Leitartikel

Bunte Welt

Vor rund fünf Jahren, als absehbar wurde, dass die damals gerade beginnende Krise große Kreise ziehen würde, war der Reflex verständlich: Viele europäische und mithin auch die deutschen Banken zogen sich zumindest teilweise in ihren Heimatmarkt zurück. Ausländische Beteiligungen wurden aufgegeben, Niederlassungen geschlossen und Joint Ventures liefen aus. Im Sinne der Reduktion von Komplexität und Risiken war dieser Rückzug in vielen Fällen sinnvoll - und nicht selten war er Teil der von den Regulatoren auferlegten Restrukturierungsmaßnahmen. In der Statistik der Deutschen Bundesbank zeichnen sich diese Bewegungen folgendermaßen ab:

Das Geschäftsvolumen der als Tochtergesellschaften organisierten Auslandsaktivitäten belief sich nach 591 Milliarden Euro zum Jahresende 2007 auf 496 Milliarden Euro im August 2013. Die Kredite an Nichtbanken gingen bei den Auslandstöchtern von 264 Milliarden Euro (Ende 2007) auf 224 Milliarden Euro (August 2013) zurück. Deutlicher wird die Richtung noch bei den Auslandsfilialen deutscher Banken: Bei ihnen gingen die Kredite an Nichtbanken im selben Zeitraum sogar von 1 067 Milliarden Euro (Dezember 2007) auf 534 Milliarden Euro (August 2013) zurück. Zum Jahresende 2007 belief sich die Bilanzsumme der Auslandsfilialen auf 2 042 Milliarden Euro, 2008 waren es nur noch 1 716 Milliarden Euro, 2009 wurde ein vorläufiger Tiefststand von 1 462 Milliarden Euro erreicht, zum August 2013 erhöhte sich der Wert wieder auf 1 813 Milliarden Euro.

Gerade an der letzten Zahl lässt sich jedoch auch erkennen: Die Tendenz des Rückzugs auf den Heimatmarkt lässt nach, Gegenbewegungen sind vorhanden. Denn dass der deutsche Markt an Wettbewerbsintensität nicht arm und die Margen eher klein sind, gilt nach wie vor. Es ist in diesem Sinne legitim, wenn Kreditinstitute den Weg ins Ausland und in potenziell ertragsträchtigere Regionen der Welt analysieren und gegebenenfalls umsetzen. In einem ersten Schritt kann es sich keine Bank leisten, ihre eigenen Kunden nicht kompetent bei Auslandsgeschäften zu begleiten. Das Spektrum an Dienstleistungen ist bereits in diesem Bereich groß: Es umfasst den Zahlungsverkehr, die Finanzierung des Vorhabens und die Absicherung von typischen Risiken, wie beispielsweise des Währungsrisikos, aber auch weitgehende Beratung und zusätzliche Informationen etwa über mögliche Fördermittel. Der zweite Schritt, in diesem Sinne die Kür nach der Pflicht, sind Geschäftsabschlüsse mit ausländischen Unternehmen - beispielsweise in deren Heimatmärkten oder als Bankpartner für Geschäftsvorhaben in Deutschland.

Diese Überlegungen gelten freilich nicht nur in die eine Richtung, sondern auch für ausländische Banken, die auf den deutschen Markt drängen. Denn auch wenn der Wettbewerb hierzulande als hart empfunden wird, so ist es doch einerseits als ausländische Bank unerlässlich, in einer der stärksten Volkswirtschaften vertreten zu sein. Andererseits können auch die Besonderheiten des deutschen Marktes - sehr zum Leidwesen der hiesigen Marktteilnehmer - ausländischen Anbietern fein entgegenkommen: So nutzen beispielsweise spanische oder niederländische Banken das eher niedrige Niveau von Einlagenzinsen in Deutschland für eine im Vergleich zum Heimatmarkt vergleichsweise günstige Refinanzierung über Kundeneinlagen. Besonders ärgerlich ist das freilich für die regional orientierten Primärbanken der Finanzverbünde, die unter diesem Konditionenwettbewerb zu leiden haben und denen aufgrund ihrer besonderen Strukturen die Festlegung auf den umkämpften Heimatmarkt in den Genen liegt.

Für den internationalen Antritt braucht die Primärstufe Partner: Die weltweite Begleitung der mittelständischen Unternehmen, bei denen die Sparkassen und Genossenschaftsbanken hohe Marktanteile verzeichnen können, wird in der genossenschaftlich organisierten Säule der Kreditwirtschaft weitgehend über die Zentralinstitute DZ Bank und WGZ Bank abgewickelt. Diese sind mit Filialen, Repräsentanzen und Beteiligungen vertreten und bauen im Zahlungsverkehr auf ein Netz an Korrespondenzbanken. Bei den Sparkassen wird das Geschäftsfeld über zahlreiche Kooperationen und Initiativen abgedeckt. Eine der prominenteren ist das S-Country-Desk. Insgesamt führt die S-Finanzgruppe ein Netzwerk in rund 100 Ländern. Jedes dieser Länder wird in allen Dienstleistungen von einer ausgewählten großen Sparkasse oder Landesbank betreut.

Die Auftritte der Landesbanken selbst sind ebenfalls vielfältig. Die größte Landesbank LBBW etwa ist mit Auslandsstandorten in Europa, Amerika und Asien vertreten. Weiterhin verfügt sie über eine Universalbank in Tschechien und eine Finanzierungsgesellschaft in Mexiko. Bei der Bayern-LB sind es Niederlassungen in London, Mailand, Paris und New York, eine Repräsentanz in Moskau und eine Banktochter in Ungarn, die ihr seit Jahren wenig Freude bereitet. Alleine diese Aufzählung, die keinen Anspruch auf Vollständigkeit erhebt, macht klar: Das Prinzip des Zusammenwirkens von Spezialisten aus den verschiedensten Disziplinen der Finanzwirtschaft unter dem Dach des Finanzverbundes funktioniert im Allgemeinen gut, führt aber im internationalen Geschäft ob der Vielschichtigkeit der Anbieter naturgemäß zu einem heterogeneren Marktauftritt.

Anders die Großbanken: Diese können unter der Konzernmarke ebenso wie unter anderen Marken der Enge des Heimatmarktes entfliehen und sich in anderen Ländern um margenträchtigere Geschäfte bemühen. Die Deutsche Bank beispielsweise expandiert je nach Geschäftsfeld an ausgewählten Stellen, das zeigen zwei kleine Beispiele: sie erhielt jüngst eine Genehmigung der China Banking Regulatory Comission, in der Freihandelszone Schanghai eine neue Niederlassung zu eröffnen, die Unternehmenskunden und Finanzinstitute in der Region betreuen soll. Mitte des Jahres eröffnete sie ein Vertriebsbüro in Ghana. In Europa wiederum umfasst das gesamte Vertriebsnetz des Instituts 848 Filialen, 242 Agenturen, plus rund 16 300 Postfilialen in Italien und Spanien. Insgesamt erzielte die Geschäftseinheit Private and Business Clients der Deutschen Bank 2012 ein Drittel des Vorsteuergewinns aus dem internationalen Geschäft. Für die Commerzbank spielen die in einem eigenen Konzernsegment eingegliederten Aktivitäten in Osteuropa unter der neuen Marke M-Bank (früher Bre Bank) eine entscheidende Rolle. Daran rüttelte die Bank nicht einmal während der Finanzkrise (zumindest nicht ganz grundsätzlich), obwohl sie gemäß der von Brüssel verordneten Maßnahmen ihre Bilanzsumme um rund die Hälfte von 1 100 Milliarden Euro auf etwa 600 Milliarden Euro reduzieren musste. Die Hauptgeschäftsfelder dieser Gruppe bilden das Privatkundengeschäft mit er gänzenden Direktbankeinheiten in Polen, der Tschechischen Republik und der Slowakei sowie das Firmenkundengeschäft.

Als Antwort auf den anhaltenden Kosten- und regulatorischen Druck wird in den Großbanken zunehmend über eine stärkere Vernetzung des deutschen und internationalen Geschäfts nachgedacht. Warum Dinge zweimal vorhalten müssen und nicht einfach nach Best Practice die bestmöglichen Prozesse beziehungsweise Plattform innerhalb des Konzerns für alle Geschäfte dieser Art nutzen. Klingt fast zu einfach.

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