Aufsätze

Haben sich quantitative Asset-Management-Ansätze bewährt?

Auf der Suche nach dem optimalen Anlagekonzept, das Investoren in allen Marktphasen ein erfolgreiches Investment verspricht, wird immer wieder die Frage gestellt, wie sich quantitative Investmentansätze in der Finanzkrise geschlagen haben. Da der Begriff des quantitativen Asset Managements nicht klar definiert ist und immer wieder zu Missverständnissen führt, ist es sinnvoll, zunächst eine kurze Darstellung der Eigenschaften von quantitativen Ansätzen vorzunehmen. Regelgebundene Kauf- und Verkaufssignale Im Gegensatz zu fundamentalen Ansätzen spielen Unternehmensbesuche, klassische Researchanalysen oder auch individuelle Markteinschätzungen einzelner Personen/Teams (sogenannte Bauchentscheidungen) bei quantitativ gemanagten Portfolios keine Rolle. Vielmehr nutzen quantitative Ansätze eine Vielzahl historischer Daten, statistische Zusammenhänge und ökonometrische Modelle, aus denen Investmententscheidungen für die Zukunft abgeleitet werden. Dabei handelt es sich um regelgebundene Kauf- und Verkaufssignale, die für den Investor jederzeit nachvollziehbar sind. In diesem Zusammenhang sei auch darauf hingewiesen, dass eine Trendfolge-Strategie keinesfalls mit einem quantitativen Asset Management gleichzusetzen ist. Auch wenn Trendfolge-Modelle häufig zum Einsatz kommen, stellen sie nur einen Ausschnitt des quantitativen Asset Managements dar. Die Anzahl quantitativer Investmentansätze hat in den vergangenen Jahren stetig zugenommen. Dies ist zum einen darin begründet, dass sich die Verfügbarkeit von Daten sehr stark entwickelt hat und damit die Komplexität der zu analysierenden Informationen rasant angestiegen ist. Von einzelnen Fondsmanagern sind diese Datenmengen kaum noch zu verarbeiten. Zum anderen ist es durchaus denkbar, dass streng rationale Schlussfolgerungen bei den handelnden Personen durch Gefühle überlagert oder sogar konterkariert werden. Gerade dieses irrationale Handeln soll durch systematische Entscheidungen auf Basis quantitativer Ansätze ausgeschlossen werden. Die Nachvollziehbarkeit der Investmententscheidungen bietet Investoren damit eine wesentlich höhere Transparenz als diskretionär gemanagte Mandate. Kritiker von quantitativen Investmentansätzen bemängeln dagegen häufig, dass nicht davon auszugehen sei, dass Zusammenhänge, die in der Vergangenheit galten, sich auch in der Zukunft noch bewähren. Ein solcher Strukturbruch ist mit der Finanzkrise eingetreten. Nichts schien mehr wie zuvor. Korrelationen, die in der Vergangenheit galten, verloren ihre Gültigkeit. Hinzu kamen exogene Einflüsse, die kein Modell vorhersehen konnte (zum Beispiel Lehman, das Eingreifen der Zentralbanken, Ratingagenturen, Staatsverschuldungen). Unabhängig davon, ob ein Portfolio quantitativ oder klassisch fundamental gemanagt wurde, hat die Finanzmarktkrise damit für alle Marktteilnehmer neue Erfahrungen mit sich gebracht. Wie haben sich also quantitative Ansätze in der Krise geschlagen? Und welche Schlussfolgerungen sind daraus zu ziehen? Illiquidität Die schmerzhafteste Erfahrung während der Krise war die Illiquidität vieler Assets und die damit verbundenen Risiken. Bisher als liquide geltende Papiere wie Pfandbriefe, Staatsanleihen (nicht Bundesrepublik Deutschland) oder Corporate Bonds konnten nicht oder nur unter Inkaufnahme deutlicher Wertabschläge veräußert werden. Dadurch konnten beispielsweise Wertuntergrenzen nur schwer eingehalten werden. Effiziente Hedgeinstrumente wie Derivate standen nicht zur Verfügung beziehungsweise erzielten durch die Illiquidität der Basisinvestments nicht die gewünschte Immunisierung. Das hat sowohl den fundamentalen als auch den quantitativen Managern Schwierigkeiten bereitet. Um eine jederzeitige Handlungsfähigkeit in einem Portfolio zu gewährleisten, reduziert sich nach der Krise die Anzahl der infrage kommenden Märkte und Instrumente. Wenn zudem Risikobudgets verwaltet und eingehalten werden müssen, sind weitere Anpassungen notwendig. Denn sind Assets nicht mehr vollständig liquide, sollten auch bei der Berechnung von VaR-Zahlen die Haltedauern erhöht werden. Das kostet Risikobudget und führt zu Opportunitätskosten. Auch die viel diskutierte Diversifikation in unterschiedlichen Assetklassen und Märkten spielte während der Krise eine entscheidende Rolle. Doch in fast allen Portfolios war der Anteil der Rentenpapiere, die nicht mit einem Unternehmensrisiko ausgestattet sind, viel zu gering beziehungsweise die risikoreicheren Assetklassen zu hoch gewichtet, sodass sich bei der Flucht in den sicheren Hafen die Auswirkungen der Krise noch verstärkten. In der Krise war die Rede von Korrelationsschocks, also einem plötzlichen Anstieg der Korrelation. Das lässt sich jedoch nur für risikobehaftete Assets konstatieren. Für die Assetklassen Corporate Bonds und Staatsanleihen sind die Korrelationen eher gesunken, weil die Unternehmensrisiken in den Vordergrund getreten sind. Risikominderung aufgrund von Unsicherheit Möglicherweise wurde die Quote der Risikoassets in quantitativ gesteuerten Portfolios länger gehalten als in einem fundamental gesteuerten Portfolio, weil ein Fondsmanager aufgrund der steigenden Unsicherheit und nicht bekannter Bewegungen an den Märkten pauschal Risiken (absolute oder relative) abgemildert hat, während der Quant noch streng nach Risikobudget oder Signalen vorgegangen ist. Das hat sich im Einzelfall gegebenenfalls vorteilhaft für die Fundamentalansätze ausgewirkt. Ein weiteres Problem, mit dem Fondsmanager in der Krise konfrontiert waren, bestand darin, dass beispielsweise in der Aktienselektion nahezu alle Erklärungsfaktoren, denen man in der Analyse einen positiven Erklärungsbeitrag zugerechnet hat, in der zweiten Hälfte 2008 umgekehrte Vorzeichen aufwiesen. Haben in normalen Phasen also Aktien mit hoher Dividendenrendite, niedrigem KVG oder hohem Momentum eine gute Performance erzielt, so haben sich gerade diese Aktien in der Krise eher unterdurchschnittlich entwickelt. Diesem Phänomen waren sowohl die Quants als auch jeder klassische Aktienselektierer ausgesetzt. Welche Schlussfolgerungen? Es ist davon auszugehen, dass die quantitativen Ansätze so weiterentwickelt werden, dass sie in der nächsten Krise noch besser Stand halten. Dabei darf jedoch nicht der Fehler gemacht werden, dass jegliche Zusammenhänge, die vor der Krise galten, negiert werden und damit Performancepotenziale in der Phase einer Normalisierung verpasst werden. Daher stellt das Risikomanagement einen, wenn nicht den wesentlichen Ansatzpunkt dar. In Zeiten großer Unsicherheit sind Positionen systematisch zu reduzieren oder zu neutralisieren. Dabei ist eine der wesentlichen Stärken des quantitativen Managements nicht in den Hintergrund zu rücken. Dabei handelt es sich um die konsequente und emotionsfreie Verarbeitung von Fakten. Gerade in der Aufarbeitung der Krise ist es durchaus denkbar, dass fundamentalen Managern die jüngste Erfahrung noch stark nachhängt. So scheuten manche Asset Manager den Wiedereinstieg in die Märkte, weil ihnen die Krise noch "in den Knochen steckte". So konnte beispielsweise im vierten Quartal 2008 mit Rentenpapieren als "sicherer Hafen" eine sehr gute Performance erzielt werden. Während von dieser Situation vor allem die Trendfolger profitierten, in dem Signale für den Einstieg konsequent umgesetzt wurden, hat so mancher klassischer Fundamentalmanager diese Chance verpasst. Denn als sie den Wiedereinstieg wagten, war der Markt schon sehr weit gelaufen. Ähnliches lässt sich für den Wiedereinstieg in Aktien sagen. Hier haben diverse Faktoren in quantitativen Modellen bereits frühzeitig eine starke Erholung signalisiert und entsprechende Kaufsignale generiert. Die Vielzahl der Informationen und Märkte ist oft nur quantitativ zu bewerkstelligen. Darüber hinaus verdeutlichen die Extrembewegungen die Relevanz und den Nutzen der Korrelation. Auch wenn die Wertentwicklung regional unterschiedlicher Aktienmärkte in der Krise negativ war, so lässt sich schon durch die zeitliche Verschiebung der Extremwerte ein Nutzen generieren. Als beispielsweise im März 2009 die etablierten Aktienmärkte wie Euroland, UK, USA ihre Tiefststände erreicht hatten, befanden sich die Märkte Hong Kong und Südkorea bereits wieder im Aufwärtstrend (seit Oktober/November 2008). Ähnliches ließ sich auch bei der vorausgegangenen Krise 2000 bis 2003 beobachten, als nicht etwa alle Märkte gleichzeitig im März 2003 ihre Tiefststände markiert haben, sondern beispielsweise USA und Kanada bereits im Oktober des Vorjahres. Diese Zusammenhänge ohne ein quantitatives Modell gewinnbringend einsetzen zu können, scheint nur schwer vorstellbar. Adaptivität und Flexibilität Sicherlich sind alle Ansätze der Schwierigkeit ausgesetzt, dass nur historische Erfahrungen in der laufenden Arbeit berücksichtigt werden können. Bei Strukturbrüchen und neuen Erfahrungen stellt sich dann die Frage, wie schnell und wie systematisch diese verarbeitet werden können. Hier sind die quantitativen Ansätze im Vorteil, insbesondere wenn es sich in den Ansätzen selbst schon um adaptive, lernende Modelle handelt, die laufend Zusammenhänge und Erklärungsfaktoren überprüfen und gegebenenfalls anpassen. So sind beispielsweise relativ schnell nach dem Terroranschlag in New York in 2001 Indikatoren zur Bemessung von Sentiments oder des Risikoappetits entwickelt und in die lernenden Modelle aufgenommen worden. Die Krise hat für alle Marktteilnehmer bisher nicht bekannte und nicht erwartete Phänomene hervorgebracht. Die Erfahrung des in der krisenbezogenen Literatur viel zitierten Truthahns, der den Menschen bis zu seiner Schlachtung als sehr wohlwollendes Wesen eingeschätzt hat, haben letztlich in der Finanzmarktkrise im übertragenen Sinne sowohl die fundamentalen als auch die quantitativen Manager machen müssen. Es bleibt die Schlussfolgerung, dass neue Erkenntnisse den bestehenden Ansätzen beigefügt werden müssen und dass letztlich dem Risikomanagement ein größeres Gewicht zukommen wird. Gleichzeitig zeigen die quantitativen Ansätze bereits wieder ihre Stärken, die sie schon zuvor ausgezeichnet haben: die systematische und emotionslose Analyse sowie das Schlussfolgern aus einem riesengroßen Datenpool. Dieser Pool ist mit der Finanzmarktkrise signifikant größer geworden.

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