Aufsätze

Initiative der Bundesregierung zur Erleichterung der Unternehmenssanierung

Bereits mit der Einführung der Insolvenzordnung im Jahre 1999 hat der Gesetzgeber eine klare Aussage in Richtung der Unternehmenssanierung aus einer Krise gesetzt. Die in der Insolvenzordnung verankerten Restrukturierungsmaßnahmen sind jedoch bisher in das Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit nicht vorgedrungen und spielen deshalb in der täglichen Praxis eine vernachlässigbare Rolle. Das Insolvenzplanverfahren als Sanierungsinstrument ist erst seit der Finanz- und Wirtschaftskrise in den Fokus der Öffentlichkeit geraten.

Ein leistungsfähiges Sanierungsverfahren

Die Leistungsfähigkeit dieses Sanierungsinstrumentes konnte gerade in der von der Krise äußerst schwer getroffenen Automobilbranche eindrucksvoll gezeigt werden. So wurden unter anderem die Ae Group AG und die börsennotierte Paragon AG innerhalb eines Zeitraumes von drei bis vier Monaten über das Insolvenzplanverfahren saniert. Trotz der nachgewiesenen Erfolge der Insolvenzplanverfahren werden rund 99 Prozent der Unternehmenssanierungen noch nach dem altbewährten Schema abgewickelt. Danach wird mit dem Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens durch den vorläufigen Insolvenzverwalter ein M&A Prozess in Gang gesetzt, durch den innerhalb kürzester Zeit ein Kaufinteressent gefunden werden soll. Während der Insolvenzeröffnungsphase (regelmäßig die vorläufige Insolvenz) werden die Verhandlungen geführt, um unmittelbar nach Eröffnung des Verfahrens das Unternehmen an den Investor zu veräußern.

Gelingt dies nicht, wird eine Ausproduktion eingeleitet, sprich die werbende Tätigkeit des Unternehmens beendet. Der Insolvenzverwalter führt in diesen Fällen das Unternehmen fort, aber ohne es zu sanieren. Die Fortführung dient einzig allein einer schnellen Veräußerung. Aus Sicht der Gläubiger ist dieses standardisierte Vorgehen wirtschaftlich fatal. Die Insolvenzordnung dient primär dem Zweck, den Insolvenzgläubigern die bestmögliche Befriedigung zu bieten. In der Krise oder in der Insolvenz ist der Wert eines Unternehmens auf dem wirtschaftlichen Tiefpunkt angelangt. Sämtliche Wirtschaftsgüter erfahren eine hohe Wertabschreibung, die im Schnitt bei rund 70 Prozent der Buchwerte liegt. Hierdurch verlieren auch Sicherungsrechte, insbesondere die der Bankengläubiger ihre Funktion. Aus wirtschaftlicher Sicht ist es sinnvoll, das Unternehmen erst zu sanieren und dann zu einem späteren Zeitpunkt zu veräußern. In einem solchen Fall wird der zu erzielende Veräußerungserlös bei Weitem höher liegen als der unmittelbare Verkauf innerhalb eines Insolvenzverfahrens.

Gerade in dem letztgenannten Punkt liegt eine der Hauptursachen an der geringen Akzeptanz des Planverfahrens als Sanierungsinstrument bei den Bankengläubigern. Der Wert eines Unternehmens wird gemessen an dem Erlös, den ein Dritter bereit ist, für die Geschäftsanteile aufzuwenden. Insoweit erzielt der Gesellschafter einen Wertzuwachs der unter anderem auch aus den Verzichten der Gläubiger resultiert. Bei börsennotierten Unternehmen wird dies unmittelbar sichtbar. So stiegen die Aktien der Paragon AG unmittelbar nach Bekanntwerden des positiven Abschlusses des Insolvenzplanverfahrens innerhalb von Stunden auf Rekordhöhe. Die Automobilwoche kürte die Paragon AG zum "Aufsteiger des Jahres 2010", bezogen auf den enormen Zuwachs des Wertes der Aktien. In den meisten Fällen haben die Gläubiger keine Sicherungsrechte (zum Beispiel Pfandrechte) an den Geschäftsanteilen und partizipieren aus diesem Grunde auch nicht an diesem Wertzuwachs.

Das Insolvenzplanverfahren als Sanierungsmittel bietet den Unternehmen eine hervorragende Möglichkeit, bei rechtzeitiger Antragstellung innerhalb weniger Monate den Turnaround nachhaltig durchzuführen. Die Insolvenzordnung in der jetzigen Fassung hat für das Unternehmen und den Gesellschafter eine hohe Attraktivität, nicht jedoch für die Gläubiger. Diese Lücke möchte der Gesetzgeber nunmehr durch den Diskussionsentwurf für ein Gesetz zur weiteren Erleichterung der Sanierung von Unternehmen schließen.

Bisherige Rechtslage

Die bisherige Rechtslage ist dadurch gekennzeichnet, dass über den Insolvenzplan auf Sonderrechte zurückgegriffen werden kann, die ansonsten nur einem Insolvenzverwalter vorbehalten sind. Diese Sonderrechte führen zu einer vorzeitigen Beendigung oder Neugestaltung von Vertragsverhältnissen, ohne dass dies für das Unternehmen zu einer wirtschaftlichen Belastung führt. Zu den sogenannten Vertragsgestaltungsrechten zählen sämtliche Normen der Insolvenzordnung, mit denen auf bestehende Verträge Einfluss genommen werden kann. Beispielhaft seien nur einzelne Vertragsgestaltungsrechte skizziert:

Sonderkündigungsrechte für Miet- und Pachtverhältnisse: Danach ist der Insolvenzverwalter nicht an die vertraglichen Laufzeiten gebunden, vielmehr können Miet- und Pachtverhältnisse unter Zugrundelegung einer Kündigungsfrist von drei Monaten aufgelöst werden.

Sonderrecht für Arbeitsverhältnisse: Auch hier besteht eine Sonderkündigungsfrist von drei Monaten. Darüber hinaus sind die Sozialpläne gesetzlich der Höhe nach beschränkt.

Erfüllungswahlrechte: Dem Insolvenzverwalter steht die Entscheidung offen, bei gegenseitig noch nicht erfüllten Verträgen nach den Gesichtspunkten der wirtschaftlichen Effizienz deren Erfüllung zu verlangen oder aber abzulehnen.

Bereits durch diese Gestaltungsmittel ist erkennbar, mit welchem Zeit- und Liquiditätsvorteil die Sanierung innerhalb eines Insolvenzverfahrens angegangen werden kann, um das Unternehmen von wirtschaftlich nicht tragfähigen Vertragsverhältnissen zu befreien. Die Neuausrichtung des Unternehmens im Rahmen eines Planverfahrens würde meist dann scheitern, wenn der Insolvenzplan, sprich das Sanierungskonzept, der Zustimmung aller Gläubiger bedarf. Auch hier hat der Gesetzgeber die Möglichkeit geschaffen, auch gegen den erklärten Willen einzelner Gläubiger das Planverfahren durchzusetzen.

Des Weiteren besteht für die redlichen Führungsorgane eines Unternehmens die Möglichkeit einer Eigenverwaltung. Dies bedeutet, dass die Geschäftsführung weiterhin auch in der Insolvenz Herr des Verfahrens bleibt. Statt eines Insolvenzverwalters wird ein Sachwalter eingesetzt, der die Geschäftsführung zu kontrollieren hat.

Diskussionsentwurf des BMJ

Es wurde bereits betont, dass die vorgenannten Sanierungsmittel zu einer effektiven und schnellen Sanierung des Unternehmens führen. Der Sanierungserfolg wächst nach bisherigem Recht dem Gesellschafter beziehungsweise Anteilseigner zu, nicht jedoch den Gläubigern, die erst durch ihre Verzichte im Rahmen der Insolvenz einen wesentlichen Sanierungsbeitrag geleistet haben.

Debt-Equity-Swap: Das bestehende Ungleichgewicht zwischen Sanierungsbeitrag (der Gläubiger) und Realisierung des Sanierungserfolges (bei den Gesellschaftern) wird nach der Gesetzesreform künftig durch eine Beteiligung der Gläubiger am Eigenkapital (Dept-Equity-Swap) ausgeglichen werden. Danach können die Gläubiger eine Beteiligung am Eigenkapital des Unternehmens auch gegen den erklärten Willen des Altgesellschafters erzwingen. Die hierfür erforderlichen Maßnahmen auf der gesellschaftsrechtlichen Seite, wie zum Beispiel Kapitalherabsetzung und Kapitalerhöhungen sind unmittelbarer Gegenstand des Insolvenzplanes. Die nach bisherigem Recht vorhandene strikte Trennung von Insolvenz- und Gesellschaftsrecht ist danach aufgehoben.

Damit erfährt das Insolvenzplanverfahren als Sanierungsmittel eine hohe Attraktivität für die beteiligten Gläubiger, insbesondere für die Kreditinstitute. Diese werden bereits aufgrund ihrer Stellung als Großgläubiger in den meisten Insolvenzverfahren am stärksten partizipieren. Nunmehr haben die Kreditinstitute die Möglichkeit, einen M&A-Prozess erst dann einzuleiten, wenn die Sanierung nach Abschluss eines Insolvenzplanverfahrens geglückt ist, um den aus der Sanierung erzielten Unternehmensmehrwert als Kompensation für ihre Verzichte (Sanierungsbeitrag) zu erhalten.

Blockadehaltung der Anteilseigner verhindern

Eine Enteignung der Alteigentümer ist durch den Gesetzgeber nicht beabsichtigt. Vielmehr geht der Gesetzgeber davon aus, dass eine wirtschaftlich sinnvolle Lösung am besten unter Mitwirkung aller Beteiligten erzielt werden kann. Deshalb erhalten die Anteilseigner im Rahmen des Insolvenzplanverfahrens eine eigene Gruppe und können somit auch an der Abstimmung teilnehmen. Um eine Blockadehaltung der Anteilseigner zu verhindern, gilt auch hier das ansonsten für Gläubigergruppen bekannte Obstruktionsverbot. Die Anteilseigner dürfen im Rahmen des Planverfahrens nicht schlechter gestellt werden, als sie ohne Plan stünden.

Stärkung des Einflusses der Gläubiger: Die Insolvenzordnung dient primär der bestmöglichen Befriedigung der Gläubiger. Aus diesem Grunde ist es auch sachdienlich, wenn die Gläubiger mehr Einfluss auf das Verfahren haben. Hierbei spielt die Frage, wer als Insolvenzverwalter/Sachwalter in Betracht gezogen wird, eine entscheidende Rolle.

Verzögerung erschwert

Nach bisherigem Recht konnten die Gläubiger erst im Berichtstermin den vom Insolvenzgericht eingesetzten Verwalter abwählen und einen neuen bestimmen. Von dieser Möglichkeit wird jedoch in der Praxis kaum Gebrauch gemacht. Dies hängt maßgebend damit zusammen, dass der Berichtstermin regelmäßig ein bis zwei Monate nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens stattfindet. Bis zu diesem Zeitpunkt (die vorläufige Insolvenzverwaltung eingerechnet) sind jedoch die Weichen über die zukünftige Ausrichtung des Unternehmens bereits gestellt. Ein Austausch des Verwalters zu diesem späten Zeitpunkt bietet keine nachhaltigen Vorteile mehr.

Der Einfluss der Gläubiger auf die Bestellung des Verwalters muss also in einem früheren Verfahrensabschnitt einsetzen. Das Insolvenzgericht wird nach der Gesetzesreform vor der Bestellung eines vorläufigen Insolvenzverwalters den wesentlichen Gläubigern die Gelegenheit geben müssen, sich zur einzusetzenden Person zu äußern. Hierbei ist das Insolvenzgericht an den Vorschlag der Gläubiger gebunden, sofern eine Summenmehrheit sich auf eine geeignete Person verständigt hat. Zu begrüßen ist es auch, dass eine Vorbefassung des künftigen Insolvenzverwalters/Sachwalters nicht zu einem automatischen Ausschluss führt, sofern er nur beratend tätig geworden ist, ohne auf die Geschäftsführung Einfluss genommen zu haben.

Verfahrensbeschleunigung: Als weiterer Nachteil des geltenden Rechts wurde die Möglichkeit gesehen, die Rechtskraft des Insolvenzplanes zu verzögern oder Hemmnisse aufzubauen. Um eine Verzögerung und damit auch ein Scheitern der Sanierung durch eingelegte Rechtsmittel zu verhindern, hat nunmehr der Gläubiger eine wesentliche Schlechterstellung durch den Insolvenzplan darzulegen, für die ihm durch den Insolvenzplan kein finanzieller Ausgleich zugesprochen wird. Die Gesetzesreform stellt klar, dass der Insolvenzplan Ausgleichszahlungen für den Fall einer nachgewiesenen Schlechterstellung enthalten kann. Damit besteht für die Gerichte kein Grund mehr, die Bestätigung des Insolvenzplanes aufgrund eingelegter Rechtsmittel zunächst nicht zu erteilen. Ob und gegebenenfalls in welcher Höhe eine Ausgleichszahlung an den Gläubiger zu erfolgen hat, ist sodann außerhalb des Insolvenzverfahrens durch die ordentlichen Gerichte zu klären.

Befriedigung der Masseverbindlichkeiten: Die Aufhebung des Insolvenzverfahrens nach der Bestätigung eines Insolvenzplanes hängt davon ab, dass der Insolvenzverwalter die unstreitigen Masseansprüche vor der Aufhebung befriedigen muss oder Sicherheit zu leisten hat. Bei einem werbend tätigen Unternehmen ist dies in der Praxis kaum möglich. Jeder Tag der Unternehmensfortführung begründet auch neue Masseverbindlichkeiten.

Schutzschirm für Unternehmen

Die bisher praxisfremde Regelung wird durch eine ersetzt, wonach nur noch die fälligen Verbindlichkeiten zu erfüllen sind. Bei den sonstigen Verbindlichkeiten muss sich lediglich aus dem Finanzplan ergeben, dass diese bei Fälligkeit auch gezahlt werden können. Ferner stellt der Reformgesetzgeber nunmehr klar, dass Insolvenzplanverfahren auch dann durchgeführt werden können, wenn das Insolvenzverfahren masseunzulänglich ist. Diese Frage war bisher in der juristischen Praxis umstritten.

Stärkung der Eigenverwaltung: Das Rechtsinstitut der Eigenverwaltung spielt in der Praxis kaum eine Rolle. Dies mag auch damit zusammenhängen, dass die Insolvenzgerichte sehr starken Wert auf das Votum des von ihnen eingesetzten vorläufigen Insolvenzverwalters legen. Der vorläufige Insolvenzverwalter, der regelmäßig auch der spätere Insolvenzverwalter ist (sofern keine Eigenverwaltung angeordnet wird), wird meist bereits aus monetären Interessen Widerstand gegen die Eigenverwaltung erheben. Des Weiteren wird nach bisheriger Rechtslage die Eigenverwaltung erst mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens angeordnet. Damit wird regelmäßig während der Insolvenzeröffnungsphase ein vorläufiger Insolvenzverwalter eingesetzt. Hier besteht ein Wertungswiderspruch zwischen dem Ansinnen der Geschäftsführung auf eine Eigenverwaltung und der angeordneten vorläufigen Insolvenzverwaltung.

Die Gesetzesreform sieht zunächst einen Schutzschirm für Unternehmen vor, die bei drohender Zahlungsunfähigkeit einen Insolvenzantrag stellen. Danach bestimmt das Gericht unter den vorgegebenen Voraussetzungen, dass das Unternehmen in Eigenregie innerhalb eines Zeitraumes von bis zu drei Monaten sein Sanierungskonzept - sprich den Insolvenzplan - auszuarbeiten und vorzulegen hat. Während dieser Zeitperiode ist die Anordnung einer vorläufigen Insolvenzverwaltung ausgeschlossen. Statt eines vorläufigen Insolvenzverwalters wird ein vorläufiger Sachwalter bestellt, der Überwachungsfunktionen übernimmt. Hierbei hat das Unternehmen sogar ein eigenes Vorschlagsrecht, wer als vorläufiger Sachwalter eingesetzt wird. Während dieses Zeitraumes haben die Gläubiger keinen Zugriff auf die Vermögenswerte des Unternehmens.

Damit genießt das Unternehmen den Schutz, den eine vorläufige Insolvenzverwaltung bietet und die daraus resultierenden Vorteile, ohne durch einen vorläufigen Insolvenzverwalter in den Sanierungsbestrebungen behindert zu werden. Mit Fertigstellung des Sanierungskonzeptes beziehungsweise mit Ablauf der Schutzperiode wird das Verfahren eröffnet und der Insolvenzplan zu Abstimmung der Gläubigerversammlung vorgelegt.

Erleichterung zur Sanierung von Unternehmen

Die Gesetzesreform ist in ihrer jetzigen Ausgestaltung als wichtige Erleichterung zur Sanierung von Unternehmen zu begrüßen. Die geringe Attraktivität der Insolvenzplanverfahren aus Sicht der beteiligten Gläubiger wird durch die vom Gesetzgeber vorgesehenen Maßnahmen wesentlich erhöht. Gerade die Kreditinstitute werden ein hohes Interesse an der Sanierung krisengeschüttelter Unternehmen haben, da sie die Möglichkeit eines Debt-Equity-Swaps haben und über ihre Sanierungsbeiträge (die Verzichte) am Eigenkapital beteiligt werden. Damit partizipieren sie unmittelbar an dem aus der Sanierung geschaffenen Mehrwert des Unternehmens.

Trotz heftiger Kritik aufseiten der Insolvenzverwalter ist es richtig, dass die Gläubiger auch einen maßgebenden Einfluss auf die Person des Insolvenzverwalters erhalten. Die maßgebenden Gläubiger müssen insbesondere in den Fällen, an denen sie am Kapital beteiligt werden, hinter der Sanierung und damit auch hinter demjenigen stehen, der die Sanierung letztendlich umsetzt.

Durch die Gesetzesreform wird die Attraktivität des Insolvenzstandortes Deutschland weiter erhöht. Es bleibt zu wünschen, dass die Gesetzesreform ohne große Änderung bald in Rechtskraft erstarkt.

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