Interview

Redaktionsgespräch mit Rudolf Böhmler - "Wer einmal in die Bundesbank kommt, bleibt in der Regel! "

Herr Böhmler, laut Bun-desbank-Strukturreform aus dem Jahre 2002 sollen rund ein Drittel der Stellen wegfallen und auch die Präsenz in der Fläche erheblich reduziert werden. Wie weit ist die Bundesbank bislang gekommen, was bleibt dem amtierenden Vorstand noch zu tun?

Diese erste "Strukturreform" endete mit Ablauf des Jahres 2007. Die Bundesbank musste sich seinerzeit auf veränderte Marktbedingungen und auf Anforderungen des Europäischen Systems der Zentralbanken einstellen. Ziel war es, die Bank "europafit" zu machen, die Wirtschaftlichkeit bei der Aufgabenerfüllung zu verbessern und die Leitungsstruktur zu straffen. Außerdem haben wir in dieser Phase unser Dienstleistungsangebot im baren und unbaren Zahlungsverkehr modernisiert und mit der Umsetzung von Basel II und der Vertiefung der Arbeiten auf dem Gebiet der Finanzstabilität geschäftspolitische Akzente gesetzt.

Die Erfolgsbilanz, zu der die Beschäftigten der Bundesbank mit erheblichen Anpassungsleistungen beigetragen haben, kann sich wirklich sehen lassen:

- Im Jahr 2007 hatten wir Kosteneinsparungen von 300 Millionen Euro gegenüber dem Referenzjahr 2002 erzielt (kumuliert für den Zeitraum von 2002 bis 2007 mehr als eine halbe Milliarde Euro - nach Abzug der reformbedingten Kosten);

- das Filialnetz wurde erheblich konsolidiert und die gesamte Leitungsstruktur (Managementpositionen) um rund 50 Prozent verschlankt;

- der Personalbestand wurde bis Ende 2007 auf rund 10 390 Beschäftigte zurückgeführt und beläuft sich mittlerweile auf etwas weniger als 9 700 Vollzeitkräfte. Damit wurde seit 2002 über ein Drittel des Personals abgebaut. Ein im öffentlichen Sektor sicherlich einmaliges Ergebnis.

Der aktuelle Strategiezyklus (2008 bis 2012) steht nun unter dem Leitgedanken "Profil schärfen, Konsolidierung fortsetzen". Hiermit verfolgt die Bundesbank auf der einen Seite das Ziel, ihr Profil als stabilitätsorientierte unabhängige Institution in Deutschland und im ESZB zu schärfen, auf der anderen Seite aber auch, dem hohen Stellenwert von Qualität und Wirtschaftlichkeit des Handelns durch Fortsetzung des eingeschlagenen Konsolidierungskurses gerecht zu werden. So streben wir für das Jahr 2012 eine Stellenausstattung von zirka 9 000 an.

Mit wie vielen Filialen geht die Bundesbank in die kommenden Jahre, welche Präsenz ist auch im Rahmen der Neuordnung der Bargeldversorgung mittelfristig angestrebt?

Der Vorstand der Bundesbank hat im Dezember letzten Jahres entschieden, bis Ende 2015 bundesweit 13 Standorte zu schließen. Die Schließungen sollen in drei Schritten zu Ende September 2012 (Standorte in Aachen, Cottbus, Duisburg, Flensburg, Kassel, Meiningen und Lörrach), Ende März 2015 (Dresden, Gießen, Lübeck) sowie Ende September 2015 (Bayreuth, Bremen und Kiel) umgesetzt werden. Darüber hinaus haben wir in Aussicht genommen, weitere fünf Filialen in der Region Rhein-Ruhr durch die Errichtung einer neuen Filiale zu konsolidieren. Danach würde die Bundesbank noch 31 Filialen unterhalten. Zum Vergleich: Im Gründungsjahr 1957 zählte die Bundesbank 251 Filialstandorte allein in Westdeutschland; 2002 - also zu Beginn der Strukturreform - waren es dann bundesweit noch 126.

Wie begegnen Sie Vorwürfen, dass mit dem Rückzug der Bundesbank aus der Fläche die Qualität der Geldversorgung für Handel, Banken und Verbraucher leide? Ist dieser Vorwurf zu entkräften?

Maßgeblich für die Anpassungen war, dass sich die Aufgaben der Bundesbankfilialen in den letzten Jahren gravierend verändert haben. Der Schwerpunkt liegt heute bei der Bargeldver- und -entsorgung unserer Kunden - und die nutzen die heutigen Filialen in sehr unterschiedlichem Umfang. Ursächlich für die Nutzungsunterschiede sind die sehr volatilen Geldströme, wobei den Entfernungen zwischen unseren Kunden und den Filialen nicht die entscheidende Rolle zukommt. Mit Blick auf die vorhandenen Überkapazitäten war deshalb eine Ausdünnung des Filialnetzes unvermeidlich.

Unserer Entscheidung vorausgegangen sind umfangreiche Untersuchungen jedes einzelnen Filialstandortes. Auf dieser Grundlage wurde ein Konzept erarbeitet, um die Kapazitäten in den Regionen sinnvoll zu verteilen. Obwohl das Filialnetz in Zukunft durch die Entscheidung grobmaschiger wird als bisher, bleibt die Präsenz der Deutschen Bundesbank in der Fläche erhalten. Die qualitativ hochwertige Bargeldver- und -entsorgung ist und bleibt auch künftig sichergestellt. Schließlich ist dies eine der bedeutendsten Aufgaben und Pflicht der Bundesbank gegenüber der deutschen Bevölkerung.

Im vergangenen Jahr gingen Mitarbeiter der Bundesbank zum ersten Mal auf die Straße und demonstrierten gegen die weitere Schließung von Filialen. Wird man das nun öfter sehen oder war das ein einmaliger Vorgang?

Die kommenden Filialschließungen sind ein weiterer wichtiger Schritt in einem längeren Prozess der Restrukturierung. Für die Beschäftigten in den betroffenen Filialen ist dies natürlich ein tiefer Einschnitt in die Lebensumstände, beispielsweise durch längere Fahrtstrecken zum neuen Dienstort oder erforderliche Umzüge. Insofern habe ich Verständnis für die Proteste. Ich möchte aber darauf hinweisen, dass es keine einzige betriebsbedingte Kündigung geben wird. Den betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird an anderen Dienstorten eine Weiterbeschäftigung angeboten. Wenn das in Einzelfällen nicht zumutbar erscheint, denken wir auch an andere kreative Lösungen. Wir bieten den Betroffenen darüber hinaus auch Umzugshilfen an. Durch die zeitliche Streckung der Schließungen auf die Jahre 2012 und 2015 werden daneben etwa ein Drittel aller Beschäftigten altersbedingt nicht mehr betroffen sein.

Wie muss man in solchen Phasen der Verunsicherung mit Mitarbeitern kommunizieren? Was sind Ihre Erfahrungen?

Entscheidend ist eine offene und ehrliche Kommunikation. Zwar hat der Vorstand bei der Evaluierung des Filialnetzes sehr frühzeitig die Beschäftigtenvertretungen und

Filialleiter mit einbezogen, genauso wichtig ist es jedoch, auch die betroffenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter "ins Boot zu holen", um vor allem der zwangsläufig entstehenden Verunsicherung entgegenzuwirken. Credo ist für uns in diesem Zusammenhang, dass wir uns fürsorglich um jeden Einzelfall kümmern werden.

Ich möchte aber betonen, dass die Konsolidierung des Filialnetzes und der Personalabbau nur eine Seite der Strukturreform sind. Zur gleichen Zeit haben wir in unseren Kerngeschäftsfeldern (Geldpolitik, Bankenaufsicht, Finanzstabilität und Zahlungsverkehr) gezielt Kompetenz und Expertise aufgebaut.

Wo kommen dafür qualitativ hochwertige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, das erforderliche Spitzenpersonal her?

Traditionell stützt sich die Bundesbank bei der Gewinnung qualifizierter Nachwuchskräfte im Wesentlichen auf eigene, auf das "Central Banking" zugeschnittene Ausbildungsprogramme, da die Aufgaben und Tätigkeiten einer Zentralbank in weiten Bereichen so spezifisch sind, dass externe Bildungsabschlüsse allein selten ausreichende Kompetenzen vermitteln. Wir stellen aber bei Bedarf auch gezielt Spezialistinnen und Spezialisten ein, wenn sie die passgenaue Vorbildung für eine bestimmte Tätigkeit mitbringen. Hilfreich ist dabei für uns, dass wir in Deutschland beim Ranking unter den begehrtesten Arbeitgebern nach wie vor einen Spitzenplatz einnehmen.

Welche Rolle spielt die Ausbildung an der Fachhochschule?

An der Fachhochschule der Deutschen Bundesbank wird der Nachwuchs im gehobenen Dienst, das heißt für das mittlere Management der Bundesbank, ausgebildet. Die Lehrinhalte unserer FH sind genau auf die zukünftigen Einsatzfelder der Absolventinnen und Absolventen abgestimmt. Neben der fachlichen Expertise wird auch eine "Corporate Identity" entwickelt; die Identifikation der Studierenden mit der Deutschen Bundesbank und ihrem Auftrag ist für uns schließlich ein echtes "Asset", allein schon für die Personalbindung. Auf einen Studienplatz kommen in der Regel bis zu 20 Bewerbungen. Dies ist für uns ein weiteres Indiz für die hohe Attraktivität des Studiengangs und des Arbeitgebers Deutsche Bundesbank. Wir können also auf einen hoch qualifizierten und motivierten Bewerberkreis zurückgreifen.

Um den Studiengang auch zukünftig attraktiv zu halten, wird der Abschluss in Kürze vom "Diplom-Betriebswirt (FH)" auf den "Bachelor of Science" umgestellt. Mit diesem international anerkannten Abschluss wird unsere Fachhochschule sicherlich auch interessant für andere Notenbanken im Eurosystem. Insgesamt fühlen wir uns für die Zukunft und den "War for Talents" der kommenden Jahre gut gerüstet.

Stichwort Gehaltsgefüge: Kann die Bundesbank als Arbeitgeber mit dem Markt "konkurrieren"?

In der Tat: Mit dem Gehaltsgefüge des öffentlichen Dienstes allein wäre die Bundesbank am Arbeitsmarkt kaum konkurrenzfähig - vor allem nicht am Standort Frankfurt. Die hohe Attraktivität der Bundesbank als Arbeitgeber hängt vielmehr mit ihrem "Beschäftigungspaket" zusammen. Wir bieten Einsatzmöglichkeiten in sehr unterschiedlichen und interessanten Arbeitsgebieten an, im In- wie im Ausland. Hinzu treten gezielte Personalentwicklung und die Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Folge ist, dass wir eine sehr niedrige Fluktuationsrate haben: Wer einmal in die Bundesbank kommt, bleibt in der Regel!

Finden Sie noch genug gute Leute für die Präsenz in der Fläche oder will jeder in der Zentrale arbeiten, weil hier die Aufstiegs- und Weiterentwicklungschancen größer sind?

Bislang hat die Bundesbank noch keine Probleme, gut qualifizierte Nachwuchskräfte für alle Standorte zu gewinnen. Durch unsere dezentralen Stellenausschreibungen und Einstellungen sprechen wir gezielt Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in der Fläche an. Allerdings sind - aufgrund des sich erholenden Arbeitsmarktes und der demografischen Entwicklung - auch wir mit rückgängigen Bewerberzahlen konfrontiert.

Als "Innenminister" müssen Sie auch die gesamte Verwaltung im Auge haben: Dem Eindruck nach nimmt der Druck auf die Bundesbank-Administration immer nur zu. Wie effizient kann eine Notenbank werden?

Die Administration unterstützt die Notenbank bei der Erfüllung ihrer Kernaufgaben. Insofern ist der Verwaltungsaufwand letztlich von den Entwicklungen in diesen Bereichen abhängig. Insgesamt sind wir aber auf gutem Wege. Die Balance zwischen den Anforderungen an die Bank und der Personalausstattung stimmt.

Von welchen bürokratischen Aufgaben kann man eine Zentralbank am einfachsten befreien?

Wir haben gerade zum 1. September - unter meiner Federführung - einen Anlauf zum Abbau der Bürokratie in der Bundesbank gestartet. Alle Beschäftigten wurden aufgefordert, Vorschläge zu unterbreiten, in welchen Bereichen die Bundesbank von überbordender Bürokratie befreit werden sollte. Mein Ziel ist es, die Bundesbank noch effizienter und vor allem "beweglicher" zu machen. Auch unsere Administration muss unnötigen Ballast abwerfen.

Die Bundesbank hat immer noch mehr als 2 000 eigene Wohnungen im Bestand. Kann man diesen Verwaltungsaufwand noch darstellen?

Zunächst einmal möchte ich betonen, dass die Bundesbank ihren Wohnungsbestand in den letzten Jahren halbiert und die Wohnungsverwaltungstätigkeiten effizienter organisiert hat. Die Wohnungsfürsorge der Bundesbank beschränkt sich heute auf sogenannte "Brennpunktstandorte", also Städte, in denen erschwingliche Wohnungen insbesondere für Geringverdiener und Familien am Markt nur schwer zu haben sind. Gerade die Wohnungsfürsorge hilft uns bei der Umstrukturierung der Bundesbank enorm.

Wie läuft die Zusammenarbeit mit der EZB und anderen Notenbanken ab? Welche Aufgaben werden der Bundesbank abgenommen? Gibt es hier Verbesserungspotenzial?

Der EZB-Rat, dem der Bundesbankpräsident angehört, legt die Geldpolitik im Eurosystem fest und erlässt die zur Erfüllung der dem ESZB übertragenen Aufgaben erforderlichen Leitlinien und Beschlüsse. Die EZB nimmt die nationalen Zentralbanken zur Durchführung der Geschäfte in Anspruch.

Vor dem Hintergrund eines wachsenden Euroraums sind in den vergangenen Jahren vermehrt auch Gemeinschaftsprojekte von den nationalen Zentralbanken und der EZB auf den Weg gebracht worden. Ziel dieser Kooperationen ist es, Services - wie zum Beispiel Kerninfrastrukturen oder IT-Anwendungen - für alle zur Verfügung zu stellen. Schließlich lassen sich aus einem Zugewinn an Effizienz und Effektivität auch Kosten für den EU-Bürger reduzieren. Die Bundesbank hat sich mit ihrer strategischen Planung frühzeitig auf diese Veränderungen eingerichtet und definiert, bei welchen Gemeinschaftsprojekten sie sich in einer aktiven Beteiligungsrolle sieht (zum Beispiel Target-2), womit wir unseren Beschäftigten zugleich attraktive Tätigkeitsfelder im europäischen Kontext sichern können.

Zurückblickend auf die ersten elf Jahre Währungsunion hat sich schon viel durch die Zusammenarbeit der Notenbanken verändert. Der Prozess des "Zusammenwachsens" ist aber noch in vollem Gange und wird uns in den kommenden Jahren weiter intensiv beschäftigen.

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