Aufsätze

Marktkapitalisierung der Banken als "Blasen"-Indikator

Größenvergleiche von Kreditinstituten wurden vor zirka 30 Jahren anhand der Kriterien Bilanzsumme, Geschäftsvolumen, Filialzahl und Beschäftigte durchgeführt. Seit den 1990er Jahren wird die Marktkapitalisierung als Maßstab eingesetzt. Primär geht es jetzt um die Anhebung des Börsenkurses der Bankaktie. Dies geschieht durch Gewinnsteigerung, Kostensenkung, Personalabbau, Margensteigerung, forcierten Verkauf intransparenter Produkte statt seriöser und bedarfsorientierter Beratung oder auch durch Erfinden von Storys, unterwürfiges Verhalten gegenüber Finanzanalysten, Übernahme von Wettbewerbern zu überhöhten Preisen.

Früher Japan und die USA ...

Die größten Institute wurden Anfang der 1990er Jahre von japanischen Banken dominiert. Es war die Ära der Bubble Economy und der kreditfinanzierten Aktien-und Immobilienblasen Japans. Großen Erinnerungswert hat das Titelbild einer Wirtschaftswoche (Japanische Flagge - Motto: Die Japan AG und MITI erobern die Welt). Das Erwachen aus diesem Wahn erfolgte kurz nach Erscheinen der Ausgabe. Das Titelbild einer darauffolgenden Ausgabe nach Platzen der Japan-Bubble war ebenso erinnerungswürdig: Die aufgehende Sonne in der japanischen Flagge wies Risse auf. Von der Krise scheint sich die japanische Volkswirtschaft bis heute nicht vollständig erholt zu haben, auch wenn Analysten und Volkswirte in regelmäßigen Abständen das Gegenteil flöten. Die Marktkapitalisierung der japanischen Institute schrumpfte nach dem Platzen der Bubble wie Eis im vollaufgedrehten Backofen.

Anfang des ersten Jahrzehnts dieses Jahrtausends beherrschten US-Großbanken die Gruppe der größten Institute. Deutsche Institute fanden sich auf der Banken-"Renn"-liste weit abgeschlagen und mehrmals "überrundet" unter "ferner liefen". 2002/2003 hätte die Citibank mit einem Quartalsgewinn die deutschen "Groß"banken HVB oder Commerzbank problemlos erwerben können. Inzwischen musste das US-Bankensystem nach dem Platzen der US-Bubble durch die US-Regierung und den Steuerzahler gestützt werden, manche einstmals übermächtig erscheinenden Institute sind schwer getroffen. Mühsam versuchen sie sich zu rekonvaleszieren mittels niedriger US-Leitzinsen, kreativer Bilanzierungs- und Bewertungs-Tricks sowie exzessiver Preise im Privatkundengeschäft.

Das Bonmot "Von US-Banken lernen heißt siegen lernen" gilt derzeit nicht! Die Deutsche Bank hatte viel Glück, dass sie vor etlichen Jahren die Chance (von Schröder begrüßt) zur Fusion mit der Citibank abgelehnt hat. Das Investmentbanking sollte, so die Absicht, in Deutschland konzentriert werden.

Heute beginnen die chinesischen Großbanken die Gruppe der größten internationalen Institute nach dem Kriterium Marktkapitalisierung zu dominieren. Zwei weitere chinesische Banken (Bank of Communications Co. Ltd. 65,455 Milliarden US-Dollar und China Merchants Bank Co. Ltd. 52 794 Milliarden US-Dollar) sind auf dem "Sprung" unter die größten zehn.

Außerdem wird diese Rangfolge verfälscht durch zahlreiche Übernahmen kriselnder Banken in den USA (vor allem durch Bank of America, Wells Fargo & Co., J. P. Morgan Chase & Co.). China soll, so die Ökonomen-Zunft, nach der Decoupling-Theorie die Weltkonjunktur retten, China gilt als zukünftiger Global Player. Island wurde von vielen Akteuren der Financial Community falsch eingeschätzt, bedauerlicherweise werden von den Halleluja- und Hosianna-Jublern die Schwächen Chinas ebenfalls negiert. Nicht verwunderlich wäre, wenn jetzt die chinesischen Institute in der heranwachsenden chinesischen Blase versinken.

... heute China

Anzeichen für eine solche Befürchtung gibt es genug, sofern man sie erkennen will: - Gigantische Umweltschäden, krasse Gegensätze zwischen superreich und superarm (Wanderarbeiter-Problematik, Gefahr von Unruhen), Aktien-, Kredit- und Immobilienblasen, Abhängigkeit vom Export mit der Gefahr von Währungsturbulenzen und Handelskonflikten, Zunahme von Arbeitslosigkeit und Korruption, hohe Fehlinvestitionen, marodes Bankensystem (fahrlässige Kreditvergabe, politische Kredite, Gefälligkeitskredite, Votum aufgrund von Anweisungen der Partei/Politik, vermutlich exzessiver Kreditbetrug) sowie nicht zuletzt Qualitätsmängel (beispielsweise im Baubereich).

Das hohe Wachstum begünstigte Großmannsucht und irrationales Investitionsverhalten. Die jüngste Kreditorgie auf Weisung von Partei und Regierung verschärft die Gefahr von Fehlinvestitionen. Beispiele:

- Chinas Zementindustrie könnte pro Jahr 1,8 Milliarden Tonnen Zement herstellen, benötigt werden derzeit 1,3 Milliarden. Momentan sind weitere 200 Zementwerke im Bau, die Kapazität steigt dann auf 2,1 Milliarden Tonnen.

- Chinas Kapazität zur Stahlproduktion liegt bei 690 Millionen Tonnen, derzeitiger Bedarf zirka 540 Millionen Tonnen.

- Gigantische Überkapazitäten gibt es in 19 Branchen. Diese Überkapazitäten dürften durch Handelskonflikte mit den USA oder der EU noch zunehmen. Dazu kommen noch Qualitätsmängel, beispielsweise bei den Windkrafträdern zur Stromerzeugung.

Die chinesischen Banken haben 2009 Kredite in Höhe von etwa 1 000 Milliarden Euro vergeben, so die Schätzung. Das hohe Wachstum der chinesischen Volkswirtschaft ist also staatlich initiiert und kreditfinanziert, beste Voraussetzungen für Fehlinvestitionen, Gefälligkeitskredite, Korruption, Überkapazitäten und gravierende Kreditschieflagen. Japan lässt grüßen!

Dem starken Rückgang des Wachstums der chinesischen Wirtschaft im Jahr 2008 und der sich auch auf China auswirkenden Finanzkrise begegneten chinesische Regierung und Parteiführung mit beeindruckenden Gegenmaßnahmen: Nicht nur gigantische Infrastrukturprojekte wurden aufgelegt, das chinesische Kreditgewerbe wurde monatelang zur forcierten Ausweitung seiner Kredite aufgefordert. Unterstellen kann man, dass die Prüfung von Bonität und Projektqualität nicht immer mit der erforderlichen Sorgfalt erfolgte, denn Durchgriff und blinder Gehorsam scheinen in einem Staat mit ausgeprägter Parteidiktatur selbstverständlich zu sein.

Politisch initiierte Investitionen

Industrieunternehmen wurden angewiesen zu investieren, um dadurch die langjährige politisch geforderte Wachstumsquote (also mindestens acht Prozent) sicherzustellen. Die Erholung der chinesischen Wirtschaft, von ausländischen Politikern, Wissenschaftlern, Bankern und Medien bewundert, ist jedoch fragil. Statt rentable Investitionen wurden Fehlallokationen in gigantischem Ausmaß erzeugt, die genauso negiert oder nicht gesehen werden wie einst die Sub-prime-Kredite. Allein in Peking steht wegen der Wirtschaftskrise ein Drittel der Bürofläche leer. Obwohl die Immobilienpreise sinken, geht die Planung bis 2011 in Richtung Verdoppelung des Flächenangebots. Auch werden die chinesischen Versicherer von Regierung/Partei angehalten, sich stärker im Immobilienmarkt zu engagieren. Man versucht von staatlicher Seite damit die Auswirkung des Desinvestments ausländischer Investoren zu überkompensieren. Ob es in China gelingt, die Volkswirtschaft weg von der Exportorientierung hin zur Binnenmarktorientierung umzudrehen?

Fazit: Wird hier wie einst in Japan und in den USA die Basis für eine weitere Blase geschaffen? Jedenfalls scheint, so die Darstellung in halbwissenden Medien, die chinesische Kapitalismusform dem westlichen Kapitalismusmodell überlegen zu sein. Wurde nicht auch in den 1980er Jahren die japanische Wirtschaftslenkung durch das MITI ähnlich bewundert? Dass die beiden größten Banken aus China kommen, ist aber ein Indikator, der die Herausbildung einer chinesischen Blase signalisiert.

Zu bedenken gibt zudem die Aussage eines China-Kenners: Analysten würdigen, dass chinesische Banken ihre Quote an Problemkrediten stark gesenkt hätten. Nur wie erfolgt dies nach seiner Beobachtung? Der kurzfristige Kredit eines liquiditätsschwachen Unternehmens wird in ein langfristiges Darlehen umgewandelt und schon scheint alles in Ordnung zu sein. Jubel Allerseiten!

Spannend wird es, aus welchem Land in Zukunft die größten Banken kommen, wenn die chinesischen Institute ihre verbrannten Finger kühlen und sich redimensionieren, vielleicht durch Gründung von Bad Banks und mittels staatlicher Stützung. Es ist nicht die Frage des Ob, sondern des Wann! Vielleicht sagt man dann: Die Insolvenz von Lehman Brothers war ja gar nicht so schlimm. Der große Bang kam erst noch aus China.

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