Leitartikel

Leuchtender Herbst für Deutschlands Banken

Lob von der Bankenaufsicht für Deutschlands Banken und Sparkassen und vor allem für die Großbanken - das ist im Rückblick auf die wahrlich nicht einfachen Jahre in der jüngsten Vergangenheit schon bemerkenswert. Dass diese Streicheleinheit im Frühherbst 2006 nicht vom allerobersten Bankenaufseher Jochen Sanio kommt, der derzeit vor allem in Berlin gut Wetter machen muss, sondern von der Deutschen Bundesbank, macht sie nicht minder auszeichnend. Bei ihrer alljährlich veröffentlichten Analyse der Ertragszahlen der deutschen Kreditwirtschaft stellen die Währungshüter im jüngsten, seit Übernahme des Ressorts Volkswirtschaft durch Bundesbank-Präsident Axel Weber nun besonders beachteten und bearbeiteten Monatsbericht, nämlich fest, "auch im Geschäftsjahr 2005 setzte sich die Erholung der Ertragslage deutscher Banken weiter fort." Und mehr noch: "Im Ergebnis verbuchten die deutschen Kreditinstitute einen beachtlichen Anstieg des Betriebsergebnisses." Leuchtender Herbst also.

Der Patient wurde offensichtlich nun also für gesund befunden aus dem Krankenhaus zurück in den Arbeitsalltag entlassen, um beim Bild zu bleiben, dass Rolf-E. Breuer noch als Bankenpräsident gezeichnet hat. Von der Intensivstation in die Reha, so beschrieb er damals den schweren, schmerzhaften Weg der großen privaten Institute. Denn gerade diese waren es, die im vergangenen Geschäftsjahr für die von der Bundesbank lobenswerte Entwicklung gesorgt haben. In Zahlen: Teilbetriebsergebnis aller Großbanken, darunter statistisch seit 2004 auch die Postbank, 5,65 nach 3,79 Milliarden Euro in 2004, Betriebsergebnis vor Bewertung 15,58 nach 5,32 Milliarden Euro und Jahresüberschuss vor Steuern 14,87 nach minus 2,07 Milliarden Euro. Bundesbank-Präsident Weber lehnte die immer wieder mal vor allem von außen erhobene Forderung nach der Schaffung eines nationalen Champion angesichts solcher Zahlen ab. Es gebe, so Weber, in Deutschland durchaus auch so international wettbewerbsfähige Banken. Wie recht er hat.

Das zeigt auch die in den Bundesbank-Zahlen ausgewiesene Eigenkapitalrentabilität der deutschen Großbanken von 31,72 Prozent vor und 23,12 Prozent nach Steuern. Im Vorjahr standen hier noch negative Werte zu Buche. Dazu hat die ob ihres knallharten Shareholder-Value-steigernden Kurses vielgescholtene Deutsche Bank das Gros beigetragen. Aber auch die Entwicklungen der Postbank und der Commerzbank dürften sich positiv niedergeschlagen haben, während die Hypo-Vereinsbank sicher noch "Upside-Potenzial" hat, das Unicredit-Chef Profumo in den kommenden Monaten heben will. Auch die zweite international so wichtige Kennzahl hat sich 2005 verbessert, ist aber noch lange nicht gut. Die Aufwand-Ertragsrelation sank bezogen auf den Rohertrag von 85,5 auf 80,8 Prozent, berechnet auf Basis der operativen Erträge steht dagegen schon die "overall" angestrebte 60 Prozent nach 80 Prozent im Vorjahr.

Bemerkenswert ist dies aber, weil die Verbesserung erstmals in den vergangenen Jahren nicht aus Kostensenkungen, sondern aus Ertragssteigerungen resultiert. Die Verwaltungsaufwendungen nahmen bei den Großbanken 2005 erstmals seit drei Jahren wieder um 3 Milliarden auf 78, 8 Milliarden Euro zu. Dass hierbei ein deutlich gestiegener Personalaufwand bei reduzierten Mitarbeiterzahlen höhere Gehälter signalisiert, mag für die Branche allseits als gutes Zeichen gewertet sein wissen. Es geht wieder was im Bankgeschäft. Zu beachten ist allerdings auch der durch eine Veränderung der Bemessungsmethode deutlich höhere Ausweis der Altersvorsorgerückstellungen. Wieder im Vergleich: nicht ganz so ausgeprägt war der Anstieg der Verwaltungsaufwendungen bei den Kreditgenossenschaften und Sparkassen. Den Halbjahresergebnissen zufolge setzt sich diese Entwicklung auch 2006 fort. Es besteht also weiterhin kein großer Grund zur Sorge für deutsche Großbanken, auch wenn die Commerzbank jüngst die Euro-hypo-Übernahme ausnutzte, um vor allem im privaten Kreditbereich nochmals kräftig abzuschreiben. Das belastet zwar den Gewinn heute, kann in Zukunft das Geschäft aber nur stabiler werden lassen.

Deutlich schwieriger stellt sich die Lage dagegen bei den beiden großen Verbundgruppen dieses Landes dar. Sowohl Sparkassen als auch Genossenschaftsbanken leiden stärker als die Regional- und Großbanken unter dem historisch niedrigen Zinsniveau und den anhaltend engen, sicherlich zum Markteintritt genutzten und subventionierten, weil nicht immer auskömmlichen Margen im umkämpften Mittelstandsgeschäft. Die Öffentlich-Rechtlichen beispielsweise haben mit 79 Prozent den höchsten Anteil des Zinsüberschusses an den gesamten operativen Erträgen - was zweifelsfrei Abhängigkeiten mit sich bringt. Noch erdrückender ist die Relation für die Landesbanken mit 83, 2 Prozent. Wenn dann die Zinsspanne von 2, 35 auf 2, 30 Prozent sinkt, wie 2005 geschehen, spürt das die gesamte Gruppe, vor allem auch, wenn nachhaltig alternative Geschäfts(Ertrags-)modelle nicht realisierbar sind. Denn der Provisionsüberschuss ist weder für Sparkassen (19, 4 Prozent der operativen Erträge) noch für die Landesbanken (16 Prozent) in der Lage, für einen Ausgleich zu sorgen. Mehr Verbundgeschäft, mehr Beratungsgeschäft, am besten noch mehr Private Banking, all das sind richtige und gut gemeinte Versuche, die rein volumensmäßig jedoch noch viel zu klein sind.

Aus diesen Schwierigkeiten aber pauschal die öffentlichrechtliche Existenzberechtigung in Frage zu stellen, wie es die Europäische Zentralbank gerade wieder in einem internen Arbeitspapier für Notenbankpräsidenten und Finanzminister der Eurozone tat, führt doch entschieden zu weit. Denn gerade die vielen kleinen Sparkassen (wie auch Volks- und Raiffeisenbanken) mit sehr überschaubaren Geschäftsgebieten und exzellenter Marktkenntnis erwirtschaften bei angemessener Zurückhaltung und ohne die ungesunden übertriebenen Expansionsgelüste, mehr als auskömmliche Zahlen. Dass sie dabei durch die teure stationäre Präsenz auch die "Convenienz" erhöhen und den in vielen Studien immer wieder geäußerten Kundenwunsch nach Filialen erfüllen - es muss und soll lobend erwähnt werden. Umso mehr verwundert es den Chronisten, wenn grundsätzlich marktwirtschaftlich argumentierende Institutionen, wie die EZB zweifelsfrei eine ist, von einem ungesunden Wettbewerb sprechen. Der Markt sollte es regeln, in dem sich nach dem Wegfall von staatlichen Hilfen wie Anstaltslast und Gewährträgerhaftung, nun auch die Sparkassen und Landesbanken frei behaupten müssen. Dass es dabei nicht immer um Gewinnmaximierung gehen muss, sollte den Instituten und ihren Eigentümern überlassen bleiben.

Der Druck auf die Margen kommt weder von den Öffentlich-Rechtlichen noch von den Kreditgenossen. Vielmehr sind es die preisaggressiven Direkten, die mit schlanken Geschäftsmodellen den anderen Bankengruppen sowohl auf der Aktivwie auf der Passivseite fröhlich Konkurrenz machen. Dass die Filialbanken hierauf bislang die entsprechende Antwort schuldig blieben, mag auch daran liegen, dass ihnen ein Stück weit die Hände gebunden sind. Sie müssen die Filialen schützen und können so nur schlecht mit hauseigenen, konkurrenzfähigen Direktvertrieben an den Markt gehen. Damit würde das Volumen aber nicht an Konkurrenten verloren gehen, sondern wenigstens im Konzern verbleiben. Der Typ Direktbank hat in den vergangenen Jahren in Deutschland eine Bedeutung gewonnen, dass ihm die Bundesbank im aktuellen Bericht ein eigenes Kapitel gewidmet hat. Entscheidend für den aktuellen Erfolg war demzufolge ein Wandel in den Geschäftsmodellen: Während im Jahr 2000 das Provisionsergebnis mit 49 Prozent der gesamten operativen Erträge noch etwa gleichviel beigetragen hatte wie das Zinsgeschäft, steuerte dieses 2005 satte 80 Prozent bei. Das zeigt den merklichen Anstieg des bilanzwirksamen Geschäfts. Dass die Direkten sich im Verhältnis von Zinsertrag zu Bilanzsumme kaum von anderen Instituten unterscheiden, im betrachteten Zeitraum von 2000 bis 2005 aber durchweg höhere Zinsspannen als der Rest der Branche vorzuweisen hatten, treibt den Erfolgsausweis und mag darin begründet sein, dass zwar deutlich über Marktniveau liegende Einlagenzinsen gezahlt werden, es sich hierbei aber vor allem um kurzfristige und damit vergleichbar niedrig dotierte Gelder handelt. Der Kundschaft ist es egal, sie trägt ihr Erspartes eifrig zu Diba, Consors und Co.

Darunter leiden natürlich auch die Kreditgenossen erheblich. Auch bei ihnen ist, vergleichbar den Sparkassen, die Abhängigkeit vom Zinsgeschäft groß, mit 74,7 Prozent der operativen Erträge. Die Zinspanne sank bedingt durch die Ausweitung der Bilanzsummen leicht auf 2,46 Prozent, liegt damit aber immer noch über der der Sparkassen. Auch haben es die genossenschaftlichen Institute etwas besser geschafft als die Öffentlichen-Rechtlichen den Anteil des Provisionsüberschusses zu erhöhen - auf insgesamt natürlich immer noch zu geringe 20,4 Prozent bei den Platzbanken und 19,9 Prozent bei den Zentralbanken. Dass angesichts der guten Ergebnisse der Verbundinstitute wie Schwäbisch Hall, R+V Versicherung oder Union Fonds Holding hier immer wieder Begehrlichkeiten in Form von einer anderen, für die Ortsbanken einträglicheren Erlösverteilung im gesamten Verbund laut werden, ist selbstverständlich und auch richtig. Warum dieses Thema aber grade jetzt noch einmal von Ulrich Brixner angefasst wurde, verwundert. Er selbst war es einerseits nämlich, der in den vergangenen Jahren so viel Ertrag wie nur möglich von den Konzerntöchtern zu DZ Bank umleitete, um diese nachhaltig auf gesunde Füße zu stellen. Und andererseits braucht das Spitzeninstitut auch jetzt noch angesichts der bevorstehenden Aufgaben - Fusion mit der WGZ, Internationalisierung, Börsengang - immer jeden Euro. Die Erlösdebatte macht es
Brixners Nachfolger Wolfgang Kirsch sicherlich nicht leichter.

Bleibt noch ein Wort zum Risiko: Auch hier sind die Platzbanken beider Verbünde durch ihren geschäftspolitischen Schwerpunkt im Massengeschäft deutlich höher belastet als die in erster Linie im Großkundengeschäft engagierten Institute. An der "Zweiteilung der Belastung" habe sich auch 2005 nichts Berichtenswertes geändert, so die Bundesbank. Vergleichsweise hohen Bewertungsergebnissen von 0,49 Prozent der durchschnittlichen Bilanzsumme bei den Sparkassen und 0,52 Prozent bei den Kreditgenossen standen 0,09 Prozent bei den Großbanken, 0,08 Prozent bei den Geno-Zentralen und 0,05 Prozent bei den Landesbanken gegenüber. Insgesamt stellt sich aber auch die Lage beim Bewertungsergebnis deutlich aufgehellt dar: Die Risikovorsorgequote aller deutschen Banken hat sich gegenüber ihrem Wert von 2002 auf 0,19 Prozent mehr als halbiert. Der Netto-Aufwand für die Bewertung verringerte sich auf noch 14,1 Milliarden Euro.

Eines freut die Bundesbank zu Recht besonders, weil es als Polster Ungemach für die Institute und da gesamte Finanzsysteme einzudämmen vermag. Nämlich, dass "die deutschen Banken, anders als in den Vorjahren, im Jahr 2005 in nennenswertem Umfang Rücklagen bildeten." Und das alles in einem Umfeld, in dem die Nettozinsmargen deutlich unter vergleichbaren Margen aus dem Ausland liegen. Denn egal ob in den Niederlanden, Italien, Spanien oder Großbritannien: Während deutsche Banken mit Durchschnittssätzen von unter einem Prozent wirtschaften mussten, verdienten Institute in diesen Länder bei vergleichbaren Geschäften mindestens das Doppelte. PO

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