Aufsätze

Der Diskussionsentwurf zur Reform des Investmentgesetzes - Anmerkungen aus Finanzierungssicht

Das Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat am 18. Januar 2007 einen Diskussionsentwurf für ein Gesetz zur Reform des Investmentgesetzes (im Folgenden Diskussionsentwurf) vorgelegt. Als Hintergründe für die Reformbemühungen können die Weiterentwicklung und die europäische Harmonisierung des Investmentrechts, der Wunsch nach einer weiteren Verbesserung des Verbraucherschutzes sowie nach Abgrenzung der Immobilienfonds von den in Deutschland geplanten Real Estate Investment Trusts (REITs), die Öffnung des Marktes für Infrastrukturfinanzierungen für die Fondsbranche und - nicht zuletzt - die von der Regierung wahrgenommene Krise der Offenen Immobilienpublikumsfonds genannt werden.

Banken als Muttergesellschaften tangiert

Wie auch in Heft 3-2007 dieser Zeitschrift nachzulesen, hat nicht nur die Fondsbranche vertreten durch den Bundesverband Investment und Asset Management (BVI) vorsichtig formuliert - verhalten auf den Diskussionsentwurf reagiert. Wenngleich der BVI, dessen Meinungsbildungsprozess primär im Rahmen des Immobilienausschusses stattfindet, der wichtigste Gesprächspartner der Regierung ist, betreffen die geplanten Änderungen bei den Offenen Immobilienpublikumsfonds die deutsche Kreditwirtschaft insgesamt, da die Banken als Muttergesellschaften der Kapitalanlagegesellschaften (KAGs) einerseits und wesentliche Vertriebsplattformen andererseits ein eigenes Interesse an einer weiterhin stabilen und prosperierenden Entwicklung dieses Vehikels haben müssen.

Nicht nur ist der finanzielle Beitrag aus dem Geschäft mit Offenen Immobilienpublikumsfonds substanziell, wenigstens ebenso bedeutsam sind mögliche Imageschädigungen der Banken bei Liquiditätskrisen der Fonds gegenüber den Privatkunden und der Öffentlichkeit insgesamt. In diesem Aufsatz wird auf der Grundlage einer Analyse möglicher Gründe für die krisenhaften Erscheinungen bei den Offenen Immobilienfonds die Bildung von sicherheits- und renditeorientierten Fonds als substanzieller Ansatz des Diskussionsentwurfes evaluiert.

Ursachen der Krise Offener Immobilienpublikumsfonds

Begreift man die Diskussion um die Offenen Immobilienpublikumsfonds im Zuge der Liquiditätsabflüsse bei einem Fonds aus dem Hause der Dekabank und die Schließung von drei Fonds aus dem Hause der Deutschen Bank sowie von Kan-Am und den insgesamt einhergehenden hohen Mittelabflüssen als krisenhafte Erscheinung, so kann bei den Ursachen zwischen produktexternen und produktimmanenten Faktoren unterschieden werden.

Zu den produktexternen Faktoren gehört zunächst der hohe Zufluss von Mitteln in den Jahren 2002 und 2003, der einerseits Ausdruck von mittel- bis langfristigen Vermögensumschichtungen seitens der Anleger im Zuge der Neubewertung von Aktien, welche an den Kapitalmärkten nach 2001 stattgefunden hat, war, andererseits aber auch Resultat von Zuflüssen gerade auch von institutionellen und semi-institutionellen Investoren nur mit kurzfristiger Investitionsabsicht.

Wertermittlung als Auslöser?

Die Annahme dieser kurzfristigen Gelder kann zugleich als produktimmanenter Faktor interpretiert werden. Sowohl die Vorschläge des BVI vom Januar 2006 als auch der Diskussionsentwurf haben sich mit dieser Thematik befasst. Die Umschichtung von Mitteln aus dem auf Deutschland bezogenen Fonds der Dekabank hin zum global investierenden Fonds aus dem gleichen Hause zeigen auch, wie stark die KAG von einer effektiven Vertriebssteuerung abhängig sein kann. Die Lage am deutschen Immobilienmarkt, insbesondere bei gewerblichen Nutzungen, kann als weiterer produktexterner Faktor der Krise ausgemacht werden, ebenso wie die Wiederbelegung der Aktienmärkte ab 2004.

Gerade aufgrund der Erfahrungen, welche mit der Schließung des Offenen Immobilienpublikumsfonds aus dem Hause der Deutschen Bank einhergingen, herrscht unter Fachleuten die Auffassung vor, dass die Form der Wertermittlung weder vor dem Hintergrund der seit Jahren gepflegten Diskussion um die richtige Methodik deutsche Wertermittlungsverfahren gegenüber "internationalen" Verfahren -, noch der angemessene Status der Sachverständigen in der Konstruktion der Fonds von Bedeutung für die Krise waren: Weder hat die bestehende Praxis der Wertermittlung die Krise verursacht, noch verhindert.

Extrem hohe Fristentransformation

Konstituierend für Offene Immobilienfonds ist die extrem hohe Fristentransformation zwischen der täglichen Fälligkeit der Zertifikate einerseits und der mitunter beschränkten Fungibilität der langfristig gehaltenen Vermögensgegenstände andererseits. Die bisherigen Regelungen aus dem geltenden InvG können dahingehend interpretiert werden, dass die mit dieser Konstruktion verbundenen Risiken eines Banken-Runs durch Vermeidung (etwa Beschränkung auf Ertragsobjekte, Beschränkung der Projektentwicklung) und Vernichtung (primär durch Diversifikation) von Risiken über die Bewertung der Werthaltigkeit der Zertifikate auf ein marktgängiges Maß reduziert werden.

Banken-Runs können in Folge von Unsicherheit über die Bewertung der Zertifikate durch die Anleger entstehen, und diese Unsicherheit über die Bewertung der Anteile ist unabhängig von Fragen der Wertermittlung der gehaltenen Grundstücke. Die Unsicherheit der Bewertung bezieht sich zum einen auf die Risiken bei den gehaltenen Vermögensgegenständen und zum anderen auf die mit dem Handlungsspielraum der KAG verbundenen Risiken für die Anleger.

Nicht für themenorientierte Investitionen geeignet

Offene Immobilienpublikumsfonds sind aufgrund der hohen Fristentransformation nicht für themenorientierte Investitionen geeignet, weil dann Portfolioumschichtungen der Anleger zu Liquiditätsabflüssen bei den Fonds führen können. Die Krise beim deutschlandbezogenen Fonds der Dekabank kann auch aus dieser Perspektive betrachtet werden, als mit der Auflage des zweiten, eher global investierenden Fonds zwei Themenfonds - wenn auch nur in sehr rudimentärer Form - gegeben waren und die Umschichtungen begannen.

Am 20. April 2005 versendete das BMF ein Konsultationspapier zur Novellierung des InvG, dessen Beantwortung durch Vertreter der Immobilienbranche eine Grundlage für den Diskussionsentwurf vom Januar 2007 wurde. Das BMF war zum Zeitpunkt der starken Liquiditätsabflüsse mitten in der Entwicklung einer REIT-Struktur für Deutschland. Es war der politische Wunsch, den REIT-Gesetzentwurf so weit wie möglich voran zu treiben, ehe die Reform des Investmentgesetzes angegangen wird.

Möglichkeiten einer Reform der Offenen Immobilienpublikumsfonds

Erfasst man die Fristentransformation als konstituierendes Element der Fonds und den Fall des Banken-Runs als zu vermeidendes Risiko, so ergeben sich grundsätzlich drei zunächst unabhängige Möglichkeiten für Reformansätze. Es kann erstens die Fungibilität der gehaltenen Vermögensgegenstände erhöht werden, zweitens die Bewertungsunsicherheit reduziert und drittens die tägliche Fälligkeit der Zertifikate eingeschränkt werden.

Erhöhung der Fungibilität: Die erste Möglichkeit führt im Ergebnis zu einem Fonds, der nicht direkt in Immobilien investiert, sondern in REITs. Dies wäre kein Dachfonds, sondern ein Offener Aktienfonds, der in bestandshaltende Immobilienaktien investiert. Diese Möglichkeit ist bereits rechtlich gegeben und stellt eine Alternative zu den Offenen Immobilienfonds dar. In dieser Konstruktion können die REITs die immobilienbezogenen und die Fonds die portfoliobezogenen Dienstleistungen für die Anleger leisten. Dieser Schritt kann auch als eine Normalisierung des Fondsgeschäfts interpretiert werden, als ein auf die Autoindustrie fokussierter Aktienfonds auch nicht selbst Autos produziert, sondern in Autoaktien investiert. Der Offene Immobilienfonds würde im Vergleich zu anderen Aktienfonds quasi erwachsen werden.

Diese Konstruktion hat auch den Vorteil, dass aufgrund der hohen Fungibilität zumindest börsengehandelter REITs auch der Fonds selbst themenorientiert - zum Beispiel nach Immobiliennutzungsarten oder Regionen differenziert - investieren kann. An dieser Stelle zeigt sich auch, dass REITs wenn überhaupt, dann nur in sehr beschränktem Maß mit Offenen Immobilienfonds in Konkurrenz treten, weil nicht das im Bestand gewählte Risikomaß der entscheidende Unterschied zwischen diesen Anlagevehikeln ist, sondern die jeweilige Konzentration auf die Kernkompetenz der immobilienbezogenen Dienstleistungen bei den REITs und der portfoliobezogenen Dienstleistungen bei den Offenen Fonds, die in dieser Hinsicht die Funktion einer Kapitalsammelstelle übernehmen.

Primär von Kapitalsammelstellen gehalten

Die amerikanische Erfahrung mit REITs zeigt, dass diese primär von Kapitalsammelstellen gehalten werden. Auch ist das Argument, REITs würden mehr die Performance von Aktien, als jene von Immobilienbeständen abbilden, nur bei einem kurzfristigen Betrachtungshorizont richtig. Mittelfristig orientiert sich die Bewertung der REITs an ihren inneren Substanzwerten (Net Asset Value), sodass - hierzu gibt es empirische Evidenz - bei einer fünfjährigen Betrachtung, REITs und folglich in REITs investierende Fonds die Performance von Immobilien abbilden.

Wenngleich der REITs haltende Aktien-Im-mobilien-Fonds mehr als eine akademische Möglichkeit ist, reicht diese Lösung jedoch nicht aus, weil einerseits die Anleger gern in Immobilien haltende Offene Fonds investieren und andererseits der Markt auch angebotsseitig entsprechend aufgestellt ist. Es verbleiben daher die beiden anderen genannten Möglichkeiten.

Reduktion der Bewertungsunsicherheiten: Dies ist die Lösung, welche mit dem Vorschlag der sicherheitsorientierten Fonds aus dem Diskussionsentwurf in Verbindung gebracht werden kann. Die Reduktion der Bewertungsunsicherheit erfolgt dabei durch die Auferlegung eines recht engen Handlungsspielraums für die KAG. Anlagevehikel unterscheiden sich nach dem jeweiligen Handlungsspielraum, welche die Anleger der Verwaltung mittels des Vehikels einräumen. Im Falle der Offenen Immobilienfonds ist der Handlungsspielraum durch die Regulierungen des InvG beschränkt und REITs erfahren die Beschränkung des Handlungsspielraums durch die steuerlichen Bestimmungen.

Handlungsspielraum als Determinante der Kapitalkosten

Hedge-Fonds sowie Private-Equity-Fonds verfügen über einen sehr weiten Handlungsspielraum. Der von den Anlegern eingeräumte höhere Handlungsspielraum ist für diese mit erhöhten Risiken verbunden, weswegen Anleger bei diesen Vehikeln eine dementsprechend höhere Rendite erwarten. Der Handlungsspielraum eines Investitionsvehikels ist folglich für die Kapitalkosten determinierend. Die Abbildung zeigt diesen Zusammenhang auf.

Das Finanzierungspostulat lautet also wie folgt: Reduziere so weit wie möglich den Handlungsspielraum eines Finanzierungsvehikels zur Minimierung der Kapitalkosten. Oder anders: Der vom Vehikel gebotene Handlungsspielraum soll von den Agenten voll ausgenutzt werden, bezahlt wird er sowieso. Der Handlungsspielraum ist damit die Kategorie, mit welcher erklärbar wird, wieso eigentlich Eigenkapital unabhängig von den finanzierten Aktiva teurer als Fremdkapital ist. Es stellt sich die Frage nach dem geringst möglichen Handlungsspielraum für das Halten von Immobilienbeständen.

Richtige Richtung

Möglicherweise ist der Diskussionsentwurf an der einen oder anderen Stelle bei der Formulierung des sicherheitsorientierten Fonds über das Ziel hinausgegangen, die Richtung aber stimmt. Erst mit angemessen reduziertem Handlungsspielraum ergeben sich hinreichend geringe Kapitalkosten, die zugleich Voraussetzung für Markterfolge der Fonds sind. Offene Immobilienfonds schulden ihren Erfolg primär den geringen Kapitalkosten, denn nur mit diesen können sie im Wettbewerb mit anderen Investoren um die Immobilien zum Zuge kommen. Regulierung wird vom BVI scheinbar recht generell als ein den unternehmerischen Impuls der KAG störendes Element und nicht als Voraussetzung für geringe Kapitalkosten empfunden, doch dies ist Ausdruck der Haltung von Immobilien-, und nicht von Finanzprofis. Der sicherheitsorientierte Fonds ist die in Paragrafen gegossene Rückbesinnung auf die Erfolgsfaktoren der deutschen Offenen Immobilienfonds.

Reduktion der Fälligkeit der Zertifikate: Diese Lösung entspricht den Vorstellungen der Branche, vertreten durch den BVI. Der Diskussionsentwurf formuliert diese Lösung in Form des renditeorientierten Fonds. Zwar wird auch hier der Handlungsspielraum etwas eingeschränkt, doch bleibt er sowohl was Projekte als auch was die Investition in Emerging Markets angeht, relativ hoch. Der Diskussionsentwurf bietet Möglichkeiten, die Rücknahme der Anteile bei renditeorientierten Fonds zu beschränken. Es ist fraglich, ob der Markt, insbesondere jener der Kleinanleger, dieses Produkt annehmen wird.

Finanzierungsvehikel sind stets eine Kombination aus Zahlungs-, Informations- und Mitbestimmungsrechten. Offene Immobilienfonds geben den Anlegern in ihrer Grundstruktur keinerlei Mitbestimmungsrechte, was angesichts der Zahlungsansprüche (tägliches Rückgaberecht) offensichtlich angenommen wird. Sobald diese Zahlungsansprüche allerdings beschränkt werden, kommt die Frage auf, ob das Vehikel ohne Mitbestimmungsrechte seitens der Anleger noch annehmbar ist.

Würde man zusätzlich Mitbestimmungsrechte formulieren, würde das Produkt den Charakter Geschlossener Fonds, bei zusätzlicher Börsennotierung der Fonds, was an der Berlin-Bremer Börse bereits Realität ist, eher den von REITs annehmen. Es ist fraglich, ob sich angesichts der mit dem erhöhten Handlungsspielraum verbundenen erhöhten Kapitalkosten das Produkt des renditeorientierten Offenen Immobilienfonds gegenüber den sicherheitsorientierten Fonds einerseits und den Immobilienaktienfonds andererseits wird durchsetzen können. Der Diskussionsentwurf geht mit dem Aufzeigen der beiden Alternativen (sicherheits- und renditeorientierte Fonds) den Weg, diese Entscheidung dem Markt zu überlassen.

Appell an den finanztechnischen Sachverstand

Finanzierungstheoretisch betrachtet ist der Diskussionsentwurf mit seinen zwei Varianten Offener Immobilienpublikumsfonds wesentlich besser, als die Resonanz der Immobilienbranche vermuten lässt. Die Kritik der Immobilienbranche einschließlich der des BVI kann dahingehend interpretiert werden, dass der Offene Fonds zu wenig als Finanzierungsvehikel verstanden wird, welches gerade aufgrund seines beschränkten Handlungsspielraums Fremdkapitalcharakter erhält und so seinen Erfolg auf preiswerte Kapitalkosten begründet. Die Banken sind als Muttergesellschaften und Vertriebspartner der KAGs aufgerufen, ihren finanztechnischen Sachverstand in die Diskussion um die Reform des Investmentgesetzes einzubringen.

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