Aufsätze

Risiken, Renditen und Chancen bei europäischen Anleihen

Die Kreditkrise der Jahre 2007 bis 2010 hat viele, als unverrückbar geltenden "Gesetze" in den Kreditmärkten kräftig durcheinander gebracht. Eines dieser Gesetze war die angenommene Risikolosigkeit einiger sogenannter Safe-Haven Assets, welche eher als "Rates Product" denn als "Credit Products" angesehen wurden. Der informierte Leser mag an dieser Stelle sofort an die üblichen Verdächtigen denken, nämlich an die von der Krise arg gebeutelten Asset-Backed-Securities-Märkte (ABS-Märkte).

Einige Auto-ABS wieder im positiven Return-Bereich

Abbildung 1 zeigt in der Tat, dass auch einige Europäische ABS-Märkte durch die Krise regelrecht "unter die Räder" geraten sind und Marktwertverluste von über 30 Prozent hinnehmen mussten. Investoren, die zum Beispiel in britische und spanische RMBS (Residential Mortgage Backed Securities) investiert sind, haben die Marktwertverluste, die insbesondere nach dem Kollaps von Lehman aufgelaufen sind, immer noch nicht vollständig wett gemacht. Deutsche und italienische Auto-ABS liegen aber bereits wieder im positiven Return-Bereich.

Die in Abbildung 1 dargestellten Credit-Returns geben die Credit- beziehungsweise Spread-Komponente des Total Returns wieder. Dieser lässt sich analog zum Total Return als Marktwertveränderung (durch Spread-Änderung) plus dem Carry-Einkommen (durch Spread) modellieren.

Man beachte, dass bei dieser Berechnung nicht die Duration bezüglich der Zinsbindung herangezogen werden muss (die ja bei den üblichen variabel verzinsten Produkten sehr kurz ist), sondern die Duration bezüglich der Kapitalbindung. Für die aktuellen Zeitreihen wurde eine durchschnittliche Duration von fünf Jahren bei den RMBS (die RMBS Indices umfassen Transaktionen mit einer WAL "Weighted Average Life" zwischen zwei und acht Jahren) und von zwei Jahren bei den Auto-ABS (WAL kleiner als vier Jahre) angenommen.

Ungewohnte Volatilität der Assetklassen

Wie Abbildung 2 allerdings verdeutlicht, zeigten sich nicht nur die ABS als volatile Assetklasse während der Krise. Auch die Märkte für Investment Grade geratete Anleihen - von Staatsanleihen bis zu Unternehmensanleihen - wiesen zum Teil ungeahnte Schwankungen auf. Insbesondere die klassischen "safe havens" - die Staatsanleihen - verloren mitunter deutlich an Marktwert. Betrachtet man den Zeitraum seit 1999, sieht man, dass Staatsanleihen Investoren kumuliert fast fünf Prozent Performance verloren haben, während Unternehmensanleihen im gleichen Zeitraum mehr als fünf Prozent gewonnen haben. Beim Performancevergleich muss man allerdings berücksichtigen, dass die dargestellten Zeitreihen gegen den jeweiligen Swapsatz gerechnet sind, was die negative Rendite bei Staatsanleihen in den Boomjahren zwischen 2002 und 2007 erklärt (Swap-Renditen liegen für gewöhnlich über den von Staatsanleihen, da Letztere als sicherer gelten).

Zieht man bei der Analyse der Renditeaussichten auch die sogenannten High-Yield-Anleihen hinzu, ergibt sich ein überraschendes Bild. Tabelle 1 zeigt die durchschnittliche annualisierte Rendite (der isolierten Credit-Komponente) für ausgewählte Assetklassen seit 1999 zusammen mit der jeweiligen Volatilität und dem Sharpe-Ratio. Letzteres ist - bei einer ungeschlagenen Überverzinsung von mehr als fünf Prozent und einer moderaten Volatilität - für High-Yield-Anleihen mit Abstand am besten.

Auch Unternehmensanleihen mit der untersten Investment Grade Note BBB stehen im historischen Kontext nicht schlecht da. Aktien zeigen sich hingegen mit einer negativen Rendite über die letzte Dekade und einer Volatilität von fast 25 Prozent eher unattraktiv. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die dargestellten Werte lediglich die Credit-Komponente aufweisen. Der Ertrag aus dem Basiszins (hier die Swaprendite) käme bei einer Total-Return-Betrachtung bei den Credit Assetklassen noch hinzu.

Niedrige Ausfallrate bei europäischen Verbriefungen

Vergleicht man verschiedene Assetklassen wie zum Beispiel High-Yield-Anleihen und ABS, so greift eine reine Marktwertbetrachtung aber zu kurz. Es müssen auch noch echte Kreditverluste berücksichtigt werden. Diesbezüglich kam es nämlich aus

fundamentaler Sicht am Verbriefungsmarkt in Europa zu keinerlei flächendeckenden Kreditausfällen, ganz im Unterschied zu dem gebrandmarkten amerikanischen Subprime-RMBS-Segment. So weisen Europäische Verbriefungen über die letzten drei Jahre eine relativ niedrige kumulative Ausfallrate in Höhe von 0,65 Prozent auf (Quelle: S&P). Hochgerechnet auf das gesamte durchschnittlich ausstehende europäische Verbriefungsvolumen in Höhe von knapp 3000 Milliarden Euro entspräche das einem betroffenen Volumen von unter 20 Milliarden Euro (inklusive synthetisch transferiertem Exposure).

Die Kreditausfälle am europäischen Verbriefungsmarkt sind größtenteils auf komplexe Strukturen (zum Beispiel CDOs of ABS) oder auf transaktions-spezifische Risiken und idiosynkratische Einzelfälle, zum Beispiel in Zusammenhang mit beteiligten Originatoren/Swap-Kontrahenten zurückzuführen. Allerdings ist allen europäischen Verbriefungsexposures, trotz geringer tatsächlicher Kreditausfälle, eine hohe negative Ratingmigration zu eigen. Seit Ausbruch der Finanzkrise ist die Bonität europäischer ABS-Bonds (auch im Senior-Bereich der Kapitalstruktur) massiv von den Ratingagenturen herabgestuft worden. So liegt die dreijährige kumulative Down-grade-Rate für Europäische Verbriefungen im Zeitraum von Mitte 2007 bis Mitte 2010 bei knapp über 17 Prozent!

Sinkendes Downgrade-Risiko im ABS-Sektor

Massive Downgrades sind nicht nur vor dem Hintergrund steigender Marktwertverluste, sondern auch vor dem Hintergrund der Eigenkapitalanrechnung/Risikogewichtung von Nachteil. Die durchschnittliche Ratingdrift (Upgrades minus Downgrades dividiert durch Gesamtzahl Ratingactions) von S&P liegt per Q2 des Jahres 2010 immer noch bei einem Wert unter minus 80 Prozent, und im ersten Halbjahr 2010 gab es bei allen drei Ratingagenturen insgesamt 1493 Downgrades im Vergleich zu 197 Upgrades.

Die negative Ratingmigration im ABS-Bereich ist zum einen auf eine schwächere fundamentale Entwicklung verbriefter Kreditportfolios in einem andauernden Rezessionsszenario weiter Teile Europas zurückzuführen (zum Beispiel Arbeitslosigkeit, Überschuldung, rückläufige Kreditvergabe). Zum großem Teil sind die Bonitätsherabstufungen von Verbriefungen aber auch rein technischer Natur. Nachdem die Ratingagenturen ihre Ratingmethodik für ABS verschärft und neuen Rahmenbedingungen angepasst haben, kommen bei der Bonitätseinschätzung am Structured-Finance-Markt besonders konservative Standards zum Tragen (letztlich waren irreführende Ratingeinschätzungen im RMBS- und CDO-Bereich unter anderem eine Ursache der weltweiten Finanzkrise).

Das zukünftige Downgrade-Risiko im ABS-Sektor sollte mit vollständiger Implementierung der neuen Ratingstandards in den kommenden Monaten sinken, und verschärfte Ratingstandards garantieren neu begebenen ABS-Anleihen darüber hinaus ein hohes Maß an zusätzlichen Kreditsicherheiten (zum Beispiel Subordination) und Absicherungsmechanismen. Auch eine fortlaufende Rückzahlung europäischer Verbriefungen wird sich positiv auf das verbleibende relative Credit Enhancement Level insbesondere im AAA/Senior-Bereich auswirken (Abbildung 3).

Riskante und weniger riskante Varianten

Riskantere Sektoren am Europäischen Verbriefungsmarkt sind hingegen Verbriefungen kommerzieller Immobilienkredite (CMBS-Refinanzierungsrisiko, Marktwertrisiko der Objekte), einzelne sogenannte Leveraged Loan CLOs (mit Krediten zur Unternehmensübernahme gedeckte Transaktionen) oder Mezzanine SME CLOs (mit nachrangigen Krediten an kleine und mittlere Unternehmen gedeckte Transaktionen) sowie bestimmte RMBS-Segmente (zum Beispiel mit jüngeren spanischen Immobilienkrediten oder UK non-conforming RMBS). Prime-RMBS insbesondere in Italien und den Niederlanden sowie Auto-ABS (insbesondere aus Deutschland) gelten als besonders robuste Assetklassen.

Auch Kontrahenten-spezifische Risiken gilt es zukünftig zu beachten, selbst wenn beispielsweise die Nichteinhaltung von Call-Dates (Verlängerungsrisiko) immer noch der Ausnahmefall bleibt. Eine eventuelle Anhebung des Zinsniveaus ab Ende 2011 wird den Druck auf Konsumenten- und Immobilienkredite in Europa wieder erhöhen, mittelfristig sollte sich die fundamentale Entwicklung im ABS-Bereich dennoch weiter stabilisieren - erste Anzeichen dafür gibt es bereits jetzt, die Zahlungsrückstände in Europa haben sich auch in fundamental schwachen Segmenten merklich stabilisiert.

Ein Problem bleibt nach wie vor die Liquidität und die marktnahe Bewertung vieler Anleihen. Eine Erholung der Primärmarktaktivität könnte allerdings auch den Handel am Sekundärmarkt weiter beleben und neue Benchmarkpreise für die Bewertung von ABS-Transaktionen liefern. Regulatorische Unsicherheiten in Bezug auf die praktische Umsetzung neuer Regelwerke am ABS-Markt (ECB, CRD, Basel) bleiben ein kurz- bis mittelfristiger Risikofaktor.

Mit fortschreitendem Pull-to-Par-Effekten und Deleveraging-Prozessen sind die Renditechancen im ABS-Bereich - vor allem vor dem Hintergrund immer noch relativ weiter Spreadniveaus und bezogen auf die tatsächlichen Ausfallrisiken - durchaus als attraktiv einzuschätzen.

Demgegenüber kam es an den Anleihenmärkten zu spektakulären Überraschungen. Von den ersten Meldungen über Schließungen von ABS-Fonds im Sommer 2007 über die Rettungsaktion für die IKB Ende Juli desselben Jahres bis zum Ausfall von Lehman Brothers am 15. September 2008 und den folgenden Kollaps des isländischen Bankensystems verging mehr als ein Jahr. Diese Ereignisse bescherten dem europäischen Markt für In-vestment-Grade-Unternehmensanleihen den ersten Zahlungsverlust seit dem Jahr 2002 (Enron).

In der Folge stellten sich weitere Verluste für Anleiheinvestoren ein, diese beschränkten sich innerhalb des Investment-Grade-Segments jedoch ausschließlich auf den Finanzsektor. Die Pleite von Lehman brachte sehr starke Ausschläge in den Preisen für Kreditprodukte aller Art mit sich (siehe Performance-Abbildungen) und führte zu einem Engpass an den Geldmärkten, der letztlich durch weitreichende Stützungsmaßnahmen und Garantien seitens Notenbanken und Regierungen (wie zum Beispiel Einlagengarantien) stabilisiert werden konnte. Der starke konjunkturelle Einbruch in der Folgezeit schlug sich lediglich in einem starken Anstieg der Ausfallraten für High-Yield-Anleihen nieder.

Erwarteter Anstieg der Ausfallraten überzeichnet

Der zu diesem Zeitpunkt erwartete Anstieg der Ausfallraten wurde dabei allerdings sowohl von den Marktteilnehmern wie auch von den Ratingagenturen deutlich überzeichnet. Das Distress Ratio, also der Anteil der High-Yield-Anleihen, die bei einem Renditeaufschlag von 1000 bp und mehr über Staatsanleihen gehandelt werden, erreichte Anfang 2009 Höchstwerte von nahezu 80 Prozent. Entsprechend erwarteten die Ratingagenturen zeitweise Ausfallraten von über 20 Prozent für High-Yield-Anleihen. Anders als vorausgesagt, blieb jedoch die Spitze der Ausfallrate volumenmäßig sogar hinter dem vorangegangen Ausfallhoch des Jahres 2002 (siehe Abbildung 4) zurück und war auch in diesem Segment überproportional stark von Finanzwerten getrieben, was auf den gestiegenen Anteil von Banken aus den Emerging Markets (EEMEA Region) zurückzuführen ist. So kam es in Kasachstan zu vier, in der Ukraine zu sieben und in Russland zu neun Bankenpleiten.

Die Vergleich der Performance verschiedener Credit-Assetklassen während der Krise zeigt, dass zum Teil althergebrachte Wahrheiten bezüglich des Risikocharakters einzelner Segmente hinterfragt werden muss. Darüber hinaus haben die Marktpreisbewegungen zu deutlichen Verschiebungen der Chancen-/Renditen-Profile geführt. ABS-Transaktionen haben demnach noch reichlich Potenzial, während bei einigen Anleihenmärkten die Aufholjagd schon dem Ende entgegengeht. Auch die anlehnende Haltung gegenüber den mitunter Ramschanleihen genannten High-Yield-Märkten sollten Investoren gegebenenfalls überdenken.

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