Gespräch des Tages

Finanzkrise I Vertrauensbildung läuft anders

Es ist kaum zwei Monate her, als die damals gerade neu ins Amt eingeführte IWF-Chefin Christine Lagarde das böse Wort mit "R" in den Mund nahm - Rekapitalisierung. Auf einer Notenbankkonferenz Anfang August hat sie die europäischen Staaten aufgefordert, die Banken zwangsweise in substanziellem Umfang zu rekapitalisieren. Zuerst müsse es dabei um privates Kapital gehen, notfalls aber müssten öffentliche Mittel eingesetzt werden. Die Banken bräuchten angesichts der sich verschärfenden Staatenkrise in Europa über 200 Milliarden Euro. Es war nicht die Höhe dieser Zahl oder die Art der Berechnung, es war die Tatsache an sich, die einen Sturm der Empörung lostrat. Der Präsident der EZB, Jean-Claude Trichet, wies umgehend eine mögliche Liquiditätskrise bei Europas Banken öffentlich als "komplett falsch" zurück. Und auch das deutsche Finanzministerium widersprach der IWF-Chefin heftig und lehnte zusätzliche Maßnahmen zur Stärkung des Bankensektors ab. "Grundsätzlich teilen wir die Einschätzung von Trichet, dass die europäisch getroffenen Vorkehrungen zur Stabilisierung der Euro-Staaten und zur Stärkung auch der Widerstandsfähigkeit der Finanzsektoren eine Liquiditätskrise im europäischen Bankensektor verhindern, " so eine BMF-Sprecherin damals. So schnell ändern sich Zeiten und Meinungen. Anfang Oktober 2011 gelten Rekapitalisierungsmaßnahmen wieder als hoffähig - nicht nur in Reihen der oppositionellen Parteien. Selbst gestandene Mitglieder der Regierungsparteien denken laut über weitere Rettungseinsätze nach. Die Überlegungen reichen von über der Branche per Gießkannenprinzip ausgeschütteten Zwangsmaßnahmen wie damals in den USA über eine Wiederbelebung des SoFFin bis hin zu einem Einsatz des Europäischen Feuerwehrfonds EFSF. Und das alles nur, weil mehr und mehr die Erkenntnis reift, dass Griechenland wohl doch nicht zu retten ist und die mit Staatsanleihen vollgepackten Banken ein größeres Risiko darstellen als bislang angenommen. Was ist denn bitte schön mit den im Hochsommer so euphorisch verkündeten Ergebnissen des ersten von der neuen europäischen Bankenaufsichtsbehörde EBA durchgeführten Stresstests mit ach so harten Annahmen? Alles Makulatur. Im Zwang, sich in der Griechenland-Frage Zeit zu erkaufen, wird schön geredet, was schön geredet werden kann. Von den aufsichtsrechtlichen Mängeln, die eben diese Anlage in Staatstitel dank Nullanrechnung noch befördern, einmal ganz zu schweigen. Aber wer, wenn nicht die Finanzdienstleister würden sonst noch zur Finanzierung der Krisenländer Europas zur Verfügung stehen?

Die Branche selbst ist bislang ausgesprochen ruhig. Das ist im Zweifel gut so. Erstens hat man wirklich eine Menge solcher Papiere in den Büchern, die aufgrund von Herabstufungen durch die Ratingagenturen weniger wert werden. Zum Zweiten hat man gelernt, dass nichts mehr unmöglich ist. Nur über die mögliche Form der Beglückung mit Liquidität wird hier und da leise gesprochen. Eine Zwangsrekapitalisierung ist abzulehnen. Zum einen verletzt sie Eigentümerrechte und würde der Forderung der Rettung eben durch jene Eigentümer im Wege stehen. Zum anderen ist die Streubreite äußerst schwierig festzulegen. Wo fängt man an, wo hört man auf? Nimmt man in Deutschland nur die im Stresstest erfassten vermeintlich systemrelevanten 13 Institute? Dann würden Häuser wie eine IKB, eine Aareal Bank und Ähnliche gar nicht berücksichtigt. Was ist mit Volksbanken und Sparkassen, die die Versorgung des Mittelstands derzeit wieder einmal zum Großteil darstellen?

Genauso wenig dürfte der Einsatz des europäischen Rettungsschirms auf große Gegenliebe treffen, sind hier doch eher Wettbewerbsverzerrungen im internationalen Geschäft zu befürchten, da andere Länder wahrscheinlich sehr viel offensiver in der Inanspruchnahme wären, als die gewohnheitsmäßig sehr zurückhaltenden Deutschen. Bleibt eine Wiederbelebung des SoFFin: Das wäre für die Branche sicher die akzeptabelste Lösung, ließe sie ihr doch die Freiheit, selbst zu entscheiden. Allerdings läuft die Politik dann Gefahr, dass aus schamhafter Zurückhaltung und Sorge vor den Auflagen doch nicht alle Patienten zum Arzt gehen. Der SoFFin ist angesichts der Alternative einer Insolvenz des betroffenen Instituts, der Überführung in eine Brückenbank verbunden mit der stufenweisen Abwicklung für Vorstand und Mitarbeiter sicher das kleinere Übel. Doch ob nun die Vernunft größer wäre als beim ersten Einsatz, als die Inanspruchnahme von Garantien und Liquiditätshilfen doch überraschend spärlich ausgefallen ist?

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