Sparkassenverbund 2012 - Aufsätze

Regulierung für dezentrale Verbundgruppen: mehr Verständnis notwendig

Dass bankaufsichtliche Regelungen zunehmend durch internationale Vorgaben geprägt sind, ist sicher keine ganz neue Entwicklung. Spätestens mit der Übernahme der Baseler Eigenkapitalregeln "Basel II" auf EU-Ebene hat sich gezeigt, wie schwer es ist, in internationalen Gremien bereits vereinbarte Standards an die Besonderheiten der jeweiligen Rechtsgebiete, in denen sie schließlich verbindlich angewendet werden sollen, anzupassen. In besonderem Maße setzt sich dies nun bei den unter "Basel III" bekannten neuen Eigenkapitalund Liquiditätsanforderungen für Kreditinstitute fort.

Am Leitbild der Aktienbanken orientiert

Unter dem unmittelbaren Eindruck der Finanzkrise und als Konsequenz daraus verabschiedeten die G20-Staats- und Regierungschefs 2009 in Pittsburgh Eckpunkte für ein künftiges globales Aufsichtsregime, die vom Financial Stability Board (FSB) und vom Baseler Ausschuss für Bankenaufsicht näher ausgearbeitet werden sollten. Bereits in den Eckpunkten der G20 zeichnete sich ab, dass diese sich eindeutig am Leitbild der Aktienbanken und der konzernstrukturierten Institutsgruppen orientierten.

Noch deutlicher wurde dies in den Ausarbeitungen des Baseler Ausschusses bei der Spezifizierung der Kriterien für das bankaufsichtlich anerkennungsfähige Eigenkapital. Zwar findet sich in dem endgültigen Rahmenwerk zu Basel III, das im Dezember 2010 vorgelegt wurde, in einer Fußnote der Hinweis, dass neben Instituten in Form einer Aktiengesellschaft in unterschiedlichen Rechtskreisen auch unterschiedliche Rechtsformen bestehen können, allerdings müssen sich auch deren Eigenkapitalinstrumente im Wesentlichen an den Ausgestaltungsmerkmalen der Stammaktien orientieren.

Bei der Umsetzung von Basel III auf EU-Ebene in der Capital Requirements Regulation (CRR) wurde diese Fußnote in eine eigene Artikelfolge gegossen. Darin beschreibt die EU-Kommission in ihrem Entwurf vom 20. Juli 2011 konkret, in welchen Bereichen von den für Aktienbanken vorgegebenen Kriterien abgewichen werden darf und welche Institute von diesen Abweichungen Gebrauch machen dürfen. Sparkassen waren in der dazu vorgelegten Aufzählung zunächst gar nicht enthalten. Erst über die Änderungsanträge aus dem Wirtschafts- und Währungsausschuss des Europäischen Parlaments und des Rats besteht die Chance, dass auch Sparkassen explizit in den Kreis von Instituten aufgenommen werden, die als offizielle Alternative zur Aktienbank gelten. Dieses Beispiel zeigt, dass die immer wieder gepriesene Vielfalt in Europa zuweilen doch sehr stiefmütterlich behandelt wird, selbst wenn es im Einzelfall sogar zu dem eigentlich - sollte man meinen - erwünschten Nebeneffekt der Risikodiversifizierung im Finanzsystem beitragen würde.

Unter dem Deckmantel der Wettbewerbsgleichheit

Das alles geschieht stattdessen meist unter dem Deckmantel der Wettbewerbsgleichheit, des sogenannten "Level-Playing-Field". Gleiches Recht für alle oder - bankaufsichtlich ausgedrückt - "same business, same risk, same rules". Dem allgemeinen Gleichheitsgrundsatz, Gleiches gleich zu behandeln, sollte jedoch spiegelbildlich der Grundsatz gegenüberstehen, dass Ungleiches damit ungleich behandelt werden soll. Es kommt also auf die richtige Differenzierung sowohl in den aufsichtlichen Regeln als auch bei der aufsichtlichen Praxis an. Denn ein wettbewerbliches Level-Playing-Field bedeutet eben nicht automatisch, dass dieses nur durch einheitliche Regeln, die für alle in gleicher Weise gelten, gewährleistet werden kann.

Einheitliche Regeln wirken zum Teil äußerst unterschiedlich auf die Institute. So müssen beispielsweise Refinanzierungsvorteile aufgrund von Systemrelevanz bei entsprechend großen Instituten, die "too big to fail" sind, ebenso berücksichtigt werden wie beispielsweise höhere Fixkostenblöcke bei der Umsetzung und Einhaltung von bankaufsichtlichen Vorgaben in kleineren Instituten.

In Deutschland gilt in diesem Zusammenhang das Prinzip der sogenannten. "doppelten Proportionalität", das Eingang in den bankaufsichtlichen Überprüfungsprozess im Rahmen der zweiten Säule, vor allem die MaRisk, gefunden hat. Selbstverständlich bekennen sich auch die Rechtssetzungsorgane auf EU-Ebene - von der Kommission über Parlament und Rat bis hin zur europäischen Bankaufsichtsbehörde EBA - zum Grundsatz der Proportionalität.

Leider ist es dann allerdings meist so, dass die vorgelegten Regelungen in ihren ersten Entwürfen sowohl auf der primären Gesetzgebungsebene als auch bei den eher technischen Ausführungsbestimmungen eine angemessene Differenzierung erst einmal vermissen lassen. Es stellt sich dann stets als äußerst mühsames Unterfangen vor allem für regional tätige Institute mit einem weniger komplexen Geschäftsmodell und damit geringerem Risikoprofil dar, durch wirksame Interessenvertretung den Gedanken der Proportionalität und der Differenzierung in die aufsichtlichen Vorgaben hineinzuverhandeln. Besonders herausgefordert sind dabei oft die öffentlich-rechtlichen Institute, zumal wenn sie - wie die Institute der Sparkassen-Finanzgruppe - innerhalb von Verbünden organisiert sind.

Richtige Weichenstellung bereits auf EU-Ebene

Umso schwieriger wird dies für die betroffenen Institutsgruppen, wenn die aufsichtlichen Regulierungsvorhaben auf internationalen Vorgaben beruhen, die weder die öffentliche Rechtsform noch den Verbund als besondere Form der Zusammenarbeit von rechtlich selbstständigen Instituten kennen und berücksichtigen. Selbst bei der Umsetzung der Basel-III-Empfehlungen auf EU-Ebene wird dem nur sehr eingeschränkt Rechnung getragen - trotz der vielfachen Beteuerungen vor allem der EU-Kommission, bei der Umsetzung die europäischen Besonderheiten von vorneherein berücksichtigen zu wollen. In früheren Gesetzgebungsprozessen konnte ein entsprechendes Defizit auf EU-Ebene teilweise noch im Rahmen der nationalen Umsetzung von EU-Richtlinien ausgeglichen werden. Dies ist bei der Basel III-Umsetzung so nicht mehr möglich, da diese in Form einer EU-Verordnung erlassen werden soll, die unmittelbar geltendes Recht in den Mitgliedstaaten bedeutet.

Für die verbundstrukturierten Institutsgruppen kommt es also wesentlich darauf an, dass bereits auf EU-Ebene die Weichen richtig gestellt werden. Dies zeigt in besonderem Maße bei der Frage der Behandlung von Verbundbeteiligungen. Diese werden innerhalb der Sparkassen-Finanzgruppe zumeist von den Regionalverbänden gehalten. Die Sparkassen unterlegen ihre jeweilige Mitgliedschaft im Regionalverband, die kraft Gesetz besteht, mit acht Prozent Eigenkapital. Eine direkte Abzugspflicht vom Eigenkapital der Sparkassen war bislang nicht erforderlich. Künftig sollen im Zuge der Umsetzung von Basel III jedoch auch solche Beteiligungen an Verbundunternehmen vom Eigenkapital abgezogen werden müssen, die nur mittelbar gehalten werden.

Es wäre danach also eine Art "Durchschau" durch die regionalen Sparkassen- und Giroverbände erforderlich, ungeachtet der Tatsache, dass die Mitgliedschaft in den Regionalverbänden selbst eigentlich nicht abzugspflichtig ist. Ein solch unmittelbarer Abzug bei den Sparkassen kann nach den Vorschlägen der EU-Kommission nur dann vermieden werden, wenn die Institute des Haftungsverbundes der Sparkassen-Finanzgruppe eine konsolidierte Finanz- und Eigenmittelberichterstattung vorlegen können. Während bei der Nullanrechnung verbundinterner Forderungen, die im Zuge der Umsetzung von Basel II Eingang in die europäische Bankenrichtlinie fand, für Institutssicherungssysteme alternativ zur Konsolidierung noch eine aggregierte Darstellung möglich war, besteht diese Option nach dem Vorschlag der EU-Kommission bei der Behandlung indirekter Beteiligungen nicht mehr. Stattdessen wird von der gruppenweiten Konsolidierung als einziger Methode ausgegangen, die eine Mehrfachausnutzung von Eigenmittelbestandteilen innerhalb der Gruppe unterbindet.

Änderungsvorschlag der Bundesregierung verankern

Damit wird den Instituten der Sparkassen-Finanzgruppe ein an sich nur auf konzernstrukturierte Institutsgruppen anwendbares Element abverlangt. Die Sparkassen-Finanzgruppe verfügt jedoch über keine Konzernstruktur mit einem beherrschenden Mutterunternehmen, auf das konsolidiert werden könnte. Zudem sind die Beteiligungsverhältnisse bei den Verbundunternehmen, zum Beispiel bei den Landesbanken, äußerst heterogen, sodass Konzernvorgaben bereits strukturell nicht darstellbar sind.

Es ist deshalb nur folgerichtig, wenn das Bundesfinanzministerium im Ratskompromiss zur CRR vorschlägt, auf Verbundgruppen die Konsolidierungsanforderungen nicht dem Wortlaut, sondern dem Grunde nach anzuwenden. Dass damit kein Qualitätsverlust verbunden ist, zeigen die detaillierten Vorgaben und Erwartungen an den Nachweis der fehlenden Mehrfachbelegung von Eigenmitteln. Allerdings wäre es wichtig, den Änderungsvorschlag der Bundesregierung, der bislang nur Eingang in einen Erwägungsgrund gefunden hat, in dem betreffenden Artikel, konkret Art. 46 des Verordnungsentwurfs, zu verankern.

Zutreffend stellt der Änderungsvorschlag nämlich klar, dass es für die Erreichung des Ziels, eine Mehrfachbelegung von Eigenmitteln innerhalb der Institute eines Haftungsverbundes zu vermeiden, nicht da rauf ankommt, welche Bezeichnung für die angewandte Methode gewählt wird, sondern ob die bankaufsichtlich erwünschte Wirkung tatsächlich eintritt. Im Falle des Haftungsverbundes der Sparkassen-Finanzgruppe kann dieses Ziel auch über eine sogenannte "erweiterte aggregierte Nachweisrechnung" erreicht werden, ohne dass hierfür eine Veränderung oder Ergänzung der bestehenden Verbundstrukturen um konzernähnliche Elemente erfolgen muss.

Die Sparkassen-Finanzgruppe ist kein Konzern und will auch keiner werden. Insoweit besteht für die Sparkassen-Finanzgruppe gerade kein Identitätskonflikt, sondern ein klares Selbstverständnis, das auf dezentralen Entscheidungsstrukturen und einer dezentral und arbeitsteilig organisierten Marktbearbeitung beruht. Dass diese in vielen Bereichen Gemeinsamkeiten aufweist, ist nur folgerichtig, aber kein Indiz für Zentralität. Genau diese Gemeinsamkeit macht den Verbund aus und aus ihr leitet sich die gegenseitige Unterstützung und Solidarität im Haftungsverbund ab. Deshalb wendet sich die Sparkassen-Finanzgruppe vehement gegen bankaufsichtliche Vorgaben, die ihre Institute in eine konzernähnliche Richtung, das heißt zu mehr Zentralität drängen.

Besonders augenfällig war dies seinerzeit in der Diskussion über die Kriterien zur Erfüllung der Voraussetzungen für die Nullanrechnung verbundinterner Forderungen. Im Rahmen der Umsetzung von Basel III war eine der größten Herausforderungen für uns, bei der Gesetzgebung auf EU-Ebene zu vermeiden, dass ein zentrales Risikomanagement mit einer zentralen Steuerung innerhalb des Verbundes als Anerkennungskriterium für ein qualifiziertes Institutssicherungssystem vorgegeben wird. Dies hätte einen Paradigmenwechsel im Verbund bedeutet und zu massiven Eingriffen in das Geschäftsmodell vor allem der Sparkassen geführt. Obwohl die Institute der Sparkassen-Finanzgruppe im Rahmen des Haftungsverbundes füreinander einstehen, haben wir uns ganz bewusst gegen eine zentrale Risikosteuerung im Verbund entschieden.

Zentrale versus dezentrale Risikosteuerung

Gerade in der dezentralen Risikosteuerungs- und -entscheidungskompetenz sehen wir einen klaren Vorteil unserer Gruppe. Dadurch werden Fehlentscheidungen über die Gruppe hinweg ausgeglichen, ein Herdenverhalten wird so vermieden. Das ist echte Risikodiversifizierung und Vermeidung eines Systemrisikos, das zu einer Gefahr für die Stabilität des Finanzsystems werden könnte. Das genau ist auch der Grund, weshalb Sparkassen im regulatorischen Sinne nicht systemrelevant sind. Sie sind in jedem Falle gesellschaftlich relevant, aber jede einzelne für sich bedeutet keine Systemgefahr, da es die Sparkassen in ihrer Gesamtheit als "Klumpenrisiko" wegen der dezentralen Entscheidungsstrukturen nicht gibt.

Der Erhalt solcher dezentraler und auf Diversifikation ausgerichteter Strukturen müsste vor dem Hintergrund der Erfahrungen aus der Finanzkrise eigentlich im Interesse aller Beteiligten liegen. Eine Politik, die sich einseitig an den Interessen der großen, grenzüberschreitenden Bankkonzerne ausrichtet, ist dagegen offensichtlich verfehlt. In diesem Sinne liegt noch viel Arbeit vor uns, die richtigen Lehren aus der Finanzkrise zu ziehen. Vor dem Hintergrund der fortschreitenden Internationalisierung und Globalisierung bankaufsichtlicher Rahmenbedingungen wird das aber - so ist zu befürchten - eine bleibende Herausforderung gerade für die Vertreter regional tätiger Institute bleiben. Insofern ist noch lange kein Level Playing Field in Form eines für alle gleichen Spielfeldes erreicht, sondern die Sparkassen-Finanzgruppe hat das Gefühl, regulatorisch ständig bergauf spielen zu müssen. Wettbewerbsgleichheit sieht anders aus.

Dr. Karl-Peter Schackmann-Fallis , Geschäftsführendes Vorstandsmitglied , Deutscher Sparkassen- und Giroverband e.V., DSGV, Berlin
Noch keine Bewertungen vorhanden


X