Leitartikel

Ist das unser Problem?

Der FC Bayern München ist Deutscher Fußballmeister 2014. So früh, wie noch keine andere Mannschaft vor ihm. Mit dem größten Abstand auf den Tabellenzweiten. Mit den meisten Siegen, vielleicht sogar ganz ohne Niederlage in einer Saison. Mit den meisten geschossenen Toren und den wenigsten erhaltenen Gegentreffern. Damit wurden in der Bundesliga die ohnehin schon herausragenden Ergebnisse der Vorsaison noch einmal übertroffen. Das alles ist Ausdruck höchster Akribie, ständiger Lust zu Höchstleistungen und kluger Personalpolitik. Den Gegnern nötigt diese Entwicklung der besten deutschen Fußball-Mannschaft Respekt ab, allen voran den Schwarz-Gelben aus Dortmund, einem Verein mit ebenfalls höchsten Ansprüchen, der zurzeit aber nur punktuell mithalten kann mit den Roten aus München.

Der Respekt ist verdient und gerechtfertigt. Aber anstatt das als Ansporn zu nehmen, dieser Übermannschaft ein Bein zu stellen, erstarren die Gegner in Ehrfurcht und ergeben sich wehrlos in ihr Schicksal. Man hat ja sowieso keine Chance, warum sich also anstrengen. Und Trainersprüche wie "Vielleicht können wir ja den Mannschaftsbus vor unser Tor stellen!" mögen vielleicht den Druck von der eigenen Mannschaft nehmen, Motivation für die eigenen Spieler sind sie aber sicher nicht. Eine Niederlage gegen die Bayern ist mittlerweile normal, alles andere wäre eine Weltsensation. Die Medien und die Öffentlichkeit betrachten Spiele der Bayern nur noch aus der Position der unterlegenen Gegner, mit fehlender Objektivität.

Diese Entwicklung erinnert an die Kreditwirtschaft. Auch diese erstarrt in Ehrfurcht vor all dem, was in den vergangenen fünfeinhalb Jahren seit der Lehman-Pleite über sie hereingebrochen ist. Vertrauensverlust, Regulierung, Verbraucherschutz, Sündenbock. Politiker können mühelos von eigenem Versagen ablenken, indem sie mit dem Finger auf die Kreditwirtschaft zeigen. Kunden werden gestärkt, sagen die einen, entmündigt, sagen die anderen, indem getroffene eigene Anlageentscheidungen im Verlustfall mühelos zu revidieren und die Banken in der Beweispflicht sind. Ehrgeizige Staatsanwälte ermitteln bald gegen alles und jeden, arbeiten mit öffentlichem Druck und horrend langen Verhandlungen, die von Richtern zugelassen werden, auf Vergleiche hin, um Erfolge vorweisen zu können. Die Stimmung in den Medien hat sich rapide gewandelt, von den ehedem "guten Banken" zu den "bösen Banken". Und die Kunden? Die brauchen die Banken und Sparkassen dieses Landes natürlich, sie lieben sie aber nicht. Von breiter öffentlicher Unterstützung der Industrie, des Mittelstandes, der Verbraucher für die Kreditwirtschaft sieht und hört man derzeit zu wenig.

Die öffentlich schlechte Wahrnehmung der deutschen Kreditwirtschaft ist sicherlich ebenso übertrieben, wie manche der Verbraucherschutz- und Regulierungsmaßnahmen. Aber die Erfahrung der vergangenen Jahre ist (leider) eindeutig: Man muss den Banken heutzutage (wie früher wahrscheinlich auch schon) einfach alles zutrauen. Ob die Übervorteilung des Kunden beim Produktverkauf, ob kriminelle Energie bei der Manipulation von Zinssätzen, ob zweifelhafte Äußerungen in der Öffentlichkeit über den eigentlich doch zu schützenden Kunden, ob fragwürdige Geschäfte mit Spekulanten und Lebensmittelwetten, ob die Finanzierung von umweltschädlichen Projekten, die Rolle der Institute bei Steuerhinterziehung ... die Liste dessen, was man der Branche vorwerfen kann, ist lang, zu lang natürlich.

Man muss aber auch festhalten: Banken und Sparkassen in Deutschland machen einen guten Job, das zeigen nicht zuletzt die Ergebnisse des vergangenen Jahres bei Kundeneinlagen und Kundenausleihungen. Der schnelle Weg Deutschlands aus der Rezession hin zur Lokomotive Europas, der wirtschaftliche Aufschwung mit Lohnsteigerungen und der niedrigen Arbeitslosigkeit wäre nicht möglich gewesen, ohne die gute Arbeit der vielen Kreditinstitute dieses Landes. Doch solange nahezu wöchentlich ein neuer Skandal hochkommt, wird die Stimmung nicht kippen, macht das all die kleinen Erfolge jedes Tages kaputt. Das macht es den verantwortlichen Vorständen und Lobbyisten so viel schwerer als den Gegnern Bayern Münchens, von der Rolle des unterlegenen Opfers wieder umzuschalten hin zu ernst zu nehmenden Gegnern.

Hinzu kommt ein fragwürdiger Umgang mit den Skandalen und Problemen. Viel zu oft wird vertuscht statt aufgeklärt, verleugnet statt zugegeben, weitergemacht statt verändert. Transparenz gibt es immer noch nicht genug, über die Vorgänge in Banken nicht, über die Prozesse nicht, über Preise und Konditionen nicht. Entschuldung kommt von Entschuldigung, hat ein kluger Kirchenmann einmal gesagt. Zu einer ordentlichen Entschuldigung gehört aber auch die Aufklärung und das Einsehen eines Fehlers. Und an dieser Stelle mangelt es noch. Natürlich machen die Fehler immer nur einige wenige, sind nur einzelne der Banker wirklich kriminell. Natürlich ist der Grat schmal, zwischen dem Schutz des Kunden und öffentlicher Aufklärung und wirksamer Distanzierung von gesetzeswidrigen oder zwar legalen aber nicht immer auch legitimen Vorgängen. Bei Waffengeschäften und Nahrungsmittelspekulationen klappt das, in Fragen der Steuerehrlichkeit eher noch nicht. Und viel zu oft verweist man auf die Verantwortung anderer. Viel zu oft hört man noch dieses: "Ist das unser Problem?" Ja! kann man da nur sagen. Es ist euer Problem. Sonst wird das mit dem Vertrauen nie wieder was.

In diesem Sinn sollten die kommenden Tage in Berlin genutzt werden, wenn sich das private Bankgewerbe zum 20. Mal zu einem Bankentag versammelt. Wenn es nach den Wünschen der Verantwortlichen geht, sollen Bankentage Signalwirkung haben, sollen den Großbanken, Regionalbanken, Privatbankiers, den Auslandsbanken und den Kreditinstituten mit Sonderaufgaben soviel wie möglich das Gefühl der Zusammengehörigkeit geben. Sie sollen stolz machen auf das Erreichte, die Reihen ein Stück weit enger schließen, und die Mitglieder auf das vorbereiten, was da noch alles kommen mag in wahrlich bewegten und bewegenden Zeiten. Es sollen eigene Positionen gefunden und dafür geworben werden, denn natürlich wird auf Bankentagen auch Politik gemacht. Dafür lädt man ranghohe Politiker vom Bundespräsidenten bis zur Bundeskanzlerin. Man will die Unterstützung der Politik für die eigene Sache demonstrieren. Um eine Signalwirkung zu erzielen, müssen aber auch Signale gesendet werden. Und diese müssen stärker sein als bloße Absichtserklärungen. Da hat es der BdB ungleich schwerer als die Konkurrenz aus den beiden Verbünden, macht es die eigene Heterogenität von ganz klein bis ganz groß, vom verwurzelten Heimatinstitut bis hin zur Niederlassung einer Auslandsbank nicht einfacher, nachhaltige gemeinsame Positionen zu finden. Das sollte aber keine Entschuldigung sein.

Am Rande: Dass sich Staatsanwälte und Gerichte sowohl für den Hauptgeschäftsführer als auch für den Präsidenten des großen Verbandes des privaten Bankgewerbes interessieren, mag der eine bezeichnend, der andere tragisch finden.

All das zeigt: Die Kreditwirtschaft steht gewissen Entwicklungen sicherlich ohnmächtig gegenüber. Sie ist aber immer noch stark und mächtig genug, selbst Veränderungen einzuleiten, sich auf die neuen Gegebenheiten einzustellen und nachhaltig Verhalten zu verbessern. Vertrauen kommt durch gute Arbeit.

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