Leitartikel

Fonds in der Krise

Die Finanz- und Wirtschaftskrise wirbelt nicht nur weltweit die Ranglisten der Kreditinstitute durcheinander, sondern bewirkt auch innerhalb der Häuser erhebliche Gewichtsverlagerungen in den Segmenten. Mit Blick auf die strategische Ausrichtung dürften das Privat- und Firmenkundengeschäft mit starkem Bezug zur Realwirtschaft unumstritten bleiben, auch wenn im Zuge eines wirtschaftlichen Abschwungs Belastungen drohen. Professionell betrieben wird das Transaction Banking seine stabilisierende Position behaupten oder ausbauen. Und das Investmentbanking dürfte für geraume Zeit auf einen niedrigeren Level herabgestutzt werden, weil einige Sparten nicht mehr laufen und der Innovationsfreude durch Regulierungen engere Grenzen drohen. Wie aber steht es um das Asset Management? Gehört diese Disziplin zu den Gewinnern oder Verlierern der Finanzmarktkrise?

Auf den ersten messbaren Blick zählt die Branche klar zu den Betroffenen. Sowohl auf deutscher wie auf europäischer Ebene gehört 2008 zu den unerfreulichen Jahren einer recht kontinuierlich nach oben gerichteten Entwicklung. 142 Milliarden Euro zogen die Anleger nach Angaben des europäischen Fondsverbands Efama allein im vierten Quartal aus Publikumsfonds ab. Das bedeutet einen bisher nicht registrierten Einbruch im Neugeschäft. Dabei galt im Quartal zuvor schon Gleiches, von Juli bis September 2008 standen Abflüsse von 92 Milliarden Euro zu Buche. Insgesamt saldierten sich die abgezogenen Mittel bei Investmentfonds nach Ucits-Richtlinie in Europa im Gesamtjahr 2008 auf 335 Milliarden Euro. Lediglich die Spezialfonds konnten ein positives Endergebnis vermelden. Bei Zuflüssen von insgesamt 51 Milliarden Euro auf europäischer Ebene reduzierten sie die Gesamtabflüsse bei den Asset Managern auf 284 Milliarden Euro. All das spiegelt sich auch im Bestand wider. Rechnet man die Börsenverluste mit ein, sank das verwaltete Vermögen europaweit um 25,4 Prozent auf 4,6 Billionen Euro. Sechs Prozentpunkte davon machten die Mittelabflüsse aus.

Die düsteren Daten des europäischen Verbands decken sich dabei im Wesentlichen mit denen des Bundesverbands Investment und Asset Management (BVI): Dieser konstatiert für 2008 bei den hiesigen Gesellschaften einen Nettoabfluss in Publikumsfonds von 27,8 Milliarden Euro, weitere fünf Milliarden Euro zogen die Anleger aus Produkten ab, die die Branche außerhalb von Investmentfonds verwaltet. Zusammen mit den Spezialfonds (plus 19,9 Milliarden Euro) ergibt das einen Nettomittelabfluss von 7,9 Milliarden Euro. Vergleicht man die hiesige Branche wiederum mit dem Rest Europas, ist sie freilich glimpflich davon gekommen: Selbst wenn man Luxemburg aufgrund seiner Sonderstellung als "Auflageland" außen vor lässt, so steht den Abflüssen nach Efama-Rechnung von 19 Milliarden Euro hierzulande ein Minus in Höhe von 73 Milliarden Euro in Italien, 57 Milliarden Euro in Spanien und 45 Milliarden Euro in Frankreich gegenüber. Mit Blick auf das verwaltete Vermögen in Investmentfonds zeigt sich laut BVI ein Minus von 1,4 auf 1,2 Billionen Euro. Auch das sind bessere Werte als in der europäischen Branche insgesamt. Und in der losen Gegenüberstellung mit den Zertifikaten stehen die Investmentfonds - gemessen an der Entwicklung der Assets under Management, die als zweckmäßige Vergleichsgröße gelten - noch gut da: Der Deutsche Derivate Verband vermeldet jedenfalls einen Rückgang von 135 auf 80 Milliarden Euro.

Der speziellere Blick auf den Verlauf des vergangenen Jahres zeigt den Oktober als verheerenden Einschnitt in der europäischen Investmentbranche. Allein in diesem Monat waren nach der Lehman-Pleite erdrutschartige Rückflüsse zu verzeichnen, rund 40 Prozent der EU-weiten Abflüsse 2008 fallen in diese Zeit. Einen weiteren Nackenschlag für die deutsche Fondsbranche gilt es mit Blick auf die europäische Perspektive zu relativieren. Als nämlich die Bundeskanzlerin zusammen mit dem Finanzminister am 5. Oktober 2008 die politische Garantie für Spareinlagen verkündete und bei den nicht geschützten Geldanlageformen die gesetzlich abgesicherten Investmentfonds unglücklicherweise in einem Atemzug mit den Zertifikaten nannte, setzte unverzüglich ein wahrer "Run" auf die Investmentbranche ein. Binnen weniger Tage wurden die Depots buchstäblich von den Anlegern geplündert, wie die DWS es unlängst anhand eines Charts anschaulich demonstriert hat. Fondsgesellschaften wie die Union Investment brauchten in diesen Tagen Unterstützung ihrer Organisation, um die Mittelabflüsse überhaupt zu bewältigen und sich in den November mit einem wieder einigermaßen beherrschbaren Geschäftsverlauf zu retten. Ob man diese zwei harten Wochen im Oktober nun rückblickend als Merkel-Effekt tituliert, wie das die DWS getan hat, oder ob man die Sache lediglich eindeutig umschreibt, ohne direkt anzuklagen oder Namen zu nennen, wie das die Union praktizierte, ist eigentlich unerheblich. Denn im europäischen Vergleich hat es in vielen Ländern ähnliche Garantiezusagen der Politik an die Sparer gegeben, und insgesamt ist Deutschland, wie beschrieben, bei Neugeschäft und Fondsvolumen vergleichsweise gut davon gekommen.

Kommt die europäische und mit ihr die deutsche Fondsbranche in 2009 ff. nun heraus aus diesem Tal? Der große Schlüssel dazu sind sicher die Entwicklungen an den Kapitalmärkten. Diese abzusehen fällt jedoch keinesfalls leichter als bisher, müssen doch künftig neben den geldpolitischen Entscheidungen der EZB und den guten oder eher schlechten Unternehmenszahlen auch noch die Handlungen der Politiker und ihre Wirkung auf die Börsianer eingeschätzt werden.

Daneben ist und bleibt die eigene Produktpolitik der Asset Manager von entscheidender Bedeutung. Was die Nachfrage betrifft, dürften die signifikanten Verwerfungen das Interesse der Anleger - privaten wie institutionellen - an strukturierten Produkten erst einmal zumindest beruhigt haben. Verschwinden wird dieses Produktangebot zwar nicht. Aber allzu komplexen Verästelungen werden die Investoren auf geraume Zeit mit gebührendem Misstrauen begegnen. Bei durchschaubaren Konstruktionen wird aber bald wieder die Aussicht auf Zusatzrendite locken. Die Hinweise auf die lukrative Assetklasse Corporate Bonds kommen schon vielstimmig, nicht nur von der Union Investment. Ob der Markt Geldmarktprodukte mit Liquiditätsabsicherung braucht, wie sie die DWS angekündigt hat, bleibt fraglich. Vielleicht gab es in dieser Produktgruppe schon früher einfach zu viele marketingbedingte Verirrungen. Spannend für den weiteren Jahresverlauf wird es sein, den richtigen Zeitpunkt für den Wiedereinstieg in Aktienfonds zu finden. Gegenwärtig sprechen die Zahlen dafür, dass passiv gemanagte Fonds die aktiven Manager in puncto Performance - und Anlegerinteresse - übertreffen. Das könnte sich demnächst noch mehr in den Marktstatistiken zeigen.

Neben der Produktpolitik wird insbesondere bei institutionellen Anlegern das Risikokonzept eine gewichtige Rolle spielen. Für viele Investoren gilt es, nach den Unwägbarkeiten des vergangenen Jahres genau zu prüfen, inwieweit ihre Vorgaben den Belastungen standgehalten haben. Ersten Auswertungen nach hat sich eine Risikosteuerung mit einer weichen Untergrenze - also Risikobudgets, die mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht überschritten werden sollen besser bewährt als sogenannte harte Untergrenzen, in denen die Anleger eine maximale Verlusttoleranz festgelegt haben. Anhand ihres Zielerreichungsgrades für das vergangene Jahr sind viele institutionelle Investoren dabei, eine Zwischenbilanz zu ziehen. Sie prüfen, inwieweit ihre Renditeziele sowie die Liquiditätssicherung erreicht worden sind und werden danach entscheiden, welchen Asset Managern und welchen Risikokonzepten sie ihr künftiges Vertrauen schenken. Aufseiten der Privatkundschaft wird sicherlich noch eine Weile das in den vergangenen Monaten stark gewachsene Sicherheitsbedürfnis bedient werden müssen.

Abgesehen von den zu erwartenden Anpassungen bei Produkten könnte sich als Folge der Finanzkrise bei mittelfristiger Betrachtung auch eine deutliche Veränderung der Marktstruktur ergeben. In Sachen Risikobeherrschung dürften die vier Großen (Allianz Global Investors, Deka, DWS und Union) die besten Chancen haben, institutionelle Investoren von den eigenen Fähigkeiten zu überzeugen. Bereits deutlich in den aktuellen Absatzstatistiken zu sehen sind zudem erhebliche Zuflüsse bei Master-KAGen, etwa bei Universal oder bei Metzler. Als derzeitige Gewinner der Finanzkrise weisen die Zahlen nicht zuletzt die passiven Asset Manager aus: Barclays Global Investors oder auch die Deutsche Bank mit ihren passiv gesteuerten Produkten konnten für das Krisenjahr 2008 deutliche Mittelzuflüsse ausweisen.

Dementsprechend ist mit Blick auf die Branchenstruktur für die nächsten Jahre eine anhaltende Ausdünnung "in der Mitte" zu erwarten. These also: Während die Großen gute Chancen haben, das Vertrauen in puncto Sicherheit auf sich zu ziehen, können kleinere Gesellschaften wie Sauren oder auch Lupus Alpha mit Spezialitäten punkten. Letzteres gilt nicht zuletzt für die Anbieter von Alternative-Invest-ment-Strategien, die der Renditevorgaben wegen bei institutionellen Investoren zumindest weiterhin im Interesse stehen. Verschiebungen lassen sich schließlich zwischen den Bankengruppen erwarten. Die Asset Manager der dezentralen Verbünde werden alles daran setzen, auf mittlere Sicht tendenziell von dem Einlagenzufluss zu profitieren, der den genossenschaftlichen und öffentlich-rechtlichen Primärbanken zugegangen ist. Die Überlegung hierbei ist simpel: Wenn sich die Märkte normalisieren und der Renditehunger der Anleger wieder steigt, könnte dies den Asset Managern der beiden Verbünde nutzen. Sollte es den Platzbanken hier gelingen, die Kunden bei Bedarf an die verbundeigenen Gesellschaften weiter zu vermitteln, hilft das Union und Deka im Neugeschäft. Sie haben es diesbezüglich wesentlich einfacher als von Drittvertrieben abhängige Asset Manager wie die DWS.

Aus strategischer Sicht dürfte das Asset Management darüber hinaus langfristig von der Neuausrichtung des Investmentbankings profitieren. Wie Rolf E. Breuer es auf der jüngsten Kreditpolitischen Tagung der ZfgK analysiert hat, könnte die Rückbesinnung auf das erfolgreiche Zusammenwirken von Investmentbanking und Asset Management in integrierten Finanzinstitutionen einen Aufschwung erfahren. In Deutschland ist es auch in diesem Zusammenhang höchst interessant, wie sich die "großen vier" aufstellen werden. Die AGI hat die enge, sich gegenseitig befruchtende Verbindung von Kapitalmarktgeschäft und Asset Management schon in den letzten Jahren intensiv gepflegt und wird das auch ohne Dresdner-Bank-Impulse weiterführen. Seitens der Deutschen Bank wurde - trotz aller Widrigkeiten im Unternehmensbereich Asset and Wealth Management speziell in den USA - Sympathie für einen Verbleib in der Unternehmensgruppe geäußert. Und auch Union und Deka haben klar die enge Verbindung betont. Das notwendige Kapitalmarkt-Knowhow zur Umsetzung der Produktkonzepte und Absicherungsstrategien auch künftig im eigenen Haus haben zu wollen, hat gerade der Asset Manager der S-Gruppe zuletzt vehement verteidigt. Diese Strategie bei einer Konsolidierung auf Landesbankenebene im Zuge eines S-Interessenausgleichs möglicherweise aufgeben zu müssen, wird einer der spannenden Punkte der anstehenden Entwicklungen in Deutschland sein. Findet die Sparkassenorganisation an dieser Stelle die richtige Mischung zwischen kapitalmarktorientiertem Asset Management und Zockertum? Mo./ho.

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