Gespräch des Tages

Deutsche Börse - Kleine Schritte

Für die Deutsche Börse ist es eine Zeit der Bewegung. Zunächst einmal im ganz physikalischen Sinne. Gerade nämlich ist die gesamte Belegschaft des Handelsplatzbetreibers, die kurzfristig auf mehrere Standorte verstreut war, in die neue Firmenzentrale "The Cube" umgezogen. Bei dieser wurde nicht mit Spektakulärem gegeizt: Etwa bewegt man sich in rasanter Geschwindigkeit die knapp 90 Meter bis in den obersten Stock - auf Wunsch im Panorama-Aufzug oder für Höhenangst-Geplagte auch gerne ohne Rundumblick. Ein bis zum Dach reichendes Atrium trennt die beiden Gebäudeteile, zwischen denen man über schmale Brücken pendeln kann. Bei all diesm Prunk geht fast vergessen, dass mit dem aufwendigen Umzug eigentlich Steuern gespart werden sollen.

Viel mehr aber muss sich die Börse bei ihrer Aufstellung bewegen. Denn das bislang - so darf man rechtens sagen - erfolgreiche Modell wird für die Jahre 2011 ff. nicht mehr genug Potenzial hergeben, um internationalen Wettbewerbern wie Bats oder Chi-X dauerhaft Paroli bieten zu können, Marktanteile gehen verloren. Obendrein gingen die Schritte der jüngeren Vergangenheit nicht immer ganz in die richtige Richtung. Insbesondere bei der 2007 erworbenen US-amerikanischen International Securities Exchange findet sich keine brauchbare wirtschaftliche Basis - auch 2010 werden wieder deutliche Abschreibungen nötig sein.

Umso mehr durfte man gespannt sein, was der Vorstandsvorsitzende Reto Francioni pünktlich zum Einzug in das neue Gebäude zu verkünden hatte: Zum einen sollen Instrumente zur Minimierung von Marktrisiken, Angebote für den OTC- und den Interbankenhandel zum Management des Kontrahentenrisikos sowie Systeme zur Minimierung der operationellen Risiken angeboten werden. Mit anderen Worten: Risikomanagement wird ein neues Standbein der Börse. Dass der Markt hier einiges Potenzial bieten dürfte, lässt sich leicht aus den Schlagzeilen der vergangenen Monate herauslesen. Ebenso richtig ist zum zweiten der Schritt, den außerbörslichen Markt sowie Schwellenländer als Wachstumsmärkte stärker als bislang erschließen zu wollen - woanders dürfte in den kommenden Monaten kaum signifikantes Wachstum zu erwarten sein.

Gleich eine neue Unternehmensstrategie stellen beide Maßnahmen freilich nicht dar. Die braucht der Marktbetreiber aber vielleicht auch gar nicht. Denn für die Deutsche Börse könnte gerade der OTC-Markt entscheidend sein - und zwar unabhängig davon, wie er sich entwickelt. Denn zum einen kann man dort mit den neuen Dienstleistungen, zusätzlich zum hauseigenen MTF Xetra International, teilhaben, ohne sich dabei direkt mit den effizienteren Chi-X & Co. messen zu müssen. Zum anderen dürfte der ureigene Teil der Börse sicherlich auch von den derzeitigen Bestrebungen der internationalen Politik profitieren, Handelsgeschäft wieder stärker in die regulierten Märkte zu bringen (siehe auch Börsen in diesem Heft). Dann könnte man, anders als die reinen MTFs, die "over the counter" gewonnenen Kunden wieder auf die traditionellen Plattformen schleusen. Und da ist die Deutsche Börse gut aufgestellt.

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