Aufsätze

Die Konsultation zur Revision der Prospekt-Richtlinie

Die Europäische Kommission hat auf Grundlage der in der Richtlinie 2003/71/EG (Prospekt-Richtlinie) verankerten Revisionsklausel (Art. 31 RL) am 9. Januar 2009 ein Konsultationspapier1) auf der EU-Homepage veröffentlicht2). Sie gibt allen Marktteilnehmern und der interessierten Öffentlichkeit die Möglichkeit, sich innerhalb einer recht kurzen Konsultationsfrist (bis zum 10. März 2009) mit eigenen Vorschlägen beziehungsweise Stellungnahmen zu den avisierten Revisionspunkten zu beteiligen.3) Explizites Ziel der nun angestoßenen Novellierung der Prospekt-Richtlinie ist es, diese noch besser auf die Bedürfnisse der Emittenten und Anleger zuzuschneiden und die als unnötig erachteten Hürden für Unternehmen zu beseitigen.4) Nachfolgend sollen die wesentlichen Änderungen, die avisiert werden und zur Diskussion stehen, kurz thematisiert werden.

Begriffe des "qualifizierten Anlegers" und der "Retailkaskade"

Wenngleich die beabsichtigten Änderungen durch die Europäische Kommission zur Überarbeitung der Richtlinie kaum zwei Seiten umfassen, so werden doch eine Reihe, zuweilen sehr tiefgreifende, Änderungen avisiert.

Die Begriffsbestimmung des "qualifizierten Anlegers"5) soll an eine entsprechende Regelung der "MiFiD"6), die kurze Zeit nach der Prospektrichtlinie verabschiedet worden ist, angeglichen werden. Die terminologische Abgrenzung7) in beiden Richtlinien wurde schon 2008 von der European Securities Markets Expert Group (ESME) untersucht und als wichtige Anpassungsnotwendigkeit erachtet8). Durch diese Harmonisierung würde eine Ausweitung des begrifflichen Anwendungsbereichs erreicht, die insbesondere für Finanzintermediäre die Handhabbarkeit des prospektrechtlichen Ausnahmetatbestands9) maßgeblich erleichtern dürfte. Dies wiederum würde nach Ansicht der EU-Kommission die Komplexität und Kosten für die entsprechenden Wertpapieremissionen spürbar reduzieren10).

Wie bereits in einem ersten Ausblick der Autoren11)erwähnt, existieren in vielen europäischen Ländern Auslegungsschwierigkeiten dahingehend, wer bei einem mit mehreren Beteiligten - also mehrstufig strukturierten Vertrieb prospektpflichtig ist12), wenn die Wertpapiere Privatanleger erreichen. Diese auch als "Retailkaskade" bezeichnete Problematik sorgte für massive Unsicherheit bei den Beteiligten auch im Hinblick auf haftungs- und aufsichtsrechtliche Konsequenzen - und wurde daher in den letzten Jahren intensiv diskutiert.13) Nachdem sich der europäische Wertpapierausschuss (CESR)14) bereits in pragmatischer Weise dieser Frage angenommen hat und eine entsprechende Auslegungsempfehlung abgab15), bestand jedoch das Problem fort, dass weiterhin keine klare und vor allem rechtlich verbindliche Regelung bestand16). Insofern soll nun die in der Praxis "gelebte" Lösung auch ihren Niederschlag in der Prospekt-Richtlinie finden. So soll nun durch Streichung des letzten Satzes von Art. 3 (2) RL auch dem Wortlaut nach Klarheit geschaffen werden.

Mitarbeiterbeteiligungsprogramme

Immer wieder drang von heimischen Unternehmen, deren Wertpapiere nicht an einem geregelten Markt notiert sind, sowie von ausländischen Emittenten, die nur an Drittmärkten gelistet sind, die Kritik durch, dass diese durch die eng gefasste Ausnahme von der Prospektpflicht gleichwohl einen Prospekt erstellen müssen.17) Dies hat zuweilen dazu geführt, dass die Geschäftsleitung von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen ganz abgesehen hat, da der Aufwand zur Erstellung eines Prospektes als unverhältnismäßig hoch - insbesondere in Relation zum beabsichtigten Emissionsvolumen - betrachtet wurde. Insbesondere auch vor dem auf Bundes- wie auch EU-Ebene erwünschten Ansinnen, dass Arbeitnehmer stärker in die Unternehmensentwicklung einbezogen werden sollen18), mag der nunmehr erweiterte Ausnahmetatbestand ein sinnvoller Schritt sein. Damit die Beschäftigten gleichwohl ein Mindestmaß an Informationen erhalten, verlangt Art. 4 (1) lit. e RL weiterhin bestimmte Mindestangaben.

Art. 10 RL verpflichtet Unternehmen, deren Wertpapiere an einem regulierten Markt notiert sind, innerhalb von zwanzig Arbeitstagen nach Veröffentlichung des Jahresabschlusses19), ein Dokument zu erstellen. Das Dokument soll entweder die innerhalb der letzten zwölf Monate entsprechend den in Art. 10 RL genannten Bestimmungen veröffentlichten Dokumente zusammenfassen oder aber in Form einer Liste vorgenannte Dokumente aufführen sowie ausweisen, wo diese erhältlich sind20). Der extrem hohe bürokratische Aufwand, sämtliche schon veröffentlichten Dokumente nachzuhalten, hat in der Praxis keine spürbare zusätzliche Kapitalmarkttransparenz bewirkt. Wie bereits als wahrscheinlich erachtet wurde21), soll die Verpflichtung zum jährlichen Dokument nach Art. 10 RL ersatzlos entfallen. Die Transparenzrichtlinie22) gewährleistet für die Anlegerschaft bereits hinreichende Kapitalmarktpublizität. Diese Deregulierung im Sinne von Abbau redundanter Regelungen dürfte die Marktteilnehmer spürbar entlasten.

Insbesondere Emittenten von derivativen Wertpapieren haben wiederholt die Sorge artikuliert, die Veröffentlichung eines Nachtrags könne den Anleger veranlassen, sich von seiner Anlage zu lösen, auch wenn der Hintergrund seines Widerrufs womöglich nichts mit dem Nachtragsgrund zu tun hat, sondern auf die sich für ihn negativ auswirkende Entwicklung des Basiswerts zurückzuführen ist.23) Dies wurde inhaltlich als eine Put-Option zulasten des Emittenten bewertet, die jedoch nur in sehr engen und klarer formulierten Grenzen möglich sein sollte.24)

Interpretationsspielraum

Da Art. 16 (2) RL, wie auch die Kommission in dem Konsultationspapier ausführt, einen Interpretationsspielraum eröffnet, hat der deutsche Gesetzgeber hier bereits eine korrigierende, zielgerichtete Umsetzung vorgenommen. Insofern dürfte diese zu erwartende Anpassung der Richtlinie insbesondere der Vereinheitlichung der Regelungen zum Widerrufsrecht am europäischen Kapitalmarkt dienen. Doch gerade dies dürfte insbesondere zivilrechtliche Probleme in einigen Mitgliedsstaaten aufwerfen. Wie der Richtliniengeber damit umgeht, bleibt also abzuwarten und durchaus spannend.

Die Konsultation greift eine Reihe gewichtiger Aspekte auf. Dennoch gibt es vermutlich noch weitere Bereiche in der Prospektrichtlinie, die von den Marktteilnehmern als Belastung empfunden werden. Um den praktischen Bedürfnissen möglichst nahe zu kommen, hat die EU-Kommission alle Marktteilnehmer aufgerufen, entsprechende Stellungnahmen und Vorschläge zu unterbreiten, auch über die bereits erwähnten Punkte hinaus.

Die Anpassung der Definition der "qualifizierten Anleger", die Erleichterung für Mitarbeiterprogramme und die Streichung der Regelung zum jährlichen Dokument dürften großenteils wohlwollend aufgenommen werden und keine größeren Widerstände erwarten lassen. Aber gerade das Widerrufsrecht könnte vor dem Hintergrund der Verquickung mit dem - grundsätzlich nicht harmonisierten - Zivilrecht noch gewisse Auslegungsfragen aufwerfen. Es bleibt zu hoffen, dass die Möglichkeit der Beteiligung der breiten Öffentlichkeit - trotz der recht knappen Frist - intensiv genutzt wird und auf diesem Wege die Europäische Kommission auf nachteilig wirkende Regelungen der Prospektrichtlinie aufmerksam gemacht wird.

* Der Artikel gibt nur die persönliche Meinung der Verfasser wieder und stellt keine amtliche oder halbamtliche Stellungnahme zu der Thematik dar.

Noch keine Bewertungen vorhanden


X