Gespräch des Tages

Visa Europe - Ein neues "Europay"

Nicht zuletzt mit Blick auf die Prozessierwut der US-Amerikaner hat sich nun nach Mastercard auch Visa zum Gang an die Börse entschlossen. Dass die Banken künftig nicht mehr Eigentümer der Kartenorganisation sind, soll die Position bei Wettbewerbsklagen verbessern. Doch anders als bei Mastercard spielen die Europäer bei Visa eine besondere Rolle. Während die Regionen USA, Kanada, Asien-Pazifik, Lateinamerika und Karibik, Zentral- und Osteuropa, mittlerer Osten und Afrika (CEMEA) zunächst fusioniert werden, um anschließend in zwölf bis 18 Monaten als Visa Incorporation an die Börse gebracht zu werden, bleibt Visa Europe - 2004 von der Visa-Region zur eigenen Gesellschaft aufgewertet als unabhängige Non-Profit-Organisation erhalten und im Besitz und unter Führung der 4 500 europäischen Mitgliedsbanken. Anders als bei Europay, wo die Europäer nach der Fusion mit Mastercard und dem Börsengang von Mastercard ihre Einflussnahme aufgegeben haben, bleibt für die Banken bei Visa Europe damit alles beim Alten. Und (ein weiterer Unterschied zu Mastercard): Die Europäer haften ebenso wenig für anhängende Wettbewerbsklagen in den USA wie für eventuelle zukünftige Prozesse.

Begründet wird die Sonderstellung Europas in erster Linie mit der Single European Payments Area (Sepa). Das weltweit einzigartige Projekt, einen einheitlichen Zahlungsverkehrsraums über Ländergrenzen hinweg zu schaffen, rechtfertige eine solche Sonderrolle, meint man bei Visa. Zum einen, weil ein rein europäisches Unternehmen gegenüber der EU-Kommission in einer weitaus besseren Verhandlungsposition sei als eines, dem das Stigma des US-Konzerns anhafte. Zum anderen gehe es auch um den Investitionsschutz: Wenn sich die europäischen Banken den Aufbau der Sepa-Infrastruktur etwa fünf Milliarden Euro kosten ließen, müssten sie auch die Kontrolle über die Systeme behalten.

Eine Trennung von der weltweiten Visa-Organisation wird mit der neuen Unabhängigkeit der Europäer nicht vollzogen. Um die Verbundenheit zu dokumentieren, werden die Europäer auch künftig Anteile an Visa Inc.halten.Zudem erhält Visa Europe eine dauerhafte und unwiderrufliche Visa-Lizenz, und auch bei Produkten, die speziell mit Blick auf den europäischen Markt entwickelt werden, ist die Interoperabilität gesichert. Diese neue Konstruktion ist im Grunde eine alte - nur dass das Modell früher beim Wettbewerber Europay/Mastercard so gepflegt wurde. Bei all denen, die den alten Europay-Zeiten nachtrauern, mag dies für Visa durchaus ein Wettbewerbsvorteil sein. Die Umsatzentwicklung scheint die Zufriedenheit der deutschen Banken mit der Entscheidung für die Dezentralisierung jedenfalls widerzuspiegeln. Inwieweit sich dies auch auf die Entscheidung auswirkt, im Debitgeschäft auf V-Pay statt auf Maestro zu setzen, muss die nähere Zukunft zeigen.

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