Gespräch des Tages

BVI - Sendestörungen

Sollte der Bundesverband Investment und Asset Management BVI seinen Sitz nach Berlin verlagern, um mit seiner Lobbyarbeit gleich vor Ort die Bundesregierung und die parlamentarischen Entscheidungsträger mit hoffentlich schlagkräftigen Argumenten überzeugen zu können? Schon angesichts der Ballung von BVI-Mitgliedshäusern in Frankfurt sollte man eine solche Erörterung der Standortfrage dem aktuellen Diskussionsstand nach nicht allzu hoch hängen. Denn man muss sich grundsätzlich fragen, ob ein größerer Vorteil darin liegt, die vorhandenen Fühlungsvorteile am Main bei der verbandsinternen Meinungsbildung nutzen zu können oder in Berlin einfacher als bisher den persönlichen Kontakt an dem - neben Brüssel - wichtigsten Ort der branchenrelevanten politischen Entscheidungen pflegen zu können. Dass das Thema einer möglichen Verlagerung des Hauptsitzes des BVI in der Jahrespressekonferenz überhaupt angesprochen wurde, unterstreicht indes die derzeitigen Befindlichkeiten der deutschen Fondsbranche. Sie fühlt sich von der Berliner und Brüsseler Politik schlechter wahrgenommen als die Interessenvertreter anderer Anlageprodukte. Und sie ist gewillt, dieses Aufmerksamkeitsdefizit in absehbarer Zeit zu beheben. Der deutsche wie der europäische Gesetzgebungsprozess, so der spürbare Konsens, soll künftig intensiver vor Ort begleitet werden.

Allgemein, so hat es Thomas Neiße als neuer Präsident angedeutet, ist man im BVI übereingekommen, künftig ein wenig lauter die Stimme zu erheben. Als einleitende Übung hat er gleich einmal verdeutlicht, welchen Stellenwert die Fondsindustrie in der deutschen Volkswirtschaft beansprucht. Mit den im Berichtsjahr auf gut 1 701 Milliarden Euro gestiegenen Assets under Management, rund 12 000 Mitarbeitern bei den Kapitalanlagegesellschaften direkt, über 300 000 Beschäftigten im Fondsvertrieb und weiteren Mitarbeitern rund um das Fondsgeschäft bei spezialisierten Depotbanken, bei Wirtschaftsprüfern oder in Kommunikationsberufen umschreibt er die Bedeutung für die Vermögensbildung und Altersvorsorge sowie für die Finanzierung von Unternehmen und staatlichen Einheiten. Wie tief die Informationsdefizite oder die mangelnde Verankerung der Grundlagen offenbar empfunden werden, zeigt zudem der Verweis auf die gesetzlich verankerte Produktqualität der Investmentfonds. Angefangen von der Konkurssicherheit über den per Investmentgesetz vorgesehenen Anlegerschutz, der festgelegten Risikostreuung, der Transparenz und Vergleichbarkeit der Produktinformation bis hin zur regulierten Preisermittlung werden Kriterien betont, die für ein vermeintliches Basisprodukt der Finanzdienstleistungsbranche eigentlich längst bekannt sein sollten.

Wieder Vertrauen gefasst haben in erster Linie die "institutionellen Formate". Spezialfonds mit einem Nettomittelaufkommen von 31 Milliarden Euro im Berichtsjahr sowie die Vermögen außerhalb von Investmentfonds mit 18,1 Milliarden Euro haben nämlich 2009 im Wesentlichen das Neugeschäft getragen. Publikumsfonds hingegen verzeichnen angesichts des Abflusses von rund 30 Milliarden Euro aus Geldmarktfonds lediglich ein Plus von 2,1 Milliarden Euro. Dabei wird in dieser Kategorie erstens ein zunehmender Anteil an institutionelle Anleger verkauft, und zweitens spielen die florierenden ETFs eine immer größere Rolle und tragen wesentlich das Neugeschäft. Beim stark wie lange nicht mehr gestiegenen Nettomittelaufkommen der Aktienfonds von 14,6 Milliarden Euro macht das etwa die Hälfte aus. Auch vor diesem Hintergrund ist es keine Überraschung, dass der BVI offensiv um weitere ETF-Anbieter als Mitglieder wirbt.

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