Digitale Plattformen - attraktive Alternative für die Kommunalkreditvergabe?

Prof. Dr. Dirk Schiereck, Foto: D. Schiereck

Der Kommunalkredit hat angesichts regulatorischer Verschärfungen und aufgrund des anhaltenden Niedrigzinsumfelds in den vergangenen Jahren für einige Sparkassen sowie kommunale Hausbanken an Attraktivität verloren. Doch das Kommunalkreditgeschäft erfährt durch digitale Marktplätze nun neuen Auftrieb. Die Präsenz auf elektronischen Plattformen zur Kommunalkreditfinanzierung ermögliche den Kreditgebern nämlich die Weiterentwicklung ihrer Digitalkompetenz und durch die Nutzung kostengünstiger Plattformen auch eine neue Attraktivität des Kommunalkredites, so die Autoren, die im vorliegenden Beitrag die Ergebnisse ihrer Befragung (Trendbarometer Kommunalfinanzierung 2022) vorstellen. Unter den knapp 240 teilnehmenden Kommunen hätten der Analyse zufolge bereits 43 Prozent eigene Erfahrungen mit der Nutzung entsprechender Finanzierungsplattformen gemacht. Die Transparenz der Prozesse, die klare Dokumentation und die erzielten Konditionen seien dabei als wichtige Gründe genannt worden. (Red.)

Bereits vor einigen Jahren stellten Lepique und Corsten (2017) fest, dass Verschärfungen in der Regulatorik und nicht zuletzt die anhaltende, historische Niedrigzinsphase bei vielen Sparkassen und anderen kommunalen Hausbanken zu einer deutlich spürbaren Zurückhaltung beim Kommunalkredit geführt haben. Diese gefühlten Einschränkungen nehmen mit der geforderten Einhaltung der Leverage Ratio offensichtlich zu, wenn im Gegensatz zu den risikobasierten Eigenkapitalanforderungen die einzelnen Positionen nicht mit einem individuellen Risikogewicht versehen, sondern ungewichtet berücksichtigt werden, was das margenarme Kommunalkreditgeschäft unattraktiver erscheinen lässt. Auch vor diesem Hintergrund wurden für das "Trendbarometer Kommunalfinanzierung 2022" von der TU Darmstadt in Kooperation mit Komuno, der digitalen Plattform für Kommunalkredite, etwa 300 Finanzentscheider aus Kommunen, kommunalen Unternehmen und Finanzinstituten befragt. Die Ergebnisse unterstreichen sehr eindrucksvoll das schwierige Verhältnis der kommunalen Finanzverwaltungen zu ihren Hausbanken.

Kein Wille zum Abschluss von Finanzgeschäften

Fast neun von zehn befragten Finanzinstituten (88 Prozent) sehen ihren Zugang zu Kommunen und kommunalen Unternehmen als gut oder sehr gut an, was den weiterhin engen Austausch der beteiligten Parteien in der Kommunalfinanzierung unterstreicht. Nur bedeutet die Möglichkeit zum Austausch offensichtlich nicht unbedingt den Willen zum Abschluss von Finanzgeschäften. Denn gerade einmal 19 Prozent der Banken und Sparkassen stufen den Bereich der Kommunalfinanzierung gegenwärtig als attraktiv ein. Es kommen zwar weitere 34 Prozent hinzu, die dieses Geschäft als eher attraktiv bewerten, aber die naheliegende Begründung dieser recht positiven Einstufung erweist sich als sehr situationsbedingt. Denn für 61 Prozent der befragten Kreditinstitute waren kommunale Kassenkredite vor allem interessant als Alternative zu negativ verzinsten Zentralbankeinlagen. Mit Blick auf die zuletzt stark gestiegenen Renditen für Bundesanleihen und die hohe Inflation dürfte die Attraktivität des Kommunalkreditgeschäfts aus Kreditgebersicht damit wohl eher nicht zulegen.

Schwierige Kommunalkreditbeziehung

Die insgesamt also durchaus schwierige Kommunalkreditbeziehung ist allerdings keine Beobachtung nur aus der jüngsten Vergangenheit. Bereits 2015 hatte eine Umfrage der IKB und der Beratungsfirma Iron ergeben, dass die Zahl der Kreditangebote für deutsche Kommunen rückläufig ist. Seither wird immer wieder auf kapitalmarktnahe alternative Finanzierungsformen verwiesen, insbesondere auf den Schuldschein. In diesem Kontext verweisen Brand und Steinbrecher (2021) darauf, dass das Schuldscheindarlehen unter den kapitalmarktbasierten Instrumenten zwar eine hervorgehobene Rolle einnimmt, über solche Instrumente aber insgesamt nur 3 Prozent des kommunalen Fremdkapitalbedarfs gedeckt wird. Auch die Ergebnisse des Trendbarometers Kommunalfinanzierung weisen in diese Richtung. 86 Prozent der befragten Kommunen nutzen überhaupt keine Kapitalmarktinstrumente in ihrer Fremdkapitalaufnahme, die übrigen 14 Prozent ganz überwiegend ausschließlich Schuldscheine. Damit rückt als immer noch recht neue, innovative Alternative die digitale Kreditplattform zunehmend ins Blickfeld der Kommunen bei ihrer Suche nach attraktiven Finanzierungskonditionen, aber auch eine wachsende Zahl von Kreditinstituten sieht hier Geschäftspotenzial.

Abbildung 1: Gründe zur Nutzung digitaler Marktplätze zur Kommunalfinanzierung (in Prozent)*

Quelle: D. Schiereck / T. Eitenmüller

Abbildung 1: Gründe zur Nutzung digitaler Marktplätze zur Kommunalfinanzierung (in Prozent)*

Quelle: D. Schiereck / T. Eitenmüller

Digitale Marktplätze für Kommunalfinanzierungen haben in Deutschland parallel mit der allgemein voranschreitenden Digitalisierung der kommunalen Finanzverwaltungen in den vergangenen Jahren stark an Bedeutung zugelegt. Das unterstreichen nicht nur die Umsatzzahlen der Plattformbetreiber, sondern auch die Ergebnisse des Trendbarometers Kommunalfinanzierung 2022. Unter den knapp 240 teilnehmenden Kommunen haben bereits 43 Prozent eigene Erfahrungen mit der Nutzung entsprechender Finanzierungsplattformen gemacht. Die Transparenz der Prozesse, die klare Dokumentation und die erzielten Konditionen werden dabei als wichtige Gründe genannt. Aufseiten der Kreditgeber ist das Engagement bislang deutlich niedriger, nur jedes vierte befragte Kreditinstitut ist hier aktiv. Das kann angesichts der allgemeinen Skepsis gegenüber der Attraktivität von Kommunalkrediten kaum überraschen. Bemerkenswert sind dagegen die Begründungen der Kreditinstitute, die die digitalen Marktplätze bereits nutzen, denn hier spiegeln sich breite Entwicklungslinien der deutschen Bankenlandschaft wider.

Als im März der Finanzstabilitätsrat in seiner aktuellen Studie feststellte, dass sich während der Pandemie der Trend zur Digitalisierung von Finanzdienstleistungen beschleunigt hat, konnte diese Beobachtung nicht für größere Überraschung sorgen. Nahezu gleichzeitig attestierte die Beratungsgesellschaft Capgemini der deutschen Kreditwirtschaft, vor nicht unbeträchtlichen Hürden im digitalen Banking zu stehen (o. V. 2022). Die gestiegene Nachfrage nach digitalisierten Bankprodukten und die Herausforderung zur Dokumentation von Digitalkompetenz haben auch das Kommunalkreditgeschäft erreicht.

Denn zur Begründung der Nutzung digitaler Marktplätze haben 57 Prozent der dort engagierten Kreditinstitute im Rahmen des Trendbarometers Kommunalfinanzierung hervorgehoben, dass ihre Präsenz im eigenen Haus als strategisch wichtig erachtet wird. Zudem betonen 43 Prozent, hier ein gutes Umfeld zur Digitalisierung und Vereinfachung interner Abläufe zu haben. Aber auch der Nachfragedruck ist hoch, denn ebenfalls 43 Prozent betonen, dass die Präsenz auf der Plattform von Kunden erwartet wird. In der Zusammenfügung dieser Antworten zeichnet sich ab, dass Kreditinstitute im Rahmen ihrer Digitalisierungsstrategie nicht am Kommunalkreditgeschäft vorbeikommen, sondern im Gegenteil hier ein besonders gut geeignetes Feld zur Kostenreduktion und Belegung ihrer Digitalkompetenz finden, die auch von Finanzverwaltungen zunehmend gefragt ist.

Digitale Marktplätze gewinnen an Bedeutung

Allerdings gilt es dabei einschränkend festzustellen, dass auch digitale Marktplätze für Kommunalkredite zweiseitige Märkte sind und ihre weitere Entwicklung nicht nur vom dort hinterlegten Kreditangebot, sondern auch von der Kreditnachfrage abhängt. 17 Prozent aller befragten Kreditinstitute betonen, dass sie ihre Plattformpräsenz steigern, wenn ihre Kunden nur noch auf diesem Wege erreichbar sind. Da aber 17 Prozent der Kommunen ihre Finanzausschreibungen nach wie vor per Fax den potenziellen Finanzgebern übermitteln, werden bei allen positiven Trends auch einige tradierte Beharrungstendenzen sichtbar. Das Unternehmen S-Public Services - Teil der Sparkassen-Finanzgruppe als größter Finanzierungspartner der Kommunen - unterstützt hier unter der Marke S-Kompass die Transformation mit Produkten wie beispielsweise einem digitalen kommunalen Schulden-Management-System. Das unterstreicht die Einsicht insbesondere der öffentlich-rechtlichen Institute, zur Aufrechterhaltung von lang gewachsenen Geschäftsbeziehungen bei der Digitalisierung auch in Vorleistung zu gehen.

Abbildung 2: Rolle von Nachhaltigkeit zur Bepreisung von Kommunalkreditangeboten (in Prozent)

Quelle: D. Schiereck / T. Eitenmüller

Abbildung 2: Rolle von Nachhaltigkeit zur Bepreisung von Kommunalkreditangeboten (in Prozent)

Quelle: D. Schiereck / T. Eitenmüller

Nachhaltigkeit wirtschaftlich kaum attraktiv?

Während allgemein Einigkeit darüber besteht, dass der Klimaschutz als gesamtstaatliche Aufgabe gerade auch in den Kommunen mit großen transformativen Investitionen umgesetzt werden muss, erschienen grüne Finanzierungsinstrumente im vergangenen Jahr für Kommunen wirtschaftlich kaum attraktiv (Brand und Steinbrecher 2021). Diese Einschätzung wird in der aktuellen Erhebung bestätigt. Während knapp 30 Prozent der Kommunen die Bedeutung des Themas Nachhaltigkeit bei der Finanzierung als niedrig oder gänzlich ohne Stellenwert einordnen, kommt die Mehrheit der Befragten (54 Prozent) zwar zur gleichen Einordnung für die Gegenwart, erwartet aber eine zukünftig zunehmend wichtigere Rolle. Diese Rolle wird vonseiten der Kreditgeber fast unisono bestätigt, wenn 90 Prozent bei der Bepreisung von Kommunalkreditangeboten der Nachhaltigkeit gegenwärtig nur eine niedrige Bedeutung beimessen, aber überwiegend auch einen Bedeutungszuwachs nach der Etablierung von Standards vermuten.

Das zuletzt von vielen Kreditinstituten als nicht sonderlich attraktiv erachtete Kommunalkreditgeschäft erfährt durch die digitalen Marktplätze neue Attraktivität. Die Präsenz auf elektronischen Plattformen zur Kommunalkreditfinanzierung ermöglicht den Kreditgebern die Weiterentwicklung ihrer Digitalkompetenz und durch die Nutzung kostengünstiger Plattformen auch eine neue Attraktivität des Kommunalkredites. Nur die Nachhaltigkeit hat in der Bepreisung kommunaler Kredite bislang kaum Berücksichtigung gefunden.

Literaturverzeichnis

Brand, S., Steinbrecher, J. (2021): Sustainable Finance in Kommunen: Kann der grüne Kommunalkredit das Eis brechen? KfW Research - Fokus Volkswirtschaft, Nr.339.

Lepique, E., Corsten, R. (2017): Investitionsstau und Regulatorik zwingen Kommunen zum Umdenken, Immobilien & Finanzierung, 68. Jg., S. 590-591. o. V. (2022): Instituten fehlen Datenanalyse-Fähigkeiten, Börsen-Zeitung, Nr. 77, 22.04.2022, S. 3.

Schiereck, D., Jagow, F. von (2018): Die Digitalisierung der Kommunalfinanzierung, Immobilien & Finanzierung, 69. Jg., S. 204-206.

Prof. Dr. Dirk Schiereck , Leiter des Fachgebiets Unternehmensfinan­zierung , Technische Universität Darmstadt
Thomas Eitenmüller , Geschäftsführer , komuno GmbH, Frankfurt am Main

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