei um den Zeitverlauf von Zahlungen, aber sehr oft auch um die Netzwerkebene, also um die Beziehungen zwischen Konten. Die heute oft übliche, ausschließliche Anwendung von vorher festgelegten Regeln und Szenarien zur rechtzeitigen Identifikation von Auffälligkeiten ist dafür ungeeignet. Sie wird der Komplexität im Transaktionsverhalten eines einzelnen Kontos nicht gerecht. Pauschale Schwellenwerte sind damit das Problem, nicht die Lösung - eine risikobasierte Auseinandersetzung mit Kundenverhalten sieht also anders aus.

Hier kommt die Anwendung von maschinellem Lernen ins Spiel. Auf den Einzelfall bezogen ist es damit möglich, Normalverhalten von Auffälligkeit zu unterscheiden. Die eingesetzten Verfahren errechnen einerseits pro Konto Rahmenbedingungen (das Normalverhalten) und sind damit in der Lage, bei jeder Transaktion gegen diese Rahmenbedingungen zu vergleichen. Andererseits ist es möglich, zunächst regelbasiert ausgelöste Alarme neu zu qualifizieren. Dies vermeidet Fehlalarme, manuellen Fallbearbeitungsaufwand und unnötige Friktion im Kundenverhältnis. Das Ergebnis ist bemerkenswert und hoch relevant: Die Erkennungsrate von Geldwäschemustern durch moderne Datenanalyse erhöht sich enorm - ein Beitrag zum Risikomanagement des Institutes. Ebenso lassen moderne Verfahren die drastische Vermeidung von Fehlalarmen und damit die Reduktion von Aufwänden in der Fallbearbeitung zu. Effizienzverbesserung von 50 Prozent und mehr kann die Folge sein.

Die Handlungsoptionen

Um solche Ergebnisse zu realisieren, ist vor allem eine Dimension des Machine Learning wichtig: Erklärbarkeit. Diese wird erreicht durch die Auswahl der verwendeten Methoden sowie eine ausbalancierte, erprobte Kombination von (herkömmlichen) Regeln mit dem Machine Learning. Nur der Einsatz von spezialisierten Verfahren, entwickelt zur Sicherstellung von Auditfähigkeit und Prüfsicherheit, macht dabei Sinn. Selbst der Einsatz von erfahrenen Lösungsanbietern (etwa aus der Betrugsprävention) führt deshalb meist zu Projekten mit weniger Erfolgsaussichten, wenn ein tief verankerter Fokus auf Compliance und Erklärbarkeit fehlt.

Neben maschinellem Lernen spielt zunehmend die Anwendung von Echtzeitsystemen eine Rolle, nicht zuletzt aufgrund der Zunahme von Zahlverfahren wie der Echtzeitüberweisung. API-basierte Lösungen sind dabei die Antwort, da sie echtzeitfähig in bestehende Landschaften von Zahlungsverkehrssystemen eingebunden werden können. Dabei entstehende Aufwände für eine solche Integration können - bei Auswahl der richtigen Partner - durchaus auf ein minimales Maß reduziert werden.

Die Möglichkeit, mit modernen Lösungsanbietern zusammenzuarbeiten und Pilotprojekte loszutreten, sind heute mehr als bisher gegeben. Auf Basis von APIs, Software-as-a-Service und Cloud können auch mit kleinen Budgets und optimierten internen Aufwänden Konzepte erprobt, Effizienz- oder Effektivitätsziele erarbeitet und Implementierungen vorbereitet werden. Der vorausschauende Einsatz von Technologie in der Prävention von Finanzkriminalität wird belohnt werden - zugegebenermaßen wenig planbar, dafür aber sehr binär: Ein vermiedener Skandal vermag sehr wohl das Überleben des Hauses sichern. Die Alternative dazu ist einfach umschrieben: Anhaltende Unsicherheit im Risikomanagement, vor allem im nichtfinanziellen Risikofeld. Plus, natürlich, zunehmende Ineffizienz.

Tobias Schweiger CEO, Co-Founder, HAWK:AI, München
 
Tobias Schweiger , Mitgründer und Geschäftsführer , HAWK:AI GmbH, München
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