Digitale Finanzierung von Assets in der Produktion mittels Ökosystemen

Michael Ochs, Foto: Fraunhofer IESE

Industrie 4.0 verspricht laut den Autoren flexible und wandelbare Produktionsprozesse bis hinunter auf Losgröße 1. Damit könnten sich Unternehmen flexibel neuen Marktanforderungen anpassen. Neben einem kulturellen Wandel mit einer zum Teil disruptiven Änderung des Geschäftsmodells ist das für Unternehmen oft mit hohen Investitionen in Modernisierung verbunden. Das wird jedoch laut Ochs und Weber durch starre Angebote bei Finanzdienstleistungen konterkariert und der weitere Ausbau von Industrie 4.0 behindert. Da bieten sich neue, zielgerichtete und auf Big Data basierende Formen der Finanzierung an, die von den Autoren im Beitrag vorgestellte werden. Finanzierungsökosystem für Industrie 4.0 hätten viele Vorteile gegenüber aktuellen Finanzierungsmodellen. Sie sind laut Ochs und Weber Enabler für Innovationen in der Produktion und schnelle Reaktionsfähigkeit der Unternehmen und damit ein Garant wirtschaftlicher Resilienz in Krisenzeiten. (Red.)

Industrie 4.0 verspricht flexible, wandelbare Produktionsprozesse bis hinunter auf Losgröße 1. So können sich Unternehmen der Produktion neuen Marktanforderungen öffnen. Über digitale Services, Geschäftsmodelle und Ökosysteme können sie diese Flexibilität bis zum Endkunden mit direktem Kundenkontakt transportieren und so neue oder diversifizierte Umsatzpotenziale erschließen.

Um mit dem rasanten digitalen Wandel und den steigenden Konsumentenerwartungen Schritt halten zu können, müssen Unternehmen Innovationen vorantreiben und dabei schnell und flexibel auf Märkte reagieren können - also zu agile(re)n Unternehmen werden als sie es bis dato sind. Dies ist neben einem kulturellen Wandel im Unternehmen mit einer zum Teil disruptiven Änderung des Geschäftsmodells oft mit signifikanten Investitionen in Modernisierung verbunden.

Die Entwicklung hin zu agile(re)n Unternehmen wird jedoch durch starre Angebote bei Finanzdienstleistungen, insbesondere durch langfristige Anlage- und Investitionskredite, konterkariert. Festgeschriebene, langlaufende Kredite hemmen Möglichkeiten zur kurzfristigen Umgestaltung von Produktionsanlagen und Anpassung von Service- oder Produktivportfolios. Die Verwendung von Eigenmitteln für die Modernisierung der Produktion bedeutet langfristige Kapitalbindung und verstärkt das Hemmnis noch. So entstehen Diskrepanzen zwischen flexiblen Finanzierungsbedarfen und starren Kredit oder Leasingangeboten, die den weiteren Ausbau von Industrie 4.0 und die kommerzielle Nutzung technisch realisierbarer Wettbewerbspotenziale behindern.

Die sich so ergebenden Anforderungen an Produktion in sich wandelnden Märkten sind

- Flexibilisierung und Digitalisierung in der Produktion,

- flexible und schnelle Beschaffung von Assets für die Produktion und eine

- Finanzierung ohne langfristige Bindung oder Einsatz von Eigenkapital.

Abbildung 1: Sich selbst beschleunigender Prozess zur Umsetzung der veränderten Produkt- und Serviceanforderungen an Finanzdienstleistungen Quelle: ibi research an der Universität Regensburg GmbH
Abbildung 1: Sich selbst beschleunigender Prozess zur Umsetzung der veränderten Produkt- und Serviceanforderungen an Finanzdienstleistungen Quelle: ibi research an der Universität Regensburg GmbH

Märkte im Wandel: Anforderungen an Finanzdienstleistungen

Die zunehmende Verbreitung und Umsetzung von Industrie-4.0-Konzepten und Technologien führen in der Konsequenz zu deutlichen Veränderungen hinsichtlich der geforderten Finanzprodukte und -services. Dabei steht nicht nur die Thematik der Zahlung im Mittelpunkt. Vielmehr hat dies auch signifikante Auswirkungen auf die Ausgestaltung von Finanzierungen und Finanzanlagen.

Zahlung: Neue Anlagen und Maschinen können statt in einer Einmalzahlung oder durch Finanzierung (zum Beispiel Kredit, Leasing) mit einem verminderten Risiko und einem anderen Zahlungsmodell beschafft und betrieben werden. In diesem Fall ist keine Einmalinvestition für die Beschaffung mehr notwendig, sondern Zahlungen werden nur dann geleistet, wenn die Maschine auch produziert und die Produkte nachfolgend verkauft werden können: "Pay-per-X (PPX)". Bei geringer Auftragslage fallen für nicht produzierende Maschinen keine Fixkosten und entsprechend angepasste Betriebskosten an. PPX fördert somit das Wachstum und beschleunigt Innovation bei den Anlagen- und Maschinennutzern.

Finanzierung: Bei reinen PPX Modellen bleibt der Maschinennutzer letztlich Kreditnehmer. Der Kredit kann zwar über die Laufzeit flexibler bedient werden, langfristige Bindung und vollständige Rückzahlung bleiben jedoch. Maschinennutzer stellen deshalb zunehmend die Anforderung, dass die Maschine erst gar nicht als Kapitalanlage (Capex) in die eigenen Bücher gelangt und auch nicht durch einen Kredit finanziert werden muss. Die Anlage soll vielmehr in den Büchern eines externen Finanzierers verbleiben und den Maschinennutzer nur in Form flexibler, operativer Ausgaben (Opex) nutzungssynchron belasten. Operative Ausgaben können nicht nur Finanzierung, sondern auch weitgehende Wartungs- und Serviceleistungen umfassen. So entsteht "Equipment as a Service" (EaaS). Solche externen Finanzierer können dabei sein:

- der Maschinen- und Anlagenbauer selbst,- eine Bank oder Leasing Gesellschaft,

- ein Versicherer oder

- perspektivisch ein Investment-Fonds mit Portfolios von relevanten Assets.

Diese neuen, zielgerichteten Formen "Big Data basierter" Finanzierung werden erst durch die Kombination der durch Industrie 4.0 generierten vielfältigen Anlagen- und Maschinendaten mit Finanzdaten ermöglicht. Mit dieser Transparenz lassen sich datenbasierte, mit präzisen Sicherheiten hinterlegte Kredite gestalten und "Risikogewinne" situationsgerechter auf Kreditgeber und -nehmer aufteilen.

Finanzanlage: Durch die Kombination der Anlagen- und Maschinendaten mit den Finanzdaten lassen sich ein hohes Maß an Transparenz erzielen und damit zu jedem Zeitpunkt exakte Aussagen zum Zustand und Wert treffen. Die auf diese Art und Weise beschriebenen Anlagen und Maschinen können im Rahmen von "Big Data basierten" Anlagen und Maschinen-Fonds verbrieft werden. Diese neuen Formen von Finanzanlagen stellen vor dem Hintergrund mangelnder renditestarker Anlagemöglichkeiten eine attraktive Anlageform für institutionelle und private Investoren dar.

Abbildung 1 visualisiert den zu erwartenden sich selbst beschleunigenden Prozess für die Umsetzung der skizzierten neuen Anforderungen.

Erste PPX- und EaaS-Ansätze im Einsatz

Seit Kurzem sieht man erste Umsetzungen von Output- oder nutzungsbasierten Finanzierungsmodellen im Markt. Erste Fintechs rüsten Maschinen für PPX Modelle mit Sensorik zur Erfassung der Nutzung oder der produzierten Stückzahlen aus und bieten Abrechnungsmodelle per Cloud Service an. Dazu zählen beispielsweise Linx4 1) , CashOnLedger 2) und Findustrial3). Auf Bankenseite haben die Commerzbank4) und die Deutsche Bank 5) erste PPX-Einzelverträge geschlossen beziehungsweise die Technologie pilothaft in Erprobung. Dabei dienen individuelle Parameter der Maschinen als Grundlage für die nutzungsbasierte Abrechnung der Finanzierung. Die Munich Re bietet mit relayr6) eine erste Lösung aus der Versicherungsperspektive an.

Auch Maschinenhersteller wie Trumpf7) arbeiten an eigenen Finanzierungsmodellen auf Basis von PPX beziehungsweise EaaS. Insgesamt ist das für PPX beziehungsweise EaaS gebotene Spektrum jedoch noch begrenzt und Lösungen sind sehr individuell gestaltet und aufwendig in der Umsetzung. Sie sind nicht standardisiert für einen breiten Markt und folglich nicht skalierbar. Sie stellen zumeist eine 1:1 Beziehung zwischen Maschinen und Anlagenbauer, Anlagennutzer und Finanzierer her, die individuell auf und umgesetzt wird. Hierbei ist Standardisierung der Hebel, welcher mehrere Maschinen von mehr als einem Hersteller für mehr als einen Anwender unter Einbindung von mehr als einem Finanzierer in verschiedenen Konstellationen von Finanzierungsmodellen ermöglicht. Standardisierung trägt so zur Skalierbarkeit im Markt bei.

Standardisierung als Basis für breite Einsetzbarkeit

Standardisierung im Umfeld von PPX- und EaaS Modellen ist notwendige Voraussetzung für eine breite Einführung und Nutzung im Markt. Ohne Standardisierung im Hintergrund werden PPX und EaaS Modelle in ihrer Entwicklung auf dem Stand von 1:1 Beziehungen stehen bleiben. Eine Skalierung in einer oder mehreren Dimensionen der Modelle wird erschwert beziehungsweise nicht möglich sein. Die zentralen Stakeholder und deren Dimensionen der Skalierung sind dabei

- Maschinenhersteller: Mehr als ein Maschinenhersteller muss in das Finanzierungsmodell integrierbar sein. Dies gilt sowohl für den Finanzierer als auch den Anwender der Maschinen.

- Finanzierer: Mehr als ein Finanzierer muss in die Finanzierungsmodelle integrierbar sein. Dies gilt sowohl für den Maschinenhersteller als auch den Anwender der Maschinen.

- Anwender: Mehr als ein Anwender muss in die Finanzierungsmodelle integrierbar sein. Dies gilt sowohl für den Finanzierer als auch den Maschinenhersteller.

Eine so gegebene Skalierung erfordert unmittelbar weitere Fähigkeiten in PPX und EaaS Modellen. Dazu gehören

- Vertrauen in die Daten: Um abrechnungs- und abnutzungsrelevanten Daten vertrauen zu können, muss die Identität der Maschine als Datenquelle sichergestellt werden. Dazu können Technologien aus den Bereichen Digital Twin, digitale Identitäten und Verschlüsselung genutzt werden.

- Standardisierung der Daten: Mindestens auf der Ebene von Metadaten ist ein definierter Datenkatalog für die Abrechnung von Pay per X und EaaS Modellen erforderlich. Dieser sollte dann für Maschinenklassen und -typen entsprechend heruntergebrochen werden. So entsteht für Anwender, Maschinen und Anlagenbauer sowie Finanzierer eine gemeinsame und verlässliche Basis von verpflichtenden und optionalen Daten und Attributen zu Maschinen und Anlagen. In Analogie zum Standard "AnaCredit8) " zur einheitlichen Beschreibung von Krediten in der Bankenwelt kann hier von einem noch zu entwickelnden Standard "Ana-Object" gesprochen werden, auf dessen Basis Maschinen und Anlagen mit klar definierten Informationen beschrieben werden.

- Standardisierung des Onboardings in PPX oder EaaS Modelle: Ein Anwender, ein Finanzierer oder auch ein Maschinenhersteller müssen in der Lage sein, größtenteils selbst in solche Finanzierungsmodelle mittels eines digitalen und teil- oder vollautomatisierten Onboarding-Prozesses einzutreten und an dem so entstehenden Markt teilzunehmen.

Um ein attraktives, zielgerichtetes Finanzierungsangebot zu gewährleisten, bedarf es bei PPX und EaaS Modellen einer

- Flexibilität der Finanzierung und deren Laufzeit: Bei der Ausgestaltung des jeweiligen Finanzierungsangebots müssen Faktoren wie beispielsweise die wirtschaftliche Situation des Anlagen- oder Maschinennutzers, seine Produktionsauslastung und die Branchenlage laufend berücksichtigt werden. Nur auf diese Weise kann für alle beteiligten Parteien eine risikoadäquate Flexibilisierung bei Zahlungsbeträgen und Laufzeiten erzielt werden.

- Kostensicherheit: Auf Basis einer transparenten und klar definierten Abrechnung pro Stück oder Output, zum Beispiel orientiert am Deckungsbeitrag je produzierter Einheit, lassen sich die entstehenden Kosten exakt quantifizieren. Zudem können nach Lage der Auftragsbücher die zukünftigen Kosten sehr genau prognostiziert werden.

- Risikoverteilung: Durch die transparente Beschreibung der Anlagen und Maschinen (unter anderem Parameter, Fähigkeiten, Auslastung, Zustand, finanzielle Kennzahlen) lassen sich diese Assets sehr gut in Büchern abbilden. Mittels digitaler Token können Anteile an den Assets verschiedenen Haltern eindeutig zugeordnet werden. In der Konsequenz kann so eine Verteilung des Risikos erreicht werden, indem die Finanzierung auf mehrere Finanzierer, zum Beispiel auch Fonds, verteilt wird.

Zieht man nun die beschriebenen Skalierungsdimensionen, die Fähigkeiten und Anforderungen an ein attraktives Finanzierungsangebot zusammen, so wird klar, dass solch ein Ansatz die Kooperation multipler Stakeholder nicht nur ermöglicht, sondern erfordert. So entsteht ein digitales Ökosystem, welches die Stakeholder miteinander verbindet und die Dimensionen der Skalierung optimal unterstützt.

Abbildung 2: Überblick über Stakeholder, Schnittstellen, Daten-, Waren- und Geldflüsse in einem Finanzierungsökosystem für Industrie 4.0-Maschinen und -Anlagen Quelle: iStock.com / komunitestock, Yuriy Altukhov, Designer / Fraunhofer IESE / ibi research GmbH
Abbildung 2: Überblick über Stakeholder, Schnittstellen, Daten-, Waren- und Geldflüsse in einem Finanzierungsökosystem für Industrie 4.0-Maschinen und -Anlagen Quelle: iStock.com / komunitestock, Yuriy Altukhov, Designer / Fraunhofer IESE / ibi research GmbH
Abbildung 3: Überblick über "Nebenprodukte" auf dem Weg zu einem Finanzierungsökosystem für Industrie-4.0-Maschinen und -Anlagen Quelle: Fraunhofer IESE
Abbildung 3: Überblick über "Nebenprodukte" auf dem Weg zu einem Finanzierungsökosystem für Industrie-4.0-Maschinen und -Anlagen Quelle: Fraunhofer IESE

Finanzierungsökosysteme für eine Einsetzbarkeit von PPX und EaaS

Ein reiner Betrieb aktueller PPX und EaaS Modelle über vornehmliche 1:1 Beziehungen zwischen Nutzer, Hersteller und Finanzierer einer Maschine oder Anlage wird nicht den erhofften gesamtwirtschaftlichen Nutzen erreichen. Kann ein produzierendes Unternehmen den gesamten Shopfloor oder weite Teile des Shopfloors über solche Modelle effizient gestalten? Diese Frage kann auf Grundlage der existierenden Ansätze derzeit nicht positiv beantwortet werden. In einem Finanzierungsökosystem, das mit einem Marktplatz die Beschaffung, Finanzierung, Instandhaltung und gegebenenfalls Weitergabe von Maschinen und Anlagen skalierbar, standardisiert und sicher ermöglicht, ist die Antwort auf die gestellte Frage jedoch Ja. Um solch ein digitales Ökosystem sicher zu etablieren und auf allen Ebenen effizient zu betreiben, ist die Erfüllung der folgenden Top Level Anforderungen essenziell:

- Vernetzung aller (finanzierten) Maschinen auf dem Shopfloor mittels einer Industrie 4.0 Middleware, die auf Daten im Digital Twin zugreifen kann, aber bei Bedarf auch steuernd eingreifen kann (dies ist beispielsweise mit BaSyx 9) möglich, das im nationalen Referenzprojekt BaSys 4.2 entwickelt und gepflegt wird),

- Vertikale Integration der Systeme vom Shopfloor und der integrativen Middleware über das MES 10) bis hin zum ERP 11) System,

- Durchgriff (unter Beachtung von Security und Safety), auf Maschinendaten und bei Bedarf auch auf die Steuerung, zum Beispiel bei Ratenausfall,

- Integration der Finanzierungsprozesse in die Geschäftsprozesse durch Anschluss an das Ökosystem mit passender Konnektivität für Daten, Zahlungen, Beschaffung und Services,

- Vertrauen in die Daten durch digitale Maschinen IDs,

- Zugriffsteuerung und Kontrolle der Datennutzung bei externen Zugriffen aus dem Ökosystem zum Schutz von Knowhow des Unternehmens und ein nahezu automatisiertes Onboarding der Stakeholder und Assets in das Ökosystem.

Abbildung 2 zeigt schematisch ein solches Ökosystem, das obige Anforderungen erfüllt und relevante Stakeholder einbindet.

Solch ein Ökosystem erlaubt es Maschinen auf einem Marktplatz anzubieten, Nutzern diese zu buchen und zu finanzieren sowie Finanzdienstleistern und Investoren skalierbare Finanzierungen aufzusetzen. Solche Finanzierungen könnten auch Fonds sein, die beispielsweise bestimmte Gruppen oder Klassen von Maschinen bündeln und auf eine einheitliche Finanzierungsbasis stellen, zum Beispiel Fonds wie "Schneidemaschinen Textil Europa" oder "Fräsmaschinen Automotive Deutschland".

Digitale Mehrwertdienste als Nebenprodukt

Dazu ist eine Anpassung der Regulatorik sowie die Schaffung adäquater Kontrollmöglichkeiten erforderlich (Stichwort "Ana-Object"). Dies erscheint aus aktueller Sicht auch machbar. Darüber hinaus öffnet sich neben vielfältigen Möglichkeiten zur einfachen Beschaffung und nutzungs beziehungsweise ertragsbasierten Finanzierung von Maschinen und Anlagen ein weites Feld für Mehrwertdienste, die von Standardisierung der Daten und einheitlichen Schnittstellen in einem Ökosystem profitieren - auch zum Vorteil der Nutzer der Maschinen.

Durch die Standardisierung von relevanten Daten werden auch standardisierte Schnittstellen und Formate möglich. Hier öffnet sich das Ökosystem für Mehrwertdienste. Diese könnten zum Beispiel Services im Bereich vorausschauende Wartung sein, die auf Basis von Künstlicher Intelligenz und umfassender Datenlage für eine große Menge von Anbietern und Nutzern effizient angeboten werden können. Ähnlich können die Lieferung und Montage der Maschinen und Anlagen sowie für die Produktion Logistikketten durch standardisierte Informationen über Lagerbestände zielgerichtet gesteuert werden. Viele weitere Dienste sind denkbar und machbar (vergleiche Services in Abbildung 2).

Nicht zuletzt sind eine Reihe von technischen Fähigkeiten zur Umsetzung eines Finanzierungsökosystems erforderlich. Diese müssen entwickelt werden. Es ist absehbar, dass diese Fähigkeiten auch bereits früh "Nebenprodukte" haben werden. Hierzu zählen unter anderem Asset IDs für Maschinen oder Waren und Micropayments für zum Beispiel Roh , Hilfs und Betriebsstoffe für die Produktion. Ebenso wird durch eine bessere Datenlage eine präzisere Ermittlung des Restwerts von Assets möglich. Das hilft wiederum bei der präziseren Bewertung des Risikos in Investments. Abbildung 3 zeigt den Weg vom digitalen Geschäftsmodell eines Ökosystems zum Ökosystem mit einigen "Nebenprodukten". So werden bereits früh Prozesse in Unternehmen, wie Logistik mit Kommissionslagern oder Bilanzierung, bereits auf dem Weg zum Ziel unterstützt.

Abbildung 4: Vergleich verschiedener Finanzierungskonzepte von Eigenbeschaffung bis Finanzierung über ein Ökosystem Quelle: M. Ochs / S. Weber
Abbildung 4: Vergleich verschiedener Finanzierungskonzepte von Eigenbeschaffung bis Finanzierung über ein Ökosystem Quelle: M. Ochs / S. Weber

PPX und EaaS sind wichtige Bausteine eines Ökosystems

Finanzierungsökosysteme für Industrie 4.0-Anlagen haben viele Vorteile gegenüber aktuellen und konventionellen Finanzierungsmodellen. Die Vorteile liegen in der Auswahl der Finanzierer, der Möglichkeit skalierender Beschaffung und direkt angeschlossenen Mehrwertdiensten sowie einer hohen Flexibilität der Laufzeiten ohne Kapitalbindung. Dies kann bis hin zur Beschaffung eines gesamten Shopfloors mit Maschinen von verschiedenen Herstellern und mit verschiedenen Finanzierern gehen. Abbildung 4 fasst zusammen, wo die Unterschiede zwischen den Modellen liegen. Dabei werden verschiedene Kriterien zum Vergleich der vier relevanten Modelle genutzt.

Aktuelle PPX wund EaaS Modelle sind wichtige Bausteine auf dem Weg zu breit einsetzbaren Finanzierungsservices in einem Finanzierungsökosystem. PPX- und EaaS Modelle bieten bereits eine Reihe von Vorteilen, haben aber Schwächen in der Skalierbarkeit hinsichtlich der Risikoverteilung der Finanzierung, auf Ebene des Abnehmermarktes und damit auch auf Ebene des Shopfloors selbst. Nur in einem digitalen Ökosystem können PPX- und EaaS Modelle skalierbar für den kompletten Markt der Produktionswirtschaft effizient nutzbar werden. So ist es zurzeit nicht einfach möglich, einen kompletten Shopfloor mit Maschinen verschiedener Hersteller auf Basis digitaler Finanzierungsmodelle auszurüsten. Das hemmt die Agilität von Unternehmen in bestimmten Marktsituationen oder im Falle schnell notwendiger Strategiewechsel oder -anpassungen.

Die aktuelle pandemische Lage ist dabei nur ein Beispiel, wie schnell es erforderlich sein kann sogar ganze Produktionen umzustellen - hier denke man nur an den plötzlichen immensen Bedarf von OP und FFP2 Masken und die Tatsache, dass Unternehmen aus verschiedensten Branchen ihre Produktion auf Masken umgestellt haben. Im Fall der Masken finden wir noch viel Handarbeit vor.

Denken wir auch an die aktuellen geopolitischen Verwerfungen in Osteuropa, so wird die hohe Relevanz von schnellen und durchfinanzierten Anpassungen von Produktionsanlagen deutlich. Ein teilweiser Wechsel der Geschäftsfelder ist mit hohen Investitionen verbunden. Diese werden nicht selten von Banken wegen des hohen Kreditrisikos blockiert. Digitale Finanzierungsmodelle für Industrie 4.0 sind Enabler für Innovationen in der Produktion, schnelle Modernisierung von Shopfloors, kurzfristige Reaktionen auf neue Markttrends in Zeiten eines sich beschleunigenden Wandels. Sie sind letztlich auch Garant wirtschaftlicher Resilienz in Krisenzeiten. Mit PPX und EaaS ist der Grundstein gelegt. Es gilt nun auf Ökosysteme zur Finanzierung von Maschinen und Anlagen zielgerichtet hinzuarbeiten, damit PPX und EaaS breit nutzbar werden.

Fußnoten

1) https://www.linx4.io/?lang=de

2) https://cash-on-ledger.com/de/

3) https://findustrial.io/de/

4) https://www.firmenkunden.commerzbank.de/portal/de/cb/de/firmenkunden/insights/pay_per_use.html

5) https://www.dertreasurer.de/news/finanzierung-corporate-finance/deutsche-bank-legt-pay-per-use-kredit-auf-2018181/

6)https://relayr.io/de/

7) https://www.i40-bw.de/pay-per-x-disruptive-geschaeftsmodelle-im-maschinenbau-artikel/

8) https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/ALL/?uri=CELEX:32016R0867

9) https://www.basys40.de/

10) Manufacturing Execution System

11)Enterprise Resource Planning

Michael Ochs , Business Area Manager , Fraunhofer IESE, Kaiserslautern
Stephan Weber , Research Director im Competence Center Digital Banking, ibi research an der Universität Regensburg GmbH

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