Aufsätze

Die Rolle von Fusionen in der Sparkassenorganisation

Fusionen zwischen Unternehmen sind seit Jahren ein Dauerthema der Wirtschaftsberichterstattung. In diesem Zusammenhang dürfte es kaum eine Zeitung oder Zeitschrift geben, die ihre Leser noch nicht ausgiebig über feindliche und freundliche Übernahmen, über weiße beziehungsweise schwarze Ritter, in letzter Zeit auch über "Heuschrecken", unterrichtet hat.

Betriebswirtschaftliche und politische Wortmeldungen

Gerade bezogen auf den Bankensektor findet eine sehr intensive Diskussion über Fusionsnotwendigkeiten, generell über das nötige Konsolidierungsausmaß statt. Neben stringent bankbetriebswirtschaftlich argumentierenden Beiträgen fallen dabei eher bankpolitische Wortmeldungen auf, die im Zuge der allgemeinen Konsolidierungsdiskussion für von außen kommende, ordnungspolitische Eingriffe in die bestehenden Marktstrukturen, zum Nachteil der Verbundgruppen, speziell der Sparkassen-Finanzgruppe, plädieren.

Ausgangspunkt solcher Forderungen ist die Feststellung, dass private deutsche Großbanken im internationalen Profitabilitätsvergleich schlecht abschneiden. Dabei wird regelmäßig vernachlässigt, dass die Ursache der Ertragsprobleme der privaten Banken nicht unwesentlich mit deren in den neunziger Jahren betriebenen Loslösung von der eigenen Kundenbasis zu tun hat.

Aus der zutreffenden Beschreibung, der deutsche Bankenstandort sei durch die Präsenz vieler regional verankerter, zudem nicht käuflicher Banken gekennzeichnet, wird kurzerhand die Behauptung abgeleitet, dies sei wesentlich das Misserfolgskriterium für die Privatbankkonzerne. Reflektionen zur Spezifika verschiedener Geschäftsstrategien und -modelle, zu deren Beitrag zur Finanzmarktstabilität, zu volkswirtschaftlichen Strukturen und zu Entwicklungschancen von Regionen sowie dem dort in Sachen Sparkassen herrschenden politischen Mehrheitswillen finden nicht statt. Die gesamte Stakeholder-Sicht, einschließlich der Kundeninteressen, tritt in den Hintergrund solcher Betrachtungen.

Kurzschlüssig gilt dann als ein guter Bankenmarkt jener, der hochkonzentriert ist und mit quasi oligopolistischen Strukturen daherkommt. Folglich müssten deutsche Banken kräftig konsolidieren, wobei die Begriffe Konsolidierung und Fusion synonym benutzt werden. Konsolidierungsfortschritte sind demnach anhand der Entwicklung der Anzahl selbstständiger Banken zu messen, deren Rückgang als Bestätigung der eigenen Theorie gilt.

Konsolidierung aus Sicht der Sparkassen

Unstrittig ist, dass die Anzahl der selbstständigen Banken in Deutschland seit 1999 durch Fusionen deutlich zurückgegangen ist. Von 2 999 auf 2 038 im Januar 2007. Verglichen mit 1990 hat sich die Anzahl der Banken sogar halbiert. Ein sehr reges Fusionsgeschehen fand vor allem bei jenen Banken statt, bei denen dies eher nicht zu erwarten gewesen wäre, da sie nicht den Forderungen des Aktienmarktes und seinen Renditeerwartungen unterliegen und auch nicht handelbar sind, nämlich bei den öf-fentlich-rechtlichen Sparkassen.

In Bezug auf Ostdeutschland ist festzuhalten, dass sich in den sechs ostdeutschen Bundesländern seit Anfang der neunziger Jahre die Anzahl der Sparkassen von ehemals 196 auf heute 75 reduziert hat. Im Ostdeutschen Sparkassenverband, der die Sparkassen in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen und Sachsen-Anhalt sowie deren Träger vereint, sind es gegenwärtig noch 58, Tendenz weiter abnehmend. In diesem Zusammenhang sind in der Tat Fragen nach dem Grund dieser Entwicklung angebracht und auch danach, was Sparkassen überhaupt unter Konsolidierung verstehen.

Auf der einen Seite behaupten sich Sparkassen im Girokonto- und im Einlagebereich sowie als Finanzpartner des Mittelstandes, insbesondere der Existenzgründer als unbestrittene Marktführer. Andererseits bekommen auch sie die einschneidenden Veränderungen im Finanzmarkt zunehmend zu spüren. Sie sind Teil dieser Veränderungen.

Die revolutionäre Entwicklung auf dem Gebiet der Informations- und Kommunikationstechnologie hat die Produktions- und Vertriebsbedingungen der Sparkassen radikal verändert. In Verbindung mit der weltweiten Liberalisierung und Harmonisierung wirtschaftlicher Rahmenbedingungen hat das zu einer nie dagewesenen Intensivierung des Wettbewerbs geführt. Gleichzeitig wird der Markt für Finanzdienstleistungen fortwährend und mit hoher Geschwindigkeit reguliert. Das führt bankintern zu Anpassungsprozessen, die in der Summe mit gewaltigen Umsetzungskosten verbunden sind. Die entstehenden Kostenblöcke "im Griff" zu behalten, erfordert darum Konsolidierungen, selbstverständlich auch im Sparkassensektor.

Eine rein fusionsfixierte Betrachtungsweise von Konsolidierung blendet aber aus, dass Fusionen nur ein mögliches Vehikel von Konsolidierungsprozessen sind. Sie stehen vielmehr neben Out- und Insourcing-Aktivitäten, neben der Vertiefung der Kooperation zwischen Banken und deren Dienstleistern (zum Beispiel in Verbünden) sowie neben Prozessoptimierungen und Rationalisierungen innerhalb einzelner Banken.

Viele Spielarten

Insbesondere die drei letztgenannten Wege bieten gerade den regional verankerten, rechtlich selbstständigen Sparkassen die Möglichkeit, erforderliche Fixkostendegressionen zu realisieren, ohne gleichzeitig ihre Selbstständigkeit und ihre enge Bindung an ein historisch gewachsenes, territorial begrenztes Wirkungsfeld aufgeben zu müssen. Aus der Sicht eines arbeitsteilig aufgestellten Verbundes wie dem der Sparkassenorganisation, ist darum der verengte Blick auf die Konsolidierungsfrage als eine reine Fusionsangelegenheit ungeeignet, um Konsolidierungsfortschritte zu messen. Liegt es doch in der Natur solcher Verbünde, dass Fusionen eher nicht der erste oder gar der Hauptweg zur Hebung von Synergien sind. In Verbünden können Synergien weitgehend durch kooperative, also durch andere Mechanismen gehoben werden, als zwischen zentralistisch agierenden Konzernen, die trotz Gemeinschaftsprojekten zueinander immer Fremdfirmen, also Konkurrenten bleiben.

Der Konsolidierungs-Hauptweg in der Sparkassenorganisation ist die Vertiefung der Arbeitsteilung und der Spezialisierung unter den Verbundmitgliedern. Über den klassischen Weg der Verbundkooperation hinaus gibt es zusätzlich Konsolidierungsformen, die bis hin zum Outsourcing größerer Geschäftsbereiche gehen, beispielsweise des Zahlungsverkehrs. Auf diesem Weg sind die Sparkassen in den letzten zwei Jahrzehnten sehr weit vorangekommen. Mit der Verabschiedung des Strategiepapiers der Sparkassen-Finanzgruppe im Herbst 2002 wurde darüber hinaus ein zusätzlicher Schub zur Vertiefung der Verbundkooperation gegeben.

Öffentlicher Auftrag als grundlegender Unternehmenszweck

Zugleich macht das genannte Papier unmissverständlich deutlich, dass für Sparkassen völlig außer Zweifel steht, dass solide betriebswirtschaftliche Fundamente die Grundvoraussetzung für die Erfüllung des öffentlichen Auftrages sind. Der öffentliche Auftrag, bei dem es im Kern darum geht, eine strukturpolitisch ausgeglichene Entwicklung in den Regionen zu befördern und die umfassende Versorgung aller Bevölkerungskreise - speziell der mittelständischen Wirtschaft - mit Finanzdienstleistungen zu gewährleisten, ist also aus Sparkassensicht der grundlegende Unternehmenszweck um den es geht. Hierauf ist das Handeln der Sparkassenführungen und ihrer Verwaltungsräte ausgerichtet. Auch in der Fusionsfrage.

Fusionen finden im Sparkassensektor regelmäßig unter der Prämisse statt, die Fähigkeit zur Erfüllung des öffentlichen Auftrags zu bewahren beziehungsweise zu stärken und zugleich betriebswirtschaftlich schlagkräftigere Institute zu schaffen. Fusionen von Sparkassen können so gesehen, zu anderen Konsolidierungsanstrengungen zusätzliche Chancen für eine Erfolg versprechende Zukunftsbewältigung sein. Dadurch können ähnlich aufgestellte Partner, wie es Sparkassen zueinander sind, vor allem Skaleneffekte in den technischen Abwicklungsbereichen realisieren. Viele Funktionen in der Sachbearbeitung und in den Stabsbereichen sind nach einer Fusion schließlich nur einmal zu leisten.

Daneben ermöglichen größere Einheiten einen besseren Ausgleich von Belastungsschwankungen. Darüber hinaus können Sparkassen unter Umständen erst ab einer gewissen Größe regionale Wirtschaftsräume vollständig abdecken.

Fusionen im Gefolge regionalpolitischer Strukturveränderungen

In der Sparkassenpraxis gibt es dabei mehrere Hauptauslösungsfaktoren für Fusionen. Neben der "Not"-Fusion, bei der zumindest einer der Partner ein Sanierungsfall ist - oder zu werden droht - und die genau genommen ein Weg der gelebten Institutssicherung in der Sparkassenorganisation darstellt, sind die ökonomische Zweckfusion, die sinnvoll, aber nicht zwingend ist, sowie last, not least, die Fusion im Gefolge regionalpolitischer Strukturveränderungen anzuführen.

Letztere Fusionsvariante spielte insbesondere bei den eingangs für Ostdeutschland genannten Entwicklungen die dominierende Rolle. Hier galt es regionalpolitisch, zunächst die zu DDR-Zeiten geschaffenen kleinteiligen Kreisstrukturen aufzulösen. Infolge der staatlichen Vereinigung wurden wesentlich größere Landkreise nach bundesdeutschem Muster geschaffen.

Damit standen die Sparkassen automatisch vor der Situation, dass es viel mehr Sparkassen als Landkreise und kreisfreie Städte gab, die eine Sparkassen-Trägerfunktion ausübten. Für die Sparkassen bedeutete dies, in Abstimmung mit den Trägern kurzfristig betriebswirtschaftliche und strukturpolitische Optimierungen vorzunehmen. Ziel einer regelrechten Fusionswelle war es, die Anzahl von Landkreisen beziehungsweise kreisfreien Städten und Sparkassen in Übereinstimmung zu bringen.

Weitere Kreisgebietsreformen

Auch heute sind Kreisgebietsreformen, die vor allem der Tatsache des langfristigen Bevölkerungsrückganges Rechnung tragen, auslösendes Moment für eine bevorstehende zweite Welle von Sparkassenfusionen in Ostdeutschland. In Sachsen-Anhalt führt die Kreisreform Mitte dieses Jahres zu Fusionen, die bis zum 1. Januar 2009 abgeschlossen sein werden. Die Anzahl der Sparkassen sinkt dabei etwa um die Hälfte. Im Freistaat Sachsen steht das Ziel, 2008 eine Kreisgebietsreform durchzuführen. Im Gefolge werden Sparkassenfusionen stattfinden. In Mecklenburg-Vorpommern wird die 2009 stattfindende Kreisgebietsreform die Anzahl der Landkreise halbieren. Auch diese Veränderung wird mittelfristig Auswirkungen auf die Anzahl der Sparkassen haben.

In vielen Regionen Ostdeutschlands sind aber auch Sparkassen entstanden, die über die Mindestanforderung - eine Sparkasse, ein Landkreis - hinausgehen. Kennzeichnend war diese Entwicklung insbesondere für Sparkassen in zweifelsfrei einheitlichen Wirtschaftsräumen und in Ballungsgebieten eines Bundeslandes. Solche Sparkassen umfassen heute mehrere Landkreise und kreisfreie Städte. Als Beispiele sind die großflächig aufgestellte Mittelbrandenburgische Sparkasse in Potsdam, die Sparkasse Spree-Neiße, die Ostseesparkasse Rostock, die Sparkasse Vorpommern, die Ostsächsische Sparkasse Dresden oder die Stadt- und Kreissparkasse Leipzig zu nennen.

Leistungsfähigkeit erhalten

Die Suche nach schierer Größe, etwa nach dem Motto "big is beautiful", ist für die Sparkassen im Osten Deutschlands jedoch nie ein Grund für Fusionen gewesen. Größe bedeutet nicht automatisch Erfolg. Praktisch kann das daran belegt werden, dass häufig kleine Sparkassen bei Kennziffern wie dem Betriebsergebnis oder der Cost Income Ratio die Nase vorn haben. Ohne jeden Zweifel haben kleine Sparkassen in einem dazu passenden Wirtschaftsraum eine Existenzberechtigung.

Fragt man sparkassenpolitisch nach dem Vorteil von Fusionen ist die Antwort kurz. Fusionen sind eine Möglichkeit, Sparkassen den sich ändernden Standortbedingungen so anzupassen, dass sie leistungsfähig bleiben und dadurch ihren öffentlichen Auftrag unter den sich ändernden Wettbewerbsbedingungen weiterhin jederzeit erfüllen können.

Wird nach dem betriebswirtschaftlichen Vorteil von Fusionen gefragt, ist die Antwort dagegen nicht ganz so einfach, die wenigen aus der Not geborenen Fusionen an dieser Stelle ausgenommen. In der Regel, das heißt in Fällen von gesunden, in sich stabilen Instituten, wird man Skalenvorteile erwarten. Allerdings sind Letztere in der Bankpraxis in weitaus geringerem Ausmaß messbar, als zunächst vermutet werden könnte.

Das belegen nicht zuletzt wissenschaftliche Studien, die zu höchst unterschiedlichen Ergebnissen kommen. Frühere Analysen fanden dabei vor allem bei Fusionen kleinerer Institute Skaleneffekte, aber auch dort meist in moderatem Ausmaß. Neuere Analysen sehen vor allem Fusionsvorteile für große Banken, die Sparkassen zumeist nicht sind.

Auf der Suche nach Skaleneffekten

International ist die Situation nicht wesentlich anders. Durch Banken-Fusionen erzielte Effizienzgewinne werden in den USA, aber auch in EU-Europa nicht selten sogar von negativen Skaleneffekten konterkariert. In diesen Fällen ist offenbar das Überschreiten optimaler Betriebsgrößen ein wichtiger Grund. Gemessen an der Effizienzentwicklung beziehungsweise -steigerung halten sich in Deutschland nach Bundesbankuntersuchungen erfolgreiche und nicht erfolgreiche Fusionen die Waage.

Hier schließt sich der Bogen. Sparkassenfusionen sind auch im Osten Deutschlands mehrheitlich keine Fusionen, die aus der Absicht, Effizienzgewinne in Größenordnungen zu heben, heraus geboren wurden, beziehungsweise in absehbarer Zukunft geboren werden. Sie sind Folgeerscheinungen der regionalen Strukturpolitik.

Deutlicher formuliert: Sparkassen stehen nicht so sehr vor der Frage, Kostendegressionen durch Fusionen zu erzielen, wie das bei Aktienbanken der Fall sein mag. Dazu sind die Möglichkeiten innerhalb des eigenen Verbundes zu groß.

Dennoch wird sich die Sparkassenwelt künftig auch durch Fusionen deutlich verändern. Das Management von erfolgreichen Fusionen gehört darum zu einer sehr wichtigen Kompetenz in der Sparkassenorganisation, bei der es nicht zuletzt darum geht, den fusionierten Häusern die das Geschäftsmodell prägende Bodenhaftung zu erhalten.

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