Aufsätze

Finanzmarktregulierung und Unternehmensfinanzierung

Am 23. Juni fand in den Räumen der KfW-Bankengruppe in Frankfurt eine inhaltlich und von den Referenten her sehr profilierte Veranstaltung zum Thema "Bestandsaufnahme Banken, Kreditmärkte und Unternehmensfinanzierung in Deutschland" statt, zu der die TSI eingeladen hatte, die Förderinitiative für den deutschen Verbriefungsmarkt. Wie ein roter Faden zog sich durch die Vorträge und Diskussionen die Sorge darum, dass die Umsetzung der EU Capital Requirement Direktiven (CRD) für den Bankensektor das Finanzierungsangebot für die Wirtschaft beeinträchtigen werde.

Nebenwirkungen auf das Kreditangebot beachten

Das Hauptmanko der Frankfurter Erörterungen war vermutlich, dass sie nicht in Berlin stattfanden unter den Augen und vor den Ohren der gerade diese Finanzmarktregulierungen beratenden und verabschiedenden Politiker. Diese waren stattdessen zur - für "Regulators" kostenlosen - Teilnahme an der in Berlin parallel im Hotel Adlon stattfindenden International Securities Lending Conference eingeladen, auf der es mehr um die steigenden Refinanzierungssorgen des Finanzsektors selber ging. Wie stark die Aufnahmebereitschaft der internationalen Kapitalmärkte für Schuldverschreibungen aus dem Bankensektor zurückgegangen ist, belegt der jüngste Global Financial Stability Report Market Update des IMF (Abbildung 1). Die eindeutige Botschaft aus Frankfurt war, dass die aktuellen Bestrebungen zur Finanzmarktregulierung, die auf eine Senkung der Volatilität und der Krisenanfälligkeit des Bankensektors abzielen, stärker auf die Nebenwirkungen in Bezug auf das Kreditangebot an die Unternehmen achten sollten. Ein Teilnehmer frotzelte, dass am Ende nur noch große kapitalmarktfähige Unternehmen, die auf die Banken nicht angewiesen seien, sich um ihre Finanzierungen keine Sorge machen müssten, während die kleineren Mittelständler sich wohl nur noch auf das Angebot staatlicher Förderprogramme verwiesen fänden. Gerade mittelständische Unternehmen gehörten zu den Hauptnutznießern der bis zum Ausbruch der US-Subprime-Mort-gage-Krise Mitte 2007 noch florierenden und sehr kostengünstigen Kredit- und Mezzanine-Verbriefungen. Daher ist gesteigerte Achtsamkeit besonders zu den Auswirkungen der Neuordnung des Verbriefungsmarktes auf die Mittelstandsfinanzierung angezeigt. Der Regulierungsansatz für den Verbriefungsmarkt geht allerdings von einer ganz anderen Voraussetzung aus, nämlich von einer Negativwertung: "Der immer stärkere Vertrieb von strukturierten Produkten ... war eine der Hauptursachen für den Ausbruch der Finanzkrise." So äußerte sich wörtlich DSGV-Präsident Heinrich Haasis. Aus dieser Wertung resultiert die Tendenz, die Anforderungen an zukünftige Verbriefungen möglichst zu erschweren, unter anderem durch das Erfordernis eines Selbstbehaltes beim Originator, um sicherzustellen, dass dieser Mindestqualitätsstandards einhält anstatt Schrott zu produzieren, den er dann sofort komplett weiterplatziert. Die von den EU-Mitgliedsländern umzusetzende Brüsseler CRDII sieht daher in Art. 122A einen Selbstbehalt von fünf Prozent vor, der sich auch im bisherigen §18a Absatz 1 des Entwurfes des deutschen Gesetz zur Umsetzung der geänderten Bankenrichtlinie und der geänderten Kapitaladäquanzrichtlinie so wiederfand.

Im deutschen Alleingang

Auf Initiative ausgerechnet des sich sonst gern als Anwalt des Mittelstandes gebenden FDP-Abgeordneten Björn Sänger wurden am 6. Juli für die Regierungsvorlage zur Beschlussfassung durch den Deutschen Bundestag nach der Sommerpause diese fünf Prozent auf zehn Prozent erhöht - im deutschen Alleingang ab 2012.

Nun ist es so, dass im deutschen Verbriefungsmarkt, zumal bei der Mittelstandskreditverbriefung, nie das US-Subprime-Mortgage-Geschäftsmodell OTD (originate to distribte) praktiziert wurde, sondern immer die mildere Variante des "originate and distribute", Ausplatzierung also irgendwann mal deutlich später nach Origination und auch nur teilweise, je nach sich bietenden alternativen Refinanzierungsoptionen. Der Selbstbehalt von fünf Prozent und auch nicht seine Anhebung auf nun zehn Prozent wird also zunächst keine deutsche Bank stören, da man ohnehin einen relativ ausgeprägten Selbstbehalt schon pflegte.

Die grundsätzlichere Frage, die sich stellt, ist, ob die für das US-Subprime-Mortgage-Segment zutreffende negative Wertung auch für den europäischen Verbriefungsmarkt angezeigt erscheint und eine Regulierung in Richtung Selbstbehaltauflage überhaupt hätte nahelegen müssen, egal ob fünf oder zehn Prozent.

Wie Professor Thomas Heidorn auf der Frankfurter TSI-Veranstaltung vom 23. Juni hervorhob, ist der auf Euro lautende europäische Verbriefungsmarkt in einem Volumen von über 1500 Milliarden Euro mit dem US-Subprime-Mortgage-Segment nicht entfernt zu vergleichen und weist nachhaltig robuste Strukturen auf, welche in ihrer Performance auch die Krise ab 2007 ohne die für das US-Subprime-Mortgage-Segment typischen Downgrading Kaskaden überstanden haben (Abbildung 2).

Explizit also: 95 Prozent der auf Euro lautenden Verbriefungen, die vor der Krise AAA geratet wurden, weisen immer noch ein AAA Rating auf! Diesen zugunsten des Euroverbriefungsmarktes entscheidenden Unterschied haben die Regulatoren in Brüssel und Berlin, die offenbar an nichts anderes als an das US-Subprime-Mort-gage-Segment denken können (in dem gerade deutsche Landesbanken leider reichlich zugelangt haben), in ihrem Regulierungseifer vollkommen aus den Augen gelassen.

Kontraproduktiv für Mezzanine-Verbriefungen

Wenn aber die Refinanzierungsnöte der europäischen Banken größer werden, wofür die Anzeichen sich mehren, wird die Neigung in Richtung früher und vollständiger Ausplatzierung von Verbriefungen sicher deutlich größer und dringlicher werden als sie bislang war. Spätestens dann wird eine gesetzliche Selbstbehaltauflage zum zusätzlichen Hindernis für das Finanzierungsangebot werden und der deutsche Zehn-Prozent-Alleingang zum Wettbewerbsnachteil für deutsche Banken.

Der Qualitätsaspekt, den die Regulatoren im Auge haben, lässt sich auf andere Weise als durch den nur die Kosten der Finanzierung unnötig treibenden Selbstbehalt sichern, nämlich durch strenge Transparenzauflagen beim Originator statt beim Investor. Richtig kontraproduktiv ist die Selbstbehaltsauflage für Mezzanine-Verbriefungen, bei denen der Interessenkonflikt zwischen dem besicherten Bankkreditgläubiger und dem nachrangigen Mezzanine-Investor für ein vollständiges Ausplatzieren von Anfang an spricht.

Das Exempel vom Selbstbehalt ist nur eines von zahlreichen Beispielen, die anzeigen, dass im Moment im parteipolitischen Wetteifer einander übertrumpfende Regulierung im Vordergrund steht, ohne dass ein ausgewogenes, stimmiges Gesamtkonzept vor Augen stünde. Das verunsichert nicht nur die Banken, sondern auch die Unternehmen. Eine Konsolidierung der öffentlichen Haushalte kann aber letztlich nur durch den Beitrag der Letzteren geleistet werden. Diese Einsicht sollte dem blinden Regulierungseifer deutlichere Grenzen setzen. Die Höhe des Selbstbehalts des Originators bei der Verbriefung bedarf keiner Regulierung. Dagegen sollte der Regulator für die Herstellung gleicher Augenhöhe zwischen Originator und Investor sorgen, die in der Zeit heißer Deals mit hohen Renditen auf angebliches AAA Papier nicht gegeben war. Der Investor erhielt keine Gelegenheit zu einer unabhängigen Beurteilung der Bonität des Underlying Collateral der Verbriefung und musste seine Zeichnung binnen Stunden hereinlegen, wenn er überhaupt dabei sein wollte. Dieses Ungleichgewicht muss und kann, auch zur laufenden Überprüfbarkeit der Bonität von Sekundärmarktwertpapieren, in unkomplizierter Weise korrigiert werden. Wenn es dann um OTD Deals geht, sollte der Investor von sich aus eine Risikobeteiligung des Originators in der ihm angemessen erscheinenden Form und Höhe durchsetzen können.

Michael Altenburg , Luzern, Schweiz
Noch keine Bewertungen vorhanden


X