Aufsätze

Reale Werte für reale Erträge

Alle institutionellen Investoren haben ein Problem - den Rendite-Notstand am Anleihemarkt. Bisher reagieren viele Versicherer, Pensionskassen und Stiftungen bei der Neuanlage von Kapital mit einer Art Hinhaltetaktik: In der Hoffnung auf bessere Zeiten investieren sie das Geld ihrer Kunden bevorzugt kurzfristig in liquide Anlageformen. Aussitzen lässt sich das Problem aber nicht. Die Zinsen werden voraussichtlich auf Dauer niedrig bleiben. Wollen institutionelle Investoren ihre langfristigen Renditeverpflichtungen erfüllen, müssen sie ihre Portfolios neu strukturieren und alternative Anlageformen beimischen. Wie noch zu zeigen ist, bieten sich zur Portfolio-Optimierung insbesondere Infrastrukturinvestments an.

Öffentliche Anleihen dominierende Anlageform in Portfolios

Die Zeiten haben sich signifikant verändert. Historisch gesehen, war es in den vergangenen zwanzig Jahren im Durchschnitt nicht besonders schwer, mit gemischten Portfolios aus Anleihen und Aktien eine auskömmliche Rendite zu erzielen. Zwar steht der Deutsche Aktienindex (Dax) heute ziemlich genau auf dem Niveau von Anfang 2000, doch konnte der Anleihemarkt die eher enttäuschende Wertentwicklung von Aktien zum Teil kompensieren. So ist die durchschnittliche Rendite aller inländischen, bereits emittierten Anleihen erster Bonität (Umlaufrendite) von acht Prozent im Jahr 1992 auf knapp über ein Prozent gefallen. Die rückläufigen Renditen gingen mit steigenden Kursen einher, sodass mit Bundesanleihen eine attraktive Performance zu erzielen war. Auch aus diesem Grund sind öffentliche Anleihen mit großem Abstand die dominierende Anlageform in den Portfolios. Die rechtlich mögliche Aktienquote schöpfen institutionelle Investoren oft nicht einmal aus.

Doch diese Entwicklung der Vergangenheit darf nicht in die Zukunft fortgeschrieben werden. Ganz offensichtlich sind signifikante Kursgewinne am Anleihemarkt kaum noch möglich, wenn selbst Bundesanleihen mit zehn Jahren Restlaufzeit eine Rendite unter 1,5 Prozent aufweisen. Auch Anleihen von Industrieunternehmen mit gerade noch investitionswürdiger Bonität erreichen nur noch eine Rendite von rund drei Prozent. Staatsanleihen einiger südeuropäischer Länder bieten zwar höhere Renditen, doch sind die damit verbundenen Risiken erheblich. Gleiches gilt für Hochzinsanleihen, die angesichts eines getrübten Konjunkturausblicks ebenfalls mit Vorsicht zu betrachten sind. Selbst wenn aufgrund höherer Inflationserwartungen in den kommenden Jahren - zahlreiche Ökonomen rechnen mit mindestens drei bis fünf Prozent für Deutschland - das Renditeniveau am Anleihemarkt steigen würde, wären zunächst einmal Kursverluste bei Anleihen zu ertragen.

Per Juni 2012 lag die Inflationsrate in Deutschland bei 1,7 Prozent. In der Definition der Europäischen Zentralbank ist das Preisstabilität. Dennoch ist die reale Umlaufrendite, also die oben genannte nominale Umlaufrendite nach Abzug der Inflationsrate negativ. Institutionellen Investoren ist es also nicht mehr möglich, das Vermögen mit deutschen öffentlichen Anleihen real zu erhalten. An diesem Dilemma dürfte sich mittel- bis langfristig wenig ändern. Die enormen Schuldenberge in den Industriestaaten müssen abgetragen werden. Allein durch eine rigide Sparpolitik und Steuererhöhungen wird dies nicht zu schaffen sein.

Reale Werte gegen Finanzrepression

Die Ökonomen Carmen M. Reinhart und Kenneth S. Rogoff, Ex-Chefvolkswirt des Internationalen Währungsfonds, haben in dem Buch "Dieses Mal ist alles anders: Acht Jahrhunderte Finanzkrisen" detailliert den Zusammenhang zwischen Staatsverschuldung, Zinsniveau und Inflation herausgearbeitet. Das Ergebnis: Seit Jahrhunderten haben Regierungen die Motivation und auch die Instrumente, sich ihrer Schulden auf Kosten der Sparer und "Papiergeld"-Besitzer zu entledigen. Im 20. Jahrhundert haben sich zum Beispiel die USA und Großbritannien mittels einer Kombination aus höherer Inflation und niedrigen Zinsen von ihren (Kriegs-)Schulden befreit.

Diese als Finanzrepression bezeichnete Politik anhaltend negativer Realzinsen spricht langfristig für reale Werte. Dazu zählen auch Aktien. Allerdings ist auch klar: Der Einfluss der Politik auf die Märkte bleibt groß, sodass höhere Kursschwankungen als in der Vergangenheit an den Börsen eher die Regel denn die Ausnahme sind. Die Risikobudgets zahlreicher institutioneller Investoren erlauben keine dominierende Aktienquote. Damit wird der Rendite-Notstand zum Anlagedilemma: Mit einem liquiden Portfolio und kleinem Aktienanteil gelingt es nicht, das Vermögen real zu erhalten. Bei den liquiden Anlageklassen Anleihen und Aktien scheinen institutionelle Investoren lediglich die Wahl zwischen zwei Übeln zu haben: entweder eine nur sehr geringe Rendite oder unerwünschte Kursschwankungen.

Einen teilweisen Ausweg aus diesem Dilemma bieten illiquide, aber eben auch reale Anlageklassen wie Immobilien sowie Infrastruktur. Im Vergleich zu Anleihen liefern sie höhere sowie stärker inflationsgeschützte Renditen. Und im Vergleich zu Aktien schwanken die Kurse weit weniger stark. Immobilien kombinieren zwar reale Werte mit laufenden Ausschüttungen, können aber in konjunkturell schwierigem Umfeld auch Marktschwankungen unterliegen. Insgesamt verfügen Infrastrukturinvestments über eine Reihe spezifischer Vorteile für institutionelle Investoren.

Daher richten Versicherer, Pensionskassen und Stiftungen ihren Blick verstärkt auf Infrastrukturinvestments. Unter dem Begriff "Infrastruktur" werden die physischen Einrichtungen und Strukturen einer Volkswirtschaft verstanden, die essenzielle Dienstleistungen für das Funktionieren einer Volkswirtschaft erbringen. Zu unterscheiden sind die Sektoren Energie (zum Beispiel Gas, Strom, Wasser), Transport (etwa Straßen, Brücken, Häfen), Kommunikation (beispielsweise Kabel, Masten) und Public Private Partnerships (PPP, etwa Schulen, Krankenhäuser). Die einzelnen Sektoren sind unterschiedlich stark an die wirtschaftliche Entwicklung gebunden. Besonders widerstandsfähig sind die Sektoren Energie und PPP; hier sind auch die Erträge relativ stabil. Der Transportsektor dagegen ist vergleichsweise konjunkturabhängig.

Greenfield- versus Brownfield-Infrastruktur

Zudem können verschiedene Phasen von Infrastrukturinvestitionen unterschieden werden, die deutlich im Risiko-Ertrags-Profil voneinander abweichen. Entwicklungsprojekte, sogenannte Greenfield-Infrastruktur, sind Investitionen in neu zu errichtende Infrastrukturanlagen. Diese weisen höhere Risiken aus der Konstruktion respektive dem Bau der Anlage und der Prognoseunsicherheit über die zukünftige Nutzung der Anlage auf. Diese Art von Projekten generiert dementsprechend zunächst keine laufenden Erträge und zielt primär auf Kapitalgewinne nach Fertigstellung der Anlage ab. Operative Infrastruktur - sogenannte Brownfield-Infrastruktur - sind Anlagen, bei denen die Auslastung, finanzielle Kennzahlen und Betriebsrisiken aus dem laufenden Geschäftsbetrieb bereits bekannt sind. In dieser Phase werden vielfach stetige, laufende Erträge aus dem operativen Betrieb der Infrastrukturanlagen erwirtschaftet.

Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal ist die Anlageform. Hier differenziert man zwischen börsennotierten Infrastrukturanlagen wie zum Beispiel Fonds und Aktiengesellschaften und nicht-börsennotierten Infrastrukturanlagen wie Direktanlagen und Co-Investments, Single Funds oder Fund-of-Funds. Das Risiko-Ertrags-Verhalten von börsennotierten Anlagen ist naturgemäß stark von der allgemeinen Entwicklung am Aktienmarkt geprägt (siehe Abbildung).

Trotz ihrer immensen Bedeutung wurden Infrastrukturinvestments in den vergangenen zehn Jahren in vielen Ländern vernachlässigt, was zu einem erheblichen Nachholbedarf bei Investitionen in vorhandene und neue Infrastruktur geführt hat. Die zunehmende Integration des Welthandels, das rapide Wachstum in vielen Schwellenländern und der Megatrend Urbanisierung haben den Umfang der voraussichtlichen Infrastrukturinvestitionen weiter erhöht. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erwartet, dass bis zum Jahr 2030 global über 70 Billionen US-Dollar für Erneuerung und Ausbau der Infrastruktur ausgegeben werden.

Staatsschuldenkrise und Energiewende als Treiber

In den Industrieländern erweist sich insbesondere die Staatsschuldenkrise als Treiber für Infrastrukturinvestments. Die Regierungen sehen sich mit wachsenden Haushaltsdefiziten, zunehmendem Widerstand gegen Steuererhöhungen und der Notwendigkeit konfrontiert, die vorhandene Infrastruktur ständig zu verbessern. Angesichts der prekären Budgetlage vieler Industriestaaten muss die Finanzierungs lücke durch privates Geld geschlossen werden, um den erhöhten Bedarf nach Infrastrukturfinanzierungen überhaupt decken zu können. Für langfristig orientierte institutionelle Investoren eröffnen sich ganz neue Chancen. Infrastrukturanlagen sind kapitalintensiv und haben eine lange Lebensdauer. Dabei sind sie häufig relativ unabhängig von konjunkturellen Entwicklungen und können Investoren daher insbesondere im Vergleich zu anderen Anlageklassen stabile, laufende und oftmals an die Inflation gekoppelte Erträge bieten.

Speziell für Deutschland kommt noch ein weiterer Treiber für Infrastrukturinvestments hinzu: die Energiewende. Große Kapitalsammelstellen investieren bereits Milliarden-Euro-Beträge in Beteiligungen an Gas- und Stromnetzen. Dabei verfolgen Versicherer und Versorgungswerke keine altruistischen Ziele, sondern optimieren die Rendite und profitieren von einer stärkeren Diversifikation.

Ein Problem freilich sind noch die neuen aufsichtsrechtlichen Anforderungen unter Solvency II. Eine den Risiken von Investitionen in nachhaltige Energie- und Infrastrukturprojekte angemessene Eigenkapitalunterlegung ist bisher nicht gegeben. Gegenwärtig werden solche Investitionen zusammen mit anderen Anlageklassen erfasst und zur Quote für nicht notierte Beteiligungen (Hedgefonds, Private Equity) hinzugerechnet, obwohl diese deutlich höhere finanzielle Risiken aufweisen als Investments in Infrastruktur mit ihren sehr stabilen Mittelzuflüssen. Es ist jedoch gut möglich, dass die Politik dieses Investitionshemmnis noch beseitigt.

Erhöhte Bereitschaft zum Portfolio-Umbau

In Kanada, Australien und Großbritannien beschäftigen sich institutionelle Investoren schon länger mit dem Thema Infrastruktur - entsprechend sind hier teilweise schon relativ hohe Anteile in den Portfolios vorhanden. Nach einer aktuellen Studie an der International Real Estate Business School (IREBS) der Universität Regensburg erreicht die Allokation angelsächsischer Pensionskassen bis zu 15 Prozent in Infrastruktur. Aber inzwischen beabsichtigen auch zahlreiche europäische institutionelle Investoren, die Portfolios, die teilweise noch bis zu 70 Prozent Staatsanleihen enthalten, umzubauen. Die erhöhte Bereitschaft zum Portfolio-Umbau überrascht nicht, wenn man die Ergebnisse der Studie analysiert.

Als eine der wichtigsten Erkenntnisse lässt sich festhalten, dass Infrastruktur zwar nicht primär zur Erhöhung der Portfoliorendite beiträgt, jedoch das Portfoliorisiko signifikant reduziert. Bei einem optimierten Modellportfolio beträgt die Risikominderung bis zu 35 Prozent. Bei einem für europäische institutionelle Investoren typischen Portfolio - bestehend aus jeweils 40 Prozent kurz- und langfristigen Staatsanleihen sowie je zehn Prozent Aktien und Immobilien - lässt sich bereits mit einer geringen Beimischung von Infrastruktur eine Reduzierung des Risikos um bis zu zehn Prozent erzielen. Einer der Gründe ist die geringe Korrelation von Infrastruktur zu fast allen anderen Anlageklassen. Bei Staatsanleihen, Aktien und Rohstoffen ist keine signifikante Korrelation feststellbar. Als Datenbasis dienten 633 Infrastrukturtransaktionen in Europa zwischen 1993 und 2010 mit einem Gesamtvolumen des Eigenkapitals von gut 14 Milliarden Euro.

Für institutionelle Investoren stellt sich nun die Frage, wie sie die genannten Portfoliovorteile am besten nutzen können. Ein Direktinvestment in Aktien von Unternehmen, die im Infrastrukturbereich tätig sind, ist in der Regel ein zu risikobehaftetes Unterfangen. Analog gilt dies für börsennotierte Fonds sowie für nicht-börsennotierte Direktanlagen und Co-Investments. Für institutionelle Investoren attraktiv sind nicht-börsennotierte Fonds (Single-Funds) sowie Dachfonds (Funds-of-Funds):

- Ein Single-Fund investiert in der Regel direkt in acht bis zwölf Infrastrukturprojekte. Die Laufzeit dieser mehrheitlich als Limited Partnerships strukturierten Fonds beträgt typischerweise mindestens zehn Jahre. Der eingeschränkten Liquidität stehen nachhaltig laufende Erträge in Form von Ausschüttungen gegenüber.

- Ein Fund-of-Funds wiederum investiert in verschiedene Single Funds, gelegentlich auch über ein Co-Investment in ein einzelnes Infrastrukturprojekt. Die Laufzeit beträgt meist ebenfalls mehr als zehn Jahre. Die Rendite resultiert primär aus Ausschüttungen. Die jährlichen Bewertungen der Kapitalanlagen bieten zusätzlich Potenzial für Kapitalgewinne. Für institutionelle Investoren sind Dachfondskonzepte vor allem deshalb attraktiv, weil die breite Diversifikation innerhalb des Fund-of-Funds sicherstellt, dass die einzelnen projektspezifischen Risiken stark reduziert werden. Funds-of-Funds streuen die Risiken auch hinsichtlich Anbieter, Fonds, Geografie, Sektoren und Investitionsphase. Aus Investorensicht entscheidend sind der Zugang des Dachfondsmanagers zu den führenden Single-Funds-Managern sowie die Qualität des Dachfondsmanagers bei der Auswahl eines einzelnen Single-Funds. Ein Investmentteam sollte auf umfangreiche Erfahrung mit Infrastrukturlösungen für institutionelle Investoren verweisen können und einen ausgewiesenen Track-Record für das Management alternativer Anlagen haben.

Infrastrukturinvestments zur Risikoreduzierung

Die Investmentwelt hat sich verändert. Um überhaupt noch reale Renditen erzielen zu können, setzen institutionelle Investoren verstärkt auf reale Werte. Als noch junge Anlageklasse bieten sich hier insbesondere Infrastrukturinvestments an. Aufgrund ihrer Investmentcharakteristika eignen sie sich zur Erhöhung der Portfoliorendite, vor allem aber zur Risikoreduzierung. Auch die langen Laufzeiten von Infrastrukturfinanzierungen machen diese Anlageklasse besonders interessant für Versicherungen und Pensionskassen, die ähnlich lang laufende Verpflichtungen zu erfüllen haben.

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